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Kulturfenster Nr. 01|2024 - Februar 2024

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gehört & gesehen<br />

Feuertaufe bestanden<br />

Das Neujahrskonzert der Bürgerkapelle Gries<br />

unter neuer musikalischer Leitung<br />

Die Leichtigkeit des schumannschen Themas<br />

„Der fröhliche Landmann“ aus dessen<br />

„Album für die Jugend“ zog sich durch alle<br />

Register des Blasorchesters und ließ einzelne<br />

Instrumente solistisch aufhorchen.<br />

Harmonische Überraschungen in diesem<br />

Variationswerk von Robert Jager führten<br />

vom Thema weg, verfremdeten es, suchten<br />

nach neuen Klangwegen und führten nach<br />

kräftigen und überzeugenden Aufbrüchen<br />

immer wieder zu einzelnen Instrumenten<br />

zurück. Ein gelungenes und gut dargebotenes<br />

Stück mit einem effektvollen paukenunterstützten<br />

Schluss!<br />

Höhepunkt des ersten Teiles war die russische<br />

Weihnachtsmusik des Amerikaners<br />

Alfred Reed, einem Pionier der sinfonischen<br />

Blasmusik, wie Sophie Pichler als Moderatorin<br />

des Abends bemerkte. Reed schrieb<br />

dieses Werk im fernen Jahr 1944, als die<br />

Blasmusikszene sich noch lange mit Opernpotpurris<br />

abmühte und setzte mit diesen<br />

Klängen neue Maßstäbe, die auch heute<br />

noch überzeugen. Effektvolle Musik: mystischer<br />

Einstieg mit Röhrenglocken, archaisch<br />

wirkende einstimmige Elemente, dazwischen<br />

aufbäumende Akkordik, wieder<br />

zurückkehrend zu einem wehmütig klingenden<br />

Englischhorn, um schlussendlich<br />

auf einen finalen Klang hinzusteuern. Samuel<br />

Oberegger hatte die schwierige Aufgabe,<br />

ein weites Spannungsfeld aufzubauen<br />

und dieses einem voll klingenden<br />

Höhepunkt zuzuführen. Es gelang. Überzeugend!<br />

Übereinstimmende klangliche<br />

Höhepunkte<br />

Das heurige Neujahrskonzert war die erfolgreiche Premiere von Samuel Oberegger am<br />

Dirigentenpult der Bürgerkapelle Gries.<br />

Foto: Stadtkapelle Bozen<br />

„Alle Jahre wieder“ lädt die Bürgerkapelle<br />

Gries zu ihrem Neujahrskonzert ein. Aber<br />

dieses „Alle Jahre wieder“ bezieht sich lediglich<br />

auf das Ritual und die wiederkehrende<br />

Begegnung mit Menschen aus dem<br />

gleichen Lebensumfeld. Denn „alle Jahre<br />

wieder“ wartet das Konzertpublikum gespannt<br />

auf das innovative Programm der<br />

Bürgerkapelle.<br />

Und diese Erwartungshaltung förderte Georg<br />

Thaler durch seine gewagten aber immer<br />

gut umgesetzten Ideen, die die Neujahrskonzerte<br />

in ganz andere Bahnen<br />

lenkten. Das heurige Konzert stand unter<br />

einer besonderen Erwartung, hat sich doch<br />

Georg Thaler von der Direktion der Bürgerkapelle<br />

zurückgezogen und den Stab in jüngere<br />

Hände gelegt. So lag Spannung über<br />

diesem Nachmittag mit der brennenden<br />

Frage, wie der junge, erst 21-jährige Samuel<br />

Oberegger die Feuertaufe des ersten<br />

Neujahrskonzertes bestehen würde.<br />

Mit einem Festmarsch – absolut nicht von<br />

der Stange gekauft – von Johan Halvorsen,<br />

luzid instrumentiert von Frederick Fennell<br />

mit vielen kleinen solistischen Anforderungen,<br />

begann der Konzertabend. Weiche solistische<br />

Teile wechselten mit fanfarenartigen,<br />

zündenden Elementen. Das Stück<br />

war zugleich ein sanftes Signal eines jungen<br />

Dirigenten, der sich durchaus der Tradition<br />

verpflichtet weiß, aber auf diesem<br />

Hintergrund das Neue und Andere sucht.<br />

Ein programmatisch wirkender Einstieg.<br />

Effektvolle Musik und harmonische<br />

Überraschungen<br />

Der zweite Teil wurde mit „Declamation“<br />

der amerikanischen Komponistin Emma<br />

Lou Diemer eröffnet. Zwölf Bläser und vier<br />

Schlagzeuger gaben dieser Partitur ein klingend<br />

kräftiges Outfit, dem „Southern Harmony“<br />

von Donald Grantham nun wieder<br />

mit der gesamten Bürgerkapelle folgte.<br />

Darius Milhaud, der französische Komponist<br />

mit seiner bemerkenswerten musikalischen<br />

Vielseitigkeit, steuerte eines seiner<br />

bekanntesten Werke bei: „Scaramouche“,<br />

im Original für zwei Klaviere, aber von ihm<br />

selbst für Saxophon bearbeitet. Ohne Berührungsängste<br />

sucht Milhaud darin auch<br />

die Nähe zum Jazz. Das dreisätzige Concertino<br />

wurde von Alex Massardi als Saxophonsolist<br />

mit beeindruckender Bühnenpräsenz,<br />

sicherem und virtuosem<br />

Laufwerk, wunderbarer Intonation und<br />

stimmigem Klangcharakter souverän angeführt.<br />

Massardi und Oberegger schufen<br />

hier bei der sicher besten Komposition des<br />

Abends einen übereinstimmenden klanglichen<br />

Höhepunkt, der vom Publikum auch<br />

als solcher erkannt wurde. Der Beifall galt<br />

beiden: dem jungen Solisten und dem jungen<br />

Dirigenten.<br />

Die abschließende „Arabesque“ von Samuel<br />

R. Hazo war voll spielerischer Freude.<br />

Ein heiteres, rhythmisch pointiertes Stück,<br />

das mit Präzision und Spiellust gespielt<br />

wurde. Ein lockerer und überzeugender<br />

Abschluss des Neujahrskonzertes und der<br />

Applaus bestätigte: Feuertaufe bestanden!<br />

Um die Bürgerkapelle Gries muss einem<br />

bei dieser neuen musikalischen Führung<br />

nicht bange sein.<br />

Pater Urban Stillhard OSB<br />

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des<br />

Autors und der Redaktion der Tageszeitung „Dolomiten“<br />

(Erstveröffentlichung am 09.01.<strong>2024</strong>)<br />

KulturFenster<br />

22 01/<strong>Februar</strong> <strong>2024</strong>

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