Ausgabe 08/2023
Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 9.8.2023
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14 · Thema des Monats <strong>08</strong>/<strong>2023</strong><br />
«WIR ZEIGEN, WAS UNS FREUT<br />
UND DAS HERZ BERÜHRT»<br />
Eintauchen und entdecken, zuhören oder selber zauren, erfahren wie ein Hackbrett entsteht<br />
oder Appenzeller Musik geniessen: Werner Alder und Maya Stieger zeigen in der Kulturwerkstatt<br />
Appenzellerland hiesige Traditionen.<br />
Ein Car erschwert die Autofahrt vom Heinrichsbad<br />
dorfeinwärts. Er steht an der Kasernenstrasse<br />
vor der Einfahrt zur Alten Stuhlfabrik.<br />
Scheinbar gut gelaunte Menschen<br />
steigen ein. Gemütlich schwatzend, auch mal<br />
kurz stehen bleibend. Es eilt ja nicht. Ich aber<br />
sitze im Auto, würde gerne passieren und frage<br />
mich: «Was wollen all die Leute hier, noch<br />
dazu an einem heiter-hellen Arbeitstag?» Ein<br />
Anlass im Kleintheater dürfte es um diese<br />
Zeit wohl keiner sein. Gerne würde ich mein<br />
Auto telquel auf der Strasse stehen lassen<br />
und mich erkundigen. Doch so spontan und<br />
unverfroren bin ich nicht. Die Frage indes<br />
bleibt still in meinem Hinterkopf.<br />
Wiedererweckt und zumindest teilweise beantwortet<br />
wird sie bei einer kurzen Begegnung<br />
mit Maya Stieger auf dem Obstmarkt<br />
und ihrer schlicht hingeworfenen Bemerkung<br />
«schreib doch mal über die Kulturwerkstatt».<br />
Einige Wochen später passiere ich die Einfahrt<br />
zur Alten Stuhlfabrik, nehme jedoch<br />
nicht den Theater-Eingang, sondern klingle<br />
an der Türe zur Kasernenstrasse 39a.<br />
Maya Stieger empfängt mich freudestrahlend<br />
und führt sichtbar stolz in einen grossen<br />
hellen Raum. Schwere Holzbalken stützen die<br />
Decke, an deren Querstreben Senntumsschellen<br />
baumeln. Antike Sofas laden zum Verweilen,<br />
an den Wänden hängen Schellenriemen,<br />
Bilder mit Menschen in Appenzeller Trachten,<br />
zahlreiche Sackuhren in einem Schaukasten.<br />
Majestätisch steht gleich neben dem<br />
Eingang eine alte Standuhr. Maya Stieger bittet<br />
mich an einen kleinen runden Tisch, auch<br />
er ist gepflegt antik mit vier passenden Stühlen<br />
und vermittelt ein Wohnzimmergefühl in<br />
diesem gut 130 Quadratmeter grossen Raum.<br />
Appenzeller Musik macht glücklich<br />
Die Kultur – die appenzellische Tradition –<br />
habe ich nun rund um mich herum. Aber bitte,<br />
wo ist die Werkstatt? Maya Stieger lacht:<br />
Diese befände sich im oberen Stockwerk. Es<br />
Maya Stieger und Werner Alder wissen in Ton, Bild und Wort Menschen aus nah und fern für unsere Traditionen<br />
zu begeistern.<br />
(BIld: zVg.)<br />
ein Stück appenzellische (Musik-)Kultur. Damit<br />
hätten wir die Worte Kultur und Werkstatt<br />
zusammen. Wie nun kommt Maya Stieger in<br />
diese Welt? «Die Appenzeller Musik ist mein<br />
Leben. Sie gibt mir Identität und macht mich<br />
glücklich.» Dies sei schon seit Kindheitstagen<br />
so, habe sich im Teenageralter verstärkt und<br />
seither kontinuierlich gefestigt. Maya Stieger<br />
lernt – wie es der Zufall so will, in eben<br />
