Neue Szene ePaper2021-08
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Zoom
27
Frederik, du bist erst 28 Jahre alt, aber schon
lange Teil der kommunalen Politszene. Wie
schafft man es in so jungen Jahren auf diese
Ebene?
Ich kann einfach sehr schlecht zuschauen und
mische mich gerne ein. So praktiziere ich das jetzt
tatsächlich schon mein halbes Leben. Nun werde
ich bald 29 und bin aktiv, seit ich 15 Jahre alt war.
Dabei bin ich übrigens auch nie vor Themen
zurückgeschreckt, die keine klassischen Wohlfühlthemen
sind.
Die da wären?
Mein erstes großes politisches Thema war
nach meiner ersten Wahl in den Bezirkstag
der Einsatz für Drogenkonsumräume. Damit
gewinnst du erst einmal keinen Blumentopf,
am Ende gibt es dann aber offenbar doch eine
gewisse Anerkennung. Und bei diesem Thema
beispielsweise kam es mittlerweile tatsächlich zu
Bewegung innerhalb aller Parteien.
War dieses Feld dein Schlüsselerlebnis und
politischer Einstieg?
Nein, das war noch früher. Als ich aufs
Maria-Theresia-Gymnasium ging, war ich bei den
damaligen Schulstreiks aktiv, Stichwort Studiengebühren
und G8. Das war das erste Mal, dass ich
Kundgebungen organisiert habe, ein Megafon
in der Hand hatte und Mitschüler*innen davon
überzeugt habe, mitzumachen. Hier waren besonders
der Umgang mit unserem Engagement und
die vielen Vorurteile meine Schlüsselerlebnisse.
Wir wurden damals zwar mit viel Hass und Häme
konfrontiert, haben aber auch schnell gesehen,
wie Engagement sich auszahlen kann. Schon
kurze Zeit später wurden die Studiengebühren
dann ja wieder gekappt.
Während sich viele Altersgenossen erst langsam
beruflich orientieren, hast du auch im Job
schon einiges erreichen können. Bist du ein
Streber?
Wenn das meine damaligen Lehrer lesen,
werden sie entweder lachen oder vielleicht sogar
in Tränen ausbrechen. Denn ich habe das Gymnasium
ohne Abschluss abgebrochen, nachdem ich
zweimal in Folge sitzengeblieben bin. Soviel zum
Streber (lacht). Aber im Ernst. An deiner Frage
sieht man, wie akademisch wir heute denken. Ein
Facharbeiter ist mit 29 Jahren häufig schon über
10 Jahre im Job. Ich selber hatte nach der Schule
zweimal Glück. Zunächst habe ich in der Pflege
ein Feld gefunden, in dem mir das Lernen auf einmal
nicht mehr schwergefallen ist und ich zum
ersten Mal auch richtig gut gewesen bin. Mein
zweites Glück war, dass ich meine jetzige Ehefrau
sehr früh kennengelernt habe. Mittlerweile haben
wir zwei Kinder und auch das ordnet ein Leben.
>>
„Von einem Miteinander in einem
Du kommst aus Haunstetten, lebst mit deiner
Familie im Textilviertel und bist mittlerweile
nicht mehr in der Pflege tätig.
Das stimmt. Dadurch, dass ich mich in meiner
Ausbildungszeit im Augsburger Klinikum
als Vorsitzender der Jugendausbildungsvertretung
ehrenamtlich engagiert habe und dort über 500
Auszubildende aus 20 Ausbildungsberufen vertreten
durfte, wurde ich gewerkschaftlich geprägt.
Ich habe in dieser Zeit erlebt, was passieren kann,
wenn sich eine Interessengruppe zusammenschließt,
also was man gemeinsam erreichen kann,
wenn man sich organisiert. Das war dann auch
der Weg zu meinem Job als Gewerkschaftssekretär,
denn heute darf ich hauptamtlich beim DGB
arbeiten und verdiene mein Geld mit politischer
und gewerkschaftlicher Arbeit.
Seit 2020 bist du darüber hinaus als Stadtrat
der LINKEN im Augsburger Rathaus. Wie
hast du die ersten eineinhalb Jahre erlebt?
Durch Corona völlig anders, als ich das
erwartet habe. Ich hatte mir vorgenommen, in
den Stadtteilen viele, viele Menschen zu treffen
und mit ihnen in den Austausch zu gehen, aber
das war bisher durch Corona leider noch nicht so
möglich. Im Stadtrat selbst habe ich schnell erlebt,
welche Beißreflexe es dort gibt. Gegenüber meiner
Person als Politiker der LINKEN, aber auch
gegenüber unserer ganzen Fraktion. Das ist anders
und viel stärker, als ich es erwartet habe und es aus
dem Bezirkstag kenne. Von einem Miteinander in
einem Kollegialorgan habe ich bisher leider noch
nicht so viel gespürt. Wir haben meines Erachtens
viele gute Ideen, es ist aber immens schwer, mit
unseren Inhalten durchzukommen.
Was sind deine Kernthemen und Inhalte?
In erster Linie ist mein Thema Gesundheitsund
Pflegepolitik, darauf liegt allerdings im
Stadtrat nicht so sehr der Fokus. Letztlich ist es,
so abgedroschen das vielleicht klingen mag, die
soziale Frage, die mich in dieser Stadt umtreibt.
Wenn Straßenbahn und Bus teurer werden,
Kollegialorgan habe ich bisher leider noch
nicht so viel gespürt.“
sehe ich Rentner, Auszubildende und Hartz
IV-Empfänger, die sich das dann nicht mehr
leisten können. Wenn der Strom teurer wird,
sehe ich die Menschen, die Angst haben, dass
irgendwann der Kühlschrank ausgeht. Dieser
Blickwinkel für Soziales fehlt in der Stadtregierung
meines Erachtens. Damit bin ich angetreten
und ich werde nicht damit aufhören, diese
Themen immer wieder in den Vordergrund zu
rücken, auch wenn ich damit natürlich häufig
anecke. Ein weiteres großes Thema ist Jugend.
In der Pandemie wurden junge Menschen auf
das „Schüler-sein“ reduziert, es wurde aber viel
zu wenig auf die Bedürfnisse junger Menschen
außerhalb der Schulen oder Kindertagesstätten
geschaut. Auch dies werde ich im Stadtrat so
lange auf den Plan rufen, bis es keiner mehr
hören kann.
Wie du sagst, wenn man unbequem ist, eckt
man an. Wir kommen auch nicht drum
herum, die „Deppen-Affäre“ mit Eva Weber
anzusprechen. Was ist in dieser Sitzung eigentlich
passiert?
Es ging in dieser Stadtratssitzung um die
Krawalle in der Maxstraße, dazu habe ich mich in
mehreren Punkten geäußert. Irgendeiner dieser
Punkte muss die Oberbürgermeisterin dann
extrem getriggert haben. Ich glaube, es ging um
meine Kritik, dass bei der Pressekonferenz neben
Polizei und Ordnungsreferent unglaublicherweise
weit und breit kein Sozialreferent zu sehen war.
Daraufhin ist ihr wohl der „Depp“ rausgerutscht.
Oberbürgermeisterin Weber hat mich nach der
Sitzung angerufen und sich entschuldigt. Ich habe
die Entschuldigung natürlich angenommen, wir