Pirouette No. 07/2023 September

Niko Ulanovsky
»Eislaufen ist wie eine Droge«
Niko Ulanovsky (26) galt als einer der talentiertesten deutschen Junioren und beherrschte
Vierfachsprünge. Doch er beendete seine Karriere früh. Nach einem Ausflug in die Automobilbranche
kehrte er aufs Eis zurück und arbeitet jetzt in Oberstdorf als Trainer.
Ja, schon. Ich hatte wegen Rückenproblemen
aufgehört. Aber jetzt im Nachhinein als Trainer
muss ich feststellen, dass ich ziemlich faul war.
Ich hätte mehr machen müssen, um meinen
Körper zu regenerieren, darauf vorzubereiten,
vierfach zu springen. Das habe ich nicht getan
und die Konsequenz war, dass ich nicht zu 100
Prozent weitermachen konnte. Jetzt als Trainer
sehe ich, ich hätte mir selber sehr gerne in
Hintern getreten. Aber alles passiert aus einem
guten Grund und ich gehe den Weg als
Trainer weiter.
Man muss eine gute Art und Weise finden, wie
man miteinander umgeht. Du überlegst, wie
du das Training so gestaltest, dass man zwar
jeden Tag dasselbe macht, aber trotzdem mit
guter Laune. Ich glaube, auf Augenhöhe miteinander
umzugehen ist wichtig, aber es ist auch
wichtig, sich einen gewissen Respekt zu verschaffen.
Beim ins Eis Hacken oder solchen Sachen
kann ich echt böse werden. Aber das gehört
zum Prozess des Erwachsenwerdens bei
den Kindern. Sie müssen lernen, wo sind die
Grenzen, was geht, was geht nicht.
5
Niko Ulanovsky
Interview
Foto: Flade
Pirouette: Sie waren erstmal weg vom Eis.
Niko: Ja, vor fünf Jahren habe ich bei Porsche
eine Ausbildung zum Automobilkaufmann gemacht.
Aber ich habe gemerkt, dass das nichts
für mich ist. Ich bin ein halbes Jahr auf einem
Kreuzfahrtschiff Shows gelaufen, danach hatte
ich eine Anfrage von „Dancing on Ice“. Dann
kam Corona. Florian Just und Aljona Savchenko
haben damals hier nach Unterstützung gesucht.
Ich bin für zwei Wochen zur Probe gekommen
und es hat mir so gut gefallen, dass
ich und auch die anderen gesagt haben, okay,
das macht Sinn und ich bleib mal hier.
Warum war der Automobilkaufmann
nichts für Sie?
Ich habe leider sehr jung mit dem Eislaufen
aufgehört, mit 18, leider. Aber ich wollte damals
nichts mehr wissen von dem Sport. Ich
habe kein Eislaufen mehr geguckt, ich habe
online nichts verfolgt, aber dann nach einiger
Zeit hat es mich wieder eingeholt. Eislaufen ist
wie eine Droge. Wenn du da einmal drin bist,
kommst nicht mehr weg davon.
Bereuen Sie das frühe Karriereende?
Sie sind vom Alter her noch relativ nah an
Ihren Sportler/innen dran.
Ich bin 26 Jahre alt und ich muss erstmal etwas
leisten, um mir Respekt zu verschaffen.
Das geht nur über Erfolg und über Leistungen.
Gott sei Dank bin ich seit drei Jahren hier in
Oberstdorf und habe so tolle Leute wie Michael
Huth und Karel Fajfr, wirklich erfahrene
Trainer, um mich, die ich auch mal um Rat fragen
kann, und dafür bin ich mega dankbar. Ich
versuche, von allen Trainern zu lernen. Das ist
learning-by-doing und von Jahr zu Jahr merke
ich, dass ich besser werde, meine Sportler
werden besser, wir werden als Team besser,
größer. Ich habe die Trainer-C-Lizenz, B ist in
Arbeit, dann kommt A und am liebsten will ich
sogar noch studieren.
Wie viele Schüler haben Sie?
Ich habe drei Kleine, bei den Juniorinnen Sophie
Erhardt. Sonst habe ich noch eine Sportlerin
aus der Ukraine, Anastasiia Fomchenkova,
und einen 15 Jahre alten Jungen, Genrikh
Gartung, und Adelina Voroteljak aus dem
Nachwuchsbereich. Sie ist aus der Ukraine,
aber sie läuft jetzt für Deutschland. Aya Hatakawa
ist noch in Japan. Sie will nochmal zurückzukommen,
aber diese Saison werden wir
auf jeden Fall keine Wettkämpfe laufen.
Schauen wir, ob das so funktioniert; ich würde
es mir wünschen. Im großen Ganzen ist es
eine schöne Truppe und es macht Spaß, mit
ihnen zu arbeiten. Ich habe jetzt als Unterstützung
Ria Schiffner aus Berlin, die Tochter von
Manuela Machon. Sie ist fest hier und wir arbeiten
zusammen. Ich habe fast nur Mädels,
das ist manchmal anstrengend, und es ist gut,
eine Frau an der Seite zu haben.
Wie streng sind Sie?
Wenn es nötig ist, kann ich auch mal streng
sein, aber im Großen und Ganzen finde ich einfach,
dass man miteinander Spaß haben muss.
Welche Trainer sind Ihre Vorbilder?
Auf jeden Fall Alexei Mishin. Ich habe jetzt sein
Buch gelesen. Es steht sehr viel drin, was ich
für mich mitnehmen kann. Ich habe früher als
Sportler manchmal bei Svetlana Sokolovskaia
trainiert, sie ist mir auf jeden Fall hängen geblieben.
Von den deutschen Trainern sind es
Martina Dieck, Vitali Schulz, bei denen habe ich
angefangen. Michael Huth ist ein sehr spannender
Charakter und ein großartiger Coach,
von ihm kann ich mir definitiv eine Scheibe abschneiden.
Ich habe das Glück, dass ich mit
ihm jeden Tag auf dem Eis stehen kann, weil
ich Bundeskadersportler habe und wir uns das
Eis teilen. Das ist eine coole Atmosphäre für
meine Kinder, wenn wir mit Kai Jagoda oder
Lukas Britschgi zusammen auf dem Eis sind.
Was für Ziele setzten Sie für Ihre Sportlerinnen
für die kommende Saison?
Gesund bleiben, das ist das allerwichtigste.
Freude am Sport, nicht die Motivation verlieren
und Junioren Grand Prix laufen. Die Youth
Olympic Games wäre toll, die Junioren-WM.
Einfach schöne saubere Programme laufen,
die Trainingsleistung im Wettkampf abrufen.
Sie posten manchmal Videos von sich mit
Sprüngen – denken Sie an ein Comeback?
Nein, mit den finanziellen Mitteln, die gerade
da sind, würde es sich erstens nicht lohnen.
Zweitens habe ich für mich damit abgeschlossen.
Wenn du Talent hast und faul bist, funktioniert
es nicht. Du kannst ein guter Arbeiter sein,
weniger talentiert, aber trotzdem viel besser
sein als der talentiertere. Das möchte ich den
Kindern zeigen. Sie sollen dran bleiben, niemals
aufgeben, sich nicht unterkriegen lassen, mir
einfach zuhören und nicht dieselben Fehler machen,
die ich gemacht habe. Mir macht es Spaß
und ich möchte nichts anderes tun.
Mit Niko Ulanovsky sprach Tatjana Flade.
•••