diesem Haus an der Kasernenstrasse – Geige<br />
und Hackbrett bei Matthias Weidmann. Später<br />
dann autodidaktisch und unterstützt von<br />
ihrem Lebens- und Duettpartner Peter Looser<br />
den Naturjodel. «Dieser ist ehrlich und<br />
bodenständig, kommt aus dem Herzen, aus<br />
dem Gemüt. Das entspricht mir, muss man<br />
sich doch dabei nicht auf Noten versteifen.»<br />
Sie musiziere gerne frei, lerne lieber über das<br />
Gehör als mit Noten.<br />
Ihre Leidenschaft für die Kulturwerkstatt<br />
Appenzellerland beginnt vor 15 Jahren. Mit<br />
einer Gruppe besucht sie einen Vortrag von<br />
Werner Alder. Spontan habe er sie aufgefordert,<br />
mit zu musizieren. Damit habe er ihr<br />
Feuer für die appenzellische Kultur vollends<br />
entfacht. «Werner Alder hat mich gefördert,<br />
bot mir Plattformen, sodass in mir die Motivation<br />
zum Proben und Auswendiglernen –<br />
wie üblich in der Volksmusik – erweckt und<br />
gestärkt wurde. Dank ihm, aber auch dank<br />
meinem Willen und Tatendrang ging für mich<br />
eine neue Welt auf.» Eine Welt, in der und für<br />
die sie sich seither engagiert. «Werner spürte<br />
meine Leidenschaft und ermöglichte mir,<br />
mich in der Kulturwerkstatt einzubringen.»<br />
Maya Stieger erweitert seither nicht nur stetig<br />
ihr musikalisches Können, sondern auch<br />
ihr Wissen über das Brauchtum im Appenzellerland<br />
und rund um den Säntis. «Zu Beginn<br />
stand ich noch scheu vor den Leuten. Heute<br />
freue ich mich, von unseren Traditionen zu<br />
erzählen.» Seit 2010 unterstützt sie den Betrieb<br />
in den verschiedensten Bereichen. Sie<br />
verfasst Texte für die Homepage und Flyer,<br />
schreibt potentielle Interessierte an, bearbeitet<br />
schriftliche Anfragen, hilft Vorträge mitzugestalten<br />
und zu organisieren.<br />
ist der Wirkungsbereich von Hackbrettbauer<br />
Werner Alder. Womit wir bei den Wurzeln der<br />
Kulturwerkstatt sind. 2004 konnte Alder die<br />
Liegenschaft, die einst eine Steindruckerei<br />
und später eine Stuhl- und Tischfabrikation<br />
beherbergte, erwerben. Alder gehört in vierter<br />
Generation zur Streichmusik-Alder-Dynastie,<br />
ist gelernter Antik- und Möbelschreiner<br />
und seit über 40 Jahren passionierter Hackbrettbauer.<br />
Dies jedoch nicht nur im stillen<br />
(Werkstatt-)Kämmerchen. Seit über 20 Jahren<br />
erzählt er Interessierten, wie ein Hackbrett<br />
vom Baum bis zum Instrument entsteht und<br />
zeigt ihnen seine Werkstatt. So vermittelt er<br />
Brauchtum, Musik und Älplerleben<br />
Vor gut zehn Jahren erfuhr die Kulturwerkstatt<br />
eine umfassende Renovierung. «Ich<br />
habe damals Sponsoren gesucht, damit wir<br />
die Vorträge in einem schönen Raum anbieten<br />
können», so Stieger. Heute verfügt die<br />
Kulturwerkstatt neben Beamer, Leinwand<br />
und Tonanlage auch über eine Küche und bietet<br />
Platz für Anlässe bis zu achtzig Personen<br />
– und ist damit gerüstet für das eigene Programm.<br />
Indes nicht nur für dieses, der Raum<br />
kann auch privat gemietet werden und «wir<br />
sind offen für Neues». Was nicht bedeutet,<br />
dass Werner Alder und ihr die Ideen ausge-