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Patienten taxieren und Gewinn optimieren? - beim BDI

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Medizin Pharma Wie passt das in die Budget-Landschaft?<br />

Bei sog. Innovationen hat die<br />

Pharmabranche in Deutschland<br />

das Stammrecht, beliebige<br />

Preise zu Lasten der Sozialversicherung<br />

festzusetzen.<br />

Die Politik drischt anschließend<br />

auf die Ärzteschaft ein,<br />

sie verschreibe zu teuer <strong>und</strong><br />

aase 1 mit den Versichertengeldern<br />

herum.<br />

Dass die rechtlich gewährleistete<br />

Preisphantasie der Industrie<br />

nicht mit einem begrenzten<br />

Pharmabudget der Ärzte in Einklang<br />

zu bringen ist, müsste sogar<br />

an Sonderschulen vermittelbar<br />

sein. Trotz der Wirkung einer<br />

entsprechenden Fachkraft an der<br />

Spitze des Ges<strong>und</strong>heitsministeriums<br />

war der Zusammenhang<br />

den Experten in der Politik aber<br />

nicht hinüberzubringen.<br />

Doch nicht nur auf dem patentgeschützten<br />

Markt, auch auf<br />

dem Generika-fähigen Segment<br />

gibt es mehr Erstaunlichkeiten<br />

als einen betriebswirtschaftlich<br />

nachvollziehbaren Wettbewerb.<br />

Viele Generikapreise für<br />

die gleiche Zubereitung ähneln<br />

Niederlassungen<br />

Altsubstanz umbenennen <strong>und</strong><br />

über 70 Prozent aufschlagen<br />

sich wie die Benzinpreise an<br />

deutschen Tankstellen.<br />

Als weiteres Mirakel agieren<br />

die Spitzenverbände der gesetzlichen<br />

Krankenkassen AOK, BEK<br />

& Co. Jahrelang setzten sie Festbeträge<br />

auf abenteuerliche Höhen<br />

<strong>und</strong> weit über den Forderungen<br />

namhafter Weltkonzerne.<br />

Die Festbetragsgestaltung<br />

ist das Paradepferd völlig irrationaler<br />

Geldausgaben der GKV.<br />

Fachleute erklären das mit der<br />

geringen Kopfstärke der Gremien<br />

– diese Feststellung soll in<br />

mehrfacher Bedeutung zutreffen<br />

– <strong>und</strong> der Akzeptanz von<br />

„Standort-Deutschland“-Argumenten<br />

als Rechtfertigung einer<br />

schwer fasslichen Dauerdrainage<br />

der Sozialkassen.<br />

Im Folgenden ein aktuelles Beispiel<br />

zum Thema Pharma-Phantasiepreise.<br />

Die Jahrzehnte-alte<br />

Substanz Memantin wurde im<br />

Jahr 2002 abverkauft samt<br />

Marktrücknahme des Präparates<br />

Akantinol Memantine®. Dieser<br />

Schritt war unausweichlich,<br />

da für das Memantin nur die<br />

Praxisübernahmen dominieren<br />

Bei den Praxisgründungen in<br />

den Jahren 2000 <strong>und</strong> 2001<br />

dominierten Übernahmen<br />

oder der Eintritt in eine bereits<br />

bestehende Arztpraxis.<br />

In Westdeutschland entfielen<br />

79,6 Prozent aller von der<br />

Deutschen Apotheker- <strong>und</strong><br />

Ärztebank durchgeführten Finanzierungen<br />

auf diese Form<br />

der Existenzgründung, davon<br />

fast die Hälfte (46,2 Prozent)<br />

auf die Übernahme einer Einzelpraxis.<br />

In den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />

wurde zu 48,7 Prozent in<br />

die Übernahme von Einzelpraxen<br />

investiert.<br />

Dies ergab eine repräsentative<br />

Analyse der Deutschen Apotheker-<br />

<strong>und</strong> Ärztebank, Düs-<br />

seldorf, <strong>und</strong> des Zentralinstituts<br />

für die kassenärztliche Versorgung<br />

(ZI), Köln.<br />

Weitere Ergebnisse:<br />

Bei der Neugründung einer<br />

Einzelpraxis betrug das durchschnittlicheFinanzierungsvolumen<br />

im Westen 274.356 DM.<br />

Damit war eine Einzelpraxisneugründung<br />

deutlich preisgünstiger<br />

als die Übernahme<br />

einer Einzelpraxis, die im Mittel<br />

407.131 DM erforderte.<br />

In Ostdeutschland ist der<br />

Unterschied zwischen den<br />

durchschnittlichen Finanzierungsvolumina<br />

