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Glücksburg Living 05/21 September & Oktober

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Gewöhnlich kam jemand des öfteren nach vorne,<br />

um etwas zu holen.<br />

Bis jetzt hatte ich aber noch niemanden zu Gesicht<br />

bekommen. Ich stieg die Treppe zum Deck<br />

hinauf und sah, dass die Vorkante der Brücke<br />

vollkommen verkohlt war. Die Vorderfenster des<br />

Ruderhauses fehlten. Das waren die Spuren eines<br />

Feuers großen Ausmaßes. Nach einer Weile<br />

bemerkte ich, dass an der Pier viele Menschen<br />

standen und mich mit großen Augen anstarrten.<br />

Sie trugen blaue Uniformen und glichen Feuerwehrmännern.<br />

Ich ging zur Reling und rief ihnen<br />

zu, sie möchten mir erklären, was hier vorgefallen<br />

sei. Als Antwort erhielt ich nur die Aufforderung,<br />

schnell an die Pier zu springen, es könne jeden<br />

Moment wieder ein Tank hochgehen. Erst später<br />

erfuhr ich vom Bootsmann, dass ich direkt über<br />

einem vollen Tank gestanden hatte, als ich mir die<br />

Zeit ließ, dumme Fragen zu stellen. Man brachte<br />

mich in das Ruderhaus eines Feuerlöschbootes,<br />

ein Feuerwehrmann gab mir eine Wolldecke und<br />

mir wurde langsam klar, in welcher Gefahr ich geschwebt<br />

hatte.<br />

Als die Feuerwehrleute meine Geschichte erfuhren,<br />

da dachten sie zunächst, ich wollte ihnen<br />

einen Bären aufbinden. Aber nachdem ich ihnen<br />

die Einzelheiten erzählte, blieb ihnen nichts anderes<br />

übrig, als mir zu glauben. Der Oberbrandrat,<br />

der den Einsatz leitete, berichtete, dass die Hölle<br />

los war. Es hatte bis zu dem Zeitpunkt fünf Tote<br />

gegeben und zwei Menschen schwebten in Lebensgefahr.<br />

Von den Schwer- bis Leichtverletzten<br />

sagte er gar nichts. ,,Sie können in Zukunft jeden<br />

<strong>21</strong>. Mai ihren zweiten Geburtstag feiern, denn Sie<br />

haben ein unheimliches Glück gehabt.“ Doch das<br />

war mir auch inzwischen aufgegangen. Ein paar<br />

Kriminalbeamte fragten mich, ob ich irgendetwas<br />

wusste, was zur Ursache dieser Katastrophe<br />

beigetragen haben konnte. Alle Fragen musste<br />

ich negativ beantworten; das Einzige, was ich<br />

positiv sagen konnte, war, dass ich gut geschlafen<br />

hatte. Der Oberbrandrat ging mit mir an der Pier<br />

entlang und zeigte mir das, was vom Achterschiff<br />

der „Marianne“ übrig geblieben war. Die Explosion<br />

hatte das Deck aufgerissen, die Löcher in dem<br />

Deck glichen riesigen Bombenkratern. Eine große<br />

eiserne Schlauchkiste von fünf Metern Länge lag<br />

jetzt quer an Deck. Die Kiste war von der Gewalt<br />

der Explosion in die Luft geschleudert worden.<br />

Was war die Ursache, fragte man sich. Fest stand,<br />

dass der Schlauch, welcher zum Übernehmen der<br />

Ladung diente, geplatzt war. Das ausströmende<br />

Benzin war mit großer Geschwindigkeit an Deck<br />

entlang zum Achterschiff geflossen und hatte sich<br />

dort entzündet. Wer ein Feuerzeug besitzt, kann<br />

sich vorstellen, wie lange ein Funke braucht, um<br />

Benzin zu entzünden. Im Nu stand alles in Flammen<br />

und aus der Pipeline quoll mit zweihundert<br />

Tonnen Druck in der Stunde das Benzin und das<br />

gierig fressende Feuer. Jonny hatte versucht, das<br />

Hauptventil an der Pier zu schließen. Ich habe nie<br />

erfahren, ob er es geschafft hat, bevor das Feuer<br />

bei ihm war und ihn lebensgefährlich verbrannte.<br />

Diese Ventile haben, um das Drehen möglichst<br />

leicht zu machen, ein sehr langes Gewinde. Es<br />

gelang schließlich der Feuerwehr mit größtem<br />

Einsatz das Feuer einzudämmen und zu löschen.<br />

Dabei stürzte ein Feuerwehrmann in einen Tank<br />

und erstickte in dem Schaum, den man zum<br />

Löschen benutzte. Zwei Tage später durfte ich den<br />

Bootsmann im Krankenhaus besuchen. Er erzählte<br />

mir, was ich noch nicht wusste oder mir nicht<br />

erklären konnte. Der Bootsmann hatte der Feuerwehr<br />

gesagt, als sie ihn aus dem Wasser fischten,<br />

dass ich noch vorne schlief. In meine Koje hatten<br />

sie aber nicht hinein geguckt und gerufen hatten<br />

sie mich auch nicht. Das wusste ich ganz genau.<br />

Jonny wurde etwas später als der Bootsmann<br />

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