→ WIRTIN. Stefanie Herkner führt das Wirtshaus „Zur Herknerin“ in Wien Wieden. Auf der Karte sowie in ihrem Kochbuch „Wiener Küche mit Herz“ (Brandstätter Verlag) findet man Georg Böhm kann das nachvollziehen: „Wenn es mir wirklich, wirklich schlecht geht, dann neige ich auch eher zu destruktivem Essverhalten. Da greife ich dann zu Tiefkühllasagne und Süßwaren aus dem Kühlregal.“ Ein Essverhalten, das sich diametral von seiner Kochweise im Café Kandl in Wien Neubau unterscheidet. Comfort Food in seinem positivsten Sinn hat für Böhm wenig mit ihm selbst zu tun. Wichtig sei ihm, dass sich die anderen wohlfühlen, jene, für die er kocht. Für seine Tochter Paula etwa bereitet „der Doktor“ — seinen Spitznamen verdankt er seiner Promotion in Arabistik — gern mal ihr Comfort Food zu, das im Übrigen auch das Lieblingsgericht von Mao Zedong war: geschmorter Schweinebauch zubereitet mit Sternanis, Zucker, Sojasauce, Zimt und Shaoxing-Reiswein. Im Café Kandl war das Trostgericht der vergangenen Wochen wiederum Fregola Sarda mit Parmesanschaum und Basilikumöl. Die Hartweizenkügelchen aus Sardinien lässt Böhm im Gemüsefond mit Zatar, Knoblauch und Weißwein köcheln, bis sie sich wohligwürzig an den cremigen Parmesan schmiegen. An ein Comfort Food aus seiner eigenen Kindheit könne er sich nicht wirklich erinnern. „Höchstens Mayonnaise“, fügt er hinzu. Seine vier Geschwister und er mussten schon früh lernen, selbst Mayonnaise herzustellen. Sind sie heute zu Besuch bei den Eltern, steuern alle fünf treffsicher zuerst den Kühlschrank an. Gibt es frische Mayonnaise, wird mit einer Scheibe Brot kritisch verkostet. Komfort als Essenz. Jemand, sich dem „Komfort“ verschrieben hat (und „Schäumchen“ davon ganz exkludiert), ist Stefanie Herkner. Seit zehn Jahren führt sie nun ihr Wirtshaus Zur Herknerin im vierten Wiener Gemeindebezirk. Das Lokal sowie ihr Kochbuch „Wiener Küche mit Herz“ bedienen nicht nur Kindheitserinnerungen, sondern sind auch daraus entstanden. „Das Lokal ist ein Ort, um meinem Vater ein bisserl nah zu sein“, sagt Herkner. „Das Gefühl des Umsorgens ist Heinz Herkner war in den 1970erund 1980er-Jahren einer der besten wiedergegeben in diesem Geschmack.“ Köche Wiens. Er starb, als die Tochter erst 13 Jahre alt war. Nun serviert sie Gerichte aus ihrer Kindheit. Dass das Essen die Leute berührt, merke sie und erklärt es wie folgt: „Das Gefühl des Umsorgens ist wiedergegeben in diesem Geschmack.“ Gefüllte serbische Krautrouladen, Sarma, lassen sich außerdem gut vorbereiten, die Fülle bestenfalls schon am Vortag, ein Pluspunkt für Comfort Food. „Vor zehn Jahren war ich ja noch allein in der Küche, Sarma war sozusagen mein Notfallgericht.“ Das Rezept für Trostküche hat man somit schnell beisammen: Eine Prise Nostalgie ist meist enthalten, Lust oder Stress kommen hinzu, bequem in der Umsetzung soll’s sein, im besten Fall ist viel bewusster Genuss beim Verzehr vorhanden, im schlechtesten der Griff zur Fertigware, ein wenig Dopamin kommt obendrauf, und schon wird aus einem austauschbaren Gericht die Komfortvariante. s Gerichte aus ihrer Kindheit – Grießnockerl, Faschierter Braten, Sarma. Mit ihrem Essen will sie Menschen berühren, und das scheint ihr zu gelingen. Das für sie schönste Lob kam von einer Urlauberin, die sagte: „Ihr Essen macht mich richtig glücklich.“ es nur, wenn Essen eine emotionsregulierende Funktion erhält“, sagt Fiechtl. Wenn wir also essen, wenn wir angespannt sind, uns schlecht fühlen oder langweilen, und uns dadurch besser fühlen wollen. Studien zeigen, dass Menschen in Stresssituationen mehr Energie zu sich nehmen. Das merkt man etwa zu Krisenzeiten: Auch während der Coronapandemie hat sich das Essverhalten vieler Menschen verändert. Der Verkauf von Konserven und Fertiggerichten ist in die Höhe geschnellt, in den USA etwa freute sich der bekannte Dosensuppenproduzent Campbell’s nach Jahren der Verkaufsrückgänge plötzlich über die doppelte Nachfrage, und während Teile der Bevölkerung wieder mehr selbst kochten, stieg bei anderen die Frequenz bestellten Essens hin zum Tagtäglichen. UMMANTELT. Zu Sarma wurde Herkner von ihren slowenischen Wurzeln inspiriert. der 18 <strong>Schaufenster</strong>
— NICHOLAS OFCZAREK ALS VOLLMUNDIG |KÖRPERREICH |ERDIG — SO EINEN WEIN SPIELT’S NURDA.