Kulturfenster Nr. 01|2024 - Februar 2024
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Blasmusik<br />
Identität<br />
Cäcilienkonzert der MK Zwölfmalgreien<br />
Das Cäcilienkonzert 2023 der MK Zwölfmalgreien wurde erstmals von Kapellmeister Matthäus Crepaz dirigiert.<br />
Foto: ste<br />
Identität – ein zentrales Wort, ein Hochwertwort,<br />
als solches aber auch immer gefährlich.<br />
Martina Rabensteiner, die Moderatorin,<br />
sagte es auch gleich zu Beginn des<br />
Konzerts der Musikkapelle Zwölfmalgreien:<br />
Der Begriff „Identität“ ist überaus vielseitig<br />
und sehr komplex.<br />
Vor diesem Hintergrund und dem Hintergrund<br />
des Ukrainekrieges bauten die Zwölfmalgreiner<br />
ihr Konzert auf: zunächst mit<br />
dem „Slawischen Marsch in b-moll, op.<br />
31“ des russischen Komponisten Pjotr Iljitsch<br />
Tschaikowsky. Der Marsch ist auch<br />
unter dem Titel „Serbisch-Russischer<br />
Marsch“ bekannt, er entstand unter dem<br />
Eindruck des Serbisch-Türkischen Krieges<br />
1876-78. Tschaikowsky stand mit seiner<br />
Nation auf Seiten der Serben, die sich in<br />
diesem Krieg mit russischer Hilfe von der<br />
verhassten Türkenherrschaft befreien<br />
konnten. Der Marsch selbst wechselt immer<br />
wieder zwischen zwei grundlegenden<br />
Melodieführungen, der militärisch-eindrucksvoll<br />
über die Tubastimme angekündigten<br />
Zarenhymne und der wiederholten<br />
Leichtigkeit serbischer Volkslieder, die in<br />
das Ganze gestreut sind. Ob so Identität<br />
möglich wird? Die Ouvertüre zu der Anfang<br />
des 20. Jahrhunderts entstandenen Oper<br />
„Taras Bulba“ des ukrainischen Komponisten<br />
Mykola Lysenko ist diesbezüglich<br />
auch mit großen Fragezeichen zu versehen.<br />
Die Oper baut auf einer Novelle von<br />
N. Gogol auf. Ein Kosak muss erfahren,<br />
dass sein Sohn aus Liebe zu einer Frau<br />
den Kosaken untreu geworden ist, und tötet<br />
ihn. Für das Libretto wurde wiederholt<br />
der Vorwurf laut, es enthalte rassistische<br />
und menschenverachtende Elemente. Mit<br />
dem ersten Satz aus Gustav Holsts Orchestersuite<br />
„Die Planeten“, entstanden zu<br />
Beginn des Ersten Weltkriegs, schienen<br />
sich anfängliche Unsicherheiten der Musikanten<br />
(v.a. in den ersten beiden Stücken)<br />
zu verändern: „Mars, der Kriegsbringer“<br />
steht am Beginn der Suite.<br />
Schweigeminute und<br />
Reflexion über Identität<br />
Die Zwölfmalgreiner baten das Publikum<br />
am Ende dieses schweren, eindrucksvollen<br />
Nachdenkens über den Krieg um<br />
eine Schweigeminute, bevor der neue<br />
Kapellmeister der Zwölfmalgreiner, Matthäus<br />
Crepaz, die Uraufführung zu seiner<br />
Komposition „Identität“, geschaffen anlässlich<br />
der Feiern zu 50 Jahren Südtirolautonomie<br />
im letzten Jahr, dirigierte. Das<br />
Stück erinnert stark an Filmmusik, lädt<br />
ein, in den verschiedenen Stimmungen,<br />
über Südtirol, über „Identität“ zu reflektieren,<br />
ohne zu provozieren – es ist eine<br />
sehr sanfte und durchaus ansprechende<br />
Einladung. Nach der Pause werden die<br />
beiden weiteren Programmpunkte als Beispiele<br />
angekündigt, wie gefestigte Identität<br />
zu offener Aufnahme weiterer Realitäten<br />
befähigt. Ob es so einfach ist? Auf<br />
jeden Fall gelingen den Zwölfmalgreinern<br />
in Dmitri Schostakowitschs „Suite<br />
für Varieté-Orchester“ und Otto Wagners<br />
„Ukrainischem Marsch“ sowie in<br />
den beiden Zugaben tänzerische Leichtigkeit,<br />
mitreißende Spielfreude und auch<br />
die mangelnde Exaktheit im Ansatz, im<br />
Rhythmus, das nicht immer gelungene<br />
Austarieren der Lautstärken, die im ersten<br />
Teil aufgefallen sind, verlieren sich<br />
nun im wirklich gemeinsamen Auftritt und<br />
Miteinander von Musikern und Dirigent.<br />
Das Publikum belohnte seine Zwölfmalgreiner<br />
wie immer mit tosendem und lang<br />
anhaltendem Applaus.<br />
Martina Adami<br />
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der<br />
Autorin und der Redaktion der Tageszeitung „Dolomiten“<br />
(Erstveröffentlichung am 06.12.2023)<br />
KulturFenster<br />
19 01/<strong>Februar</strong> <strong>2024</strong>