Jubiläumsbeilage vom 24. März 2011 (PDF) - Morgen im Landboten
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DER LANDBOTE<br />
DONNERSTAG, <strong>24.</strong> mäRz <strong>2011</strong> 175 JAhRE LANDBOTE l 33<br />
Der «Landbote» rund um die Uhr<br />
Intuitiver Lokalchronist<br />
Die Geschichte klingt banal: Der Landi-Laden<br />
an der Schaffhauserstrasse<br />
in Winterthur geht zu. Ein «Landbote»-Redaktor<br />
hat diese Information<br />
als Kunde erhalten. Lokalredaktor<br />
David Herter sagt in der Ressortsitzung<br />
um 9.30 Uhr, er wolle die Gründe<br />
dafür herausfinden. Er hat eine<br />
persönliche Beziehung zu diesem Geschäft,<br />
erinnert sich, wie er als Siebenjähriger<br />
<strong>im</strong> Andelfinger Volg, der zur<br />
gleichen Gruppe gehört, Milch kaufen<br />
ging. Ihm gefällt zudem das Sort<strong>im</strong>ent<br />
der Landi-Läden, das ursprünglich<br />
auf Bauern ausgerichtet war. «Da<br />
erhält man gute Gummistiefel, Mausefallen,<br />
aber auch Orangensaft <strong>im</strong><br />
Multipack.»<br />
Der 39-Jährige ist zwar nicht in<br />
einem bäuerlichen Milieu aufgewachsen.<br />
Seit er mit seiner Partnerin und<br />
den zwei kleinen Kindern in Agasul,<br />
einem Weiler von Illnau-Effretikon,<br />
in einem Bauernhaus wohnt und dieses<br />
selbst umbaut, weiss er praktische<br />
Produkte zu schätzen.<br />
Zuerst klärt Herter mit dem Pressesprecher<br />
der Fenaco-Landi-Gruppe<br />
ab, ob der «Landbote» mit dem<br />
Verkaufspersonal sprechen und <strong>im</strong><br />
Laden fotografieren darf. Kurz darauf<br />
ist er vor Ort in der Landi an der<br />
Schaffhauserstrasse.<br />
12<br />
11<br />
Er merkt, dass<br />
1<br />
die Verkäufe- 11<br />
10 2<br />
rin eigentlich<br />
9<br />
3 unglücklich<br />
über die 9Ge<br />
8<br />
4 schäftsschlies<br />
8<br />
7 5 sung ist, sich<br />
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aber nicht traut, 7<br />
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es zu sagen. Erst als er ihr versichert,<br />
auch noch mit ihrem direkten Vorgesetzten<br />
zu sprechen, und eine Weile<br />
mit ihr plaudert, taut sie auf und sagt,<br />
was sie wirklich denkt.<br />
Er erlebe Gesprächspartner – oft keine<br />
Prominenten, sondern normale<br />
Menschen wie du und ich – meist recht<br />
offen, sagt Herter. Manchmal müsse<br />
er sie aber zuerst «knacken». Das<br />
Dilemma, nicht mit der Tür ins Haus<br />
zu fallen und trotzdem so schnell wie<br />
möglich zu seinen Informationen zu<br />
kommen, erlebe er häufig.<br />
David Herter ist ein Praktiker. Er<br />
kam als Quereinsteiger in den Journalismus.<br />
Nach einer Lehre als Maschinenmechaniker<br />
begann er ein<br />
Elektrotechnikstudium, arbeitete als<br />
Monteur, Kleidersammler und Zeitungsverträger,<br />
trainierte Handballjunioren<br />
und gründete ein Konzertlokal<br />
mit. Als die «Andelfinger Zeitung»<br />
1999 einen redaktionellen Mitarbei-<br />
12<br />
ter suchte, 1 erhielt Herter die Stel-<br />
