f+h fördern und heben 7-8/2023

PERSPEKTIVEN
AUTOMATISIERUNG IM LAGER
WIR RÄUMEN MIT MYTHEN
UND UNWAHRHEITEN AUF
Selbstfahrende Flurförderzeuge sind teuer, sorgen für Stellenabbau und sind komplex in
puncto Bedienung, Wartung und Reparatur. So zumindest einige Vorurteile, die über
Fahrerlose Transportsysteme (FTS), im Englischen auch als „automated guided vehicle system
(AGV system) bezeichnet, kursieren. Welche davon haben einen wahren Kern und welche sind
komplett unbegründet? Mel Alexander Bruns, Produktspezialist Automatisierung der
Jetschke Industriefahrzeuge (GmbH & Co.) KG, Hamburg, deckt einige Mythen auf.
MYTHOS 1: Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt nicht – die Geräte sind unverhältnismäßig teuer
Mel Alexander Bruns:
Obwohl AGV im Vergleich
zu herkömmlichen
Gabelstaplern, in
erster Linie Deichselgeräten, teurer sind, sollten sie als Investition
betrachtet werden, die sich langfristig auszahlt und nach
einer gewissen Zeit eine Ersparnis bringt. In der Regel amortisiert
sich die Investition innerhalb von ein bis zwei Jahren.
Durch den Einsatz von AGV und verschiedenen Mechanismen
zur Kollisionsvermeidung sind Schäden an Gebäude und
WIDERLEGT
Einrichtung ausgeschlossen, was wiederum Kosten für Reparatur
und Instandhaltung einspart. Zusätzlich haben AGV eine
längere Laufzeit als herkömmliche Lagertechnikgeräte. Während
ein normales Lagertechnikgerät durchschnittlich etwa
4.000 Stunden eingesetzt wird, kann ein Linde Matic AGV
mehr als 20.000 Stunden genutzt werden.
Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass die Suche
nach geeignetem Personal sowie die Einarbeitung neuer Angestellter
im Allgemeinen mehrere Monate in Anspruch nehmen
kann.
MYTHOS 2: Die Technik ist noch nicht ausgereift – durch AGV steigt das Unfallrisiko
Mel Alexander Bruns:
Im Gegenteil, der Einsatz
von automatisierten
Maschinen im Lager
führt zu einem geringeren Unfallrisiko. Die selbstfahrenden
Fahrzeuge sind jederzeit aufmerksam und bewegen sich
in einer Sicherheitsklasse (Performance Level D) zwischen
Flugzeugtechnik und selbstfahrenden Autos.
WIDERLEGT
Sobald ein Hindernis oder eine Person erkannt wird, stoppt
das Flurförderzeug automatisch und fährt wieder an, sobald
das Hindernis aus dem Weg ist. Im Vergleich dazu ist der
Mensch immer eine potenzielle Gefahrenquelle. Müdigkeit
und Unaufmerksamkeit beim Arbeiten mit schweren Maschinen
gehören zu den Hauptgefahrenquellen in Logistikprozessen.
Es ist leider unmöglich, als Mensch immer und zu 100
Prozent konzentriert zu sein.
MYTHOS 3: Mit AGV verliert man an Flexibilität, da die Maschinen nur nach Schema F arbeiten
Mel Alexander Bruns:
Das stimmt bedingt.
Zwar sind automatisierte
Fahrzeuge in der
Lage, verschiedene Palettentypen zu transportieren und individuelle
Prozesse abzubilden, dafür ist es aber wichtig, dass
die Prozesse standardisiert sind. Diese werden als „Prozesse
mit geringer Wertschöpfung“ bezeichnet. Die automatisierten
WIDERLEGT
Flurförderzeuge eignen sich hauptsächlich für einfache Transportaufgaben
in Materialfluss und Lager, zum Beispiel das Bewegen
von Paletten von A nach B oder das Bereitstellen von
Material für Lkw oder Schmalgang- und Breitganglageranwendungen.
Dadurch hat das Personal mehr Zeit, sich auf anspruchsvollere
oder spontan anstehende Aufgaben zu konzentrieren, die
menschliches Know-how erfordern.
14 f+h 2023/07-08 www.foerdern-und-heben.de