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Ausgabe 08/2023

Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 9.8.2023

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28 · Unsere Gärten <strong>08</strong>/<strong>2023</strong><br />

«EIN NATURGARTEN IST<br />

EIN ORT DER VERBUNDENHEIT»<br />

Mauro Impellizzeri lebt mit seiner Familie an der Huebstrasse. Vor und hinter dem Haus erstreckt<br />

sich ein blühendes, summendes und kommunizierendes Stück Natur. Die ganzheitliche<br />

Gestaltung eines derartigen Lebensraums besteht aus Beobachten, Lernen und Ausprobieren.<br />

Die Sonne versteckt sich an diesem Mittwochmorgen<br />

hinter den Wolken, als ich<br />

die kleine Auffahrt zum alten Haus an der<br />

Huebstrasse hinauffahre. Davor steht ein<br />

grosser Nussbaum, es blühen Nachtkerzen,<br />

Wildblumen und wilder Fenchel. Der sechsjährige<br />

Leano platziert eine Raupe darauf,<br />

weil «die dort hingehört» und später mal ein<br />

Schwalbenschwanz wird. Er und sein kleinerer<br />

Bruder Ayun sind sehr aufgeweckt und<br />

verkünden der Besucherin ihr Wissen über<br />

die Natur. Auch Vater Mauro beschreibt sich<br />

als naturverbunden seit Kindesbeinen: «Mir<br />

ist und war es am wohlsten in der Natur und<br />

in Verbindung mit Pflanzen und Tieren.» So<br />

war seine erste Berufswahl Gärtner, wo er<br />

sich die biologischen und wissenschaftlichen<br />

Grundlagen über die Pflanzenkunde und Bodenbeschaffenheit<br />

aneignete. Ebenso lernte<br />

er klassische Methoden kennen, um das<br />

Pflanzenwachstum mit künstlichen Düngern<br />

zu forcieren. Inzwischen hat sich der 39-Jährige<br />

auch die Fähigkeiten angeeignet, einen<br />

Garten so zu gestalten, dass er sich über die<br />

natürlichen Verbindungen selbst erhält.<br />

Ein funktionierendes Ökosystem mit Hilfe<br />

von Pflanzengemeinschaften zu erschaffen,<br />

erlebt er nicht als einen abgeschlossenen<br />

Kreis, er anerkennt immer auch die Abhängigkeiten<br />

im Aussen. So spielt im Gemüsegarten<br />

neben der Artenvielfalt – Impellizzeris<br />

bauen rund 40 Gemüsesorten für den Eigengebrauch<br />

an – auch der Ertrag eine Rolle. Er<br />

steht dazu, dass das Regenwasser in ihrem<br />

Gemüsegarten nicht immer reicht und dann<br />

eben nachgegossen werden muss: «Der Wasserverbrauch<br />

im Vergleich zu eingekauftem<br />

Gemüse ist aber immer noch massiv tiefer.<br />

Durchschnittlich schlägt selbst eine vegane<br />

Ernährung mit gekauftem Gemüse mit rund<br />

1000 Liter Wasser pro Person und Tag zu Buche!»,<br />

erklärt Impellizzeri. Wenn dann noch<br />

tierische Produkte dazu kämen, steige die<br />

Zahl massiv an.<br />

Theorie als Ergänzung für die Erfahrung<br />

«Die Aussicht, den Kontakt mit der Natur zu<br />

verlieren, bereitet mir schon als Gedanken<br />

Unbehagen», gesteht der Herisauer. Auch<br />

deshalb bietet er Naturgartenberatungen an,<br />

will für Kundschaft und Natur das Beste erreichen.<br />

Mit dem Fokus auf das Verbindende<br />

analysiert er sowohl die Bedürfnisse der<br />

Gartenbesitzer wie auch das Terrain, das deren<br />

Gärten umgibt. Er sieht dies als Einheit,<br />

die zusammengebracht werden kann. Daher<br />

ist jede Beratung eine sehr individuelle Angelegenheit.<br />

Bei manchen Kunden bestehe<br />

vielleicht schon der gefühlsmässige Zugang,<br />

aber es fehle noch die Vorstellung für eine<br />

gelingende Umsetzung eines Naturgartens.<br />

Bei anderen wiederum erkenne er das Bestreben<br />

einen Beitrag zu leisten: «Wenn<br />

nur die Hälfte der Privatgärten der Schweiz<br />

naturnah gestaltet wären, würde dies einen<br />

enormen Beitrag für unser Ökosystem beitragen.»<br />

Aber manchen Kunden fehle zuweilen<br />

die konkrete Erfahrung mit einem Naturgarten<br />

und damit auch das gefühlsmässige<br />

Erleben.<br />

«Legen wir den<br />

Fokus auf das<br />

Positive!»<br />

Impellizzeri versteht sich in beiden Fällen<br />

als Brückenbauer. Was sich gegenseitig im<br />

