Glücksburg Living 05/21 September & Oktober
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IN DEN PRINTMEDIEN bereits<br />
als 17-jähriger Schiffsjunge war<br />
Marxen auf sämtlichen Titelbildern<br />
von deutschen Tageszeitungen zu<br />
sehen.<br />
Ich<br />
stellte das Radio<br />
ab, steckte den Kopf in<br />
das Kissen und schlief ein. Wie<br />
lange ich geschlafen hatte, weiß<br />
ich nicht, als ich plötzlich von einem<br />
ohrenbetäubenden Knall geweckt<br />
wurde.<br />
erstreckte sich das Fahrtgebiet. Von den meisten<br />
Seeleuten wird diese Route im Winter gemieden,<br />
da das Wetter ungemütlich nass und kalt sein<br />
kann. Man gibt deshalb den wärmeren Zonen den<br />
Vorzug, auch wenn die Reisen länger sind und<br />
man selten nach Hause kommt.<br />
Seeleute sind wie Zugvögel, sie ziehen mit der<br />
Sonne zum Süden und folgen ihr, wenn sie wieder<br />
nordwärts wandert. Auf der Marianne kamen wir<br />
uns vor wie Zugvögel, die die Abflugzeit verpasst<br />
hatten und deshalb in der Kälte bleiben mussten.<br />
Die Deckbesatzung der Marianne setzte sich<br />
aus einem Bootsmann, einem Matrosen und drei<br />
Jungleuten zusammen. Der eine Jungmann, Jonny<br />
war sein Name, spielte gerne auf dem Akkordeon.<br />
Seine Musik wurde von allen geliebt, nur der<br />
Bootsmann fluchte, wenn er in seiner Mittagsruhe<br />
gestört wurde. Jonny war ein großer hübscher<br />
Bursche von zwanzig Jahren. Er hatte eine beneidenswerte<br />
Art mit allen Problemen fertig zu<br />
werden. Er machte selbst die schmutzigste Arbeit<br />
mit lachendem Gesicht. Unsere Crew hatte sich an<br />
seine Scherze und sein Lachen gewöhnt. Wir vermissten<br />
irgendetwas, wenn Jonny mal schweigsam<br />
war; das kam aber selten vor. Er wurde von<br />
uns Jonny genannt, weil in all seinen Liedern von<br />
einem gewissen Jonny die Rede war. Seinen richtigen<br />
Vornamen gebrauchten wir nie.<br />
Es war inzwischen Frühling geworden und wir<br />
fuhren nach Hamburg, um dort eine Ladung Flugzeugbenzin<br />
für Kopenhagen zu nehmen. Dieses<br />
Benzin ist wegen seines hohen Zündpunktes<br />
besonders feuergefährdet. Am Tage der Ankunft<br />
in Hamburg wurde ich morgens gegen halb sechs<br />
geweckt; meine Seewache begann um sechs Uhr<br />
und war mittags beendet. Normalerweise hätte<br />
ich jetzt frei gehabt, aber wir erledigten irgendwelche<br />
Arbeiten an Deck, was mich meinen<br />
Schlaf kostete. Abends musste ich dann wieder<br />
am Ruder ablösen, da die Seewachen nach dem<br />
Zweiwachensystem eingeteilt waren. Mitternachts<br />
lief die Marianne schließlich in Hamburg ein. Nach<br />
dem Festmachen sagte mir der Bootsmann, dass<br />
ich an Deck bleiben musste, um die Tanks zu<br />
waschen. Mir war das nur Recht, da ich bei einem<br />
Verdienst von fünfundneunzig Deutsche Mark im<br />
Monat mit jeder Überstunde kalkulierte.<br />
Der Bootsmann und ich öffneten die Tankluken<br />
und sorgten erst mal für Ventilation. Daraufhin<br />
wurde ein Tank nach dem anderen von oben mit<br />
dem Deckwaschschlauch gewaschen. Obgleich<br />
wir nicht in den Tank hineinkletterten, mussten wir<br />
allerhand Gas einatmen. Deshalb lösten wir uns<br />
ab. Einer hielt den Schlauch und der andere ging<br />
zur Reling, um seinen Kopf in den frischen Morgenwind<br />
zu halten. Mit dem Tankwaschen waren<br />
wir kurz vor acht Uhr fertig.<br />
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