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Ausgabe 08/2023

Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 9.8.2023

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10 · Interview <strong>08</strong>/<strong>2023</strong><br />

«IN DER UNIFORM SPIELT<br />

DAS GESCHLECHT KEINE ROLLE»<br />

Die Herisauerin Nathalie Gratzer ist Offizierin und Projektleiterin «Nationale Strategie<br />

zum Schutz der Schweiz vor Cyberrisiken» für das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung.<br />

Sie erzählt, wie die Menschen auf eine Frau in Uniform reagieren.<br />

Nathalie Gratzer, Sie sind Offizierin und<br />

beschäftigen sich mit Cyberrisiken. Suchen<br />

Sie Herausforderungen?<br />

Ich versuche immer wieder, mich in unbekannte<br />

Situationen zu bringen. Dadurch<br />

fördere ich mich und meine persönliche Entwicklung.<br />

Dieser Drang zeigt sich nicht nur<br />

in meinem Beruf beim Bundesamt für wirtschaftliche<br />

Landesversorgung in Bern, kurz<br />

BWL, oder im Militär, sondern auch in meiner<br />

Freizeit beim Bergsport oder bei anderen Entscheidungen<br />

in meinem Leben.<br />

Woher kommt dieser Drang, sich beweisen<br />

zu wollen?<br />

Das Leben bietet uns unendliche viele Möglichkeiten,<br />

an denen wir wachsen können.<br />

Ich bin zufrieden mit meinem jetzigen Alltag,<br />

aber ich finde es unheimlich spannend, wie<br />

einfach wir in der heutigen Welt etwas Neues<br />

wagen können. Viele denken noch immer,<br />

dass solche lebensbereichernden Erfahrungen<br />

rar seien. Sich für die Rekrutenschule anzumelden,<br />

war jedoch ziemlich leicht (lacht).<br />

«Die Armee<br />

entwickelt sich<br />

positiv.»<br />

Woher kam der Wunsch, in die Armee zu<br />

gehen?<br />

Der auslösende Funke war ein Vorbild, nämlich<br />

eine Frau, die ich kennengelernt habe.<br />

Sie war ebenfalls im Militär, hat mir davon<br />

erzählt und mir meine Vorurteile genommen.<br />

Vor einem Jahr habe ich dann beschlossen,<br />

dieses Abenteuer zu wagen. Ich sah im Militär<br />

die Gelegenheit, mich weiterzubilden.<br />

Da hat es für mich auch keine Rolle gespielt,<br />

dass die Armee eher ein männerspezifischer<br />

Bereich ist.<br />

Wie hat Ihr Umfeld reagiert?<br />

Freunde und Familie unterstützen mich und<br />

tragen meine Entscheidung mit. Aber natürlich<br />

sagen auch viele: «Super, dass du das<br />

machst. Aber ich könnte das nicht.» Was mich<br />

mehr überrascht, sind die positiven Rückmeldungen<br />

aus der Zivilbevölkerung. Ich werde<br />

öfters auf offener Strasse angesprochen. Die<br />

Menschen finden es toll, auch mal eine Frau<br />

in Uniform zu sehen.<br />

Wie wurden Sie von den Kameraden aufgenommen?<br />

Dass ich als Frau anders wahrgenommen<br />

werde, liegt in der Natur der Sache. Aber in<br />

der Armee bist du in erster Linie ein Soldat.<br />

Weder deine Herkunft noch das Geschlecht<br />

spielen eine Rolle. Wir tragen alle dieselbe<br />

Uniform, jeder bekommt dieselbe Chance.<br />

Dadurch liegt es letztlich an deiner Einstellung<br />

und Persönlichkeit, wie du behandelt<br />

wirst. Da ist es nicht entscheidend, ob du<br />

eine Frau oder ein Mann bist.<br />

Das Militär als Vorreiter der Gleichstellung?<br />

Die Armee entwickelt sich meiner Meinung<br />

nach in eine sehr positive Richtung. Gerade<br />

im Berufsmilitär wird stark für die Gleichstellung<br />

sensibilisiert. Natürlich gibt es immer<br />

wieder Soldaten, die aus einem Umfeld<br />

mit anderen Rollenbildern kommen. Aber da<br />

stehe ich drüber, nehme es mit Humor und<br />

gebe auch mal einen dummen Spruch zurück.<br />

Mit meinen Kameraden war immer Platz für<br />

Humor, trotz Militär. Generell entspricht es<br />

