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Schaufenster 2022-09-23

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Es geht nicht nur<br />

um guten Wein<br />

Genussreisende sind unterwegs zwischen den Hügeln, sehr überlaufen ist der<br />

Collio in Friaul nicht. Erst 2025 wird Gorizia Europäische Kulturhauptstadt.<br />

Text: Georg Weindl<br />

Es kann schon vorkommen, dass man<br />

unterwegs am eigenen Geisteszustand<br />

zweifelt. Wer nach Gradisciutta<br />

will, einem eleganten Gutshof<br />

inmitten der Weingärten zwischen<br />

Cormòns und Gorizia, hat eigentlich<br />

genug mit der schmalen kurvigen<br />

Landstraße zu tun, deren Asphalt schon etliche Alterserscheinungen<br />

hat. Die finale Schotterstraße, der letzte<br />

Kilometer, der neben einem alten Bauernhof abzweigt,<br />

erfordert ein wachsames Auge und Pfadfinderqualitäten.<br />

Das Navigationssystem ist längst verwirrt. Einmal<br />

heißt es Gardisciutta, dann wieder Gradisciutta. Zwei<br />

bis drei Ehrenrunden sollte man einplanen, bis man vor<br />

dem gediegenen Gemäuer des Weinguts von Robert<br />

Princic steht.<br />

Warum da zwei verschiedene Versionen für den Ortsnamen<br />

kursieren, weiß er selbst nicht genau. Dabei ist<br />

seine Familie hier seit Generationen zu Hause, haben<br />

Vater und Großvater hier schon Wein gebaut. Robert gibt<br />

sich damit nicht zufrieden, hat viel Geld und Energie<br />

investiert und das alte Gut in einen eleganten Agriturismo<br />

verwandelt. Friulanisches Landleben mit Viersternekomfort,<br />

umgeben von den sanften Hügeln des Collio.<br />

„Wir haben hier 40 Hektar Fläche, stellen gerade ganz<br />

auf biologischen Weinbau um und bieten<br />

seit heuer zwölf Zimmer und drei Appartements<br />

an“, verrät Princic. Wer gern exzellenten<br />

Wein, vorzugsweise weiß, goutiert und<br />

dabei seine Ruhe haben will, ist hier richtig.<br />

Zum Frühstück serviert man regionale Spezialitäten<br />

und hausgemachte Marmeladen.<br />

Für Gruppen wird auch abends gekocht.<br />

Weindegustationen gehören ohnehin zum<br />

Standardangebot. Wer Stadtleben en miniature<br />

sucht, landet in ein paar Minuten in Cormòns oder<br />

Gorizia. Robert Princic hat noch weitere Pläne. Ein<br />

Schwimmbad ist fix geplant. Über mehr will er noch<br />

nicht reden. Sind ja auch unsichere Zeiten.<br />

Vor allem der Weißwein. Der Collio ist irgendwie eine<br />

Kuriosität. Einerseits ist die Gegend in Kreisen kultivierter<br />

Genussmenschen berühmt für seine Weißweine, für<br />

Pinot Bianco, Pinot Grigio, Friulano, Chardonnay und<br />

Sauvignon Blanc. Andererseits wirkt die Gegend entlang<br />

der Grenze zu Slowenien, von einigen wenigen glamourösen<br />

Ausnahmen abgesehen, noch ziemlich rustikal<br />

Genussreisende<br />

erkunden den<br />

Collio zunehmend<br />

mit dem Fahrrad.<br />

und unentdeckt. Dass Gorizia, die zweigeteilte italienisch­slowenische<br />

Stadt, 2025 Kulturhauptstadt Europas<br />

wird, davon versprechen sich die Einheimischen<br />

wertvolle Impulse.<br />

Man muss nicht dem Wein verfallen sein, will man hier<br />

Ferientage verbringen, aber es erleichtert die Wahl<br />

ungemein. Das gilt vermutlich auch für die Gäste bei<br />

Russiz Superiore, das nur wenige, aber kurvenreiche<br />

Kilometer von Gradisciutta entfernt ist. Bei den letzten<br />

500 Metern auf der schmalen Schotterstraße hinauf<br />

zum souverän auf einem Hügel postierten Weingut fühlt<br />

man sich wie in einer Filmromanze von Vittorio de Sica,<br />

fehlt nur noch der offene Alfa oder Lancia samt dem<br />

Konzert eines kernigen Doppelnockenwellenmotors.<br />

Eine önologische Erlebniswelt von archaischer Güte.<br />

Die elegante Villa mit ihren leuchtend gelben Mauern,<br />

nebenan ein elegantes und unaufdringliches Dreisternehotel.<br />

Zur Degustation geht es in einen Salon, der sich<br />

aristokratisch anfühlt. Etliche Meter tiefer verführt der<br />

historische Weinkeller in eine fast mystische Zeitreise,<br />

wo Weißweine lagern, die etliche Jahrzehnte hinter sich<br />

haben.<br />

Erst schnüffeln, dann kosten. Ilaria Felluga, die seit<br />

dem frühen Tod ihres Vaters das renommierte Weingut<br />

leitet, ist um Ideen offensichtlich nicht verlegen.<br />

An diesem Tag hat sie Elena Cobez eingeladen,<br />

eine Aromatherapeutin aus Triest. Auf<br />

die Besuchenden wartet eine Verkostung der<br />

besonderen Art. „Indem wir an verschiedenen<br />

Duftölen riechen, sensibilisieren wir<br />

unseren Geruchs­ und Geschmackssinn. Je<br />

mehr Düfte und Geschmäcker der Körper<br />

kennt, desto besser reagieren die Sinne auf<br />

neue Duftnoten“, erklärt Cobez, die dafür mit<br />

einer Sommelière zusammenarbeitet. Also schnüffeln<br />

die Probanden an Zedernholz, Cranberry, Birne und<br />

Kamille, bevor es an die Verkostung des Felluga­Sortiments<br />

geht.<br />

Russiz Superiore ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die<br />

Weinproduzenten im Collio dem Tourismus öffnen.<br />

„Während der Pandemie sind viele Leute aus der Region<br />

zu uns gekommen, dadurch konnten wir touristische<br />

Erfahrungen sammeln“, sagt Ilaria Felluga. Weinverkostungen<br />

werden mit regionalen Produkten wie San­<br />

Daniele­Schinken und Montasio­Käse verknüpft. Neu<br />

sind auch enogastronomische Exkursionen zu lokalen<br />

→<br />

<strong>Schaufenster</strong> 39

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