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04 Chili con Charme – Aggression und (Ver-)Führung ... - BerufSZiel

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LEBENSZIEL<br />

«<br />

20<br />

COACHING ZONE I Ihr Leben aber ist keine Gefängnisstrafe, die Sie absitzen müssen. Fragen Sie sich, wo Sie sein<br />

könnten, wenn Sie mutiger wären. Wo würden Sie arbeiten? Mit wem wären Sie zusammen? Oder wie ein Coach der ersten St<strong>und</strong>e<br />

fragte: Was würden Sie tun, wenn Sie nicht scheitern könnten? Ihre Gedanken dazu bringen Sie auf den<br />

Geschmack. Dann brauchen Sie Mut zur Entscheidung. Den Mut, die Durchwurschtelei zu beenden. Ohne Entscheidung<br />

würde Käpt’n Stelzer immer noch Blutdruck messen. Und Peter Pütz wäre immer noch Zahlvater.<br />

Auch Helden wie Mahatma Gandhi <strong>und</strong> Sophie Scholl haben sich entschieden. Selbst wenn sie ängstliche<br />

Typen waren. Denn Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst. Mut ist die Entscheidung, dass etwas anderes<br />

D. Stratenschulte<br />

schnelle Entscheidungen wichtiger sind denn je,<br />

neigen wir dazu, sie lieber auf die lange Bank<br />

zu schieben. Durchaus verständlich, findet<br />

Jürgen Hesse: „Wer entscheidet, kann Fehler<br />

machen. In Krisenzeiten ist es natürlich wichtig,<br />

dass es nicht allzu viele sind. Das lähmt<br />

viele Menschen. Sie schieben dann Entscheidungen<br />

vor sich her. Aber es ist keine Alternative,<br />

keine Fehler zu machen, indem man nichts<br />

entscheidet.“<br />

Diese Lähmung beeinflusst auch die Unternehmenskultur<br />

hier zu Lande. Die im internationalen<br />

<strong>Ver</strong>gleich auffallend geringe Quote von Neugründungen<br />

zeugt von einer fast schon beängstigenden<br />

Mutlosigkeit. Eine internationale Studie zum<br />

Thema <strong>–</strong> der „Global Entrepreneurship Monitor<br />

20<strong>04</strong>“ <strong>–</strong> sieht Deutschland beim Mut zur<br />

Selbstständigkeit auf einem unrühmlichen 24.<br />

Platz von insgesamt 34. Fraglich ist zwar, ob<br />

schillernde Unternehmerpersönlichkeiten wie<br />

der Brite Richard Branson noch als mutig oder<br />

schon als tollkühn zu bezeichnen sind. Der<br />

Begründer des Plattenlabels Virgin hält sich bei<br />

der <strong>Führung</strong> seines gigantischen Mischkonzerns<br />

an keine Managementregel, stürzt sich für den<br />

guten Werbezweck schon mal in gewagte Abenteuer<br />

wie Weltumr<strong>und</strong>ungen per Heißluftballon<br />

<strong>und</strong> plant zurzeit, mit Virgin Galactic demnächst<br />

Pauschalreisen in den Weltraum anzubieten.<br />

Zu viel Wagemut? Mag sein. Eine Prise Branson<br />

aber könnte den einheimischen Chefetagen den<br />

seit langem vermissten Schwung geben. Unternehmen<br />

brauchen Pioniergeist, nicht Kleingeist.<br />

Visionen statt Patentrezepte. Und Mut.<br />

Vor allem Mut, der Rest kommt dann schon<br />

von selbst.<br />

Mut zeigt sich nicht nur im Spektakulären<br />

Was das <strong>Ver</strong>trauen in den Standort Deutschland<br />

angeht, ist Wolfgang Grupp Optimist im<br />

besten Sinne. Der Leiter des familieneigenen<br />

wichtiger ist.<br />

J. Stein / STOCK4B<br />

Textilunternehmens Trigema beschäftigt r<strong>und</strong><br />

1200 Angestellte, für die er sich, was in manchen<br />

Ohren altmodisch klingen mag, „persönlich<br />

verantwortlich“ fühlt. Dieses <strong>Ver</strong>antwortungsgefühl<br />

führte zu einer Entscheidung, die,<br />

vielfach belächelt, sich dennoch als ökonomisch<br />

richtig erwies: Trigema produziert allen<br />

Abwanderungstendenzen gerade in der Textilindustrie<br />

zum Trotz ausschließlich in Deutschland.<br />

Aber Grupp garantiert nicht nur seinen Mitarbeitern<br />

einen sicheren Job, sondern sogar deren<br />

Kindern. Eine so ungewöhnliche wie couragierte<br />

Entscheidung beweist, dass Mut <strong>und</strong> eine konservative<br />

Weltsicht keine Gegensätze sind. Dennoch<br />

würde Wolfgang Grupp sich selbst kaum<br />

als mutigen Menschen bezeichnen. Eher als<br />

Mensch mit klaren Gr<strong>und</strong>sätzen. Die weit verbreitete<br />

„Hire-and-Fire“-Mentalität ist für ihn<br />

absolut inakzeptabel: „Selbstverständlich ist es<br />

unser Ziel, erfolgreich zu sein“, räumt er ein.<br />

„Aber dabei muss Menschlichkeit garantiert<br />

werden. Es kann nicht sein, dass man über Leichen<br />

geht. In einem Unternehmen darf es nicht<br />

nur auf materielle Werte ankommen. Mitarbeiter<br />

