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Inhaltsverzeichnis - BSCW

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

<strong>Inhaltsverzeichnis</strong><br />

1. Einleitung 3<br />

2. Ausgangslage 5<br />

3. Fragestellung 7<br />

4. Theorie 7<br />

4.1. Kinderlyrik 7<br />

4.1.1. Begriffe und Definitionen 7<br />

4.1.2. Zuordnung und Typologie nach Themenbereichen 9<br />

4.1.3. Elemente und Strukturen der Kinderlyrik 10<br />

4.1.4. Ableitung der für die Forschung relevanten Schlüsse 12<br />

4.2. Neurowissenschaften, Lernen und Spracherwerb 13<br />

4.2.1. Wie und wo findet Lernen statt? 13<br />

4.2.2. Sensible Phasen im Erwerb der Erstsprache 15<br />

4.2.3. Folgerung der für das Forschungsvorgehen relevanten Schlüsse 16<br />

4.3. Der frühkindliche Spracherwerb 17<br />

4.3.1. Erklärungsansätze 17<br />

4.3.2. Stationen der Sprachentwicklung 18<br />

4.3.3. Bedingungen und Risikofaktoren 20<br />

4.3.4. Erstsprache – Zweitsprache 21<br />

4.3.5 Zusammenfassung der Erkenntnisse und Folgerungen für die Forschungsarbeit 21<br />

4.4. Die Bedeutung der Familie als Ort der Bildung, Erziehung und Beziehung 22<br />

4.4.1. Der Stellenwert der Familie 22<br />

4.4.2. Eltern-Kind Interaktion und Bindungsverhalten 23<br />

4.4.3. Frühe Förderung von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund 24<br />

4.4.4. Die Bedeutung der Eltern-Kind-Interaktion für die kindliche Sprachentwicklung 26<br />

4.4.5. Ableitung der für die Forschung relevanten Schlüsse 27<br />

5. Das Forschungsvorgehen 29<br />

5.1. Die Korpusbildung und erste Bearbeitung der Kinderreime 29<br />

5.2. Feinanalyse des Datenmaterials 30<br />

5.3. Kriterien für die Sequenzanalyse 31<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

5.4. Vorgehen in der Sequenzanalyse 31<br />

6. Analyse der Reime 35<br />

6.1. Beispiel 1, Kinderstubenreim / Kniereiterreim 35<br />

6.2. Beispiel 2, Nachahme- und Deutereim / Tierlaute 37<br />

6.3. Beispiel 3, Kinderstubenreim / Fingervers 39<br />

6.4. Beispiel 4, Kinderstubenreim / Klatschspiel oder Kitzelreim 42<br />

6.5. Beispiel 5, Kinderstubenreim / Zuchtreim 45<br />

6.6. Beispiel 6, Turnspiel 48<br />

6.7. Beispiel 7, Kinderstubenreim / Pflegereim 50<br />

6.8. Beispiel 8, Stimmungshaftes , lyrisches Gedicht, Naturgedicht 53<br />

6.9. Beispiel 9, Scherzreim / Wortspiel 55<br />

6.10. Beispiel 10, Nachahme- und Deutereim / Handwerksgeräusche 57<br />

6.11. Beispiel 11, Grenzfall Reim / Fingervers 60<br />

7. Auswertung des Forschungsvorgehens 62<br />

8. Forschungsergebnisse 63<br />

8.1. Zusammenfassung der Ergebnisse der Analyse der Kinderreime 63<br />

8.2. Begründung der Auswahl für das Projekt Zeppelin 66<br />

9. Beantwortung der Fragestellung 67<br />

10. Die Erkenntnisse im Vergleich zur aktuellen Kinderlyrikforschung 67<br />

11. Ausblick 68<br />

12. Literatur 70<br />

13. Anhang 77<br />

13.1. Die albanische Sprache 77<br />

13.2. Eine Auswahl von Reimen nach Kategorien geordnet 78<br />

13.2.1. Nachahme- und Deutereime 78<br />

13.2.2. Kinderstubenreime / Abzählreime und Fingerverse 80<br />

13.2.3. Kinderstubenreime / Kniereiterreime, Tanz- und Turnspiele 82<br />

13.2.4. Lyrische Gedichte 86<br />

13.2.5. Kinderstubenreime / Schlaflieder 87<br />

13.2.6. Kinderstubenreime / Pflegereime 89<br />

13.3. Beispiel für einen türkischen Kinderreim 93<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

1. Einleitung<br />

Diese Arbeit ist im Zusammenhang mit dem Projekt Zeppelin entstanden. Das Projekt wird von der<br />

Hochschule für Heilpädagogik Zürich in Kooperation mit der Kleinkindberatung Dietikon durchgeführt.<br />

Ziel ist es, Eltern in psychosozialen Risikosituationen bei der Pflege und Erziehung ihres Kindes zu<br />

unterstützen und damit eine optimale Vorbereitung für den Kindergarten und die Schule zu erreichen.<br />

Mit psychosozialen Risiken sind psychische, soziale und ökonomische Bedingungen (Konflikte oder<br />

psychische Probleme der Eltern, tiefes Bildungsniveau, Armut, sozialer Rückzug etc.) in der Umwelt<br />

des Kindes gemeint, die dessen Entwicklung in einem solchen Mass hemmen oder stören können,<br />

dass diese Kinder Gefahr laufen, später deutliche Entwicklungsverzögerungen, Lernbehinderungen<br />

oder Verhaltensstörungen zu zeigen (vgl. Projektinformation Zeppelin, 2009).<br />

Die sozio-ökonomische Situation der Familie spielt eine zentrale Rolle für den späteren Schulerfolg<br />

der Kinder. Der Medienkonsum von sozial benachteiligten Kindern liegt über dem Durchschnitt, ersetzt<br />

aber nicht die sprachliche, situationsbezogene Kommunikation und die Bildungsanreize durch Spiel<br />

und Bewegung. Viele Kinder aus sozial benachteiligten Familien verbringen die ersten fünf Lebensjah-<br />

re vor dem Fernseher, haben aber nie basteln gelernt, im Sandkasten gespielt oder einen Waldspa-<br />

ziergang gemacht. Die Folgen sind sprachliche, kognitive und motorische Defizite. Diese sind wäh-<br />

rend der Schulzeit schwer wieder aufzuholen (vgl. Frühförderung in der Stadt Winterthur Leitbild und<br />

Konzept, 2009, S.6).<br />

Die am Projekt Zeppelin beteiligten Familien werden von Mitarbeiterinnen der Kleinkindberatung zu-<br />

hause besucht und erhalten von ihnen Informationen und Anleitung in Pflege und Erziehung. Unter<br />

anderem werden Kinderreime in der jeweiligen Familiensprache abgegeben. Das Ziel ist die Förde-<br />

rung der Erstsprache und die Verbesserung der Qualität der Eltern-Kind-Interaktion.<br />

In meiner Tätigkeit als Schulische Heilpädagogin im Kindergarten habe ich oft mit Eltern und interkul-<br />

turellen Übersetzerinnen und Übersetzern aus dem Kosovo und Mazedonien diskutiert. Viele haben<br />

erzählt, dass in ihrem Herkunftsland Reime und Lieder für Kinder einen hohen Stellenwert haben,<br />

aber die meisten konnten sich nicht mehr an solche erinnern. Gerade mit Kinderreimen lässt sich je-<br />

doch der Erwerb der Erstsprache spielerisch und lustvoll unterstützen.<br />

Das Ziel dieser Arbeit ist, vergessene albanische Kinderlyrik wieder aufleben zu lassen, und genauer<br />

zu betrachten: Es werden Reime für Kinder in albanischer Sprache gesammelt und mittels Sequenz-<br />

analyse auf ihre Eignung zur Vermittlung an die im Projekt beteiligten Eltern und Kinder mit albani-<br />

scher Familiensprache geprüft.<br />

Dabei wird von der folgenden Fragestellung ausgegangen: Welche Reime eignen sich besonders zur<br />

Vermittlung an die Zielgruppe der Eltern mit Kindern im Vorkindergartenalter?<br />

Die Kriterien zur Auswahl ergeben sich aus den sprachstrukturellen Aspekten, aus lerntheoretischen<br />

Überlegungen, sowie der Thematik der Inhalte und der Einflüsse auf die Eltern-Kind-Interaktion.<br />

Der Sinn ist also nicht, einfach eine Sammlung von Versen für das Projekt Zeppelin zusammen zu<br />

stellen, sondern vielmehr jene auszuwählen, die sich für die Zielgruppe besonders gut eignen. Die<br />

Förderung der Erstsprache und das Interaktionsverhalten zwischen Eltern und Kind stehen dabei im<br />

Zentrum.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Aufgrund dieser Ausgangslage und der daraus resultierenden Fragestellung werden zunächst die<br />

aktuellen theoretischen Bezüge genauer beleuchtet. Ein Themenfeld ist der Bereich Lyrik für Kinder.<br />

Es wird aufgezeigt, wie Reime, Verse und Lieder nach Funktion und Themenbereich klassifiziert wer-<br />

den können und welche Strukturen sie aufweisen. Danach geht es um die Sprachentwicklung bei Kin-<br />

dern im Alter von null bis fünf Jahren. Im Zusammenhang mit der Auswahl geeigneter Lyrik ist es<br />

wichtig zu wissen, welche sprachstrukturellen Aspekte berücksichtigt sein sollten, damit Kinder ihrem<br />

Lernstand entsprechend gefördert werden können.<br />

Lerntheoretisch von Bedeutung ist ausserdem die Sicht der Neurowissenschaften. Darum werden die<br />

neueren Erkenntnisse aus diesem Gebiet ebenfalls erläutert und in den Zusammenhang mit der Erfor-<br />

schung der Kinderreime gestellt. Das letzte Theoriekapitel steht im direkten Bezug zur Zielgruppe des<br />

Projekts Zeppelin, den Familien in psychosozialen Risikosituationen. Untersucht werden folgende<br />

Themenbereiche: Die Familie als Bildungsort, frühe Förderung von Kindern in Migrationsfamilien, Bin-<br />

dungsverhalten, Interaktion Eltern – Kind und deren Auswirkung auf die kindliche Sprachentwicklung.<br />

Für das darauf folgende Forschungsvorgehen werden also nicht nur die sprachstrukturellen Aspekte<br />

beachtet, sondern auch lerntheoretische Kriterien, inhaltliche Bedeutung und emotionale Wirkung,<br />

sowie Anlässe zur Interaktion. Die Sequenzanalyse von ausgesuchten albanischen Kinderreimen<br />

erfolgt also theoriegeleitet, nach den jeweils aus den Theoriekapiteln gefolgerten Kriterien. Das Vor-<br />

gehen gestaltet sich demnach deduktiv. Die Reime werden nach den Themenbereichen der Lyrikfor-<br />

schung geordnet und ausgewählt. Für jeden Bereich wird exemplarisch ein Reim ausführlich analy-<br />

siert, die Kurzanalyse des weiteren Materials geschieht im Anhang.<br />

Die kollegiale Validierung erfolgt durch die Übersetzerin, Mirvet Thaçi, welche aus dem Kosovo<br />

stammt und kulturelle wie auch sprachliche Feinheiten erklären kann.<br />

Aufgrund der genauen Analyse des Materials kann zum Schluss gefolgert und begründet werden,<br />

welche Reime sich für das Projekt Zeppelin besonders, nur teilweise oder gar nicht eignen.<br />

Nach der Analyse der Reime erfolgt die Auswertung des Forschungsvorgehens. Es werden jene Krite-<br />

rien beschrieben, die sich als forschungsrelevant erwiesen haben und für eine weiterführende Analyse<br />

geeignet sind.<br />

Abschliessend werden die zentralen Erkenntnisse nochmals zusammengefasst und kritisch gewürdigt.<br />