10 le. Er absolvierte 2 berufsbegleitend<br />
einen Diplomkurs am Medienausbildungszentrum<br />
3 in Luzern (MAZ).<br />
Vielseitig geblieben ist er auch als<br />
4<br />
Journalist. Zwar übernahm er 2007<br />
bei seinem 5<br />
6 Wechsel zum «Landbo-<br />
5<br />
6<br />
DER FOTOgRAF heinz diener<br />
8<br />
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Ich ERLEBE häuFIg DAS DILEmmA,<br />
NIchT mIT DER TüR INS hAuS zu FALLEN<br />
uND TROTzDEm SO SchNELL wIE mög-<br />
LIch zu INFORmATIONEN zu kOmmEN<br />
5<br />
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3<br />
3<br />
3<br />
3<br />
ten» das Schuldossier. Er möchte<br />
sich aber bewusst nicht an ein einziges<br />
Thema klammern. «Für mich besteht<br />
ein wesentlicher Aspekt meiner<br />
Arbeit darin, mich nicht auf meine<br />
Vorlieben zu beschränken, sondern<br />
offen zu bleiben.»<br />
Aus der Landi-Filiale zurück in der<br />
Redaktion beginnt Herter, seine Gedanken<br />
zu ordnen. «Ich will zuerst<br />
Im SpORT BRAuchT EIN FOTOgRAF<br />
SchNELLE FINgER, ER muSS SpIELzügE<br />
LESEN köNNEN, um vORAuSzuAhNEN,<br />
wAS ALS NächSTES pASSIERT<br />
Bild: Patrick Gutenberg<br />
DER JOuRNALIST david herter<br />
einen Sachverhalt einschätzen und<br />
verstehen können, wer welche Rolle<br />
spielt. Schliesslich möchte ich so objektiv<br />
wie möglich schreiben.» Er beginne<br />
mit dem Titel und dem Einstieg.<br />
Erst nachdem er etwa zwei Drittel des<br />
Artikels geschrieben habe, überlege<br />
er sich, was noch fehlt, und wie er zu<br />
einem Schluss kommen könnte. «Ich<br />
würde mir gerne vor dem Schreiben<br />
Flinke Finger<br />
10<br />
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1<br />
2<br />
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1<br />
Heinz Diener hat in Zürich eine Ausstel-<br />
9<br />
lung über Gespenster fotografiert. Kurz<br />
10 2<br />
prüfung <strong>im</strong> Jahr 1980. Er war damals für<br />
3<br />
den «<strong>Landboten</strong>», für 9andere<br />
Zeitungen 3<br />
nach Mittag, auf dem Weg in die Redak- 8 und für 4 die Bildagentur Keystone tätig –<br />
tion, führt er einen weiteren Auftrag aus: <strong>im</strong>mer neben seiner 100-Prozent-Stelle<br />
8<br />
4<br />
7 5<br />
Die Gemeinde Effretikon will das Areal 6in<br />
der Druckerei. «1981 kam 7 mein 5Sohn<br />
6<br />
Moosburg mit einer neuen Grillstelle zur Welt. Als Familienvater war es<br />
aufwerten. Der Fotograf muss ins<br />
Bild rücken, was noch nicht ist.<br />
10<br />
Er bringt Bilder des bestehenden<br />
Grillplatzes aus verschie- 9<br />
denen Perspektiven zurück.<br />
11<br />
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1<br />
mir zu unsicher, nur als Fotograf<br />
12<br />
zu arbeiten.» 11 1<br />
2<br />
Vor 12 Jahren 10 erhielt Die- 2<br />
3 ner eine Festanstellung be<strong>im</strong><br />
«<strong>Landboten</strong>». 9 Zu Beginn gab 3<br />
«Das ist am schwierigsten: ein<br />
interessantes Bild von einer an<br />
