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du kannst sie locker wieder einholen“, fährt sie fort und<br />
lächelt dabei zufrieden in sich hinein.<br />
In der italienischen Gastroszene liegt Egger momentan<br />
jedenfalls auf der PolePosition: Sie wurde im vergangenen<br />
Herbst als beste Sommelière Italiens mit dem<br />
Michelin Award Sommelier <strong>2022</strong> Italy ausgezeichnet –<br />
als erste Frau überhaupt: „Manchmal stehe ich im Weinkeller<br />
und kann es immer noch kaum glauben.“ Egger<br />
versteht den Preis aber auch als Signal an ihre Kolleginnen.<br />
„Es gibt so viele Frauen in diesem Beruf. Ausgezeichnet<br />
wurden bislang aber nur Männer. Umso wichtiger,<br />
dass Frauen in den Blick der Öffentlichkeit gerückt<br />
werden.“<br />
Neues wagen. Warum ausgerechnet sie den besten<br />
Weingeschmack Italiens haben soll, vermag sie nicht<br />
zu sagen – sie übe den Beruf nun einmal seit 34 Jahren<br />
aus, bilde sich stetig weiter, reise zu Verkostungen überall<br />
in Europa: „Man lernt eben immer dazu.“ Egger legt<br />
viel Wert auf Bescheidenheit, scheint sich über die Aufmerksamkeit,<br />
die ihr nach der MichelinAuszeichnung<br />
zuteilwird, zu freuen, aber sich nicht darin zu sonnen.<br />
„Ich bin nicht der Star im Restaurant, sondern will einfach<br />
einen tollen Service bieten“, sagt die zierliche Frau.<br />
„Es ist wichtig, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben.“<br />
Eine gute Sommelière machen andere Qualitäten<br />
aus, findet sie: „Man muss sehr viel Feingefühl beweisen,<br />
sich auf die Gäste einstellen.“<br />
Und dieses Feingefühl, das gibt Egger implizit zu verstehen,<br />
traut sie Frauen tendenziell eher zu als Männern.<br />
Kolleginnen, die sie schätzt, sind etwa Gisela Schneider<br />
aus dem ZweiSterneRestaurant Terra im Sarntal<br />
oder die Berliner Gastronomin MarieAnne<br />
Wild. Vielleicht ist es die Flexibilität von Frauen,<br />
sich allen Lebensumständen anzupassen, die<br />
sie für den Beruf der Sommelière prädestinieren;<br />
sie selbst habe etwa nie davon geträumt,<br />
den Beruf zu ergreifen, sagt Sonya Egger, es habe<br />
sich eben so ergeben. Die Offenheit, die Dinge so<br />
zu nehmen, wie sie kommen, und das Beste daraus<br />
zu machen, das ist für Egger eine weibliche<br />
Eigenschaft – und eine, die für eine Sommelière<br />
unabdingbar ist. Schließlich verändert sich der<br />
Geschmack eines Weines fortwährend. Was bei der Verkostung<br />
beim Winzer stimmig wirkte, kann an einem<br />
heißen Tag zu einem bestimmten Menü einen ganz<br />
anderen Charakter annehmen. Dann heißt es umdisponieren,<br />
Neues wagen.<br />
Überhaupt spricht Sonya Egger über ihren Job, als ob<br />
es eben nicht nur darum ginge, perfektionistisch nach<br />
der besten Weinbegleitung zum jeweiligen Menü zu<br />
suchen. Vielleicht ist das ihr Geheimnis – sie geht unverkrampft<br />
an ihren Job heran. Jedenfalls ist es eine auf<br />
den ersten Blick wilde Weinmischung, die Sonya Egger<br />
in ihrem Restaurant Glas für Glas aus extra für sie angefertigten<br />
MagnumFlaschen aviniert (daraus schmeckt<br />
der Wein am besten, sagt sie – ihre beliefernden Winzer<br />
hätten sich an diese kleine Extravaganz ihrerseits längst<br />
gewöhnt). „Ich mische immer gern große Namen mit<br />
kleinen, ganz unbekannten“, so erklärt sie die Auswahl<br />
ihrer Weine. Zum SechsGängeMenü an diesem Abend<br />