Es werden Perspektiven zur weiterführenden Forschung aufgezeigt.<br />

Mit der Erforschung von Kinderreimen in albanischer Sprache wird nur ein kleiner Aspekt eines kom-<br />

plexen Gebietes beleuchtet. Wenn das Ziel, eine für das Projekt Zeppelin möglichst geeignete Aus-<br />

wahl von Reimen zu treffen erreicht ist, wird die Umsetzung in der Praxis und später die Evaluation<br />

durch die Projekt-Verantwortlichen erfolgen.<br />

Weil im Bereich der frühen Förderung von kleinen Kindern aus Familien in Risikosituationen inzwi-<br />

schen von verschiedenen Seiten her anerkannt wird, dass Bemühungen notwendig und erfolgsver-<br />

sprechend sind (vgl. Stamm et al., 2009) wäre zu prüfen, ob das Feld erweitert werden sollte und nach<br />

den erarbeiteten Kriterien Reime in weiteren Sprachen ausgewählt werden könnten. Dies hätte eine<br />

Vergrösserung der Zielgruppe zur Folge.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

2. Ausgangslage<br />

Diese Arbeit ist ein Beitrag an das Projekt Zeppelin („Zürcher Equity Präventions-Projekt Elternbeteili-<br />

gung und Integration“). Das Projekt wird von der Hochschule für Heilpädagogik Zürich evaluiert und in<br />

Kooperation mit der Kleinkindberatung Dietikon durchgeführt. Ziel ist es, Eltern in psychosozialen Ri-<br />

sikosituationen bei der Pflege und Erziehung ihres Kindes zu unterstützen und damit eine optimale<br />

Vorbereitung für den Kindergarten und die Schule zu erreichen.<br />

Mit psychosozialen Risiken sind psychische, soziale und ökonomische Bedingungen (Konflikte oder<br />

psychische Probleme der Eltern, tiefes Bildungsniveau, Armut, sozialer Rückzug etc.) in der Umwelt<br />

des Kindes gemeint, die dessen Entwicklung in einem solchen Mass hemmen oder stören können,<br />

dass diese Kinder Gefahr laufen, später deutliche Entwicklungsverzögerungen, Lernbehinderungen<br />

oder Verhaltensstörungen zu zeigen (vgl. Projektinformation Zeppelin, 2009).<br />

Um Entwicklungsbeeinträchtigungen vorzubeugen, fokussiert die Frühe Förderung im Rahmen von ZEPPE-<br />

LIN primär auf die Stärkung der Erziehungs- und Bildungsbemühungen der Eltern. Sie sollen unterstützt<br />

werden, ihrem Kind ein Umfeld zu bieten, das seiner sozialen, emotionalen, sprachlichen, motorischen und<br />

kognitiven Entwicklung förderlich ist. Um diese selektive primäre Prävention zu ermöglichen, müssen Fami-<br />

lien in psychosozialen Risikokonstellationen zunächst erkannt und anschliessend ihren Bedürfnissen ent-<br />

sprechend über das Grundangebot hinaus beraten und begleitet werden. Diese Begleitung erfolgt in Form<br />

eines zugeschnittenen Programms zur frühen Förderung, das home- und center-based die Eltern in ihrer<br />

Erziehungstätigkeit unterstützt. (Bericht Projekt Zeppelin Machbarkeitsstudie, 2010, S.4)<br />

Im Rahmen dieses zugeschnittenen Programms zur frühen Förderung haben die Projektverantwortli-<br />

chen nach geeigneter Kinderlyrik in albanischer Sprache gesucht, welche an Eltern mit albanischer<br />

Erstsprache, die am Projekt teilnehmen, vermittelt werden kann.<br />

Der Erwerb der Herkunftssprache wird als ein bedeutendes Element in der psychischen, sozialen<br />

kognitiven und kulturellen Entwicklung der Kinder angesehen. Eine wichtige Rolle spielen jedoch auch<br />

Aspekte wie der Aufbau einer starken Eltern-Kind-Beziehung, Verständnis und Wissen der Eltern über<br />

die kindliche Entwicklung sowie praktische Anleitung, wie Eltern ihr Kind zum Lernen anregen können.<br />

Alle Kinder im Vorkindergartenalter brauchen zur Entfaltung ihrer Potenziale Bezugspersonen, die ihre<br />

Bedürfnisse aufmerksam wahrnehmen und eine förderliche Umgebung schaffen. Der Kanton bezeich-<br />

net Massnahmen und Angebote zur Unterstützung der gesunden und ganzheitlichen Entwicklung aller<br />

Kinder mit «früher Förderung». Diese richtet sich immer an die Kinder und an ihre Eltern. Letztere<br />

sollen zum Wohle der Kinder in ihren Erziehungs- und Förderungskompetenzen gestärkt werden (vgl.<br />

Frühförderung in der Stadt Winterthur: Leitbild und Konzept, 2009, S.3).<br />

Laut der Studie zur frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (Stamm et al., 2009, S.16) sind<br />

die Bildungschancen in der Schweiz stark durch die soziale Herkunft bestimmt. Kinder aus unterprivi-<br />

legierten, bildungsfernen Familien haben bereits bei Kindergarten- und Schuleintritt nicht die gleichen<br />

Chancen wie privilegiert und bildungsnah aufwachsende Kinder.<br />

Gerade die Zeit vor dem Kindergarteneintritt, also die ersten Lebensjahre sind die kritischste Phase<br />

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für die Entwicklung eines Kindes. Dies gilt in sozialer, emotionaler und intellektueller Hinsicht. In der<br />

frühen Kindheit wird ein wichtiger Grundstein für den Bildungs- und Lebenserfolg gelegt. Was hier<br />

unterlassen wird, kann später nur mit viel Aufwand aufgeholt werden. Deshalb spielen in den ersten<br />

Lebensjahren nicht nur die Betreuung der Kinder, sondern auch ihre Bildungsprozesse eine zentrale<br />

Rolle.<br />

Damit Kinder Bildungsangebote jedoch annehmen können, müssen sie in gut entwickelte Bezie-<br />

hungsstrukturen eingebettet sein (vgl. Stamm et al., 2009, S.17).<br />

Für Sprache und Bindungsverhalten eines Kindes spielt das Interaktionsverhalten seiner nahen Be-<br />

zugsperson eine wichtige Rolle. Ihre Responsivität im täglichen Kontakt mit dem Kind ist von grosser<br />

Bedeutung (vgl. Petermann & Wiedebusch, 2008).<br />

Kinder sind von Geburt an aktive Partner in der Interaktion mit ihrer Umwelt. Dies beschränkt sich<br />

nicht nur auf das Sprechen. Auch Blickkontakt, Mimik, Gestik und die ungeteilte Aufmerksamkeit im<br />

gemeinsamen Handeln spielen eine wichtige Rolle in der Kommunikation.<br />

Die wichtigste Voraussetzung für die Entwicklung der Eltern-Kind-Interaktion liegt im Bedürfnis beider<br />

Seiten, Informationen über Gefühle und die innere und äussere Welt auszutauschen, zu verstehen<br />

und verstanden zu werden. Frühe, verlässliche Erfahrungen in der Interaktion vermitteln dem Kind<br />

Sicherheit. Es fühlt sich von seiner Bezugsperson verstanden und getragen. Darauf basiert eine siche-<br />

re Bindung. Diese fördert das Explorationsverhalten des Kindes und begünstigt die Individuation<br />

(vgl. Resch et al., 1999).<br />

Eine Sprache zu erwerben bedeutet also viel mehr, als das Erlernen von Grammatik, Wortschatz und<br />

Aussprache. Das Kind erkundet neugierig seine Umgebung, will teilhaben und selbsttätig sein. Spra-<br />

che dient dem Ausdruck von Wünschen, und Intentionen. Sie ermöglicht die Kommunikation mit ande-<br />

ren Menschen. Somit hat Sprache eine zentrale Bedeutung für die kognitive, kommunikative und emo-<br />

tionale Entwicklung, gleichzeitig wird sie durch diese wiederum beeinflusst (vgl. Triarchi-Hermann,<br />

2003).<br />

Ein wichtiges Element zum spielerischen Erlernen der Erstsprache sind Reime und Lieder. Diese sind<br />

meist kulturell tief verwurzelt und manche werden seit Generationen mündlich überliefert.<br />

Der Auftrag, Kinderreime in albanischer Sprache für das Projekt Zeppelin zu sammeln beinhaltet<br />

mehr, als das willkürliche Auflisten von Reimen, die mündlich oder schriftlich überliefert und zusam-<br />

mengestellt werden.<br />

Einen wesentlichen Einfluss auf die Auswahl der Reime haben die Bedürfnisse und Merkmale der<br />

Zielgruppe: Familien in psychosozialen Risikosituationen.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

3. Fragestellung<br />

Welche Kinderreime eignen sich besonders zur Weitergabe an jene Kinder und Eltern, die am<br />

Projekt Zeppelin teilnehmen und welche theoretisch begründeten Kriterien sind massgebend<br />

für die Auswahl und Vermittlung der Reime?<br />

4. Theorie<br />

In diesem Kapitel werden die theoretischen Hintergründe zur Erfassung der Ausgangslage und der<br />

Situation der Zielgruppe (Familien in psychosozialen Risikosituationen) beschrieben. Weil das Thema<br />

Reime in albanischer Sprache und ihre Eignung für die Zielgruppe ist, befasst sich der erste Teil mit<br />

der Kinderlyriktheorie. Im Kapitel 4.2. werden die Zusammenhänge des Lernens aus neurowissen-<br />

schaftlicher Sicht beleuchtet. Darauf folgen die Erkenntnisse über den frühkindlichen Spracherwerb.<br />

Ebenfalls wichtig für das Forschungsvorgehen sind die Erkenntnisse über die Familie als Bildungsort,<br />

die Eltern-Kind-Bindung, Kommunikation und Interaktion.<br />

4.1. Kinderlyrik<br />

Die Kinderlyrik wurde im deutschen Sprachraum vor allem in den sechziger und siebziger Jahren er-<br />

forscht. Sie ist jedoch immer noch ein aktuelles Thema, doch hat sich die Forschung von den Struktu-<br />

ren und Inhalten eher weg zum Bereich Vermittlung verlagert. In diesem Kapitel werden zuerst Begrif-<br />

fe und Definitionen geklärt, dann erfolgt eine Zuordnung nach Themen, eine Beschreibung der Struk-<br />

turen und Elemente und abschliessend eine Folgerung der für diese Forschungsarbeit relevanten<br />

Schlüsse.<br />

4.1.1. Begriffe und Definitionen<br />

Der Begriff Kinderlyrik umfasst eine Fülle recht unterschiedlicher Einzelbezeichnungen, wie Kinder-<br />

reim, Kindervers, Kindergedicht, Kinderlied usw.<br />

Die vielschichtigen, verwobenen sprachlichen und lyrischen Merkmale der Kinderlyrik scheinen eine<br />

klare, eindeutige Terminologie zu verhindern. Lorbe (1984) sieht den Grund dafür in der historischen<br />

Entwicklung der Kinderlyrik, die wenn man sie zurückverfolgt, ein divergentes Erscheinungsbild er-<br />

kennen lässt (vgl. S.340). Oft handelt es sich um mündliche Überlieferungen. Dazu gibt es Lyrik, die<br />

von Autorinnen und Autoren eigens für Kinder verfasst wurde, oder aber von Kindern selbst kreiertes<br />

