Das Stadtgespräch Ausgabe August 2023 auf Mein Rheda-Wiedenbrück
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Buchtis<br />
Maiken Nielsen »Die Frau, die<br />
es nicht mehr gibt«<br />
Ich liebe ja Romane, die an interessanten<br />
Schauplätzen im Ausland<br />
spielen, vor allem, wenn<br />
ich die Gegend kenne. <strong>Das</strong> muss<br />
wohl vielen so gehen, denn von<br />
dieser Sorte Roman gibt es eine<br />
ganze Menge. Was mir dabei allerdings<br />
gewaltig <strong>auf</strong> den Keks<br />
geht, ist, dass die deutschen en<br />
Hauptpersonen in die jeweilige<br />
Region reisen und sie unmittelbar<br />
umringt sind von Menschen, die alle perfekt Deutsch sprechen. Aus meiner<br />
persönlichen Erfahrung kenne ich das ganz anders. <strong>Das</strong> geht auch<br />
Alex so, der jungen Heldin aus Maiken Nielsens Roman. Eigentlich wollte<br />
die sich nur eine Auszeit nach der Schule nehmen, bleibt aber dann in<br />
der Provence hängen. Die wunderschöne Landschaft schlägt sie in ihren<br />
Bann, die Menschen auch, obwohl sie die nur radebrechend versteht. Da<br />
reicht das Schulfranzösisch erstmal nicht besonders weit. <strong>Das</strong> ändert<br />
sich erst, als die Aussteigerin Mado sie unter ihre Fittiche nimmt. Die<br />
etwas rätselhafte Mado wird nicht nur ihre strenge Französischlehrerin,<br />
sie sorgt auch dafür, dass Alex nicht mehr unter freiem Himmel campen<br />
muss, indem sie einen Schlafplatz in einer Scheune organisiert. Und<br />
dann bekommt Alex auch noch einen Job in einer Restaurantküche.<br />
Doch viel wichtiger als das karge Leben im Lubéron-Gebirge ist für<br />
Alex der Mikrokosmos in dem Provence-Nest zur Mitte der 1980er Jahre.<br />
Während in Deutschland die nächste Generation der RAF Terror verbreitet,<br />
haben sich Künstler, Intellektuelle und andere Lebenskünstler unter<br />
südlicher Sonne versammelt. Während Alex’ Familie in Deutschland mit<br />
Unverständnis reagiert, findet die junge Frau in einer Gruppe von Straßenkünstlern<br />
eine neue Familie. Sie verbringt viel Zeit mit dem sympathischen<br />
Chaoten Fantomas, dem schüchternen Seiltänzer Loic und natürlich<br />
Mado, die zu ihrer besten Freundin wird. Doch dann ist Mado <strong>auf</strong><br />
einmal spurlos verschwunden. Erst dreißig Jahre später begegnen sich<br />
die beiden Frauen wieder und die längst etablierte Alex versteht nach<br />
und nach die Hintergründe dessen, was tatsächlich damals passiert ist.<br />
Es ist natürlich müßig, darüber zu spekulieren, wie viel Autobiographisches<br />
in »Die Frau, die es nicht mehr gibt« steckt. Maiken Nielsen ist<br />
selbst nach dem Abitur per Autostopp ein Jahr lang durch Europa gegondelt,<br />
wobei es sie anschließend sieben Jahre in die Provence verschlagen<br />
hat. Aber wie sagte einst der Literatur-Papst Marcel Reich-Ranicki: »Ein<br />
Roman ohne autobiographische Züge ist Dreck!« Maiken Nielsen ist <strong>auf</strong><br />
alle Fälle ein Roman geglückt, der sowohl politische Stimmungen und<br />
persönliche Findungsproblematiken einfängt, als auch streckenweise<br />
wirklich poetisch ist. Zudem ist er auch spannend, denn die Leserschaft<br />
darf nach und nach auch Geheimnisse entdecken. Erschienen als Hardcover<br />
bei Wunderlich, 443 Seiten, 24 Euro.<br />
Claire Douglas »Liebste Tochter«<br />
Um Geheimnisse geht es auch im neuen Thriller von Claire Douglas.<br />
Längst hat die britische Autorin nicht nur bei den Angelsachsen, sondern<br />
auch bei uns ihre Leserschaft gefunden, die dem nächsten Krimi<br />
entgegenfiebert. Auch bei ihrem neuen Roman ist packende Spannung<br />
garantiert. Saffy und Tom haben gerade ein kleines Cottage bezogen,<br />