in vielen Punkten nicht den Vorurteilen, die<br />

ich im Vorfeld hatte. Zu Beginn der Rekrutenschule<br />

hiess es, wir sollen Probleme und<br />

Anliegen jederzeit vorbringen. Es herrscht<br />

eine offene Gesprächskultur, zudem wird viel<br />

Wert auf Sinnvermittlung und Hausverstand<br />

gelegt.<br />

Sinnvermittlung und Hausverstand?<br />

Es werden keine Arbeiten und Aufträge mehr<br />

rein aus Prinzip durchgeführt. Eine Waffe soll<br />

geputzt werden, um den Vorgang zu erlernen<br />

oder wenn sie benutzt wurde – und nicht<br />

einfach, damit etwas geputzt wird. Es sollen<br />

Sachen gemacht werden, die Sinn und Zweck<br />

haben.<br />

Mittlerweile sind Sie Leutnant und scheinen<br />

Ihre Entscheidung nicht bereut zu haben.<br />

Zuerst habe ich gedacht, dass ich die Rekrutenschule<br />

absolviere und anschliessend wieder<br />

in meinen zivilen Berufsalltag zurückkehre.<br />

Mit der Zeit habe ich bemerkt, dass meine<br />

Stärken im Militär zum Tragen kommen. Es<br />

liegt mir am Herzen, einen Beitrag zu leisten.<br />

Für meine Einstellung und meine Persönlichkeit<br />

habe ich Zuspruch erhalten. Deshalb<br />

habe ich entschlossen, die Offiziersschule zu<br />

absolvieren und auch diese Erfahrung mitzunehmen.<br />

Was fasziniert Sie am Militär?<br />

Neben der Möglichkeit Führungserfahrung<br />

direkt in der Praxis zu üben und sich für die<br />

Schweiz einzusetzen, erfahre ich Dinge, die<br />

in einem normalen Beruf unvorstellbar sind.<br />

Wenn ich gefragt werde, wie meine Woche<br />

war, habe ich fast immer über ein besonderes<br />

Erlebnis zu berichten. Nicht alle schlafen<br />

in einer Schneehöhle in den Bergen, kochen<br />

sich morgens um drei Uhr aus Schnee einen<br />

Tee und werden dabei von einem Schneefuchs<br />

beobachtet. Zudem erlebt man die<br />

Menschen um sich herum in allen erdenklichen<br />

Situationen, man verlässt gemeinsam<br />

die Komfortzone. Die sich dabei bildende Kameradschaft<br />

ist sehr bereichernd.<br />

Ihr Berufsalltag heisst aber nicht Militär,<br />

sondern Cybersicherheit. Was genau<br />

macht das Bundesamt für wirtschaftliche<br />

Landesversorgung?<br />

Das Bundesamt ist dafür zuständig, in Krisensituationen<br />

die Versorgung des Landes<br />

mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen<br />

sicherzustellen, wenn die Wirtschaft<br />

dies nicht mehr selbst tun kann. Dazu treffen<br />

wir auch vorsorgliche Massnahmen wir z.B.<br />

Pflichtlager von lebenswichtigen Gütern wie<br />

Lebensmittel oder Cybersicherheitsempfehlungen<br />

für kritische Infrastrukturen. Gemeinsam<br />

mit Expertinnen und Experten aus der<br />

Privatwirtschaft erarbeiten wir Schutzmassnahmen,<br />

um diese Versorgung zu sichern.<br />

Unser Ziel ist es, auch im Fall einer Krisensituation,<br />

eine stabile Infrastruktur zu haben.<br />

Und was ist Ihre Funktion als Projektleiterin?<br />

Ich beschäftige mich mit der Sicherstellung<br />

von Informations- und Kommunikationstechnologien.<br />

Die meisten kritischen Infrastrukturen<br />

sind massgeblich davon abhängig.<br />

Eine grosse Gefahr sind hierbei Cyberangriffe.<br />

Deshalb verstärken wir die Widerstandsfähigkeit<br />

von kritischer Infrastruktur mit<br />

Sicherheitsmassnahmen. Dazu analysieren<br />

wir Verwundbarkeiten mit Expertinnen und<br />

Experten und erarbeiten z. B. minimale Standards,<br />

die das Bundesamt als Empfehlung an<br />

Unternehmen weitergibt.<br />

Woher kommt dieses Interesse für Cybersicherheit?<br />

Während meines Masters in Business Information<br />

Systems kam ich erstmals in Kontakt<br />

mit diesem Thema. Seither ist mein Interesse

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