Textmaterial.<br />

Lotmann (1972) schreibt, dass Kinderlyrik seit Jahrhunderten dieselben Merkmale in der Grundstruk-<br />

tur aufweist und sich so gut wie nicht von einem bestimmten kulturellen Ausgangstyp entfernt hat (vgl.<br />

S.151). Einige Themen und Motive haben sich im Laufe der Zeit verändert, andere sind bis heute er-<br />

halten geblieben.<br />

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Franz (1979) gibt eine erste Definition darüber ab, was Kinderlyrik bedeutet:<br />

„Mit Kinderlyrik sind sämtliche in gebundener, grossenteils gereimter Sprache und in einer bestimmten<br />

Form von Kindern oder Erwachsenen für Kinder vom Kleinkindalter bis etwa 12 Jahren verfassten und<br />

von diesen rezipierten sprech-, les- und zum Teil auch singbaren Texte gemeint“ (S.11).<br />

Später erweitert Franz diese Definition: Eine Gemeinsamkeit der kinderlyrischen Erscheinungen liegt<br />

im Spielerisch-lockeren, begrenzt durch eine gewisse rhythmische, formale, sprachliche und themati-<br />

sche Gebundenheit. Er weist darauf hin, dass es schwer fällt, bei der Komplexität der Verfasserschaft,<br />

der Entstehungsbedingungen, der Verbreitungsprozesse, der Textkonstituenten, der Formen und<br />

Genres, der Anwendungsbereiche und des Gebrauchswertes den Oberbegriff 'Kinderlyrik' klar zu<br />

bestimmen.<br />

Hilfreich erscheint dabei die Differenzierung in zwei untergeordnete Kategorien; die literarische und<br />

die volkstümliche Kinderlyrik (vgl. Franz, 1996, S.7).<br />

Zur volkstümlichen Kinderlyrik gehört der Kinderreim, welcher besonders von Kindern untereinander,<br />

aber auch von Erwachsenen bei allen möglichen Gelegenheiten gepflegt werden. Gemeinsame struk-<br />

turelle Merkmale sind eine gewisse Begrenztheit und Einförmigkeit, die Reime sind eher kurz, oft ein-<br />

strophig, und paarweise gereimt. Sie weisen rhythmische Wiederholungen und Klangelemente auf.<br />

Sie kommen dem Bedürfnis des Kindes nach, die Sprache zu erobern. Das Schwergewicht des Kin-<br />

derreims liegt weniger auf narrativen Elementen, sondern in seinem unmittelbaren Gebrauchswert.<br />

Die Quellen, Urheberinnen und Urheber sind unterschiedlich, oft handelt es sich um mündliche Über-<br />

lieferung (vgl. Franz, 1979, S. 11).<br />

Der Übergang vom Kinderreim zum Kindergedicht ist fliessend. Dieses gehört zur literarischen Kin-<br />

derlyrik, es wurde von einer namentlich bekannten Autorenschaft verfasst, Gedichte für kleine Kinder<br />

zeigen einen ähnlichen Aufbau wie die Kinderreime, doch steigert sich mit dem Alter der Zielgruppe<br />

auch der Schwierigkeitsgrad der Texte bezüglich Umfang, Wortschatz, Syntax und Symbolgehalt.<br />

Das Kinderlied kann je nach Ursprung sowohl zur Kategorie volkstümliche Kinderlyrik gehören, oder<br />

aber zur literarischen Kinderlyrik, wenn es ähnliche Merkmale wie das Kindergedicht aufweist. Kinder-<br />

lieder sind im Hinblick auf ihre Singbarkeit konzipiert oder später vertont worden. Der musikalische<br />

Aspekt ist in der Kinderlyrik insofern wichtig, als Kinderreime oft „geleiert“ oder in einer Art Sprechge-<br />

sang vorgetragen werden. In der älteren Lyrikforschung wird der Begriff Kinderlied oft auch für nicht<br />

gesungene Texte verwendet, sondern für alle volkstümlichen, anonymen Reime, Gedichte und Lieder<br />

(vgl. Franz, 1979, S. 12-13).<br />

Auch im Albanischen gilt die Bezeichnung Kinderlied sowohl für gesungene Lieder, wie auch für ge-<br />

sprochene Reime und Verse.<br />

Ein weiterer Begriff ist das Kinderspiel. Er bezeichnet ein spielbegleitendes Lied oder einen solchen<br />

Reim und muss nicht unbedingt als abgegrenzte Gattung angesehen werden. Ein grosser Teil der<br />

Kinderreime und –Lieder sind von Spiel oder Handlung begleitet. Die Bedeutung der Kinderlyrik wird<br />

offensichtlicher als bei anderen literarischen Gattungen von der Funktion, vom Verwendungszweck,<br />

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vom „Gebrauchswert“ her bestimmt: „Die Funktionsbezogenheit ist ein Grundzug des Kinderreims“<br />

(Gerstner-Hirzel, 1973, S. 942).<br />

Diese Handlungsgebundenheit trifft jedoch nicht auf den ganzen Bereich der Kinderlyrik zu, sondern<br />

nur auf die Teilbereiche Kinderreim und Kinderspiel. Dem Kindergedicht kann diese Funktionalität<br />

nicht attestiert werden (Wildemann, 2003, S.37).<br />

4.1.2. Zuordnung und Typologie nach Themenbereichen<br />

Die grosse Vielfalt der Bereiche, wo Kinderlyrik eingesetzt werden kann, wird aus der Typologie von<br />

Franz (1979, S. 49f.) ersichtlich, er hat eine Zuordnung der Reime und Gedichte nach Funktionen<br />

vorgenommen:<br />

• Nachahme- und Deutereime (Tierstimmen, Glocken, Handwerksgeräusche usw.)<br />

• Brauchtumslieder (Jahreszeitenfeste, Glückwünsche usw.)<br />

• Anrufe und Zauberformeln<br />

• Kindergebete<br />

• Orakel (Abzählreime)<br />

• Rechtsformeln (Pfandauslösen, Spielstrafen)<br />

• Kinderstubenreime (Schlaf- und Wiegenlieder, Kniereiter, Schaukelreime, Tanzliedchen, Pfle-<br />

gereime, Kosereime, Kitzelreime, Krabbelreime, Fingerverse, Trostreime, Zuchtreime)<br />

• Neckreime (Namenneckreime, Neckspiele, Handwerkerneckverse, Nikolaussprüche)<br />

• Spottreime<br />

• Ulkreime (politische Gedichte, Zoten, Parodien)<br />

• Scherzreime (Scherzrätsel, Sprachscherze, Wortspiele, Zungenbrecher, Klanglyrik, Schnell-<br />

sprechverse)<br />

• Bildgedichte<br />

• Reime zu bestimmten Tätigkeiten (Hirtenrufe, Blumensuchen, Schlittenrufe)<br />

• Reigenspiele (Kreis- und Reihentänze)<br />

• Wettbewerbspiele ( Hüpf- Laufspiele, Fangen, Reaktionsspiele)<br />

• Spiele mit Stift<br />

• Erzählspiellieder<br />

• Redensartenreime<br />

• Sentenzenhafte Reime (Sprichwörter, Bauernregeln)<br />

• Gesprächsreime<br />

• Schulweisheiten (ABC Gedichte)<br />

• Lehrhafte Reime (Wissen, Moral, Lückentexte, Rätsel)<br />

• Erzählende Reime und Gedichte (Kettenreime, Lawinensprüche, Lügengeschichten, Unsinn-<br />

gedichte, verkehrte Welt)<br />

• Stimmungshafte Gedichte (Festgedichte, Naturgedichte, liedhafte Gedichte)<br />

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Wenn man diese Kategorien näher betrachtet, findet man unzählige Themenbereiche. Doch letztend-<br />

lich stammen diese immer aus der Lebenswelt des Kindes, oder wie Ruth Lorbe es treffend schildert:<br />

„Das Thema der Kinderlyrik ist die Welt. In den Gedichten und Liedern begegnet das Kind der Welt“<br />

(1984, S. 341).<br />

So bezieht sich Lyrik für Kleinkinder zunächst auf die engste Umgebung, das Kind wird mit den alltäg-<br />

lichen Dingen vertraut gemacht, so etwa mit Teilen seines Körpers, wenn die Mutter oder der Vater<br />

eine Maus über seinen Bauch krabbeln lässt, es an der Nase kitzelt, oder mit seinen Fingern spielt. Es<br />

werden Spiele und Spielzeug beschrieben, Tiere aus der Umgebung und Motive werden mit Bewe-<br />

gungen untermalt. Mit Schlaf- und Wiegenliedern wird das Kind beruhigt und mit Zuchtreimen, oder<br />

lehrhaften Versen zurechtgewiesen. Mit der Zeit erweitern sich die Themenbereiche, was man beson-<br />

ders an den Tieren beobachten kann, von denen viele Verse handeln, es kommen immer wieder neue<br />

dazu (vgl. Franz, 1979, S. 56).<br />

Auch Erscheinungen der Natur, Jahreszeiten und weitere Bezugspersonen werden in den Reimen<br />

thematisiert, mit dem erweiterten Blick auf die Umwelt erfährt das Kind zugleich eine vertiefte Begeg-<br />

nung mit den Dingen, oder wie Franz schreibt: “Sozialisation vollzieht sich in der Auseinandersetzung<br />

mit der Realität“ (1979, S. 57).<br />

So repräsentieren Kinderreime eine Kinderliteratur, die genau den kindlichen Bedürfnissen entspricht.<br />

Marquardt geht davon aus, dass man von Kinderlyrik im eigentlichen Sinne erst sprechen kann, wenn<br />

sich in einem Text – inhaltlich und formal – die Vorstellungswelt des Kindes deutlich abzeichnet (vgl.<br />

2010, S.68).<br />

Bis auf einige kleine Feinheiten, die am Schluss dieser Arbeit beschrieben sind, unterscheidet sich die<br />

albanische Kinderlyrik von den Themen, Inhalten und Strukturen nicht von der deutschsprachigen. Die<br />

Reime lassen sich problemlos den oben beschriebenen Kategorien zuordnen.<br />

4.1.3. Elemente und Strukturen der Kinderlyrik<br />

Vor allem für die traditionelle Kinderlyrik lassen sich typische Gestaltungsmerkmale auf der formalen,<br />

äusseren Textebene beschreiben. Dies sind die Elemente Reim, Metrum, bzw. Rhythmus, Wiederho-<br />

lungen und Klang. Als höhere Ordnungsprinzipien dominieren sie die Kinderlyrik nicht nur auf der for-<br />

malen Ebene, sondern auch im Bezug auf die inhaltliche Aussage, dabei scheint der semantische<br />

Gehalt oft von zweitrangiger Bedeutung zu sein (vgl. Wildenmann, 2003, S.43).<br />

Kinderreime sind ohne weiteres verständlich, der Wortschatz ist der jeweiligen Altersstufe angemes-<br />

sen und vom Umfang her eher beschränkt. Abstrakte Begriffe und schwierige Ausdrücke fehlen weit-<br />

gehend. Auch für den Satzbau gilt das Prinzip der Einfachheit. Knappe Hauptsätze werden bevorzugt,<br />

Nebensätze und komplizierte Satzgefüge vermieden (vgl. Franz, 1979, S. 62-68).<br />

Ein weiteres, ganz wesentliches Element ist die Bildhaftigkeit der Sprache. Der Wert von Kinderpoesie<br />

hängt von der Wirkung ihrer Bilder ab. Es sollen genaue, unverfälschte Bilder vermittelt werden (vgl.<br />

