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04 Chili con Charme – Aggression und (Ver-)Führung ... - BerufSZiel

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LEBENSZIEL<br />

«<br />

Ronan Donohue<br />

fünf Sili<strong>con</strong> Valleys. Spannend an solchen ökonomischen „Clustern“, Zusammenballungen,<br />

ist, dass sie sich wie in den USA zyklisch erneuern.<br />

Wo zuerst der Großrechner gebaut wurde, kam später der Mikrocomputer,<br />

gefolgt vom Internet. Auf Talfahrten folgte immer wieder ein Aufschwung.<br />

Die Ansammlung von Talenten, Kapitalgebern <strong>und</strong> Spezialisten<br />

sowie Universitäten bilden eine Mixtur, die dafür sorgt, dass sich Standorte<br />

wie das Sili<strong>con</strong> Valley immer wieder neu erfinden. Bei uns glaubt<br />

man, man müsste alte Industrien mit aller Gewalt erhalten. Statt alte<br />

Strukturen abzureißen <strong>und</strong> etwas Neues hinzusetzen, was am Ende der<br />

erfolgreichere, nachhaltigere Weg wäre.<br />

Ihre Mitarbeiter sind bekanntlich viel unterwegs… Stimmt.<br />

Warum ist es so wichtig, dass Akademiker „auf die Walz“ gehen?<br />

Dazu vielleicht vorab eine Anekdote: Als ich mich zuletzt mit meiner<br />

Abiturklasse traf, erzählten wir uns, was wir gemacht haben, was wir<br />

geworden sind. Ich hatte den Eindruck, dass es einen starken<br />

Zusammenhang gibt, einerseits zwischen dem Ort, an dem Menschen<br />

ihr Abitur gemacht haben, <strong>und</strong> der Entfernung, die sie seither zurückgelegt<br />

haben. Und andererseits zu dem Erfolg oder dem geglückten Leben<br />

in dieser Zeit. Man wird bereichert, wenn man in der Fremde Erfahrungen<br />

macht. Leider kleben in Deutschland zu viele Leute an dem Ort, an<br />

dem sie immer schon waren.<br />

Haben Sie eine Idee, woran das liegt? Ich müsste spekulieren. Vielleicht<br />

liegt es daran, dass viele Menschen aus der Gründergeneration<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik aus ihrer Heimat fliehen mussten. Vielleicht ist das<br />

heute das Pendel, das zurückschwingt.<br />

Eine andere Frage der Mobilität: Sie sind auch Autohersteller…<br />

(Lacht.) Ja, das stimmt. 17 Berater haben gemeinsam ein Exemplar der<br />

„Shelby Cobra“ nachgebaut. Das Auto fährt ganz prima.<br />

…über eine solche technische Praxis hinaus: Glauben Sie, dass ein<br />

Studium der Physik oder anderer Naturwissenschaften Ihr Denken<br />

besonders prägt? Sie prägen das Denken schon sehr deutlich. In der<br />

Beratung geht es darum, Probleme zu strukturieren. Jeder Physiker<br />

weiß, dass man dazu ein Koordinatensystem braucht, das man geschickt<br />

oder ungeschickt wählen kann. Es ist zum Beispiel eine leichte<br />

Übung, mit dem rechtwinkligen Koordinatensystem von René Descartes<br />

das Volumen eines Würfels zu berechnen. Aber man tut sich sehr<br />

schwer, damit das Volumen einer Kugel zu ermitteln. Als Berater geht<br />

es dann letztlich darum, das richtige „Koordinatensystem“ einzusetzen,<br />

die richtigen Fragen zu stellen, zu messen <strong>und</strong> zu vergleichen.<br />

Setzen Berater mit solchen Denkmustern Neues in die Welt? Oft ist<br />

Beratung das <strong>Ver</strong>bessern von Bestehendem. Gelegentlich kommt es zu<br />

dem Glücksfall, dass etwas wirklich Neues geschaffen wird. Der Vorteil<br />

für Naturwissenschaftler liegt darin, dass es zum Beispiel ein Experi-<br />

mentalphysiker gewöhnt ist, eine bisher als stimmig <strong>und</strong> schlüssig anerkannte<br />

Theorie aufgr<strong>und</strong> einer einzigen abweichenden Messung vollständig<br />

in Frage zu stellen. Und das ist manchmal der Moment, in dem<br />

große Innovationen entstehen.<br />

Was heißt das in der Beratung? Wir schauen uns das Vorgehen der<br />

Unternehmen an, das sie <strong>und</strong> ihre Mitbewerber wahrscheinlich schon in<br />

