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Zahnmedizin im Nationalsozialismus

Ausgabe 2-3/2022

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10_TITELTHEMA<br />

ZBW_2-3/2022<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

Von der We<strong>im</strong>arer Republik zum <strong>Nationalsozialismus</strong><br />

WIE WURDEN SIE ZU<br />

TÄTER*INNEN?<br />

Kundgebung. Tagung der DGZMK <strong>im</strong> Preußischen Herrenhaus; Berlin am 15. Oktober 1934.<br />

Foto: ZM Archiv<br />

Laut der Studien von Prof. Dr. Dominik Groß, Direktor des Instituts für Geschichte,<br />

Theorie und Ethik der Medizin an der RWTH Aachen, lassen sich die Verstrickungen<br />

der deutschen <strong>Zahnmedizin</strong> zwischen 1933 und 1945 in Zahlen<br />

fassen: 1938 waren rund neun Prozent aller Zahnärzte in der „Allgemeinen SS“,<br />

etwa 300 in der „Waffen-SS“ und rund 100 in den verschiedenen Konzentrationslagern<br />

tätig. 1.300 Zahnärzte waren bereits vor 1933 Mitglieder der NSDAP,<br />

mindestens 74 von ihnen erhielten in der Folge das Goldene Parteiabzeichen<br />

und mindestens sechs waren Blutordensträger. Auch an den Hochschulen<br />

hatte sich das nationalsozialistische Gedankengut ausgebreitet:<br />

Bis 1945 zählten 60 Prozent der zahnärztlichen Hochschullehrer zu den<br />

Mitgliedern der NSDAP. Während sich der Anteil der NSDAP-Mitglieder<br />

in der gesamten Ärzteschaft vor 1933 um die 7 Prozent bewegte, lag er<br />

bei der Zahnärzteschaft bei 12 Prozent. 1<br />

Prof. Dr. Paul Julian Weindling, Forschender<br />

zur Wissenschafts- und Medizingeschichte<br />

<strong>im</strong> <strong>Nationalsozialismus</strong>,<br />

schätzt allein die Opfer der deutschen<br />

Medizin auf eine halbe Million. Daran<br />

beteiligt waren auch <strong>Zahnmedizin</strong>er*innen.<br />

Demzufolge muss man sich der<br />

Frage nähern, wie es möglich war, unter<br />

dem Deckmantel der wissenschaftlichen<br />

Arbeit und <strong>im</strong> Angesicht der eigenen<br />

Selbstachtung als Mediziner*in <strong>im</strong><br />

nationalsozialistischen Gefüge mitzumischen.<br />

Genügt es, sich auf den Glauben<br />

an einen Führer zu berufen und auf<br />

die Befehlsgewalt einer Regierung? Ist es<br />

korrekt an die gängigen Floskeln zu<br />

glauben, das deutsche Volk sei es gewohnt<br />

gewesen, kritiklos Weisungen<br />

auszuführen, die von oben kamen? Wird<br />

man damit der Geschichte und vor allem<br />

einem ganzen Volk gerecht? Einerseits<br />

will man zum Mahner werden, weil<br />

man nicht weiß, wie erpressbar man<br />

selbst gewesen wäre, in dieser Zeit. Andererseits<br />

bleibt die Frage offen, ob es<br />

das eigene Gewissen, der Verstand und<br />

die Seele zugelassen hätten, mit dieser<br />

Bürde und Schuld weiterzuleben.<br />

HISTORISCH<br />

Die Niederlage Deutschlands <strong>im</strong> Ersten<br />

Weltkrieg war zugleich das Ende des<br />

Kaiserreichs. Zwischen Revolution, dem<br />

Wunsch nach parlamentarischer De-<br />

1 Enno Schwanke, Zahnärzte und Dentisten vor, während und nach der Zeit des <strong>Nationalsozialismus</strong>, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin,<br />

Medizinische Fakultät der RWTH Aachen, 2015.

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