Gelberg, 1972, S.137).<br />

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Mindestens 95% der gesamten deutschen Kinderlyrik ist gereimt. Dieses Merkmal trifft auch auf die<br />

bearbeiteten albanischen Reime zu. Neben der alten, viel genutzten Form des Stabreims 1 , findet man<br />

vor allem die vertrauten Endreime, deren Wirkung auf dem Gleichklang von Wörtern vom letzten be-<br />

tonten Vokal beruht (vgl. Franz, 1979, S.76).<br />

Dieses Prinzip des Reimens ist für Kinder von grosser Bedeutung. Bodensohn (1965, S. 38) be-<br />

schreibt dies poetisch und treffend:<br />

Das Kind fordert den Reim als musikalisches Lautsymbol. Doch waltet im Reim zugleich ein konstruktives<br />

schöpferisches Prinzip, insofern er das gegenständlich Auseinanderliegende zusammenbindet und harmo-<br />

nisch eint... Die Übereinstimmung des Verses empfindet das Kind wie eine Wortschaukel, von der es in re-<br />

gelmässiger Wiederkehr ausschwingend erhoben, nach der Zäsur des pausierenden Anhalts entsinkend<br />

wieder zurückgeschwebt wird. Es erlebt so das Geheimnis des gefährdeten Gleichgewichts und das be-<br />

stimmende Gesetz der Konzentration. Damit wird in den gleitenden Bezügen der Seele jeder Vers zum<br />

Gleichnis für Aufbruch, Ankunft und Heimkehr.<br />

Der Reim und die metrische Bindung also sind auch aus entwicklungsgeschichtlicher und entwick-<br />

lungspsychologischer Sicht bedeutsam. Die Kinder suchen bei Eigenprodukten, die im rhythmischen<br />

Spiel entstehen und inhaltlich sinnlos sein können, von sich aus immer die Bindung durch den Reim<br />

(vgl. Atanassoff, 1970, S.33).<br />

In diesem Zusammenhang betont Stein, dass für Kinder, genau so wie für die Völker der Frühzeit,<br />

welche noch keine Schrift kannten und ihre Dichtungen ebenfalls mündlich überlieferten, der Reim als<br />

Gedächtnisstütze eine wichtige Funktion erfüllt und darum unverzichtbarer Bestandteil ist (vgl. 1966,<br />

S.2).<br />

Neben dem Reim bestimmt das Versmass den metrischen Rahmen der Kinderlyrik. Generell kann<br />

man feststellen, dass im Kinderreim oft Kurzzeilen mit zwei bis vier Hebungen bevorzugt werden. Das<br />

metrische Schema wird von Trochäen 2 , Jamben 3 und Daktylen 4 bestimmt, was jedoch selten im gan-<br />

zen Text durchgehalten wird. Das lässt sich damit begründen, dass Kinderreime stark funktionsbezo-<br />

gen und dem Gestaltungs- und Umgestaltungsprozess im Kindermund unterworfen sind. Das Metrum<br />

wird durch die rhythmische Bewegung des Tanzens, Laufens, Springens, Sich-Drehens oder der ab-<br />

zählenden Hand geprägt (vgl. Franz, 1979, S. 79). Auch hier weisen die albanische Kinderreime die-<br />

selben Strukturen auf.<br />

1 Beispiel für einen Stabreim: Manche Mäuse mögen Mandeln.<br />

2 Trochäus: Auf eine lange (schwere) Silbe folgt eine kurze (leichte).<br />

3 Jambus: Auf eine kurze (leichte) Silbe folgt eine lange (schwere).<br />

4 Daktylus: Auf eine lange (schwere) Silbe folgen zwei kurze (leichte) (vgl. Franz, 1979, S.74-80).<br />

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4.1.4. Ableitung der für die Forschung relevanten Schlüsse<br />

Die überlieferten albanischen Kinderreime sind von der Thematik, den vermittelten Bildern und der<br />

Struktur her jenen in deutscher Sprache sehr ähnlich. Auch zwischen dem Kindergedicht, das nicht<br />

überliefert, sondern von erwachsenen Autorinnen und Autoren produziert wurde, gibt es viele grundle-<br />

gende Gemeinsamkeiten in Albanisch und Deutsch.<br />

Weil der Zugang zur albanischen Kinderlyrikforschung aufgrund der Ressourcen nicht möglich war,<br />

dies hätte eine Recherche vor Ort vorausgesetzt, werden die albanischen Reime nach den Kriterien<br />

der deutschen Forschung bearbeitet.<br />

Bei der Auswahl der Reime für Kinder im Vorschulalter gilt es zu beachten, dass sie von den Bildern,<br />

die vermittelt werden und der Wortwahl her altersentsprechend sind. Sie sollen Themen aus dem täg-<br />

lichen Umfeld beschreiben und das Kind bei der Entdeckung und Auseinandersetzung mit seiner Le-<br />

benswelt unterstützen. Dazu eignen sich für diese Altersstufe besonders die Nachahme- und Deute-<br />

reime, Turnspiele, Sprachspiele und die Kinderstubenreime mit den jeweiligen Unterkategorien.<br />

Das Versmass kann bei der Analyse der Verse zugunsten der Funktionsbezüge vernachlässigt wer-<br />

den, es ist für die Analyse nicht von Bedeutung, weil es in den meisten Reimen nur unregelmässig<br />

erscheint und der Funktionsbezogenheit der Reime unterworfen ist. Die Reime hingegen dienen als<br />

Gedächtnisstütze, vermitteln einen Rhythmus und wirken sich günstig auf die Sprachentwicklung aus.<br />

Für die Eltern des Projektes Zeppelin sind die Verse teilweise genauso neu wie für ihre Kinder. Darum<br />

ist es wichtig, darauf zu achten, dass sie im Alltag ohne viel Aufwand realisiert werden können.<br />

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4.2. Neurowissenschaften, Lernen und Spracherwerb<br />

In diesem Kapitel wird zuerst beschrieben, in welchen Zusammenhängen das Lernen aus neuropsy-<br />

chologischer Sicht stattfindet. Danach wird genauer auf den Spracherwerb eingegangen. Wie auch bei<br />

den Spracherwerbstheorien wird hier die Frage über die Einflüsse von Anlage und Umwelt kontrovers<br />

diskutiert. Abschliessend folgen die für die Forschung relevanten Schlüsse.<br />

4.2.1. Wie und wo findet Lernen statt?<br />

Die Neurowissenschaftliche Forschung beschäftigt sich immer häufiger mit der frühkindlichen Entwick-<br />

lung. Vor allem die Bildung in der frühen Kindheit wird zunehmend fokussiert (vgl. Schore, 2003).<br />

In der frühen Kindheit ist das Gehirn einer enormen Entwicklung unterworfen. Neurobiologische Be-<br />

funde haben gezeigt, dass sich Lern- und Bildungsprozesse strukturell in den Gehirnarealen manife-<br />

stieren. Für die Sprache kennt man zwei solche Areale: Das Wernicke- und das Broca-Areal. Im linken<br />

Temporallappen befindet sich das Wernicke Sprachzentrum. Im linken Frontallappen, vor dem motori-<br />

schen Mund-, Lippen-, Zungenareal ist das Broca-Sprachzentrum. Das Wernicke-Areal kontrolliert den<br />

Zugriff auf das „Bedeutungslexikon“ für Wörter und Sätze und ist für die nicht zeitgebundenen Aspekte<br />

der Grammatik zuständig. Im Broca-Areal werden die Zugriffs- und Integrationsprozesse geregelt, die<br />

bei den Merkmalen des zeitabhängigen Satzbaus (Syntax und Morphologie) notwendig sind (vgl.<br />

Roth, 2001, S. 357-359).<br />

In den Gehirnarealen werden Bildungsprozesse manifest, indem sich Synapsen bilden. Das sind Ver-<br />

bindungsstellen zwischen Nervenzellen (Neuronen) (vgl. Blakemoore/Frith, 2006, S.35).<br />

Durch zahlreiche Erfahrungen, die sich beim Kleinkind unbewusst als motorische, sensorische und<br />

allgemein verhaltensbezogene Grundfertigkeiten einprägen, nimmt die Bildung von Synapsen und die<br />

Myelinisierung der Nervenbahnen zum Zweck der effizienten Weiterleitung von Reizen zu (vgl. Vie-<br />

hauser, 2010, S.26).<br />

Die Gehirnentwicklung im Bereich kognitiver Lernprozesse besteht also darin, synaptische Verbindun-<br />

gen zwischen Nervenzellen aufzubauen (vgl. Klatte, 2007, S. 124). Dies geschieht bei einem Kind in<br />

den ersten zwei Lebensjahren zunächst in einer ungerichteten Art und Weise. Diese Verbindungen<br />

werden anschliessend innerhalb langjähriger Lernprozesse konsolidiert. Genutzte Nervenbahnen<br />

werden durch Myelinisierung gestärkt, die nicht weiter durch Anregungen und Reize beanspruchten<br />

Verbindungen verkümmern (vgl. Viehauser, 2010, S.27). Hier wirkt das viel zitierte Prinzip: „use it or<br />

loose it“ (Braun & Stern, 2007, S.5).<br />

Die Entstehung und Weiterentwicklung der Verschaltungen zwischen den Nervenzellen und Nerven-<br />

zellenarealen geschieht vor allem dann, wenn mehrere Nervenzellen oder Nervenzellenareale gleich-<br />

zeitig aktiviert werden (vgl. Küls, 2010).<br />

Wenn ein Kind also das Wort Hund hört, diesen anschauen und streicheln darf, werden gleichzeitig<br />

jene Neuronen aktiv, welche für optische Wahrnehmung, jene für die akustische Verarbeitung und<br />

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solche für die taktile Wahrnehmung zuständig sind. Ist die Erfahrung positiv, werden gute Gefühle mit<br />

dem Wort Hund gekoppelt.<br />

Das Ansprechen von mehreren Sinneskanälen erhöht die Wahrscheinlichkeit, an ein bereits angeleg-<br />

tes neuronales Netz anzuknüpfen. Inhalte werden dann gut gelernt, wenn eine Anschlussmöglichkeit<br />

besteht (vgl. Reich, 2005, S.143f.).<br />

Kinder lernen immer auf der Grundlage bereits gemachter Erfahrungen, die sie erweitern, differenzie-<br />

ren und variieren. Im Kleinkindalter spielt die Selbsttätigkeit beim Erlernen aller Fähigkeiten eine<br />

grosse Rolle, besonders in der frühen Kindheit denken Kinder indem sie handeln. Dabei sind motori-<br />

sche Koordinationsleistungen die Grundlage für das Begreifen der Welt.<br />

Laut Befunden aus der Hirnforschung und der Kognitionsforschung gibt es keine isolierten Funktionen<br />

und Kompetenzen. Sprechen Wahrnehmen, Denken, soziales Verhalten usw. sind keine einzelnen<br />

Fähigkeiten, sondern vielfältig zusammengesetzt. Sie müssen bei der Förderung ganzheitlich berück-<br />

sichtigt werden (vgl. Schäfer, 2003, S.18).<br />

Auch sprachliches Lernen geschieht in komplexen Zusammenhängen, also nicht nur in den beiden<br />

Sprachzentren. So spielen auch die Mundmotorik und Lautbildung eine Rolle.<br />

Lernen ist aus neurobiologischer Sicht ausserdem aufs Engste mit Emotionen gekoppelt. Spitzer be-<br />

schreibt, dass Lernen durch Aufmerksamkeit, Emotionen und Motivation positiv beeinflusst werden<br />

kann, Lernen sollte also durch positive Emotionen begleitet sein, da Stress zu negativen Folgen führt<br />

