04 Chili con Charme – Aggression und (Ver-)Führung ... - BerufSZiel
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LEBENSZIEL<br />
er seinen Assistenten an, ihm einen Testwagen zu beschaffen <strong>–</strong> statt<br />
selbst ans Band zu gehen, auf einen Wagen zu zeigen <strong>und</strong> zu sagen:<br />
„Den möchte ich als Probefahrzeug.“ Ich habe selbst erlebt, wie die<br />
Autos für Vorstandsmitglieder <strong>und</strong> Journalisten auf eine deutlich bessere<br />
Qualität gebracht wurden als die Durchschnittswagen. Es ergibt<br />
wenig Sinn, wenn in Unternehmen solche Potemkinschen Dörfer errichtet<br />
werden. Und heute hat sich das natürlich geändert.<br />
«<br />
Der Altersdurchschnitt bei McKinsey liegt bei 32 Jahren, viele Ihrer<br />
Alumni wechseln in <strong>Führung</strong>spositionen. Liegt das daran, dass sie<br />
das „kritische Potenzial“ unserer Wirtschaft sind? Vor allem liegt es<br />
daran, dass unsere Aufnahmekriterien hart sind.<br />
Ihr Motto heißt „Wir nehmen nur die Besten“. Darf man sich als Mitarbeiter<br />
von McKinsey als Teil einer Elite fühlen? (Lacht.) Natürlich!<br />
Jede Gesellschaft braucht ihre Eliten, um <strong>–</strong> ausnahmsweise <strong>–</strong> Lenin zu<br />
zitieren: „Eliten sind dazu da, in einer Gesellschaft die Richtung <strong>und</strong> das<br />
Tempo vorzugeben.“<br />
Wie kann ich denn feststellen, ob ich zu den Besten gehöre? Dies an<br />
sich festzustellen, ist schwierig <strong>und</strong> davon würde ich dringend abraten.<br />
Sie tun immer gut daran, andere feststellen zu lassen, ob Sie zur Elite<br />
gehören. Eine selbst ernannte Elite ist keine.<br />
Aber Eliten sind doch auch der Teil einer Gesellschaft, deren Soziologie<br />
niemand zu schreiben wagt… Wir haben in Deutschland ein gebrochenes<br />
<strong>Ver</strong>hältnis zu Eliten, verständlicherweise, wenn man bedenkt,<br />
wer sich hier zu Lande schon alles zur „Elite“ gezählt hat, aufgr<strong>und</strong> von<br />
Herkunft, „Rasse“ oder Adel. Ich spreche von einer Leistungselite.<br />
Bei den Beratern gibt es ja das Prinzip „up or out“. Wie kann ich<br />
denn feststellen, ob ich mein Leistungspotenzial ausgeschöpft<br />
habe? Die meisten sind realistisch <strong>und</strong> merken selbst, wenn sie sich<br />
schwer tun. Sie arbeiten dann am Rand der Belastungsgrenze <strong>und</strong><br />
haben keinen richtigen Spaß mehr. Was immer hilft, ist Feedback,<br />
sowohl von unten wie von oben. Je nach Beurteilung heißt es dann,<br />
aufsteigen oder gehen.<br />
Und wer gibt Ihnen solche Feedbacks? Wir Direktoren werden alle zwei<br />
Jahre evaluiert. Das heißt: Kollegen bewerten Kollegen. Ein internationales<br />
Komitee setzt sich dann r<strong>und</strong> eine Woche zusammen <strong>und</strong> kalibriert<br />
die Ergebnisse. Dementsprechend fällt auch die Bezahlung aus.<br />
Sie bemühen sich zurzeit verstärkt um weibliche Mitarbeiter, warum?<br />
Zurzeit sind r<strong>und</strong> 15 Prozent unserer Berater Frauen, unter den neu eingestellten<br />
liegt der Anteil bei 20 Prozent. Damit bin ich überhaupt nicht<br />
zufrieden. Ich werde nicht eher Ruhe geben, bis wir bei 35 Prozent sind.<br />
Dass wir nicht auf „Fünfzigfünfzig“ kommen, liegt daran, dass es zu<br />
wenige Frauen in den Studiengängen gibt, die für uns interessant sind,<br />
<strong>und</strong> daran, dass viele Frauen leider zu früh aus ihrer akademischen<br />
Laufbahn ausscheiden. Es müssten sich mehr Frauen entscheiden,<br />
Ingenieur zu werden oder Naturwissenschaften zu studieren.<br />
Gibt es Unterschiede im <strong>Führung</strong>sverhalten? Die liegen im Wesentlichen<br />
im Stil, nicht im Inhalt. Bei manchen Fragestellungen gehen Frauen<br />
anders <strong>und</strong> teilweise eleganter vor als Männer. Bei unseren Bewerbungen<br />
