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Credit Suisse bulletin, 2005/04
Credit Suisse bulletin, 2005/04
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CREDIT SUISSE<br />
Bulletin_4.<strong>05</strong><br />
34<br />
Formel 1<br />
Ein Rennsportpionier tritt kürzer.<br />
Bye-bye Boxengasse<br />
Nach über 35 Jahren im Motorsport verlässt Peter Sauber den<br />
Kommandostand – Ende Jahr geht sein Lebenswerk in die Hände von BMW<br />
über. Zeit für einen wehmütigen Blick nach vorne.<br />
Text: Andreas Thomann<br />
Wenn im März 2006 die neue Formel-1-<br />
Saison beginnt, wird man Sie erstmals<br />
nach 13 Jahren nicht mehr an der Boxengasse<br />
antreffen. Befürchten Sie keine<br />
Entzugserscheinungen?<br />
Das kann schon sein, ich bin selbst gespannt.<br />
Was werden Sie am meisten vermissen?<br />
Den Adrenalinschub?<br />
Den bestimmt auch, doch das hat man nach<br />
einer bestimmten Zeit überwunden. Am meisten<br />
werden mir wohl die Menschen fehlen,<br />
allen voran meine Mitarbeiter, aber auch alle<br />
andern im Fahrerlager – sogar diejenigen, mit<br />
denen ich die eine oder andere Auseinandersetzung<br />
hatte.<br />
Ganz aus dem Rennzirkus werden Sie<br />
aber nicht verschwinden, immerhin stehen<br />
Sie dem neuen Team als Berater zur Seite.<br />
Was heisst das konkret?<br />
Ich werde in erster Linie den Sponsoren<br />
zur Verfügung stehen, allen voran der Credit<br />
Suisse und – wenn es zu einer Verlängerung<br />
des Engagements kommt – auch Petronas.<br />
Also keine operative Rolle mehr?<br />
Nein. Es ist wichtig, dass ich mit dem Operativen<br />
gar nichts mehr zu tun haben werde. Das<br />
war nicht nur der Wunsch von BMW, sondern<br />
auch meiner.<br />
In der Ehe zwischen BMW und dem<br />
britischen Williams-Team war der Kulturunterschied<br />
mitverantwortlich für die<br />
Trennung. Droht auf der neuen Achse<br />
München-Hinwil weniger Gefahr?<br />
Kulturell sehe ich keinen Anlass zur Sorge,<br />
schliesslich arbeiten bei uns schon zahlreiche<br />
deutsche Mitarbeiter, und die fühlen sich sehr<br />
wohl hier. Wo es zu Friktionen kommen kann –<br />
und das hat nichts mit BMW zu tun –, ist bei<br />
der Herausforderung, einen mittelständischen<br />
Be trieb mit einem Grosskonzern zusammenzuführen.<br />
Das betrifft auch die Motivation der<br />
Mit arbeiter. Das neue Team ist nicht mehr der<br />
kleine David, der den Grossen ab und zu ein<br />
Bein stellen kann. BMW ist selbst ein Grosser,<br />
von dem man letztlich Siege erwartet.<br />
Welches Modell aus Ihrer grossen<br />
Rennautosammlung werden Sie dereinst<br />
Ihren Enkeln am liebsten zeigen?<br />
Ich habe zu meinen Fahrzeugen nicht so eine<br />
enge Beziehung. Ich bin kein typischer Sammler,<br />
ich habe einfach eine Sammlung. Müsste<br />
ich nun doch eines herauspicken, dann wäre<br />
das wohl der C9 oder der C11. Mit dem C9<br />
ha ben wir Le Mans gewonnen, mit dem C11<br />
wurden wir zum zweiten Mal Weltmeister bei<br />
den Sportwagen.<br />
Ihr Team war oft ein Sprungbrett für<br />
Talente. Nun wechselt Felipe Massa<br />
nächste Saison zu Ferrari. Wird er sich in<br />
der Scuderia durchsetzen können?<br />
Ich glaube schon. Felipes Speed ist nicht<br />
weit vom Niveau eines Michael Schumacher<br />
weg. Und alles, was auch nur in die Nähe von<br />
Michael kommt, gilt in der Szene schon als<br />
Auszeichnung.<br />
Ein GP-Sieg wird Ihnen als Teamchef<br />
wohl nicht mehr vergönnt sein. Wann<br />
erwarten Sie den ersten Sieg des neuen<br />
BMW-Teams?<br />
Da lasse ich mich auf keine Prognosen ein.<br />
Die Konkurrenz in der Formel 1 ist gegenwärtig<br />
so gross, dass es nicht einfach ist, in die<br />
Spitzengruppe vorzustossen. Man sieht das<br />
im Moment beim Williams-Team, das Mühe<br />
hat, wieder den Anschluss zu finden.<br />
Angenommen, ein BMW-Bolide gewinnt<br />
das Rennen. Wäre das für Sie,<br />
als ob ein Sauber gewonnen hätte?<br />
Die Freude wäre bestimmt gross. Doch wenn<br />
ich ganz ehrlich sein soll: Einen Sieg am Kommandostand<br />
mitzuerleben, ist doch noch etwas<br />
anderes als zuhause am Fernseher.<br />
Bei Ihren Fans ist das nicht viel anders.<br />
Viele trauern dem einzigen Schweizer For -<br />
mel-1-Team nach. Was sagen Sie diesen<br />
Leuten?<br />
Wir haben nach wie vor ein Formel-1-Team<br />
in der Schweiz, der Standort Hinwil bleibt<br />
erhal ten und auch die meisten Mitarbeiter bleiben<br />
im Team. Die Vorteile überwiegen derart<br />
stark – an das andere gewöhnt man sich<br />
schnell einmal. <<br />
Foto: Daniel Reinhard