(vgl. Spitzer, 2002, S.141f.).<br />

Frühkindliche Erfahrungen sind also nicht bloss neuronal, sondern immer auch pädagogisch und sozi-<br />

al induziert. Anlage und Umwelt werden so aus einer Perspektive der gegenseitigen Durchdringung<br />

betrachtet (vgl. Viehauser, 2010, S. 29 – 30).<br />

Der angeborene Reifungsprozess steht in einer Wechselwirkung mit der Umwelt und den Bezie-<br />

hungserfahrungen mit deren Personen und Objekten (vgl. Kagan & Baird, 2004, S.93).<br />

Ein wichtiger Zusammenhang besteht laut Zimmer zwischen den Bereichen Sprache und Bewegung.<br />

Bei der Sprach- wie auch bei der Bewegungsentwicklung gibt es immer wieder korrelierende Etappen,<br />

in denen bestimmte Ereignisse zu einem grossen Entwicklungssprung führen. Diese müssen nicht<br />

immer zusammentreffen, sind aber jeweils der Auslöser für eine Erweiterung des Handlungs-, des<br />

Bewegungs- und des Sprachrepertoires (vgl. 2009, S.67).<br />

Zimmer konnte in zwei neuen empirischen Studien mit einer Zielgruppe von 4 – 5 jährigen Kindern<br />

Zusammenhänge zwischen der motorischen Entwicklung und der Sprachentwicklung feststellen. Die-<br />

se zeigten, dass z.B. Kinder mit schlechteren Leistungen im Bereich Feinmotorik häufiger Störungen<br />

in der Aussprache hatten, zudem wurden Zusammenhänge zwischen Steigerung von allgemeiner<br />

Bewegungsaktivität und Verbesserung des Satzgedächtnisses und des phonologischen Arbeitsge-<br />

dächtnisses festgestellt (vgl. Zimmer, 2009, S. 90-107).<br />

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4.2.2. Sensible Phasen im Erwerb der Erstsprache<br />

Im Hinblick auf das Lernen zeigt die Forschung, dass die Entwicklung des Gehirns sogenannt sensible<br />

Phasen aufweist. „Eine sensible Phase ist ein Zeitraum in der Entwicklung, in dem bestimmte Verhal-<br />

tensweisen und Fähigkeiten nachhaltig erworben werden“ (vgl. Buch, 2002, S.70).<br />

Für den Erwerb der Erstsprache(n) stellt die Zeit zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr eine<br />

solche sensible Phase dar, die genutzt werden sollte (vgl. Blakemore & Frith, 2006, S. 42f.).<br />

Dabei gilt es zu beachten, dass die Konstruktionsleistungen des Gehirns abhängig sind von den An-<br />

regungen, die ein Kind aus seiner Umgebung erhält (vgl. Andres, 2002, S.348).<br />

Ein Kind sollte demnach in einem Umfeld aufwachsen, wo man oft und freudig mit ihm kommuniziert.<br />

Es sollte viele Lernerfahrungen machen können. Dabei müssen die Sprachvorbilder korrekt sein, denn<br />

das kindliche Gehirn filtert unerbittlich die allgemeine Regehaftigkeit aus den angebotenen sprachli-<br />

chen Inputs heraus, gespeichert werden Regeln, Muster und Zusammenhänge. Wortschatz, Ausspra-<br />

che und Grammatik werden von den Vorbildern gelernt. Spricht das Vorbild nicht korrekt, werden die<br />

fehlerhaften Regeln vom Kind übernommen. (Spitzer, 2002, S.75).<br />

Wenn Eltern mit ihren Kindern sprechen, werden die wahrgenommenen Lauteinheiten und ihre Bezie-<br />

hungen zueinander vom Kind in neuronalen Netzwerken abgebildet, tauchen immer wieder dieselben<br />

Sprach- und Lautstrukturen im Gesprochenen auf, werden diese neuronalen Verbindungen wiederholt<br />

aktiviert und verstärkt. Das Kind erlernt so diese Regelmässigkeiten und kann auf sie zurückgreifen,<br />

wenn es selbst zu sprechen beginnt (vgl. Küls, 2010).<br />

Von einem Lernvorgang kann dann gesprochen werden, wenn eine Erfahrung festgehalten und bei<br />

Bedarf wieder aktiviert werden kann (vgl. Klatte, 2007, S. 132).<br />

Wenn das Kind selber spricht, werden die entsprechenden Areale im Gehirn weiter aktiviert und die<br />

entsprechenden Verschaltungen der neuronalen Verbindungen weiter stabilisiert. Jetzt kann das Kind<br />

sein verbales Kommunikationsverhalten seiner Entwicklung entsprechend zunehmend selbst gestal-<br />

ten. Lernen und Sprechen sind interaktive Prozesse. Neues kann sich besser einprägen, wenn es von<br />

Emotionen begleitet wird, zum Beispiel dem guten Gefühl, der freudigen Bestätigung durch die Eltern<br />

(vgl. Küls, 2010).<br />

Der Prozess des Erstspracherwerbs verläuft unbewusst und automatisch und aufgrund der besonde-<br />

ren Sensibilität der entsprechenden Gehirnareale für solche Lernprozesse in der frühen Kindheit sehr<br />

schnell. Interessant ist, wie Küls (2010) beschreibt, dass sich beim späteren Erwerb einer zweiten<br />

Sprache in den Sprachzentren des Gehirns ein teilweise neues neuronales Netzwerk entwickelt. Das<br />

späte Lernen von weiteren Sprachen ist dabei mit sehr viel mehr Üben, Anstrengung und Mühe ver-<br />

bunden. Wächst ein Kind jedoch von Geburt an zweisprachig auf, entsteht ein einziges neuronales<br />

Netzwerk für beide Sprachen. Die Altersgrenze zwischen dem sogenannten Frühlernen und dem<br />

Spätlernen ist noch wenig erforscht, laut Küls (2010) liegt sie zwischen 3 und 6 Jahren.<br />

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4.2.3. Folgerung der für das Forschungsvorgehen relevanten Schlüsse<br />

Aus diesen Erkenntnissen lassen sich lerntheoretische Aspekte ableiten, die für die Auswahl der Kin-<br />

derreime von Bedeutung sind.<br />

Die Zielgruppe des Projekts Zeppelin sind Kinder zwischen 0 und 5 Jahren. In diese Zeit (von zwei bis<br />

vier Jahren) fällt die sensible Phase für den Spracherwerb. Weil das Kind in der Auseinandersetzung<br />

mit seiner Umwelt und der Kommunikation mit seinen Bezugspersonen lernt, sollte diese Phase mög-<br />

lichst genutzt werden. Das Kind sollte in einer Umgebung aufwachsen, wo es Anregungen zum Ler-<br />

nen erhält, ohne dass es dabei überfordert wird. Lernen sollte von positiven Emotionen begleitet sein.<br />

Kinderreime haben starke Bilder, sie drücken eine positive Grundstimmung aus. Das Kind geniesst die<br />

Zuwendung und das gemeinsame Ritual.<br />

Weil Kinder besser lernen, wenn sie an Bekanntem anknüpfen können, sollten die Kinderreime The-<br />

men aus ihrer täglichen Lebenswelt beschreiben und eine altersentsprechende Wortwahl aufweisen.<br />

Zudem wirkt es sich positiv auf das Erlernen der Sprache aus, wenn mehrere Hirnregionen gleichzei-<br />

tig aktiviert werden, also begleitend noch Bewegungserfahrungen (Grob- und Feinmotorik) oder taktil-<br />

kinästhetische Eindrücke vermittelt werden.<br />

Darum eignen sich aus lerntheoretischer Sicht solche Reime, die von Bewegungen begleitet sind,<br />

oder bei Alltagshandlungen gesprochen werden, ganz besonders zur Auswahl für das Projekt Zeppe-<br />

lin. Auch der Rhythmus beim Sprechen und die Reime, die dem Text Struktur verleihen, begünstigen<br />

das Lernen.<br />

Wenn man die Kategorie der Kinderstubenreime im Kapitel 4.1.2. genauer betrachtet, sind viele der<br />

oben beschriebenen lerntheoretischen Aspekte berücksichtigt. Intuitiv werden auch bei mündlichen<br />

Überlieferungen die Bedürfnisse und das Lernverhalten der Kleinkinder beachtet.<br />

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4.3. Der frühkindliche Spracherwerb<br />

In diesem Kapitel wird zunächst kurz auf die verschiedenen theoretischen Erklärungsansätze einge-<br />

gangen, wie ein Kind die Sprache erwirbt. Für diese Forschung besonders wichtig sind die Stationen<br />

der Sprachentwicklung, die Bedingungen und Risikofaktoren, sowie die Auswirkungen einer guten<br />

Entwicklung der Erstsprache auf das Erlernen weiterer Sprachen. Dann folgt die Zusammenfassung<br />

der Erkenntnisse in Bezug auf das Forschungsvorgehen.<br />

Der Spracherwerb ist ein komplexes Geschehen, welches auf verschiedenen sprachlichen Ebenen<br />

stattfindet. In der Regel erwerben Kinder die Primärsprache auf ganz natürliche, unkomplizierte Art<br />

und Weise. Ohne dass es ihnen bewusst ist, werden Regeln und Ausnahmen unserer Grammatik<br />

verinnerlicht. Im Gegensatz zu den Erwachsenen, die sich eine Fremdsprache oft mühsam aneignen,<br />

müssen Kinder ihre Erstsprache nicht explizit lernen (vgl. Hellrung, 2006, S.9).<br />

4.3.1. Erklärungsansätze<br />

Um den Erstspracherwerb zu erklären, werden verschiedene theoretische Ansätze genannt: Die nati-<br />

vistische, die behavioristische, die kognitivistische und die interaktionistische Sicht.<br />

Bei allen diesen Sichtweisen spielen die grundlegenden Entwicklungsbereiche Wahrnehmung, Moto-<br />

rik, Denkvermögen, Emotion und Soziabilität eine mehr oder weniger entscheidende Rolle für die<br />

Ausprägung des sprachlichen Handelns (vgl. Günther & Günther, 2004, S.59).<br />

Es wird jedoch kontrovers diskutiert, ob die Fähigkeit, Sprache zu erlernen eher eine Frage der Anla-<br />

ge (Nativismus) oder der Umwelt (Behaviorismus) ist.<br />

Chomski (1999) geht von der nativistischen Sichtweise aus. Er vertritt die Hypothese, dass die Fähig-<br />

keit, Sprache zu erlernen, vorwiegend genetisch festgelegt ist (angeborener Spracherwerbsmecha-<br />

nismus: Language Acquisition Device LAD).<br />

Die Kernaussage der behavioristischen Sichtweise kann laut Anja Leist-Villis folgendermassen umris-<br />

sen werden: „Die spontan oder imitativ produzierten Lautäusserungen des Kindes werden im shaping<br />

process durch Verstärkung an die Norm der Umgangssprache angeglichen“ (vgl. 2004, S. 82).<br />

Aus kognitivistischer Sicht ist die Veranlagung, Sprache zu erlernen, qualitativ bei allen Menschen<br />

gleich und von allgemeineren Fähigkeiten, wie dem Verarbeiten von Informationen oder intelligentem<br />

Verhalten zu trennen (vgl. Pinker, 1996, S.21).<br />

Die Zwischenposition findet man im interaktionistischen Ansatz des Kognitionspsychologen Bruner<br />

(2002). Die Annahme einer angeborenen Sprachlernfähigkeit im Sinne eines LAD genügt seiner Mei-<br />

nung nach nicht. Spracherwerb geschieht immer im Rahmen sozialer Interaktionen. Derselben Ansicht<br />

ist auch Lin-Huber: „Erst das Zusammenspiel von angeborenen Sprachlernfähigkeiten (LAD mit einem<br />

von der sozialen Umwelt angebotenen Hilfssystem zum Spracherwerb (Language Acquisition Support<br />

