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didacta 03/20

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Schule<br />

besser kann, als Menschen. Das bedeutet: Ein<br />

Mensch, der Dreisatz rechnen kann, versteht<br />

auch einen Witz oder kann lernen, wie man gut<br />

Schafkopf spielt. Ein KI-System kann nur eine<br />

ganz bestimmte Sache gut. Man bräuchte demnach<br />

jeweils ein eigenes KI-System für Dreisatz,<br />

eines für Witze, eines zum Schafkopfspielen.<br />

Monster und Roboter<br />

KI sollte als Thema in verschiedenen Fächern<br />

aufgegriffen werden. In Religion oder Ethik<br />

lässt sich die Frage diskutieren, ab wann und<br />

ob überhaupt Menschen einer Maschine ein<br />

eigenes Bewusstsein zusprechen können oder<br />

wollen. Es können Unterschiede und Gemeinsamkeiten<br />

zwischen einem künstlich erschaffenen<br />

Menschen wie Frankensteins Monster<br />

und einem humanoiden, also menschenähnlichen,<br />

Roboter gesucht werden. Im Fremdsprachunterricht<br />

können die Schüler/-innen<br />

prüfen, wie gut maschinelles Übersetzen,<br />

beispielsweise mit Google Translator, funktioniert:<br />

Sie werden sehen, dass bei einem<br />

Satz wie „The doctor who visited the station<br />

was very young“ das Pronomen „who“ als<br />

„der“ übersetzt wird. Ersetzen sie „doctor“<br />

durch „nurse“, wird das Pronomen dagegen<br />

mit „die“ übersetzt. Der Übersetzer hat hier<br />

also einen „Gender-Bias“, ein Vorurteil – Ärzte<br />

werden als männlich, Krankenpfleger als weiblich<br />

angenommen. Das liegt daran, dass die<br />

Daten, aus denen das Übersetzungsprogramm<br />

gelernt hat, diesen Bias enthalten.<br />

In gesellschaftswissenschaftlichen Fächern<br />

kann die Lehrkraft mit der Klasse diskutieren,<br />

in welchen Berufen Künstliche Intelligenz – als<br />

Software oder in einem Roboter – Menschen<br />

bald oder in fernerer Zukunft ersetzen wird. Es<br />

wird sich herausstellen, dass stark regelbasierte<br />

Berufe wie Steuerberater einfacher zu ersetzen<br />

sind, während handwerkliche und soziale Berufe<br />

sich eher schwer ersetzen lassen.<br />

Bislang zielt ein Großteil der KI-Forschung<br />

auf voll automatisierte, autonome Systeme<br />

ab. Zunehmend wird erkannt, dass in vielen<br />

Bereichen ein partnerschaftliches Miteinander<br />

von KI-System und Mensch notwendig<br />

und sinnvoll ist. Notwendig, wo menschliches<br />

Erfahrungswissen gefragt ist. Sinnvoll, wo es<br />

wichtig ist, dass menschliches Miteinander<br />

erhalten bleibt, etwa in der Pflege oder in<br />

der Schule: So kann ein Pflegeroboter beim<br />

Umbetten oder bei der Körperpflege unterstützen.<br />

Ein Gespräch führen oder ein Spiel spielen<br />

möchte man lieber mit einem Menschen. Auch<br />

in der Schule sollte KI dazu eingesetzt werden,<br />

Lehrkräfte zu entlasten, aber sie keinesfalls<br />

ersetzen.<br />

KI zur Überwachung – auch in der Schule?<br />

Ebenfalls in den Gesellschaftswissenschaften<br />

können Schülerinnen und Schüler diskutieren,<br />

in welchen Bereichen Programme bereits über<br />

wichtige Lebensbereiche entscheiden. Entscheidungen<br />

über Kreditvergaben beruhen schon<br />

seit vielen Jahren auf sogenannten Scoring-<br />

Algorithmen, bei denen Menschen aufgrund<br />

bestimmter Kriterien wie Alter, Verdienst oder<br />

Wohnort auf ihre Kreditwürdigkeit hin bewertet<br />

werden. Zukünftig könnten auch Krankenversicherungstarife<br />

oder die Einladung zu einem<br />

Vorstellungsgespräch von KI-Algorithmen beeinflusst<br />

werden. Hierzu können KI-Systeme personenbezogene<br />

Daten sowie Verhaltensdaten, wie<br />

sie über Smartwatch, Handy oder Suchverläufe<br />

im Internet erfassbar sind, nutzen.<br />

Auch in der Schule könnten solche Ansätze Einzug<br />

halten. Je mehr Lernprozesse digitalisiert<br />

werden, desto mehr Daten lassen sich erfassen.<br />

So könnten persönliche Informationen wie<br />

Geschlecht, Herkunft und Leistungen in Tests<br />

zusammen mit Daten wie Lesedauer einer Seite<br />

oder der Beteiligung an Diskussionsforen verwendet<br />

werden, um vorherzusagen, ob eine<br />

Schülerin oder ein Schüler ein Fach oder ein<br />

Schuljahr erfolgreich abschließen wird. Dieses<br />

sogenannte „Learning analytics“ können<br />

Lehrkräfte nutzen, um frühzeitig Förderbedarf<br />

zu erkennen. Solche Funktionen können aber<br />

auch missbraucht werden, um Schülerinnen<br />

oder Schüler auszusortieren. Es liegt an uns,<br />

zu entscheiden, ob KI Schule zu einer rein auf<br />

Effizienz und Optimierung ausgerichteten Lernfabrik<br />

macht, oder ob KI so eingesetzt wird, dass<br />

Lehrkräfte entlastet werden – und mehr Zeit für<br />

individuelle Förderung entsteht.<br />

DIE AUTORIN<br />

Ute Schmid ist Professorin für Kognitive<br />

Systeme an der Universität Bamberg.<br />

Seit mehr als 15 Jahren lehrt und forscht<br />

sie zu Künstlicher Intelligenz.<br />

Foto: J. Schabel, Universität Bamberg<br />

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