4. Ausgabe
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Wann ist Ihnen aufgefallen, dass Familienmitglieder
suchterkrankt sind?
Mir ist das aufgefallen, weil meine
Schwester und mein Bruder nicht mehr
aufhören konnten zu trinken und den Alkohol
versteckt haben. Es gab die unmöglichsten
Verstecke z. B. in Waschlappen. Es
roch ständig nach Alkohol, selbst in den
Kaffee haben sie ihn geschüttet. Ständige
Stimmungsschwankungen und verbal aggressiv.
Sie hatten keine Schmerzgrenze
z.B., wenn sie sich verletzt oder sich was
gebrochen haben, ist es ihnen nicht aufgefallen.
Erst wenn sie wieder nüchtern wurden,
wurde es bemerkt. Dann zitterten
auch die Hände, sie wurden unruhig und
suchten den Alkohol. Konnten aber nicht zu
ihren Verstecken gehen, denn es sollte ja
keiner mitbekommen.
Mich hat das immer sehr traurig gemacht.
Mein Bruder ist an Leberzirrhose gestorben.
Er sagte immer, er würde gerne aufhören
konnte aber nicht.
Wie war es für Sie mit ihren Geschwistern
umzugehen?
Ich musste ja irgendwie mit ihnen zurechtkommen.
Ich wusste, wenn sie in die Küche
gingen, dass sie sich den Alkohol in den
Kaffee schütten würden. Ich habe meine
Geschwister darauf angesprochen, dass
sie mit mir reden können. Meine Geschwister
können nur für sich entscheiden, ob sie
einen Entzug machen oder nicht. Zu der
Einsicht muss jeder selbst kommen. Mir
tat vor allendingen meine Nichte leid, weil
sie das alles mit erlebt hat und meine
Schwester sich wegen dem Alkohol nicht
um sie kümmern konnte. Meine Nichte kam
in eine Pflegefamilie und meine Schwester
war in mehreren Entziehungskliniken. Danach
wurde jeglicher Alkohol vermieden.
Dafür gesorgt das sie keinen sehen konnte.
Was beim Einkaufen sehr schwierig
wurde. In welchem Geschäft gibt es keinen
Alkohol? Selbst alkoholfreies sollte sie
nicht trinken. Bei Alkohokonsuml war das
Wesen und Verhalten meiner Geschwister
ganz anders, als ob sie fremde Menschen
wären. Es war schwierig damit zurechtzukommen.
Die haben massiv abgenommen.
Meine Schwester hat sich immer um mich
gekümmert, jetzt musste ich mich kümmern,
aber ich konnte ihr nicht helfen. Sie
hat alles abgelehnt oder gesagt sie kann
es nicht. Sie hatte immer wieder eine
Ausrede, bis der Arzt ihr irgendwann sagte
sie, wird sterben, wenn sie so weiter
macht. Das hatte ihr denken verändert.
Durch den Konsum von Alkohol war auch
kein Geld da, so dass ich dann für meine
Nichte Kleidung gekauft habe. Dadurch
musste meine Schwester keine Kleider
organisieren und hatte wieder mehr Geld
für Alkohol. Durch den Alkohol haben sie
auch vieles vergessen. Ich weiß nicht, wie
oft das Essen im Backofen vergessen
wurde. Das man sich nicht mehr erinnern
konnte, was man gesagt oder getan hat.
Was haben Sie für sich gemacht?
Da ich ihnen nicht helfen konnte, musste
ich mich selber schützen. Das ich nicht
selber in die Sucht reinfalle, weil mir das
alles so leid getan hat. Ich habe erkannt,
dass es für mich gefährlich werden könnte
und wollte das nicht. Ich habe dann den
Kontakt komplett abgebrochen. Ich musste
mich um mich selbst kümmern. Ich wollte
das System nicht mit finanziellen Mitteln
weiter unterstützen. Ich habe bis heute
keinen Kontakt, da meine Familie für mich
Feuer ist und ich mich immer wieder verbrenne.
Die alten Bilder immer wieder
hochkommen. Eins der schlimmsten Bilder
ist z. B. als meine Schwester auf dem Boden
gelegen hat und es nicht von selbst
geschafft hat aufzustehen. Sie hat mein
Vertrauen missbraucht. Ich habe ständig
das Gefühl, sie würde wieder trinken, ich
müsste mich wieder Sorgen und das
möchte ich nicht mehr.
Was würden Sie anderen Angehörigen
mitgeben?
Sie sollen mehr hingucken, auf die Symptome
achten. Es ansprechen. Meine
Schwester ist betrunken Auto gefahren,
das geht überhaupt nicht, weil es für alle
gefährlich ist. Hilfe anbieten. Wenn man
wegguckt fördert man das verheimlichende
Verhalten. Von alleine kommen die da
nicht drauf. Und wichtig ist es, dass sie
eine Einsicht bekommen.