Kulturfenster Nr. 01|2024 - Februar 2024
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Chorwesen<br />
Josef Pircher war von 2001 bis 2010 Obmann<br />
des Südtiroler Chorverbandes.<br />
band Österreich und dem Südtiroler Chorverband<br />
erfolgte 2022: Der Chorverband<br />
Österreich beschloss bei seiner Generalversammlung<br />
in Bozen einstimmig, den<br />
Südtiroler Chorverband als neues ordentliches<br />
Mitglied aufzunehmen.<br />
Schulungstätigkeit seit Jahrzehnten<br />
ein Schwerpunkt<br />
Der Südtiroler Chorverband war immer<br />
schon überzeugt, dass es auch Großveranstaltungen<br />
des Verbandes braucht, um<br />
die Identität der Sängergemeinschaft zu<br />
stärken und die Schönheit des Gesangs<br />
nach außen zu tragen. So wurde es Tradition,<br />
dass der Chorverband und seine<br />
Bezirke regelmäßig Chöre-Treffen und<br />
Landessingen veranstaltete und damit<br />
dem Singen im Chor auch vor der Öffentlichkeit<br />
ein Gesicht gab. Der Chorverband<br />
sah sein Ziel in einer breiten und<br />
auch weltlichen Gesangskultur, die über<br />
die musikalische Mitgestaltung der Gottesdienste<br />
hinausgeht. Dieses Konzept<br />
hatte Erfolg. In Verbindung mit der medialen<br />
und öffentlichen Präsenz der Chöre<br />
– man denke auch an die beliebte Fernsehreihe<br />
„Unser Lied“ – wurde auch beständig<br />
an der Qualität des Chorgesangs<br />
gearbeitet. So kann man sagen, dass es<br />
auch dem Südtiroler Chorverband zu verdanken<br />
ist, dass Südtirol so gute Chöre<br />
hat. So wurde die Schulungstätigkeit bereits<br />
seit den 1970er-Jahren zu einem<br />
Schwerpunkt des Verbandes, insbesondere<br />
auch die Förderung des Gesangs bei<br />
Kindern und Jugendlichen. Der Verband<br />
organisierte die Kindersingwoche, die Kinderchorwerkstatt,<br />
die Jugendsingwochen.<br />
„Dass die Jugend ein sehr großes Potential<br />
hatte, zeigte das Angebot eines sehr<br />
teuren Referenten aus Deutschland, ein<br />
zweites Mal nach Südtirol zu kommen und<br />
zwar für ein weit kleineres Honorar – weil<br />
ihm die Arbeit mit den Südtiroler Jugendlichen<br />
so gefallen hatte“, erinnerte sich<br />
Ehrenobmann Tappeiner an diese Jahre.<br />
Balance zwischen Offenheit<br />
und Tradition<br />
Das Erfolgsrezept des Südtiroler Chorverbandes<br />
war seither die Balance zwischen<br />
Offenheit und Bewahrung. Dies<br />
zeigte sich auch im Chorgesang selbst.<br />
Bei Vergleichsauftritten fielen die Südtiroler<br />
Chöre qualitativ auf, sowohl im Gesang<br />
selbst als auch was die Literatur betrifft.<br />
Es gab eine Entwicklung hin ins Internationale,<br />
zu neuen Stilrichtungen. Spitzenchöre<br />
gingen bei Bewerben meistens als<br />
Preisträger hervor, was von der internationalen<br />
Chorlandschaft sehr respektvoll<br />
wahrgenommen wurde. Die Aufnahme von<br />
Impulsen und die starken Wurzeln – dies<br />
führte zu einem großen Qualitätssprung.<br />
Dies hat sich bis heute weiterentwickelt,<br />
wenn man etwa an den Landesjugendchor<br />
denkt. Schon früher hatte der Verband<br />
Erfolg in der Kinderchorarbeit, beispielhaft<br />
mag hier das Engagement des<br />
Kinderchors von Gretl Brugger für Konzerte<br />
unter der Leitung von Claudio Abbado<br />
stehen. Der Chor wurde zu den Osterfestspielen<br />
in Salzburg, nach Berlin,<br />
nach Turin geladen.<br />
Braucht es den Südtiroler<br />
Chorverband weiterhin?<br />
Einzelleistungen können nur über eine Koordinierung<br />
wirksam werden, wie die Geschichte<br />
des Chorverbandes zeigt. Nur<br />
dann wird eine Gesamtleistung sichtbar,<br />
nur so wird eine Leistung für die Öffentlichkeit<br />
sichtbar. Eine zentrale Koordinierung<br />
kommt allen Chören zugute. Es braucht jemand,<br />
der die Schulungen organisiert und<br />
Kosten abfängt. Wichtig dabei ist, dass das<br />
Geld immer in Schulungen und Veranstaltungen<br />
investiert werden und auf neue Bedürfnisse<br />
eingegangen werden muss. Als<br />
der Chorverband feststellte, dass es zu wenige<br />
Männer gibt, die im Chor singen, erfand<br />
er zum Beispiel die Bubensingwoche,<br />
im Wissen, dass Buben in einem gewissen<br />
Altern lieber unter sich sind. Und wer<br />
früh zu singen beginnt, bleibt eher dabei.<br />
„So muss auch heute der Gesang bei den<br />
Kindern und Jugendlichen frühzeitig gefördert<br />
werden, dann wird es auch keine<br />
Nachwuchsprobleme geben“, zeigt sich<br />
auch Verbandsobmann Erich Deltedesco<br />
überzeugt von einer aktiven Jugendarbeit.<br />
Siegfried Tappeiner analysierte eventuelle<br />
Nachwuchsprobleme der Chöre so: „Dass<br />
viele Kirchenchöre Probleme haben, junge<br />
Sänger und Sängerinnen zu finden, hängt<br />
eher damit zusammen, dass die kirchliche<br />
Religiosität abhandenkommt. Das Singen<br />
selbst kennt keine Krise.“<br />
Bundesobmann Siegried Tappeiner 1999 bei der Generalversammlung in Schlanders<br />
(50 Jahre SSB)<br />
KulturFenster 55<br />
01/<strong>Februar</strong> <strong>2024</strong>