Naturgarten und im Lebensraum unterstützt,<br />

sieht er aus einer dreidimensionalen<br />

Perspektive. Dazu gehört das angrenzende<br />

Gelände, Bäume und Pflanzen im Garten sowie<br />

die Bodenbeschaffenheit. Neue wissenschaftliche<br />

Beweise, wie die Kommunikation<br />

zwischen Bäumen über das Mycel (Pilzfäden)<br />

von Pilzen, findet er spannend und hilfreich,<br />

um seinen Kunden die Theorie zu erklären.<br />

Zusätzlich bringt er viele eigene Erfahrungen<br />

aus der Zeit mit einem «Demeter»-Bauernbetrieb<br />

mit und hat sich mit verschiedenen<br />

Anbaumethoden beschäftigt. Seine Erlebnisse<br />

mit dem Aussaatkalender von Maria Thun<br />

überzeugen ihn, auch als Symbol der Verbundenheit<br />

aller Dinge. Thuns Methode hat<br />

ihre Wurzeln in der Anthroposophie Rudolf<br />

Steiners. Bei allem Interesse für diese Themen;<br />

für die konkrete Umsetzung vertraut<br />

der Naturgärtner immer auf seine persönliche<br />

Erfahrung und das Gespür, über das er<br />

die Verbundenheit und die stimmige Umgebung<br />

für Pflanzen, Tiere und die Gartenbesitzer<br />

wahrnimmt.<br />

Der klassische Gärtnerberuf war für ihn stark<br />

geprägt von der Realisation von konventionell<br />

geprägten Kundenwünschen. Ein englischer<br />

Rasen oder eine Thuja-Hecke mögen<br />

für manche schön anzusehen sein, böten aber<br />

keinen Raum für Entwicklung von anderen<br />

Arten. Gerade die Thuja sei praktisch für den<br />

Sichtschutz, aber nutzlos für das Ökosystem.<br />

Denn was in ländlicher Umgebung aufgrund<br />

der Vielfalt an anderen Bäumen weniger problematisch<br />

ist, gerät in der Stadt zur Todesfalle.<br />

Weil den Vögeln alternative Nistplätze<br />

fehlen, verenden die Jungvögel am Nervengift<br />

Thujon, welches die Pflanze produziert.<br />

Deshalb gilt im Naturgarten die Regel: «Eine<br />

einheimische Pflanze ist der Grundpfeiler».<br />

Welche Insekten und Pflanzen passen in<br />

unser Ökosystem? Die Raupe des Schwalbenschwanzes<br />

gedeiht nur auf der Möhre<br />

oder dem Fenchel. Die wilde Möhre anzusiedeln,<br />

sei nicht so einfach, denn diese müsse<br />

wandern können. Dabei spiele wiederum die<br />

Ruderalfläche, also die Bodenbeschaffenheit<br />

eine Rolle, welche eher karg und steinig sein<br />

müsse. «Und so ergibt sich eins ums andere<br />

eine Verkettung und Verbindung im Naturgarten»,<br />

sagt Mauro Impellizzeri.<br />

Der Blick fällt auf die Nachtkerzen vor<br />

dem Haus, die ursprünglich aus Amerika<br />

stammen. Sie gelten als Neophyten, also keine<br />

einheimische Sorte, verhalten sich aber<br />

nicht invasiv. Das bedeutet, sie verdrängen<br />

keine anderen Pflanzen, sondern unterstützen<br />

das Überleben von Falter und Insekten,<br />

wozu sonst eine Blumenwiese notwendig<br />

wäre. Eine Wiese zum Blühen zu bringen, sei<br />

bei weitem nicht so einfach, wie sich das viele<br />

vorstellen. Der Standort müsse passen und<br />

es brauche viel Geduld. Das wiederum kann<br />

die Nachtkerze überbrücken, da sie eine vernetzende<br />

Funktion in unserem Ökosystem<br />

eingenommen hat und mit einer Vielzahl<br />

von Lebewesen in symbiotischer Beziehung<br />

steht. Grundsätzlich sind einheimische Pflanzengemeinschaften<br />

die Basis für ein stabiles<br />

Ökosystem, manche eingewanderte Pflanzen<br />

unterstützen solche Gemeinschaften nachhaltig.<br />

Die Bedürfnisse von Mensch und Natur<br />

Ebenso wichtig bei der Anlage eines Naturgartens<br />

sind die Bedürfnisse des Kunden:<br />

Will er eher im Garten entspannen? Dann<br />

ist es wichtig, eine gute Grundlage zu setzen<br />

mit mehrjährigen Pflanzen, die vorerst<br />

mal gedeihen und die man wachsen lassen<br />

kann. Will man eher aktiv sein? Dann eignet<br />

sich ein grösserer Anteil an ein- oder<br />

zweijährigen Pflanzen besser, da hier mehr<br />

Arbeit anfällt. Dann gilt es, die Umgebung<br />

zu eruieren: Wohnt man beispielsweise am<br />

Waldrand, dann braucht es nicht unbedingt

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