zeigte sich übrigens, dass Frauen weniger für sich trommeln.<br />
(Lacht.) Wenn ein Mann in jungen Jahren einmal Kassenwart im Sportverein<br />
war, taucht das in seinem Lebenslauf gern als „erste Managementerfahrung“<br />
auf. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass die<br />
Lebensläufe von Frauen nicht langweiliger sind als die von Männern.<br />
Wie haben Sie das denn festgestellt? Wir haben das sehr genau untersucht:<br />
Wir haben mehr Frauen mit vermeintlich langweiligeren Lebensläufen<br />
eingeladen oder vorab mit ihnen telefoniert. Viele hatten ebenfalls<br />
interessante Erfahrungen gemacht, diese aber aus Bescheidenheit nicht<br />
angegeben. In unseren Interview-Teams saßen in der Regel vier Fünftel<br />
Männer. Es stellte sich heraus, dass die analytischen Fähigkeiten der<br />
Kandidatinnen im Schnitt leicht besser waren als die der Männer. Kein<br />
W<strong>und</strong>er, bei ihnen war ja die Schwelle mit dem Lebenslauf höher. Aber<br />
sie waren nicht so aggressiv, nicht so „durchsetzungsstark“. Mittlerweile<br />
mischen wir unsere Recruiting-Teams stärker <strong>und</strong> die männlichen Recruiter<br />
werden besser trainiert. Auch gemischte Berater-Teams sind immer<br />
besser: Wenn drei Mitglieder einen MBA aus Harvard mitbringen, ist das<br />
Ergebnis wahrscheinlich schlechter, als wenn Sie einen MBAler, eine vom<br />
MIT <strong>und</strong> einen Geisteswissenschaftler zusammenbringen.<br />
In Ihrer Doktorarbeit findet sich der Satz: „Es gibt viel Unerklärtes<br />
auf der Welt, die Wissenschaft ist dazu da, dass es so bleibt.“ Ja,<br />
das ist von Otto Waalkes. Ich brachte ihn zum Schluss, nach bedeutenden<br />
Worten von Goethe <strong>und</strong> Wagner. Ich habe mir gedacht, ich zitiere<br />
ihn, um ein wenig wider den Stachel zu löcken.<br />
Aber das ist kein Ausdruck Ihrer Erwartungen, was die Ressource<br />
„Bildung“ angeht? (Lacht.) Nein.<br />
Schlagwort „Life long learning“: Provoziert das nicht eine Gesellschaft,<br />
in der niemand mehr richtig erwachsen wird? (Lacht.) Mir persönlich ist<br />
ja der Gedanke ganz sympathisch, bis ins hohe Alter nicht ganz erwachsen<br />
zu werden, das Spielerische, das Sich-Entwickelnde zu behalten. Aber<br />
ein bisschen ernster: Wenn Sie vor h<strong>und</strong>ert Jahren Ingenieur wurden,<br />
reichte Ihr Wissen ein ganzes Leben. Wer heute Naturwissenschaften studiert<br />
<strong>und</strong> sich ein paar Jahre nicht weiterbildet, verpasst den Anschluss.<br />
Abgesehen davon ist Bildung ein potenziell riesiger Markt. Es darf nicht<br />
immer nur darum gehen, im Bildungswesen Kosten zu „deckeln“.<br />
COACHING ZONE I Balthasar Graciáns „Handorakel <strong>und</strong> Kunst der Weltklugheit“. Klingt das sehr esoterisch? Vielleicht,<br />
weil es das Buch eines spanischen Jesuiten aus dem 17. Jahrh<strong>und</strong>ert ist. Doch Gracián notiert <strong>Ver</strong>haltensregeln für <strong>Führung</strong>skräfte<br />
seiner Zeit. Das ist eigentlich nichts anderes als das, was Jack Welch tut. Nur, sonst wäre Gracián heute völlig uninteressant, sind<br />
sie so konzentriert, dass sie nach über 300 Jahren noch zählen: Wann ist Widerspruch fruchtbar? Mit welchen Mitarbeitern<br />
sollte man sich umgeben? Redet man von sich selbst? Wann präsentiert man seine Leistungen? Gracián<br />
fand Fragen, wichtiger noch als Antworten, mit denen Sie Ihre persönliche Ist-Soll-Analyse aufstellen können,<br />
anders als die anderen. <strong>–</strong> Balthasar Gracián: „Handorakel <strong>und</strong> Kunst der Weltweisheit“, Reclam <strong>Ver</strong>lag, ISBN<br />
3-15-002771-3, € 4,40.<br />
Martin Rath <strong>–</strong> Gastcoach, Querdenker, Schöngeist, Philosoph, liest sich durch moderne <strong>und</strong> historische Managementliteratur.<br />
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