im Kuppelrain gibt es etwa zum Tatar vom Vinschgauer<br />
„Ich mische<br />
immer gern<br />
große Namen<br />
mit kleinen,<br />
unbekannten.“<br />
Saibling einen „Eschkolot“ vom Gut Castelatsch, eine frische<br />
weiße Cuvée, hergestellt auf einem kleinen alternativen<br />
Bauernhof. Den Gegenentwurf der Südtiroler<br />
Weinkultur gibt es dann zum Schnalser Jungrind mit<br />
wildem Brokkoli zu trinken: einen sehr vollmundigen<br />
St. Magdalener „Heilmann klassisch“, eine Mischung aus<br />
Vernatsch und Lagrein vom Erbhof Unterganzner, seit<br />
1629 im Besitz der gleichen Familie.<br />
Parfumverbot. Aber nach welchen Kriterien wählt sie<br />
denn Weine nun aus? Wie muss ein Wein sein, damit<br />
er es ins Kuppelrain schafft? Egger gibt hier eine ungewöhnliche<br />
Antwort: „Mir ist die Geschichte eines Weines<br />
wichtig – aus welcher Lage kommt er, wer macht<br />
den Wein? Ich entscheide mit Herz und Bauchgefühl<br />
und unterstütze gern kleine Winzer, die auch aus<br />
schwierigen Lagen einen besonderen Wein herausholen.“<br />
Geschichten sind Sonya Egger wichtig, das ist<br />
beim Besuch im „Kuppelrain“ zu spüren. Sie ist eine<br />
zurückhaltende Frau, sie erzählt am Tisch zu ihren Weinen<br />
nur das, was die Gäste bereit sind zu hören. Aber<br />
sie verleiht dem Ort die Seele, hält den Familienbetrieb<br />
zusammen: Mann und Sohn haben die Küche zu verantworten,<br />
Tochter Natalie pflegt den Garten, aus dem<br />
Obst, Gemüse und Kräuter für das Kuppelrain stammen,<br />
außerdem zaubert sie feine PatisserieKunstwerke. Die<br />
jüngste Tochter hilft in den Schulferien im Service. Aber<br />
Mutter Sonya sorgt eben dafür, dass alle Rädchen ineinandergreifen<br />
– und bringt abends, bevor die Gäste<br />
kommen, die Hühner lieber selbst in den Stall, bevor<br />
das noch vergessen wird (die eigenen Eier im Menü<br />
schmecken übrigens fantastisch).<br />
In Anbetracht von so viel Frauenpower drängt<br />
sich natürlich eine Frage auf: Haben Frauen<br />
eigentlichen einen anderen, womöglich sogar<br />
besseren Weingeschmack als Männer? Wieder<br />
lächelt Egger auf ihre feine, leise, verschmitzte<br />
Art. Sie drückt sich diplomatisch aus: „Frauen<br />
schmecken Weine zumindest oft besser als Männer.<br />
Und können die Geschmacksnuancen auch<br />
blumiger, differenzierter beschreiben.“ Tatsächlich<br />
gibt es aktuelle Studien dazu, dass Frauen<br />
besser schmecken als Männer – weil sie im vorderen<br />
Gehirnteil mehr Neuronen aufweisen, die die<br />
Geruchssignale in den Teil weiterleiten, der für die<br />
Geruchswahrnehmung zuständig ist. Außerdem sind<br />
bei Frauen die Gehirnhälften besser miteinander vernetzt,<br />
was beim Bestimmen von Geschmacksnuancen<br />
hilft. Doch keine Sorge, es gibt Chancen für Männer, sagt<br />
Sonya Egger: „Man kann Riechen und Schmecken natürlich<br />
trainieren. Aber bitte auf gar keinen Fall Parfum<br />
benutzen, das zerstört den Geruchssinn!“ Am besten sei,<br />
sagt sie, so viele gute, frische Produkte zu verkosten wie<br />
möglich. Ihren Gästen gibt sie an diesem Abend frischen<br />
Birnensaft und selbst gekochte Marmelade mit nach<br />
Hause. „So etwas habt ihr wahrscheinlich noch nicht so<br />
oft probiert“, sagt Sonya Egger. Stimmt. s<br />
Tipp<br />
RESTAURANT KUPPELRAIN. Sommelière Sonya Egger betreibt das Lokal gemeinsam<br />
mit ihrem Mann Jörg Trafoier, Bahnhofstraße 16, 39020 Kastelbell, Italien.<br />
<strong>Schaufenster</strong> 21