nicht so groß,<br />

wobei auch hier die Einzelpraxisneugründung<br />

mit<br />

fiktive Zulassung der 1970er Jahre<br />

galt. Nach heutigen Maßstäben<br />

war eine therapeutische<br />

Wirkung in<br />

keiner Richtungnachgewiesen.<br />

Solange<br />

Ärztevertreter <strong>und</strong><br />

Politik kein<br />

Interesse zeigen,<br />

stimmt etwas nicht<br />

Was aber geschah<br />

danach?<br />

Die Firmen<br />

Merz <strong>und</strong><br />

L<strong>und</strong>beck<br />

brachten die<br />

abgelaufene<br />

Substanz unter<br />

neuen Namen<br />

wieder in<br />

den Handel: Einmal als Axura<br />

<strong>und</strong> zum anderen als Ebixa. Dieses<br />

historisch einmalige Resurrexit<br />

einer bestatteten Substanz<br />

erstaunt. Noch stärker w<strong>und</strong>ert<br />

das kostenaufwändige <strong>und</strong> in der<br />

Sache sinnlose Co-Marketing 2<br />

zweier Firmen-Außendienste in<br />

Kliniken <strong>und</strong> Praxen mit all ihren<br />

Kosten. In diesem Licht w<strong>und</strong>ert<br />

das dritte Faktum<br />

überhaupt nicht mehr: Man<br />

schlug über 70 Prozent auf den<br />

203.182 DM im Durchschnitt<br />

etwas preiswerter ist als die<br />

Einzelpraxisübernahme mit<br />

257.096 DM.<br />

Bei einer Praxisübernahme<br />

entfielen 227.154 DM (Ost:<br />

131.930 DM) gleich 55,8 Prozent<br />

(51,3 Prozent) auf das<br />

Übernahmeentgelt. Dieser<br />

Betrag setzt sich zusammen<br />

aus dem ideellen Praxiswert<br />

<strong>und</strong> dem Substanzwert für<br />

Geräte <strong>und</strong> die Ausstattung.<br />

Für die Neuanschaffung medizinischer<br />

Geräte <strong>und</strong> die<br />

Ausstattung bei einer Praxisübernahme<br />

wurden durchschnittlich<br />

69.854 DM (57.049<br />

DM) aufgewendet.<br />

(Aus: A & S aktuell, 19/2002)<br />

<strong>BDI</strong> aktuell<br />

alten Akatinol-Preis auf <strong>und</strong> blieb<br />

damit weitgehend unbemerkt:<br />

50 Tabletten zu 10 mg Akatinol-<br />

Memantine kosteten<br />

€ 76,92, die<br />

Idem-Nachfolger<br />

kosten heute €<br />

118,23 (Stand: 12/<br />

02). Das B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsministerium<br />

äußerte<br />

sich zur Preisexplosionabwimmelnd.<br />

Das Firmen-Marketing<br />

listet die<br />

Präparate<br />

nunmehr als zugelassene Antidementiva.<br />

Auf diesem Felde<br />

sammeln sich Hochpreismedikamente<br />

im Schatten kaum festzustellender<br />

Wirkunterschiede<br />

bevorzugt an. Das alte Memantin<br />

ist hier sogar neu, denn die<br />

Demenztherapie ist vorrangig<br />

mit Verwandten des Schädlingsbekämpfungsmittels<br />

<strong>und</strong> Cholinesterase-Hemmers<br />

E 605<br />

besetzt. Wäre nicht die Ertragsspanne,<br />

würde man die Zurechnungsfähigkeit<br />

mancher Protagonisten<br />

überprüfen wollen. Insider<br />

erwarten das Eintreffen<br />

weiterer umregistrierter Uralt-<br />

Substanzen – wie Naftidrofyl<br />

oder Theophylin – auf dem Felde<br />

„innovativer Demenztherapie“.<br />

Solange Preisgestaltungen<br />

wie diese zum Alltag gehören,<br />

hat die These einer Fehlallokation<br />

von Mitteln im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

eine Berechtigung.<br />

Und solange weder Ärztevertreter<br />

noch die Politik hier<br />

Interesse zeigen, stimmt etwas<br />

nicht.<br />

(BY)<br />

1 Wörtlicher Ausspruch Ex-<br />

Ges<strong>und</strong>heitsministerin Andrea<br />

Fischer im B<strong>und</strong>estag 1999.<br />

2 Erstpromotor dieser Unsitte<br />

ist die Firma Glaxo-Welcome<br />

mit ihrer Substanz Ranitidin,<br />

die sie als Zantic <strong>und</strong> Sostril<br />

als weltweite Umsatzrenner<br />

parallel ausbot.<br />

<strong>BDI</strong> aktuell 02-2003 29

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