H<strong>und</strong>erten von Fällen an den Tag gelegt haben <strong>und</strong> damit auf den<br />

ersten Blick keinen Anlass zur Kritik zu geben scheinen. Aber wenn wir<br />

den Keim einer Erfolg versprechenden oder Schaden vermeidenden<br />

Abweichung sehen, dann haben wir auch die Radikalität zu sagen, dass<br />

es anders gemacht werden sollte.<br />

Sie fördern ausgerechnet Radikalität? Ja, die „obligation to dissent“<br />

ist mein Lieblingswert. Vielleicht liegt das daran, dass ich als Deutscher<br />

mit der Geschichte der Eltern- <strong>und</strong> Großelterngeneration groß geworden<br />

bin. Wenn Sie einen Fehler oder eine <strong>Ver</strong>besserungsmöglichkeit erkannt<br />

zu haben glauben, müssen Sie es sagen. Meistens kommt der Widerspruch<br />

natürlich von den Jüngeren im Team, weil sich die Älteren damit<br />

behelfen, bekannte Muster wieder zu erkennen. Ältere Mitarbeiter müssen<br />

ein feines Gespür dafür entwickeln, den Jungen zuzuhören.<br />

Dieses Gespür scheint aber nicht weit verbreitet zu sein. So ist es.<br />

Schauen Sie sich zum Beispiel an, wie in großen Unternehmen oder<br />

auch in der Politik manchmal Probleme behandelt werden: Da regiert oft<br />

eine Gr<strong>und</strong>haltung des „Warten wir mal, vielleicht geht es ja doch gut“.<br />

Ein schönes Beispiel dafür, wie es auch anders gehen kann, ist der<br />

„Chicken Test“: Um festzustellen, ob Flugzeugturbinen Vogelschlag aushalten,<br />

taut man ein tiefgefrorenes Hühnchen auf <strong>und</strong> wirft es in die<br />

laufende Turbine hinein. Man kann den Chicken Test am Ende einer Entwicklungsreihe<br />

machen, wenn bereits die Abgaswerte <strong>und</strong> der Treibstoffverbrauch<br />

optimiert wurden. Sinnvoll ist das nicht. Sie müssen sich<br />

trauen, diesen, den schärfsten Test am Anfang zu machen, wenn der<br />

Prototyp gerade läuft <strong>und</strong> die Einzelwerte noch nicht getestet sind.<br />

Wenn Sie dann das Hühnchen hineinwerfen <strong>und</strong> es macht „Prrrt“, dann<br />

wissen Sie, dass Sie sich die ganzen weiteren Schritte sparen können.<br />

Leider trauen sich das viele Mitarbeiter nicht.<br />

Sind es <strong>Führung</strong>skräfte nicht selbst schuld, wenn sie von ihren Mitarbeitern<br />

von Kritik „verschont“ werden? (Lacht.) Das stimmt…<br />

…<strong>und</strong> haben nicht viele die Erfahrung gemacht, dass derjenige<br />

„fliegt“, der den M<strong>und</strong> aufmacht? Es ist ein w<strong>und</strong>er Punkt, dass Kritik<br />

nicht hinreichend belohnt wird. Diesen Part übernehmen oft Beratungsunternehmen.<br />

Was die <strong>Führung</strong>skräfte anbelangt, so tun sie gut daran,<br />

mit den Leuten an der Basis zu reden. Ich habe ja lange als Berater in<br />

der Automobilindustrie gearbeitet. Wenn dort ein Vorstandsmitglied früher<br />

auf den guten Gedanken kam, sein eigenes Produkt zu testen, wies<br />

COACHING ZONE I oder zur Personalauswahl oder dazu, wie <strong>Ver</strong>änderungen im Unternehmen angegangen werden sollten,<br />

finden sich auch. Aber immer aus Erfahrung gesättigt: „<strong>Ver</strong>änderungen sollten Ihnen nicht den Schlaf rauben. Das ist wirklich<br />

nicht nötig.“ Berufliche Sorgen hatten in Welchs Schlafzimmer offenbar keinen Platz. <strong>–</strong> Jack <strong>und</strong> Suzy Welch: „Winning. Das ist<br />

Management“, Campus <strong>Ver</strong>lag 2005, ISBN 3-593-37767-5, € 24,90. Woran denken Sie bei esoterischer Literatur?<br />

<strong>Ver</strong>mutlich weniger an Managementhexereien als an Gebrauchsanweisungen sehr luftiger Art aus ostasiatischen<br />

Gefilden? Das muss nicht sein. Brauchen Sie jedoch gelegentlich ein Buch, in dem es nicht hemdsärmelig, pragmatisch<br />

<strong>und</strong> erfahrungsgesättigt zugeht, wie bei Jack Welch? Das zur Reflexion einlädt? Ein Zeitgenosse von René<br />

Descartes, einem Vorbild von Jürgen Kluge, könnte Ihnen <strong>–</strong> natürlich nur ausnahmsweise <strong>–</strong> helfen, über Ihre Rolle<br />

im Beruf zu meditieren, weit jenseits dessen, was an weit verbreiteten asiatischen Weisheiten die Regel bildet:<br />

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