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faktor Herbst 2022

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leben<br />

LESEZEIT: 6 MINUTEN<br />

Für Ferrari war es eine Premiere, als<br />

sie Anfang des Jahres einen Sechszylinder<br />

in eines ihrer Autos verpflanzt<br />

haben. Und während die<br />

eingefleischten Ti fosi – also Ferrari-Fans<br />

– wahlweise einen Rosenkranz<br />

beten oder ihren Acht- bis<br />

Zwölfzylinder streicheln, haben die<br />

Auto- und Motorenbauer aus dem<br />

Süden Italiens direkt noch einen Elektromotor dazugesteckt.<br />

Das Ergebnis heißt Ferrari 296 GTB, ist ein waschechter<br />

Hybrid – und ein echter Ferrari? Diese Frage<br />

soll heute Ingo Stephan für <strong>faktor</strong> beantworten. Der<br />

Geschäftsführer von 1Komma5° Göttingen, einem Kompetenzzentrum<br />

für Gebäudetechnik auf der Göttinger<br />

Siekhöhe, setzt seit Jahren auf Strom und die Energiewende.<br />

Mit Erfolg. Wer sonst sollte also Ferraris ersten<br />

V6-Elektro flitzer testen?<br />

Bereits der Weg zum Autohaus in Hannover – die<br />

Moll Sportwagen Hannover GmbH, einer der wenigen<br />

Ferrari-Händler in Deutschland – läuft stilecht ab, denn<br />

wir reisen von Göttingen mit Stephans Elektro-Audi in<br />

die Landeshauptstadt. Bei einer kurzen Ladepause auf<br />

halber Strecke sprechen wir über Idealismus im Handwerk,<br />

den Wunsch, die Welt zu retten, und den Traum<br />

jedes Jungen, einmal Ferrari zu fahren. Alle diese Dinge,<br />

da ist sich Ingo Stephan sicher, werden uns irgendwann<br />

gelingen. Zumindest Letzteres – die Fahrt im Ferrari – ist<br />

nur noch ein paar Kilometer entfernt.<br />

FOTOVOLTAIK, WÄRMEPUMPEN, ELEKTROMOBILITÄT.<br />

Stephan und die 1Komma5° GmbH reiten das Thema<br />

der Zeit. Die Auftragsbücher sind voll, das Unternehmen,<br />

ehemals Bode & Stephan, wächst. Anfang des Jahres<br />

kam der Namenswechsel, hinter dem so viel mehr steckt.<br />

„Wir sind jetzt Teil der Holding und damit sehr viel<br />

schlagkräftiger“, sagt der Gründer. Wir sind auf der A7<br />

in Richtung Hannover, den E-Audi fährt Stephan jetzt<br />

seit rund drei Jahren. Aus Überzeugung. „Und weil ich<br />

weiß, dass Elektroautos die besseren Autos sind.“ Durch<br />

den Namenswechsel werde auch deutlich, wie viel Idealismus<br />

in allem steckt, was er, sein Geschäftspartner<br />

Alexander Pape und die rund 80 Mitarbeitenden so vorhaben.<br />

Es braucht die Energiewende, das haben die vergangenen<br />

Monate gezeigt. Von Göttingen aus bringt<br />

1Komma5° diesen Change in die privaten Haushalte.<br />

„Wir arbeiten derzeit an 20 Objekten gleichzeitig“, sagt<br />

Stephan. Strom vom Dach, Wärme aus der Erde, Energie<br />

für das Auto. Was so einfach klingt, füllt bei vielen<br />

Handwerksbetrieben aktuell die Auftrags bücher über<br />

Monate und Jahre.<br />

Doch bei aller Sinnhaftigkeit, aller Vernunft und allen<br />

Wünschen für eine nachhaltige Zukunft: Mobilität ist<br />

auch Leidenschaft. Das wird spätestens klar, als der<br />

E-Audi das große Ferrari-Logo in Hannover passiert<br />

und eine Steckdose sucht. Unser Auto für den Tag, ein<br />

tiefschwarzer Ferrari 296 GTB (*Verbrauchswerte siehe<br />

Kasten Seite 118), wartet bereits unter der hoch stehenden<br />

Sonne. Erstmals hat Ferrari hier einen Sechszylindermotor<br />

gebaut. Normalerweise setzen die Sportwagen<br />

auf acht Zylinder oder in großen GT-Modellen<br />

sogar auf zwölf Zylinder. Das ist nicht nur eine Entscheidung<br />

der Ingenieure, sondern auch eine Haltung,<br />

die sich bei den Fans bis ins Mark verankert hat. Mit<br />

dem Mini-Motor beginnen diese zu zweifeln, zu fragen:<br />

Ist das überhaupt noch ein Ferrari?<br />

Die Antwort ist einfacher, als es sich der Purist vielleicht<br />

wünscht: ja, der Ferrari 296 GTB. Denn gemeinsam<br />

mit dem Elektromotor krallen sich 830 PS über die<br />

Hinterachse in den Asphalt. Aufgrund der speziellen<br />

Bauweise klingt der Sechszylinder auch größer, als er eigentlich<br />

ist. Fast doppelt so groß, wünschen sich zumindest<br />

die Ingenieure – und haben am Ende recht. Das<br />

macht unterm Strich mächtig Dampf, wie ein wilder<br />

Tiger beißt und brüllt es hinter dem Fahrersitz.<br />

MIT VORSICHT UND RESPEKT traut sich der rechte Fuß<br />

von Ingo Stephan heran, die Bestie zu zähmen. „Es<br />

braucht nur einen kleinen Tipper“, sagt der Unternehmer<br />

mit weit aufgerissenen Augen begeistert. Dann<br />

schaltet die Automatik wie bestellt um drei Gänge herunter,<br />

das ganze Auto meldet: Ich bin bereit. Lass uns<br />

loslegen. Und genau das passiert dann auch. Das blaue<br />

Autobahnschild salutiert und gibt die Spur frei.<br />

Der GTB ist ein kompakter und leichter Sportwagen,<br />

das Leergewicht von 1,4 Tonnen lässt die 830 PS schnell<br />

hinter sich. Auch ab 300 kennt der Ferrari nur eine Richtung.<br />

Nach 2,9 Sekunden war die 100 geknackt. „Mit<br />

Autofahren hat das wenig zu tun“, resümiert Stephan<br />

nach der ersten Stunde. „Das ist ein Biest.“ Aber ein wunderschönes.<br />

„Und sicher fühlt es sich auch an. Die Straßenlage<br />

ist brachial.“ Die Angst, einen Fehler zu machen,<br />

nimmt zumindest das Wissen um die dicke Bremsanlage,<br />

mit Scheiben so groß wie bei anderen Autos die Räder.<br />

Fast 400.000 Euro kostet dieses hybride Abenteuer aus<br />

Maranello. Wartezeit: rund anderthalb Jahre.<br />

Mittlerweile parkt der Edelsportwagen vor der<br />

1Komma5°-Firmenzentrale in Göttingen. Mitarbeiter<br />

kommen aus dem Gebäude, machen Fotos, freuen sich:<br />

„Endlich ist der neue Dienstwagen da.“ Ein Ferrari ist<br />

kein Auto. Ein Ferrari ist eine Erscheinung, ein Ereignis.<br />

Ein Abenteuer.<br />

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