das Saffy von ihrer Großmutter<br />
überlassen worden ist. <strong>Das</strong> trifft<br />
sich ausgesprochen gut, denn es<br />
kündigt sich Nachwuchs an und<br />
da ist das Häuschen am Rande<br />
der idyllischen Kleinstadt ge-<br />
nau das Richtige. Es müssen nur<br />
noch ein paar Umbauten erledigt<br />
werden. Doch als der alte Garten<br />
ausgebaggert wird, finden die<br />
Bauarbeiter zwei Skelette. Die<br />
sind zwar alt, aber keineswegs<br />
antik, sodass nicht die Archäologie,<br />
sondern die Polizei zuständig<br />
ist.<br />
Alle Hinweise deuten <strong>auf</strong> ei-<br />
nen in den Jahren zwischen 1970<br />
und 1990 begangenen Doppelmord hin. Der Fund sorgt natürlich in dem<br />
verschlafenen Städtchen mitten im bürgerlichen England für mächtig<br />
Aufsehen. Während die Journalisten das Haus belagern, bleibt Saffy<br />
nichts anderes übrig, als die Recherchen selbst in die Hand zu nehmen.<br />
Bei der Frage, was vor all den Jahren wirklich geschehen ist, kann<br />
vielleicht Saffys Mutter weiterhelfen. Doch von der hat sich die junge<br />
Frau entfremdet. Saffys Mum hat es jahrelang vorgezogen, sich im sonnigen<br />
Spanien statt im regnerischen England zu vergnügen. Wobei das<br />
Vergnügen vorzugsweise mit jüngeren Männern gewürzt war und ist.<br />
Doch letztlich r<strong>auf</strong>en sich die beiden so unterschiedlichen Frauen doch<br />
zusammen, denn die Lösung des unheimlichen Rätsels ist eindeutig<br />
in der Familiengeschichte zu suchen. Was ist damals warum passiert?<br />
Und wer hatte welchen Anteil an dem Verbrechen? Am ehesten könnte<br />
die Großmutter Licht ins Dunkle bringen, doch die ist längst in einem<br />
Pflegeheim untergebracht, weil sie an Demenz leidet. Schwer zu sagen,<br />
an was sich die geliebte Großmutter nicht mehr erinnern kann oder was<br />
sie bewusst vorzieht zu vergessen. Doch Saffy gelingt es nach und nach,<br />
verschiedene Spuren zu verfolgen, auch weil sie allmählich nicht mehr<br />
als Zugereiste gilt, denn manch alter Dorfbewohner kann sich an Oma<br />
und Kind erinnern. Erschienen sind die 479 Seiten Lesevergnügen als<br />
Paperback bei Penguin. Kostenpunkt 15 Euro.<br />
Conn Iggulden »Attika«<br />
In der Schule fand ich nicht besonders viel spannend. Ausnahme war<br />
vor allem die Geschichte der Antike, die unser damaliger Lehrer in wunderbare<br />
Geschichten zu verpacken wusste. So genau erinnere ich mich<br />
allerdings nicht mehr daran, wie das alles abgel<strong>auf</strong>en ist, die Schulzeit<br />
ist für mich schon etwas länger vorbei. Doch in diesem Fall sind die Erinnerungslücken<br />
von Vorteil, denn dadurch werden die Geschichten der<br />
Geschichte wieder ausgesprochen spannend für mich. Vorausgesetzt,<br />
dass ein Meister seines Fachs sie erzählt. Zu diesen gehört der Brite Conn<br />
Iggulden definitiv, der Daily Mirror nennt ihn gar eine Klasse für sich.<br />
In »Attika«, das glücklicherweise soeben auch <strong>auf</strong> Deutsch erschienen<br />
ist, erzählt Iggulden die Geschichte, die zweieinhalb Tausend Jahre<br />
alt ist und zugleich aktuell erscheint angesichts der totalitären Tendenzen<br />
in unserer Zeit. 490 v. Chr. steht die Republik Athen vor ihrer<br />
größten Bedrohung, denn der mächtige Perserkönig Dareios der Große<br />
drängt mit einem gewaltigen Heer inklusive seiner Elitetruppe, den<br />
kampferprobten »Unsterblichen«, tief ins Land der Griechen vor. Die<br />
Athener sind hoffnungslos in der Unterzahl, da helfen auch die Apelle<br />
an die Götter nichts. Zudem sind die griechischen Städte untereinander<br />
zerstritten. Die Interessen des eigenen Kleinstaates setzen viele vor<br />
40 <strong>Das</strong> <strong>Stadtgespräch</strong>