sich langweiligen Wiese zu machen,<br />
auf der nichts passiert.»<br />
8<br />
7<br />
6<br />
4 es in der Redaktion noch eine<br />
8<br />
4<br />
5 Dunkelkammer. Erst <strong>im</strong> Jahr<br />
2000 stellten die Fotografen 7 5<br />
6 auf<br />
Digitalfotografie um. Diener findet<br />
Der 59-Jährige zieht Action vor, vor 12<br />
11 es toll, 1 dass er als Fotoreporter an Orte<br />
12<br />
allem <strong>im</strong> Sport. Handball, Fussball oder kommt, an die er sonst nie 11gelangt<br />
1wäre,<br />
10 2<br />
Eishockey. In diesem Bereich hat er dass er Leute kennen 10 lernt, die er sonst 2<br />
mit Fotografieren begonnen. «Im 9 Sport nie getroffen 3 hätte. Er mag es, dass er re-<br />
braucht man als Fotograf schnelle Finger,<br />
und man muss Spielzüge lesen 8 können,<br />
um vorauszuahnen, was <strong>im</strong> nächs- 7<br />
ten Moment passiert.»<br />
lativ selbstständig arbeiten 9 kann und <strong>im</strong>3<br />
mer unterwegs 4 ist.<br />
8<br />
4<br />
Zurück 5 in der Redaktion muss er eine<br />
6<br />
7<br />
erste Auswahl der Bilder ins Archiv 5<br />
6 ein-<br />
Auch Dieners älterer Bruder war ein lesen und sie richtig anschreiben. Neben<br />
12<br />
Fotobegeisterter, hat als Kind Fliegen 11 Dieners 1 Arbeitsplatz steht eine 12gerahm<br />
am Stubenfenster auf Fotofilm gebannt. te Fotografie: Darauf ist 11zu<br />
sehen, 1<br />
10 2<br />
wie<br />
Diener erbte später seine Fotoausrüs- die alte Winterthurer 10 Kaserne in Flam2<br />
tung. Er hat sich das Fotografieren 9 automen steht. 3 Diener war dabei. Er war<br />
9<br />
3<br />
didaktischangeeig- auch dabei, als 1982 ein deutscher Rei-<br />
8<br />
4<br />
net, neben anderen sebus auf einem Bahnübergang 8 in Pfäf- 4<br />
Jobs auf dem Bau, 7als<br />
fikon 5<br />
6 von einem Regionalzug erfasst<br />
7 5<br />
Monteur oder Hilfs- wurde. Der Bus brannte vollständig 6 aus.<br />
drucker. Auch als er 39 Menschen starben.<br />
mit 32 Jahren noch<br />
eine Lehre als Offset-<br />
Um spektakuläre Aufträge 12 reisst sich<br />
11 1<br />
Diener nicht mehr. Seit seiner Herzopekopist<br />
(dieser stellt ration 2003 gehe er sein 10 gesamtes Leben 2<br />
<strong>im</strong> Druckgewerbe die<br />
Platten her) machte,<br />
ruhiger an. Er versucht, gesünder zu es-<br />
9<br />
3<br />
sen. Zudem macht er mit einem Hund<br />
fotografierte er nebenbei. Als Datum, aus dem Tierhe<strong>im</strong> lange 8 Spaziergänge. 4<br />
an dem er ein «richtiger» Fotograf wurde,<br />
nennt Diener den Tag seiner Auto-<br />
Eine ideale Lösung: Diener 7 liebt Hunde, 5<br />
seine Frau mag keine Haustiere. 6<br />
Bild: Urs Jaudas<br />
ein Konzept machen, bin aber eher<br />
der intuitive Arbeiter.» Trotzdem<br />
schleife er lange an einem Text. Am<br />
Landi-Artikel, der schliesslich um<br />
die 100 Zeilen lang wird, arbeitet er<br />
etwa fünf Stunden. Er hat aus der banalen<br />
Meldung ein Geschäftsporträt<br />
gemacht, in dem sich auch ein Stück<br />
lokale und regionale Wirtschaftsgeschichte<br />
spiegelt.