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System LASS) ermöglicht dem Kind den Eintritt in die Sprachgemeinschaft- und damit auch in die<br />

entsprechende Kultur und Gemeinschaft“ (vgl. 2005, S.31).<br />

Die Erstsprache wird somit in einem unbewussten, impliziten Lernprozess erworben, wobei sich die<br />

inneren Voraussetzungen des Kindes und die äusseren Lernbedingungen wechselseitig beeinflussen.<br />

4.3.2. Stationen der Sprachentwicklung<br />

Nachfolgend werden die ersten fünf Jahre des Spracherwerbs genauer betrachtet. Dies ist die primäre<br />

Zeit, in der die Erstsprache erworben wird (vgl. Grimm, 2003, S.43-44).<br />

Zwar lässt sich eine relative Chronologie der Erwerbsphasen aufweisen, doch sind die aufgeführten<br />

Jahreszahlen nur ungefähre Angaben und dürfen nicht als Altersnormen interpretiert werden. Es gilt<br />

zu berücksichtigen, dass jedes Kind diese Phasen unterschiedlich und nicht immer chronologisch<br />

durchläuft (vgl. Szagun, 1996, S. 30).<br />

Der kindliche Spracherwerb beginnt schon lange vor der Geburt. Etwa ab dem 5. Schwangerschafts-<br />

monat kann der Fötus durch die Gebärmutterwand die Sprachmelodie hören. Bereits wenige Tage<br />

nach der Geburt erkennen Säuglinge die Stimme ihrer Mutter (vgl. Zimmer, 2009, S. 56).<br />

Das Neugeborene zeigt von Geburt an hohe Motivation hinsichtlich der Interaktion, es sucht von der<br />

ersten Stunde an Kontakt zu seiner Bezugsperson (vgl. Whitehead, 2004, S. 297).<br />

Gleich nach der Geburt kann das Kind durch Mimik, Gestik und durch stimmliche Mittel wie Schreien<br />

erste Intentionen ausdrücken und bei seinen Bezugspersonen kommunikative Effekte erzielen. Es<br />

reagiert auf laute Geräusche, zeigt ein erstes Verständnis für Stimmklang und Satzmelodie (vgl. Hell-<br />

rung, 2006, S. 51-54).<br />

Mit etwa sechs bis acht Wochen folgen die so genannten Gurrlaute (vgl. Grimm & Weinert, 2002, S.<br />

525).<br />

Mit etwa drei bis vier Monaten lächelt ein Kind bewusst, es zeigt erstes dialogisches Abwechseln. Es<br />

wendet den Kopf in Richtung einer Geräuschquelle, artikuliert lautähnliche Geräusche und experimen-<br />

tiert mit Lauten, dabei benutzt es vorwiegend Vokale.<br />

Mit sechs bis neun Monaten beginnt das Kind auch in Spielsituationen mit den Bezugspersonen lust-<br />

voll Sprachlaute zu produzieren. Dabei werden erstmals Konsonanten mit Vokalen kombiniert und<br />

systematisch produziert, das Kind reiht Silben aneinander und ahmt Geräusche nach (vgl. Hellrung,<br />

2006, S. 51).<br />

Mit neun bis zwölf Monaten folgt der trianguläre Blickkontakt: das Kind kann seine Aufmerksamkeit<br />

nicht nur auf seine Bezugsperson, sondern zusätzlich auf einen Gegenstand lenken. Es zeigt kommu-<br />

nikative Gesten wie Zeigen, Kopfschütteln, Winken. Es entwickelt ein erstes Wortverständnis und<br />

beginnt, einfache Aufträge über die Schlüsselwortstrategie zu verstehen. Es erwirbt einen ersten<br />

Wortschatz und ahmt Silben und kurze Wörter nach.<br />

Im Alter von etwa anderthalb Jahren verstehen Kinder einfache Fragen und alltägliche Aufforderun-<br />

gen, sie kennen einige Bezeichnungen von Wörtern und Gegenständen, dies sind ev. noch Kinder-<br />

wörter. Sie sprechen in Einwortäusserungen (vgl. Hellrung, 2006, S.52).<br />

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Mit zwei Jahren geschieht eine explosionsartige Vergrösserung des Wortschatzes. Das Kind beginnt<br />

seine Handlungen mit Sprache zu begleiten und erschliesst sich so die Inhaltsfunktionen, das heisst,<br />

es entdeckt, dass gewisse Lautklangäusserungen für bestimmte Gegenstände in seinem Umfeld ste-<br />

hen. In der Phase der Ein- und Zweiwortäusserungen werden vor allem Dinge benannt, die sichtbar,<br />

oder mit einer Handlung, bzw. Bewegung verbunden sind. In dieser Phase ist Sprache noch stark an<br />

den Augenblick gebunden. Die Aussprache ist durch altersgemässe phonologische Prozesse noch<br />

undeutlich, manche Inhalte sind nur für Bezugspersonen verständlich. Es überwiegen Plosive und<br />

Nasale (b, p, t, d, m, n) und Reibelaute: (f, w). Nun kommen Wortneuschöpfungen dazu (z.B Fulat,<br />

anstelle von Salat). Allmählich versteht das Kind Präpositionen (vgl. Hellrung, 2006, S.53, Wendlandt,<br />

2006, S.31).<br />

Die Zeit zwischen zwei und drei Jahren wird auch als die frühgrammatische Phase bezeichnet. Die<br />

Kinder bilden neben Ein- und Zweiwortäusserungen bereits Drei- und Mehrwortsätze. Erste Vergan-<br />

genheits- und Zukunftsformen werden gebildet und häufig korrekte Pluralformen. Mit drei Jahren er-<br />

weitert das Kind sein Wissen durch Fragen (Wieso? Wo? Warum?). Es versteht Gegensätze und Ab-<br />

stufungen. Das Kind beginnt, Lautverbindungen wie „kn“ und „bl“ zu verwenden, Dreifachkonsonan-<br />

tenverbindungen gelingen in der Regel noch nicht. Es leitet erste Regeln zur Konjugation und Deklina-<br />

tion ab (vgl. Fendrich, 2000, S.63).<br />

Im Alter von vier Jahren versteht ein Kind alle Sachverhalte und Aufgabenstellungen, die seinen eige-<br />

nen Lebensbereich betreffen, allerdings ist die Begriffsentwicklung in diesem Alter noch stark von dem<br />

abhängig, was es erlebt und wie selbsttätig es lernen kann. Das Lautsystem ist komplett, bis evt. s,<br />

sch, r und ch, es bildet vollständige Sätze und Nebensätze, kann Sachverhalte in Vergangenheit und<br />

Zukunft korrekt ausdrücken. Einzelne Fehler bei unregelmässigen Formen können noch auftauchen<br />

(vgl. Hellrung, 2006, S. 53).<br />

Mit fünf bis sechs Jahren sind Kinder in der Lage, inhaltlich und formal zusammenhängend zu erzäh-<br />

len, das heisst, sie haben erste textstrukturelle Mittel erworben. In der Regel werden alle Laute der<br />

Primärsprache korrekt gebildet und die Regeln des Lautsystems sind vollständig erworben. Die<br />

Grammatik ist weitgehend fehlerfrei und der Grundwortschatz vorhanden. Dieser entwickelt sich je-<br />

doch ständig weiter, vor allem in speziellen Fachgebieten (vgl. Hellrung, 2006, S.54).<br />

Der Spracherwerb mit allen seinen Entwicklungsphasen und dessen Einbettung in den Verlauf der<br />

Gesamtentwicklung des Kindes erscheint komplex. Es erweist sich als wenig sinnvoll, Sprache isoliert<br />

zu fördern. Vielmehr muss die Bedeutung von Sprachförderung in der alltäglichen Kommunikation<br />

aufgegriffen werden, dazu Zimmer (2009):<br />

Kindliche Entwicklung ist als Einheit von Wahrnehmung, Handeln, Fühlen und Denken zu verstehen. Sie<br />

ist geprägt durch die Merkmale der Selbsttätigkeit und Eigenaktivität, die sich sowohl in der Bewegungsentwicklung<br />

des Kindes, als auch in seiner Sprachentwicklung äussern. Der aktive Gebrauch der Sprache<br />

-im Dialog mit Erwachsenen und auch mit anderen Kindern- ist entscheidend für den Erwerb sprachlicher<br />

Kompetenzen. (S.12-13)<br />

Kinder erlernen ihre Muttersprache, indem sie zuhören, wie andere Menschen kommunizieren, sie<br />

ahmen nach, was sie hören und leiten eigene Hypothesen und Regeln ab (vgl. Blakemore & Frith,<br />

2006, S. 70).<br />

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Sprache ist also einerseits Produktion, andererseits Verständnis. Um ihre Bedeutung genauer zu illu-<br />

strieren und möglichst umfassend darzustellen, hilft eine Unterteilung in verschiedene Dimensionen<br />

nach Fendrich (vgl. 2000, S. 50f.):<br />

Es sind dies die Dimension des sozialen Austauschs (die pragmatisch-kommunikative Ebene), die<br />

Dimension der Bedeutung (semantisch-lexikalische Ebene), die Dimension der Aussprache (phone-<br />

tisch-phonologische Ebene), sowie die Dimension der Grammatik (syntaktisch-morphologische Ebe-<br />

ne).<br />

Nach Weinert wäre noch eine fünfte Dimension anzufügen, die rhythmisch-prosodische Dimension,<br />

welche sich auf die rhythmische Gliederung, die Betonungen und die Intonation (Sprachmelodie) be-<br />

zieht (vgl. Weinert et al., 2008, S. 98).<br />

Barbara Zollinger stellt die Entwicklung des Sprachverständnisses in einen engen Bezug zur Kommu-<br />

nikation und zum Spiel. Sie weist in diesem Zusammenhang auf die kindlichen Lernstrategien hin,<br />

welche sich im Laufe der Entwicklung verändern. Dabei steht die Abfolge des Erlernens von sprach-<br />

strukturellen Aspekten im Vordergrund. Beim Säugling sind die prosodischen und situationalen Bezü-<br />

ge von Bedeutung, später kommen semantische und lexikalische Aspekte dazu, danach die pragmati-<br />

schen Bezüge und erst ab vier Jahren rücken Syntax und Grammatik ins Zentrum (vgl. 2010, S. 6-9).<br />

4.3.3. Bedingungen und Risikofaktoren<br />

Laut Wendlandt liegen in der Zeitspanne zwischen null und sechs Jahren grösstenteils die Ursachen<br />

für eine verzögerte Sprachentwicklung (2006, S. 19).<br />

Wie in diesem Kapitel bereits beschrieben, ist die Sprachentwicklung von vielen Faktoren und Einflüs-<br />

sen abhängig. Nach Brügge, Mohs und Richter sind folgende Bereiche grundlegend für eine ungestör-<br />

te Sprachentwicklung:<br />

Das Hörvermögen, organische Voraussetzungen, die Motorik, die Wahrnehmung, das Sprachver-<br />

ständnis, die Sprechfreude, das sprachliche Vorbild, die Umweltbedingungen und das Spiel (vgl.<br />

2005, S. 12-15).<br />

Die Sprache ist in besonderem Masse anfällig für Entwicklungsstörungen. Kein anderer Bereich der<br />

kognitiven Entwicklung ist häufiger gestört als der sprachliche (vgl. Grimm, 2003, S.67).<br />

