11.09.2021 Aufrufe

bull_05_04_Feuer

Credit Suisse bulletin, 2005/04

Credit Suisse bulletin, 2005/04

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

CREDIT SUISSE<br />

Bulletin_4.<strong>05</strong><br />

44<br />

Interview: Christian Wüthrich<br />

«Familienpolitik ist Wachstumspolitik»<br />

Wie schafft man mehr Betreuungsangebote für Kinder, ohne die Staatsausgaben zu erhöhen? Brigitte Dostert<br />

und Monika Engler vom Economic Research der Credit Suisse zeigen in einer neuen Studie, dass gute<br />

Familienpolitik nicht immer teuer sein muss.<br />

Monika Engler (links) und Brigitte Dostert<br />

monika.engler@credit-suisse.com<br />

brigitte.dostert@credit-suisse.com<br />

«Beruf und Familie sind in der Schweiz<br />

noch zu wenig gut vereinbar.»<br />

Bulletin: Lohnt es sich in der Schweiz<br />

überhaupt noch, eine Familie zu gründen?<br />

Monika Engler: Wenn man sich einseitig auf<br />

die Kosten fixiert, dann müsste man die Frage<br />

wohl mit Nein beantworten. Denn Kinder sind<br />

auch ein Kostenfaktor: Nebst dem direkten<br />

Aufwand entsteht ein Arbeitsausfall, weil die<br />

Kinder betreut werden müssen. Wenn man<br />

die ökonomische Sichtweise jedoch etwas<br />

breiter fasst und immaterielle Werte wie<br />

«Freude am Nachwuchs» oder «persönliche<br />

Befriedigung» einbezieht, sieht die Sache anders<br />

aus. Dann kann sich das Kinderkriegen<br />

durchaus «lohnen».<br />

Ein Blick auf die sinkenden Geburtenraten<br />

in der Schweiz zeigt jedoch, dass sich<br />

offenbar immer mehr Paare hierzulande<br />

gegen Kinder entscheiden. Was ist zu tun?<br />

Engler: Beruf und Familie müssen besser<br />

vereinbar werden. Zum einen sind Frauen in<br />

vielen Fällen nicht mehr bereit, zugunsten von<br />

Kindern ihre berufliche Karriere aufzugeben.<br />

Angesichts der grossen Investitionen in ihre<br />

Ausbildung macht es auch wenig Sinn, wenn<br />

die Frauen auf eine Erwerbstätigkeit verzichten.<br />

Zum anderen ist die Möglichkeit eines<br />

Doppelverdienstes gerade für einkommensschwache<br />

Familien unerlässlich, um wirtschaftlich<br />

über die Runden zu kommen.<br />

Momentan sind 72 Prozent der Frauen<br />

in der Schweiz berufstätig. Das scheint auf<br />

den ersten Blick kein schlechter Wert …<br />

Brigitte Dostert: Im internationalen Vergleich<br />

ist es sogar ein Spitzenwert. Bei näherem<br />

Hinsehen erkennt man jedoch, dass auffällig<br />

viele Frauen Teilzeit arbeiten. Das heisst, es<br />

sind zwar sehr viele Frauen im Arbeitsprozess<br />

integriert, viele von ihnen würden aber lieber<br />

noch mehr arbeiten. Das hat auch mit der momentanen<br />

Kinderbetreuungssituation zu tun.<br />

Der Bund scheint das Problem erkannt<br />

zu haben und will deshalb mehr Mittel<br />

für Kinderbetreuungsstätten einsetzen.<br />

Der richtige Weg?<br />

Dostert: Die Anschubfinanzierung der Krippen<br />

durch den Bund macht durchaus Sinn. Als<br />

weniger sinnvoll erachten wir Defizitgarantien<br />

oder andere direkte Subventionen an die Betreuungsinstitutionen.<br />

Diese dürften kaum zum<br />

rentablen Arbeiten animieren. Vielmehr sind<br />

hohe Kosten zu erwarten und ein Angebot,<br />

das sich erst in zweiter Linie an der Nachfrage<br />

orientiert.<br />

Wo müsste man stattdessen den Hebel<br />

ansetzen?<br />

Dostert: Besser wäre es, das Geld direkt<br />

den Nachfragern nach Kinderbetreuung zu<br />

geben – also den Eltern. Wir stellen uns vor,<br />

dass Betreuungsgutschriften nur dann ausbezahlt<br />

würden, wenn beide Elternteile zusammen<br />

mehr als 100 Prozent arbeiten. Eine<br />

Gutschri ft soll also an die Bedingung geknüpft<br />

sein, dass beide Elternteile einer Erwerbstätigkeit<br />

nachgehen. Alleinerziehenden würden die<br />

Gutschriften bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit<br />

ausbezahlt. Zudem soll das Geld auf das<br />

Vorschulalter konzentriert werden, die Phase<br />

also, in der fremde Betreuung am dringendsten<br />

benötigt wird und die meisten Frauen aus dem<br />

Berufsleben ausscheiden.<br />

Was würden Ihre Vorschläge denn<br />

konkret bewirken?<br />

Dostert: Mit unserem Modell hätten die Eltern<br />

mehr Handlungsspielraum, um Beruf und<br />

Familie unter einen Hut zu bringen. Durch die<br />

Stärkung der Nachfrageseite würde sodann<br />

ein bedürfnisgerechteres Betreuungsangebot<br />

herbeigeführt. Die Eltern könnten frei wählen,<br />

ob ihr Kind in einer Krippe, von jemandem<br />

aus dem Bekanntenkreis oder von der Nachbarin<br />

betreut werden soll, die selber schon<br />

zwei Kinder hat. Unserer Meinung nach sollte<br />

der Staat hier möglichst wenig regulierend<br />

eingreifen.<br />

Foto: Gee Ly

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!