22.09.2022 Aufrufe

Schaufenster 2022-09-23

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

SCHUHWERK. Das<br />

Gericht Pasta allo<br />

scarpariello wird den<br />

Schustern Neapels<br />

zugeschrieben.<br />

→<br />

einen weiteren Anglizismus zu bemühen. Denn definitiv<br />

wird Comfort Food mit Emotionen verbunden, die<br />

von Freude, Nostalgie bis hin zu Schuldgefühlen reichen<br />

können. „Es geht um die Bewertung des Lebensmittels,<br />

nicht um seine physiologischen oder chemischen Eigenschaften.<br />

Auch Brokkoli kann zum persönlichen Comfort<br />

Food werden“, sagt Ernährungspsychologin Cornelia<br />

Fiechtl. Da reicht ein schöner Tag, eine Eistüte und<br />

die nächste Parkbank, um eine positive Erinnerung zu<br />

schaffen und die beiden Reize (sonnige Parkbank und<br />

Eis) miteinander zu verknüpfen. Je intensiver und repetitiver<br />

das Erlebnis allerdings war, desto stärker die Verbindung.<br />

Deshalb gehen viele Komfortgerichte auf Kindheitserinnerungen<br />

zurück. Hat man es als Kind genossen,<br />

jeden Herbst mit dem lieb gewonnenen Großvater<br />

Strudelteig zu ziehen, dann liefert das Gericht auch<br />

heute noch positive Assoziationen und der Körper<br />

schüttet beim Essen das Glückshormon Dopamin aus.<br />

Noch Comfort Food oder schon „Guilty Pleasure“?<br />

Oft wird Essen mit Schuldgefühlen verbunden.<br />

PASTA. Dario Formasino führt<br />

mit seinem Bruder Luca die<br />

zwei Standorte der Aperitivo-<br />

Bar Monte Ofelio. Den Begriff<br />

Comfort Food verbindet er<br />

mit der traditionsreichen<br />

italienischen Hausmannskost,<br />

aber in erster Linie seinem<br />

Familienumfeld und seiner<br />

Kindheit in Kampanien. In<br />

seinen Betrieben serviere er<br />

ausschließlich Comfort Food.<br />

Des Schusters Leisten. Um ein Eck weniger technisch<br />

beschreibt Dario Formasino seine Beziehung zu Pasta<br />

allo scarpariello. In seiner Kindheit hat er die Sommer<br />

mit seinem Bruder Luca — mit dem er auch die<br />

Monte Ofelio Aperitivo-Bar am Augartenspitz führt —<br />

bei seinen Eltern in Kampanien verbracht. Kam die<br />

Familie nach einem Tag am Meer nach Hause, musste<br />

es schnell gehen. Der Hunger war groß, die Geschäfte<br />

waren geschlossen. Besonders in einem Haus mit Garten<br />

waren frisches Basilikum, Tomaten und Pecorino<br />

allerdings immer vorhanden. Vermengt mit Chiliflocken,<br />

etwas Zitronenzeste, ausgiebig Olivenöl, Knoblauch<br />

und natürlich hochwertigen Spaghetti ergibt das<br />

ein herzhaftes Nudelgericht, das Darios Vater immer<br />

gern für seine Kinder zubereitete. In seinem Ursprung<br />

wird die Pasta übrigens neapolitanischen Schuhmachern<br />

zugeschrieben: Früher hätte Kundschaft, die<br />

sich die Riemenreparatur nicht leisten konnte, in Naturalien<br />

gezahlt: Tomaten und Käse. Die Schuster mussten<br />

die frische Ware verwerten, entstanden war Pasta allo<br />

scarpariello („Scarpa“ steht für Schuh). „Ich merke auch,<br />

dass ich versuche, es meinem Vater gleichzutun: Wenn<br />

ich meinen Kindern jetzt schnell etwas kochen will,<br />

dann wird es auch oft Scarpariello“, sagt Formasino.<br />

Besonders die Vielfalt der Gerichte und dass man in Italien<br />

so stark an traditioneller Hausmannskost festgehalten<br />

hat, ist für den Koch der Grund, warum so viele<br />

„Komfort“ in seiner Landesküche finden.<br />

Dass Essen grundsätzlich mit Emotionen belegt ist, sei<br />

sogar überlebenswichtig, bestätigt Ernährungspsychologin<br />

Cornelia Fiechtl. Die Lust daran animiert uns<br />

erst zum Essen, ähnlich wie wir Freude an Schlaf oder<br />

Sex als Motivator für diese Tätigkeiten brauchen. Hat<br />

man keine Freude am Essen, spricht man von Appetitlosigkeit<br />

oder Anorexie. Freude am Essen, insbesondere<br />

an fett- oder zuckerhaltigen Gerichten, ist in unserer<br />

schlankheitsbesessenen Gesellschaft nur mittlerweile<br />

negativ besetzt, so Fiechtl. „Problematisch wird<br />

→<br />

16 <strong>Schaufenster</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!