Immer wieder wird deshalb nach jenen Risikofaktoren gesucht, welche den Spracherwerb ungünstig<br />

beeinflussen.<br />

Ein Beispiel dafür ist Studie Prävalenz-Forschung: Zusammenfassung der Datenlage zu Sprachauffäl-<br />

ligkeiten bei Kindern von Jürgen Steiner. Er beschreibt folgende Risikofaktoren, welche zu einer SSES<br />

(umschriebene Sprachstörung ohne erkennbare Intelligenzdefizite) führen können:<br />

1. Frühgeburt<br />

2. Familiäre Disposition<br />

3. Störung der frühen Mutter-Kind-Interaktion<br />

4. Präferenz für elektronische Medien vor Büchern<br />

5. Psychische Instabilität der Eltern<br />

6. Fehlendes soziales Netz<br />

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7. Migration<br />

8. Begleitende oder dominierende Verhaltensstörung<br />

9. Schlechtes Sprachverständnis<br />

10. Ausbleiben der Lallphase<br />

(vgl.Steiner, 2008, S.16)<br />

In der Zielgruppe des Projekts Zeppelin können vor allem die Bereiche Migration, fehlendes soziales<br />

Netz, eventuell psychische Instabilität der Eltern, sowie Störungen der frühen Mutter-Kind-Interaktion<br />

die Risikofaktoren für den Spracherwerb sein.<br />

4.3.4. Erstsprache – Zweitsprache<br />

Die verschiedenen Akteure/Akteurinnen aus dem Integrations- und Bildungsbereich werden sich zu-<br />

nehmend bewusst, wie wichtig für Kinder mit Migrationshintergrund der Erwerb und die Pflege der<br />

Erstsprache tatsächlich ist. Die Sensibilisierung der Eltern für die Bedeutung der Familiensprache ist<br />

von zentraler Bedeutung (vgl. Moret & Fibbi, 2008, S.22).<br />

Die frühe Kindheit ist die Phase, wo das Kind über die Sprache, über seine motorischen und sensori-<br />

schen Aktivitäten mit seinem Umfeld in Beziehung tritt, kulturelle Kenntnisse und Kompetenzen erwirbt<br />

und sein Selbstbild aufbaut. Das Kind ist auf Interaktion und Kommunikation angewiesen, damit es<br />

das kognitive und soziale Wissen erwerben kann, das es für die Partizipation an der sozialen und<br />

kulturellen Umwelt benötigt. Die Sprache ist dabei ein zentrales Instrument. Diese Lernprozesse fin-<br />

den zunächst in der Familie statt. Dort dominiert die Sprache der Eltern.<br />

Die Familiensprache bildet die Grundlage für den Erwerb der Zweitsprache. Sie ist jedoch auch als<br />

identitätsstiftender Faktor von Bedeutung (vgl. Moret & Fibbi, 2008, S. 6).<br />

Hat ein Kind seine Erstsprache sicher erworben, kann es beim Erwerb einer weiteren Sprache auf<br />

gefestigte Kenntnisse über Gesetzmässigkeiten rückschliessen. Ein hoher Stand in der Entwicklung<br />

der Erstsprache wirkt sich also positiv auf den Erwerb weiterer Sprachen aus (vgl. Cummins, 2000,<br />

S.3-49).<br />

4.3.5. Zusammenfassung der Erkenntnisse und Folgerungen für die Forschungsarbeit<br />

Mit Kinderlyrik kann die Entwicklung der Erstsprache spielerisch unterstützt werden. Bei der Auswahl<br />

der Reime ist es wichtig, zu wissen, wie sich der Spracherwerb im Alter zwischen 0 und 5 Jahren (Al-<br />

ter der Zielgruppe; Kinder im Projekt Zeppelin) vollzieht. So kann der Bezug zu den Kategorien der<br />

Kinderlyrik hergestellt werden, wo die Kinderreime nach Themenbereichen und Alterseignung geord-<br />

net sind. Es handelt sich um Reime für die frühe Kindheit, also vorwiegend Kinderstubenreime und<br />

Nachahme- und Deutreime.<br />

Auf die Bedeutung der Erstsprache für den Erwerb weiterer Sprachen wird immer wieder hingewiesen.<br />

Es ist also wichtig, dass Kinder im Vorschulalter die notwendige Förderung bekommen und Eltern in<br />

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ihrer Erziehungstätigkeit unterstützt werden. Die Sprachwissenschaft und die Neuropsychologie sind<br />

sich darin einig, dass eine Förderung in früher Kindheit sich auf spätere Schulerfolge auswirken kann.<br />

Allerdings wird in beiden Bereichen der Wissenschaft die Anlage-Umwelt-Frage kontrovers diskutiert.<br />

In der Sprachentwicklung des Kindes spielt der Erwerb von sprachstrukturellen Dimensionen eine<br />

zentrale Rolle. Diese Elemente werden im Kinderreim vermittelt. Darum sollen die sprachstrukturellen<br />

Aspekte bei der Auswahl berücksichtigt werden. Daraus können folgende Beurteilungskriterien zur<br />

Analyse abgeleitet werden:<br />

• Erzählstrukturen<br />

• Prosodie • Rhythmus • Dramatik<br />

• Lexik •Semantik<br />

• Phonetik • Phonologie<br />

• Morphologie • Syntax<br />

Diese Kriterien und ihre Bedeutung werden im Kapitel Forschungsvorgehen noch genauer beschrie-<br />

ben.<br />

4.4. Die Bedeutung der Familie als Ort der Bildung, Erziehung und Beziehung<br />

Ein Kind macht seine ersten Lebenserfahrungen in der Regel in der Familie. Auf den Stellenwert der<br />

Familie als Bildungsort wird hier zuerst eingegangen. Dann folgen die Zusammenhänge über die Be-<br />

deutung der Eltern-Kind-Bindung, der Eltern-Kind-Interaktion und deren Einfluss auf den Spracher-<br />

werbsprozess. Schliesslich wird die Situation von Familien mit Migrationshintergrund aufgezeigt und<br />

zuletzt werden die für das Forschungsvorgehen relevanten Schlüsse erklärt.<br />

4.4.1. Der Stellenwert der Familie<br />

Der hohe Stellenwert der Familie als Ort der Erziehung und Bildung, sowohl in positiver, wie in negati-<br />

ver Hinsicht, wird in der neueren Literatur häufig in den verschiedensten Zusammenhängen themati-<br />

siert. Lanfranchi weist darauf hin, dass die Familie der wichtigste Faktor für nachhaltige Effekte auf<br />

den Schulerfolg ist und bleibt. Die Eltern tragen die Schlüsselrolle in der Erklärung von Unterschieden<br />

in der kindlichen Entwicklung (vgl. 2010, S. 109-111). Auch Moret und Fibbi, (vgl. 2008, S. 5) kommen<br />

in ihrer Studie zur Elternpartizipation zum Ergebnis, dass der Rolle der Eltern als erste Sozialisations-<br />

instanz eine zentrale Bedeutung zukommt.<br />

Es lassen sich drei Faktoren für die besondere Wirkungskraft der Familienerziehung benennen und es<br />

ist davon auszugehen, dass diese im Alltag zusammenwirken (vgl. Liegle, 2006, S. 52-53). Der erste<br />

Faktor sind die genetischen Einflüsse, also die Transmission von Anlagen der Elterngeneration auf die<br />

Generation der Kinder. Der zweite Faktor wird durch die nicht-genetischen Lernprozesse im Lebens-<br />

lauf bestimmt. Er betrifft das zeitliche Primat (vor- und nachgeburtlich). Die Familie ist die erste In-<br />

stanz der Erziehung und Bildung im Lebenslauf eines Kindes, sie stellt in den meisten Fällen auch die<br />

überdauernde Umwelt des Kindes dar. Der dritte Faktor wird weniger durch bewusste Erziehungs-<br />

massnahmen bestimmt, es handelt sich vielmehr um informelles Lernen, das durch den personenbe-<br />

zogenen Charakter der Familienbeziehungen geprägt ist. Erziehung geschieht durch die Teilnahme<br />

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am Familienalltag und wird durch die von den Eltern vorgelebten Verhaltensweisen und Werte be-<br />

stimmt.<br />

Auch bei den Unterschieden in der Qualität der Erziehungs- und Bildungsprozesse von Kindern kön-<br />

nen drei verschiedene Aspekte von unterschiedlicher Wirksamkeit genannt werden: die unterschiedli-<br />

chen Lebensformen von Familien, die unterschiedliche Art der Eltern-Kind-Beziehungen und die un-<br />

terschiedlichen Bildungsressourcen in den Familien (vgl. Liegle, 2006, S. 53-55). Beim familienstruktu-<br />

rellen Aspekt wird darüber spekuliert, ob z.B. der Einzelkind-Status, das Fehlen eines Elternteils oder<br />

ausserhäusliche Erwerbstätigkeit der Mutter als Risiko für die kindliche Entwicklung betrachtet werden<br />

muss. Laut Liegle haben diese Faktoren weder einen Einfluss auf die schulische, noch auf die emo-<br />

tionale und soziale Entwicklung der Kinder.<br />

„Wir können daher davon ausgehen, dass Familienstrukturen nicht für sich genommen positive oder<br />

negative Wirkungen haben, dass es vielmehr in allen familialen Lebensformen ein breites Spektrum<br />

von Formen der Beziehungsgestaltung und Erziehung gibt“ (vgl. Liegle, 2006, S. 54).<br />

Der zweite, weitaus wichtigere Aspekt ist hingegen von ausschlaggebender Bedeutung. Er betrifft die<br />

Eltern-Kind-Beziehung. Dazu gehört die Feinfühligkeit der Eltern für die Lebensäusserungen des Kin-<br />

des, für seine individuelle Eigenart und die Anerkennung seiner Person. Dazu gehören auch das Er-<br />

fahrbarmachen von Verbundenheit und Autonomie, sowie klare Verhaltensanforderungen.<br />

Der dritte Aspekt betrifft die Ressourcen zur Unterstützung und Anregung von Bildungsprozessen in<br />

den Familien, also Merkmale der sozialen und kulturellen Hintergründe. In diesem Zusammenhang<br />

weist Liegle auf drei Risikofaktoren hin: Stellung der Familie in der Sozialstruktur, Bildungsniveau der<br />

Eltern und Migrationshintergrund. Jeder dieser Risikofaktoren ist für sich wirksam, es kann jedoch<br />

auch kummulative Effekte geben (vgl. Liegle, 2006, S. 55).<br />

Im Zusammenhang mit dem Projekt Zeppelin, welches sich an Familien in psychosozialen Risikositua-<br />

tionen richtet, kommt möglicherweise ein weiterer Risikofaktor hinzu; das sind Eltern mit gestörter<br />

Beziehungsfähigkeit. Die Ursache dazu sind in den meisten Fällen psychische Erkrankungen wie De-<br />

pressionen, Borderline Störungen usw. (vgl. Pedrina, 2006, S. 88-90).<br />

4.4.2. Eltern-Kind-Interaktion und Bindungsverhalten<br />

Bowlby (1959, S. 416-456) geht davon aus, dass jeder Säugling die angeborene Neigung hat, die<br />

Nähe und den Kontakt zu seinen Bezugspersonen zu suchen und aufrecht zu erhalten. Diese Verhal-<br />

tensweisen werden als „Bindungsverhalten“ bezeichnet. Bowlby (ebd.) postuliert vier Phasen im Auf-<br />

bau der kindlichen Bindungsbeziehungen. Die ersten beiden Phasen (0-3 und 3-6 Monate) sind ge-<br />

kennzeichnet durch einfache Verhaltenssysteme des Kindes wie Schreien, Weinen, Lächeln usw.<br />

Diese richten sich etwa nach dem 3. Monat auf spezifische Personen, meist auf die Mutter als primäre<br />

