Philosophie - Gymnasien in Rheinland-Pfalz
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Erkenntnistheorie - <strong>Philosophie</strong> des Geistes<br />
„Allen Menschen ist zuteil, sich selbst zu erkennen und verständig zu denken“, schreibt<br />
der Vorsokratiker HERAKLIT (Fragment 116), e<strong>in</strong>e Aussage, die uns sogleich an die Aufforderung<br />
Gnothi seauton – erkenne dich selbst – er<strong>in</strong>nert, e<strong>in</strong>gemeißelt <strong>in</strong> die Säule der<br />
Vorhalle des Apollontempels <strong>in</strong> Delphi. Diese Aufforderung, auf die sich GEORG WILHELM<br />
FRIEDRICH HEGEL <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schrift Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im<br />
Grundrisse (§ 377) nach mehr als 2000 Jahren bezieht, beurteilt die Erkenntnis des<br />
Geistes als die konkreteste und darum höchste und schwerste. Es geht dabei, so HEGEL,<br />
nicht nur um Selbsterkenntnis“, sondern umfassend um die Bedeutung der Erkenntnis<br />
des Wahrhaften des Menschen wie des Wahrhaften an und für sich – des Wesens<br />
selbst als Geistes.<br />
Der Begriff „Geist“ wird von KARL MARX und FRIEDRICH ENGELS mit dem Begriff „Bewusstse<strong>in</strong>“<br />
verknüpft. In der philosophischen Reflexion über die Entstehung des<br />
menschlichen Bewusstse<strong>in</strong>s kommen sie zu folgendem Schluss: „Der 'Geist' hat von<br />
vornhere<strong>in</strong> den Fluch an sich, mit der Materie 'behaftet' zu se<strong>in</strong>, die hier <strong>in</strong> der Form von<br />
bewegten Luftschichten, Tönen, kurz der Sprache auftritt. Die Sprache ist so alt wie das<br />
Bewußtse<strong>in</strong> …“ (FRIEDRICH ENGELS, KARL MARX: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3,<br />
S. 88).<br />
ARTHUR SCHOPENHAUER deutet <strong>in</strong> der Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Zuständen des Willens<br />
und dem Subjekt des Wollens das „Ich“ als e<strong>in</strong> nicht zu lösendes Problem; es ist, so<br />
SCHOPENHAUER, der Weltknoten und daher unerklärlich (ARTHUR SCHOPENHAUER: Die<br />
vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, § 42).<br />
Diese wenigen Beispiele zeigen, wie eng Problembereiche der Erkenntnistheorie mit<br />
Problembereichen der <strong>Philosophie</strong> des Geistes verflochten s<strong>in</strong>d: E<strong>in</strong>erseits weisen Begriffe<br />
wie „Geist“, „Bewusstse<strong>in</strong>“ und „Ich“ auch im Kontext der Frage nach „Wahrheit“,<br />
„Sprache“ oder auch dem „freien Willen“ im Laufe der <strong>Philosophie</strong>geschichte e<strong>in</strong> breites<br />
Deutungsspektrum auf, andererseits sche<strong>in</strong>t das Geist-Körper-Problem als im Weltknoten<br />
e<strong>in</strong>gebunden kaum lösbar zu se<strong>in</strong>.<br />
Die klassische Erkenntnistheorie fragt danach, was Wissen ist, wie wir zu Erkenntnissen<br />
kommen, nach den Quellen der Erkenntnis. Weiterh<strong>in</strong> fragt sie, welchen Wahrheitsanspruch<br />
wir h<strong>in</strong>sichtlich des aus der Erkenntnis gewonnenen Wissens erheben können,<br />
ob dies auf e<strong>in</strong> sicheres, unbezweifelbares Fundament gestellt werden kann und ob –<br />
78 ERKENNTNISTHEORIE – PHILOSOPHIE DES GEISTES