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III - CCA Monatsblatt

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Aktuell Aktuell<br />

Der fünfzigjährige Elysée-Vertrag aus der<br />

Sicht eines vierzigjährigen Franzosen:<br />

Warum und auf welche Weise er unsere<br />

Völker einander näher gebracht hat<br />

Sie werden mir hoffentlich verzeihen, wenn ich den 50. Jahrestag des<br />

Elysée-Vertrags aus einer eher persönlichen Perspektive darstelle: Ich<br />

möchte Ihnen schlicht zeigen, wie ein einfaches Stück Papier das Leben<br />

zweier Völker verändern, sie einander näherbringen und damit, wie Robert<br />

Schuman sagte, eine „Solidarität des Faktischen“ schaffen kann.<br />

Ich wurde 1972 geboren. Konrad Adenauer und Robert Schumann<br />

lebten damals nicht mehr, der Elysée-Vertrag war neun Jahre alt. Und<br />

trotzdem kann ich sagen, dass dieser Vertrag in meinem persönlichen und<br />

beruflichen Leben eine besondere Rolle gespielt hat.<br />

Ab 1963 hat es das Deutsch-Französische Jugendwerk jungen Franzosen<br />

ermöglicht, mit jungen Deutschen zusammenzutreffen. Deutschland war so<br />

das erste fremde Land, das mein Vater und meine Mutter kennenlernten. Sie<br />

erzählten mir, dass ihre jeweiligen Eltern nur aufgrund der Tatsache, dass<br />

die Reise kostenlos gewesen sei, ihren Widerstand dagegen aufgegeben<br />

hätten. Man kann das verstehen: Weniger als 20 Jahre zuvor hatte der<br />

Krieg unser Land zerstört und einige unserer Großeltern waren darin<br />

umgekommen. Im übrigen fragte sich der Durchschnittsfranzose jener Zeit<br />

auch, „was kann es schon Interessantes in Deutschland geben?“.<br />

Seit 1963 sind sieben Millionen junger Franzosen und Deutsche in diesem<br />

Rahmen einander begegnet und haben alles das schätzen gelernt, was ihnen<br />

das Nachbarland zu bieten hatte. Ich war dabei. Ich habe im Rahmen eines<br />

Schüleraustausches Berlin kennengelernt, ebenso wie meine Schwester,<br />

mein Bruder, meine Cousins. Ich habe mich unter die Leute gemischt,<br />

mich unterhalten, andere beeindruckt und Dinge entdeckt: Schulen ohne<br />

Mauer, deren Unterricht zu einer unmenschlichen Uhrzeit begann; eine<br />

andere Form des Unterrichtens; unzählige Brotsorten von merkwürdiger<br />

Farbe und Geschmack; Konzertsäle, die man in einer Kleidung besucht,<br />

in der man in Frankreich ins Kino gehen würde; didaktisch orientierte<br />

Museen; die Mülltrennung, kurz: eine Welt, die sehr vertraut war und doch<br />

so verschieden. Außerdem stellte ich fest, dass die Deutschen unser Land,<br />

besser gesagt: unseren Lebensstil, lieben… . Definitiv erfüllte der Elysée-<br />

Vertrag also peu à peu das Ziel, das er sich selbst gesetzt hatte: Die Jugend<br />

der beiden Länder miteinander vertraut zu machen.<br />

Und dann wurde ich Diplomat. In den verschiedenen Abteilungen,<br />

in denen ich eingesetzt wurde, gab es fast immer deutsche Praktikanten.<br />

Natürlich sprachen sie perfekt Französisch, während wir uns im<br />

Allgemeinen… nun, sagen wir: noch etwas anstrengen mussten, um uns<br />

korrekt in der Sprache Goethes auszudrücken. Heutzutage haben meine<br />

jungen Kollegen, die diesen Berufsweg einschlagen, das Vergnügen,<br />

jeweils einen Monat in Berlin zu verbringen, um dort das Auswärtige<br />

Amt kennen zu lernen. Ich habe im Elysée-Palast gearbeitet, was mir<br />

die Möglichkeit gab, mehrere Deutsch-Französische Ministertreffen zu<br />

organisieren. Übrigens schicken wir, Deutsche wie Franzosen, zu solchen<br />

Treffen eher kleinere Delegationen, weil wir uns alle beim anderen…<br />

ja, ein bisschen wie zu Hause fühlen. Schließlich gibt es die offiziellen<br />

bilateralen Beziehungen, deren statistische Details ich Ihnen erspare: Wir<br />

sind uns schlichtweg gegenseitig wichtigster Partner, wichtigster Kunde<br />

und Lieferant.<br />

In einigen Monaten feiern wir den fünfzigsten Jahrestag jenes Vertrags,<br />

der unsere Zusammenarbeit auf ALLEN Gebieten geschaffen und vertieft<br />

hat: in den Bereichen Politik, Diplomatie, Kultur, Wirtschaft, Universitäten.<br />

Das hiesige Goethe-Institut und die Alliance Francaise bereiten aus diesem<br />

Anlass ein interessantes Programm vor.<br />

Wir sollten also nicht zu bescheiden sein und uns nicht fürchten zu sagen:<br />

Wir sind das konkreteste und gelungenste existierende Beispiel für die<br />

Annäherung zwischen zwei Ländern, die drei schreckliche, blutige Kriege<br />

erlebt haben. Deshalb ist es unsere Aufgabe, der Deutschen, der Franzosen<br />

und insbesondere der Diplomaten, diesen Vertrag in der täglichen Arbeit<br />

mit Leben zu erfüllen, da wir uns inzwischen kennen und gemeinsame<br />

„Kunst in La Paz“ 30<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 3/2012 <strong>Monatsblatt</strong> 3/2012<br />

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„Kunst in La Paz“

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