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SCHUHWERK. Das<br />
Gericht Pasta allo<br />
scarpariello wird den<br />
Schustern Neapels<br />
zugeschrieben.<br />
→<br />
einen weiteren Anglizismus zu bemühen. Denn definitiv<br />
wird Comfort Food mit Emotionen verbunden, die<br />
von Freude, Nostalgie bis hin zu Schuldgefühlen reichen<br />
können. „Es geht um die Bewertung des Lebensmittels,<br />
nicht um seine physiologischen oder chemischen Eigenschaften.<br />
Auch Brokkoli kann zum persönlichen Comfort<br />
Food werden“, sagt Ernährungspsychologin Cornelia<br />
Fiechtl. Da reicht ein schöner Tag, eine Eistüte und<br />
die nächste Parkbank, um eine positive Erinnerung zu<br />
schaffen und die beiden Reize (sonnige Parkbank und<br />
Eis) miteinander zu verknüpfen. Je intensiver und repetitiver<br />
das Erlebnis allerdings war, desto stärker die Verbindung.<br />
Deshalb gehen viele Komfortgerichte auf Kindheitserinnerungen<br />
zurück. Hat man es als Kind genossen,<br />
jeden Herbst mit dem lieb gewonnenen Großvater<br />
Strudelteig zu ziehen, dann liefert das Gericht auch<br />
heute noch positive Assoziationen und der Körper<br />
schüttet beim Essen das Glückshormon Dopamin aus.<br />
Noch Comfort Food oder schon „Guilty Pleasure“?<br />
Oft wird Essen mit Schuldgefühlen verbunden.<br />
PASTA. Dario Formasino führt<br />
mit seinem Bruder Luca die<br />
zwei Standorte der Aperitivo-<br />
Bar Monte Ofelio. Den Begriff<br />
Comfort Food verbindet er<br />
mit der traditionsreichen<br />
italienischen Hausmannskost,<br />
aber in erster Linie seinem<br />
Familienumfeld und seiner<br />
Kindheit in Kampanien. In<br />
seinen Betrieben serviere er<br />
ausschließlich Comfort Food.<br />
Des Schusters Leisten. Um ein Eck weniger technisch<br />
beschreibt Dario Formasino seine Beziehung zu Pasta<br />
allo scarpariello. In seiner Kindheit hat er die Sommer<br />
mit seinem Bruder Luca — mit dem er auch die<br />
Monte Ofelio Aperitivo-Bar am Augartenspitz führt —<br />
bei seinen Eltern in Kampanien verbracht. Kam die<br />
Familie nach einem Tag am Meer nach Hause, musste<br />
es schnell gehen. Der Hunger war groß, die Geschäfte<br />
waren geschlossen. Besonders in einem Haus mit Garten<br />
waren frisches Basilikum, Tomaten und Pecorino<br />
allerdings immer vorhanden. Vermengt mit Chiliflocken,<br />
etwas Zitronenzeste, ausgiebig Olivenöl, Knoblauch<br />
und natürlich hochwertigen Spaghetti ergibt das<br />
ein herzhaftes Nudelgericht, das Darios Vater immer<br />
gern für seine Kinder zubereitete. In seinem Ursprung<br />
wird die Pasta übrigens neapolitanischen Schuhmachern<br />
zugeschrieben: Früher hätte Kundschaft, die<br />
sich die Riemenreparatur nicht leisten konnte, in Naturalien<br />
gezahlt: Tomaten und Käse. Die Schuster mussten<br />
die frische Ware verwerten, entstanden war Pasta allo<br />
scarpariello („Scarpa“ steht für Schuh). „Ich merke auch,<br />
dass ich versuche, es meinem Vater gleichzutun: Wenn<br />
ich meinen Kindern jetzt schnell etwas kochen will,<br />
dann wird es auch oft Scarpariello“, sagt Formasino.<br />
Besonders die Vielfalt der Gerichte und dass man in Italien<br />
so stark an traditioneller Hausmannskost festgehalten<br />
hat, ist für den Koch der Grund, warum so viele<br />
„Komfort“ in seiner Landesküche finden.<br />
Dass Essen grundsätzlich mit Emotionen belegt ist, sei<br />
sogar überlebenswichtig, bestätigt Ernährungspsychologin<br />
Cornelia Fiechtl. Die Lust daran animiert uns<br />
erst zum Essen, ähnlich wie wir Freude an Schlaf oder<br />
Sex als Motivator für diese Tätigkeiten brauchen. Hat<br />
man keine Freude am Essen, spricht man von Appetitlosigkeit<br />
oder Anorexie. Freude am Essen, insbesondere<br />
an fett- oder zuckerhaltigen Gerichten, ist in unserer<br />
schlankheitsbesessenen Gesellschaft nur mittlerweile<br />
negativ besetzt, so Fiechtl. „Problematisch wird<br />
→<br />
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