sollen nicht nur an der Leistung gemessen werden.<br />

Ein älterer Arbeitnehmer beispielsweise,<br />

der nicht mehr die Leistung bringt, ist für mich<br />

trotzdem wichtig, weil er früher viel für das<br />

Unternehmen getan hat.“<br />

Kein Mut ohne Risiko<br />

Wenn Peter Pütz in einem Unternehmen wie Trigema<br />

gearbeitet hätte, wäre sein Leben vielleicht<br />

anders verlaufen. Aber nach 23 Jahren<br />

als Chemotechniker <strong>und</strong> Top-Betriebsrat in<br />

einem großen Chemiekonzern war er der fruchtlosen<br />

Kämpfe gegen Stellenabbau <strong>und</strong> Lohnkürzungen<br />

müde. Trotz unkündbarer Anstellung <strong>und</strong><br />

guten Einkommens beschloss der damals 39-<br />

Jährige, sich mit einem Tagungshaus selbstständig<br />

zu machen. An sich schon ein mutiger<br />

Schritt, schließlich waren von seinem Einkommen<br />

auch fünf Kinder aus geschiedener Ehe<br />

abhängig. Die Pleite kam prompt, wenn auch<br />

anders als erwartet: Kaum war der Aufhebungsvertrag<br />

unterschrieben, erkrankte die Exfrau<br />

schwer <strong>und</strong> wurde zum Pflegefall: „Wer die Mutter<br />

verloren hat, braucht wenigstens einen ganzen<br />

Vater.“ Also verabschiedete sich der angehende<br />

Unternehmensgründer von seinen Plänen,<br />

arrangierte sich mit Hartz IV <strong>und</strong> kümmert<br />

sich seit zwei Jahren ausschließlich ums Familienmanagement.<br />

Gefahr oder Chance <strong>–</strong> auf die Einstellung<br />

kommt es an<br />

Selbst im Scheitern noch das Positive sehen zu<br />

können, ist sicher eine gute Strategie gegen die<br />

Angst vor dem Ungewissen. Und vielleicht ist es<br />

Uta Glaubitz ist Berufsberaterin <strong>und</strong> Autorin des Buches „Der Job, der zu mir passt“. www.berufsfindung.de<br />

manchmal auch besser, bei einer Entscheidung<br />

gar nicht so genau zu wissen, was da auf<br />

einen zukommt. Findet zumindest Beate Stelzer,<br />

die zugibt: „Ich habe die Risiken abgewogen.<br />

Aber ich habe nicht damit gerechnet, wie<br />

viel Kraft ich investieren muss.“ Ob sie die richtige<br />

Entscheidung getroffen hat? Manchmal vermisst<br />

sie die Sicherheit der früheren Arbeitsroutine.<br />

An Bord vermisst sie oft das Leben an<br />

Land. Aber wenn sie von der Gewalt des Meeres,<br />

der Ruhe, dem Sternenhimmel <strong>und</strong> den<br />

Lichtern bei der Einfahrt in den Hafen<br />

schwärmt, wird klar: Beate Stelzer hat den richtigen<br />

Weg gewählt.<br />

Mut Angst Depression <strong>–</strong> Und wie geht es<br />

uns heute?<br />

Wozu Mut eigentlich gut ist, ist wie bei allen<br />

menschlichen Befindlichkeiten eher unsicher.<br />

Sicher ist aber, glaubt man der Erhebung, die<br />

ein wissenschaftlicher Zirkel unter dem Vorsitz<br />

von Professor F. B. Simon derzeit im<br />

Internet präsentiert, dass die deutsche Gesellschaft<br />

einigermaßen depressiv ist: Zwanghaftes<br />

Grübeln über die eigene Lage, krankhaftes<br />

Sparen aus Angst um die Zukunft,<br />

zudem steigende körperliche <strong>und</strong> seelische<br />

Bewegungsunfähigkeit. Morbid sei Deutschland,<br />

mutlos. Doch die Diagnose des Wissenschaftlerkreises<br />

r<strong>und</strong> um den Psychiater<br />

aus Witten-Herdecke ist noch nicht abgeschlossen.<br />

Eine Selbsteinschätzung <strong>–</strong> der<br />

eigenen Person <strong>und</strong> damit unserer Gesellschaft<br />

<strong>–</strong> ermöglicht bis in den November:<br />

www.depressionsbarometer.de. Martin Rath<br />

Buchtipps:<br />

<strong>Ver</strong>a Bohle: Mein Leben als Minenräumerin<br />

Mutig helfen, statt nur berichten <strong>–</strong> Erlebnisse<br />

einer ehemaligen Redakteurin, die zur Minenräumerin<br />

umschulte. Fischer <strong>Ver</strong>lag 2005,<br />

ISBN 3-596-16690-X, € 8,90.<br />

Mathias Jung: Mut zum Ich <strong>–</strong> Auf der Suche<br />

nach dem EigenSinn. Das Leben ist eine Baustelle<br />

<strong>–</strong> hilfreiche Tipps, das eigene Leben auch<br />

mal als Abenteuerspielplatz zu betrachten.<br />

dtv-<strong>Ver</strong>lag 20<strong>04</strong>, ISBN 3-423-34116-5, € 9,<strong>–</strong>.<br />

Richard Branson: Losing my Virginity. Business<br />

ist wie Rock’n Roll. Von der Schallplatte zum<br />

Space Shuttle <strong>–</strong> die Autobiografie des vielleicht<br />

wagemutigsten Unternehmers unserer Zeit.<br />

Heyne <strong>Ver</strong>lag 2005, ISBN 3-453-64005-5,<br />

€ 13,<strong>–</strong>.<br />

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