Bezugsperson. Während der 3. Phase (6 Monate – 3 Jahre) erweitert sich das Verhaltensrepertoire<br />

des Kindes, z.B. durch Nachfolgen oder Begrüssen seiner Bezugsperson. Das Bindungsverhalten<br />

wird nun zielkorrigiert auf die Nähe zur Bezugsperson organisiert.<br />

Etwa ab dem 3. Lebensjahr folgt die vierte Phase. Das Kind berücksichtigt nun nicht mehr nur seine<br />

eigenen Ziele, sondern richtet sein Verhalten auch auf die Ziele und Pläne seiner Bezugspersonen<br />

aus. Bowlby (ebd.) nennt dies „Zielkorrigierte Partnerschaft“.<br />

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In diesem Zusammenhang steht der Begriff „innere Arbeitsmodelle“. Dabei handelt es sich um indivi-<br />

duelle und unbewusste mentale Repräsentationen des Selbst, der Anderen und der Welt. Mit Hilfe<br />

dieser Modelle wird das Individuum in die Lage versetzt, das erwartbare Verhalten von Bindungsper-<br />

sonen gedanklich vorweg zu nehmen, weil es Vorstellungen über die Verfügbarkeit, Zugänglichkeit<br />

und Reaktionsbereitschaft der Bezugsperson gespeichert hat und darauf zurückgreifen kann.<br />

Diese Thesen wurden von Mary Ainsworth weiterentwickelt. Sie erforschte nicht nur das Entstehen,<br />

sondern auch die Qualität oder die Sicherheit der Bindung (vgl. Ainsworth & Wittig, 1969, S. 113-136).<br />

Das Verhalten der Bindungsperson in der Interaktion mit dem Kind gewinnt an Bedeutung.<br />

Bindungspersonen, die den Signalen der Kinder mit einem hohen Grad an Feinfühligkeit und Respon-<br />

sivität begegnen bewirken beim Kind eine Empfindung innerer Sicherheit und inneren Vertrauens.<br />

Sicher gebundene Kinder haben die Erfahrung gemacht, dass sie sich auf ihre Bindungspersonen<br />

verlassen können. Sie werden so verstanden und geliebt, wie sie sind. Auch in einer schwierigen Le-<br />

benssituation bewahren sie eine positive Lebenshaltung.<br />

Bindungspersonen, welche die Wünsche der Kinder nach Nähe und Trost häufig zurückweisen, sich<br />

offen feindselig, oder aber intrusiv verhalten, signalisieren dem Kind, dass sie es mit seinen Gefühlen<br />

und Bedürfnissen nicht akzeptieren. Dies führt dazu, dass das Kind seine schmerzlichen Gefühle<br />

möglichst nicht zeigt und versucht, sie zu unterdrücken. Unsicher-vermeidend gebundene Kinder ha-<br />

ben gelernt, dass sie emotional belastende Situationen alleine und ohne Unterstützung meistern müs-<br />

sen.<br />

Bindungspersonen, die sich dem Kind gegenüber ambivalent verhalten, manchmal feinfühlig auf die<br />

Signale des Kindes eingehen, dann aber wieder eher feindselig und zurückweisend auf seine Bedürf-<br />

nisse reagieren, bewirken auch beim Kind ein widersprüchliches Verhalten. Ainsworth bezeichnet<br />

dieses als unsicher ambivalente Bindung. Diese Kinder äussern einerseits den Wunsch nach Nähe,<br />

andererseits reagieren sie gleichzeitig mit ärgerlicher Zurückweisung in Form von Widerstand. Sie<br />

lassen sich oft nur schwer von der Bindungsperson beruhigen (vgl. Ainsworth & Wittig, 1969, S. 113-<br />

136).<br />

Das Verhalten der engsten Bezugspersonen des kleinen Kindes ist für die Entwicklung einer sicheren<br />

Bindung und Resilienz also von grundlegender Bedeutung. Eine Unterstützung der Familie sollte da-<br />

her die Eltern darin bestärken, zuverlässig feinfühlig und responsiv auf das Kind einzugehen.<br />

4.4.3. Frühe Förderung von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund<br />

In der Schweiz sind rund 20 Prozent der Bevölkerung ausländische Staatsangehörige, davon migrier-<br />

ten vier von fünf Personen erst im Laufe ihres Lebens in die Schweiz. Mehr als die Hälfte aller in den<br />

vergangenen Jahren geborenen Kinder verfügt über mindestens einen Elternteil mit Migrationshinter-<br />

grund (vgl. BFS, 2008).<br />

Die neueren Ansätze der Migrationssoziologie weisen nach, dass Migration in der Regel keinen indivi-<br />

duellen, sondern einen durch die Familie getroffenen Entscheid darstellt. Der lntegrationsprozess be-<br />

trifft nicht nur die Kinder, sondern die ganze Familie.<br />

Die Familie ist der Ort, an dem soziale und kulturelle Veränderungen ausgehandelt werden. Der Auf-<br />

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bruch zu einer neuen chancenreicheren Niederlassung ist eine mutige erste Reaktion darauf, sich aus<br />

einer als aussichtslos betrachteten Situation im Herkunftsland zu befreien. Aus dieser Perspektive<br />

betrachtet beweisen Eltern eine proaktive Haltung (vgl. Moret und Fibbi, 2008, S. 5).<br />

Der persönliche Umgang mit der Situation im Übergang der Migrationssituation kann von den Familien<br />

sehr unterschiedlich gestaltet werden. Lanfranchi beschreibt drei verschiedene Typen von Familien:<br />

• Die vorwärtsgewandten Familien, die in der Lage sind, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu neh-<br />

men, sich auf real veränderte Formen der Lebenspraxis einlassen, ihren Lebenslauf reflektieren und<br />

realistische Lebensentwürfe entwickeln.<br />

• Die „sklerotisierten“ Familien, sie sind starr nach innen zentriert, vertreten eine traditionsgebundene<br />

Wertordnung und ihre Lebensentwürfe wirken sich auf die Perspektiven ihrer Kinder häufig autono-<br />

miehemmend aus.<br />

• Die rückwärtsgewandten Familien versuchen, den Mythos der Rückkehr möglichst lange aufrecht zu<br />

erhalten und leben im Dauerprovisorium, was eine Integration verhindert (vgl. Lanfranchi, 2002, S.83-<br />

84).<br />

Auch weitere Besonderheiten können auf Familien mit Migrationshintergrund zutreffen: Unsicherer<br />

Aufenthaltsstatus, Einschränkungen hinsichtlich des Familiennachzuges, Familiensprachen, die sich<br />

von der lokalen Landessprache unterscheiden, sowie transnationale Familiennetzwerke. Alle diese<br />

Faktoren können sich auf die Lebens- und Bildungsplanung auswirken (vgl. EKFF, 2002).<br />

Allerdings muss in diesem Zusammenhang auf die Gefahr hingewiesen werden, dass bei der Be-<br />

schreibung der Situation von Familien mit Migrationshintergrund verzerrende Effekte wirksam werden<br />

können. Oft werden Belastungen und Risiken des Aufwachsens betont. Der Bildungsort dieser Famili-<br />

en wird als bildungsarm, vielleicht sogar hinderlich bezeichnet, oftmals werden diese Familien ohne<br />

weitere Prüfung mit desorganisierten Unterschichtsfamilien gleichgesetzt. Paternalisierungseffekte<br />

tragen dazu bei, dass Familien mit Migrationshintergrund weniger gebildet, weniger emanzipiert und<br />

weniger frei sind. Ethnisierungseffekte führen dazu, dass diesen Familien generell Differenz und<br />

Fremdheit zugeschrieben werden. Gendereffekte bewirken, dass Rollenbilder wie dominanter Vater<br />

und bildungsferne Mutter zugeschrieben werden (vgl. Herwartz-Emden, 2000, S. 77-79).<br />

Die Gruppe der Migrationsfamilien ist also sehr heterogen bezüglich Staatsangehörigkeit, Migrations-<br />

motivation, Rechtsstatus, Bildungsniveau, sozialer und ökonomischer Lage. Genau wie bei den<br />

Schweizer Familien gibt es Kleinfamilien, Patchworkfamilien, alleinerziehende Mütter und Väter. Ge-<br />

nauso wie bei jeder anderen Familie können Kinder geborgen und gefördert aufwachsen, immer sind<br />

sie jedoch von der Beziehungsfähigkeit ihrer Bezugspersonen abhängig.<br />

In der Schweiz verweisen die Ergebnisse von Schulleistungsstudien immer noch auf einen stabilen<br />

Zusammenhang zwischen der familiären Herkunft und dem erreichten Bildungserfolg. Kinder aus so-<br />

zioökonomisch schwächeren und bildungsfernen Familien – darunter auch zahlreiche Familien mit<br />

Migrationshintergrund – erhalten einen beschränkten Zugang zu frühkindlicher Bildung und treten<br />

weniger gut vorbereitet in die Schule ein, als andere Kinder. Diese ungleichen Voraussetzungen ver-<br />

stärken sich im Laufe der Schulzeit (vgl. Edelmann, 2010, S.199).<br />

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Dem gegenüber steht die Studie der OECD die betont, dass die Motivation von Eltern, lnstrumente zu<br />

finden, welche eine erfolgreiche Bildungslaufbahn ihrer Kinder unterstützen können, sehr hoch ist,<br />

denn der Erfolg der Kinder bildet für die Eltern oft den Antrieb für eine Akkulturationsdynamik, weil er<br />

die Ziele in Übereinstimmung bringt, welche ja auf eigene Weise für die Eltern und für die Kinder<br />

wichtig sind (vgl. OECD, 2006).<br />

Ziel ist es also, die frühkindliche Förderung möglichst allen Kindern zugänglich zu machen. Die Grund-<br />

idee besteht darin, die elterlichen Kompetenzen der zugewanderten Mütter und Väter auszubauen<br />

und ihr Vertrauen in ihre Fähigkeit zu stärken, ihre Kinder zu erziehen. Eine gute Möglichkeit ist die<br />

Einbindung dieser Eltern in Netzwerke (andere Eltern, Bildungsfachpersonen, Unterstützungs- und<br />

Sozialisierungsangebote auf lokaler Ebene usw.), die sie bei der Wahrnehmung ihrer Erziehungsauf-<br />

gabe unterstützen (vgl. Moret & Fibbi, 2008).<br />

Damit die frühkindliche Förderung von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund gelingen kann,<br />

braucht es – zusammenfassend gesagt – eine kontinuierliche, intensive und multisystemische Förde-<br />

rung zuhause und in pädagogischen Einrichtungen, die verschiedene familiale Lebenslagen anerkennt<br />

(vgl. Edelmann, 2010, S. 213).<br />

4.4.4. Die Bedeutung der Eltern-Kind-Interaktion für die kindliche Sprachentwicklung<br />

Die These, dass sich die frühe Eltern-Kind-Interaktion positiv auf den Spracherwerb auswirkt, wurde<br />

von der entwicklungspsycholinguistischen Forschung bestätigt. Diese konnte aufzeigen, dass die<br />

spezifische Weise, in der Eltern mit ihren Kindern sprechen einen Einfluss auf den kindlichen Sprach-<br />

erwerb hat (vgl. Fried & Briedigkeit, 2008, S. 12 f.).<br />

Inwiefern dies geschieht, wird in der Folge kurz dargestellt.<br />

Eltern sprechen mit ihren Kindern, sofern sie eine stabile Bindung zu ihnen haben, intuitiv, in einer von<br />

Kindern leicht zu erlernenden Sprache, der „motherese“ oder „parentese“. Diese zeichnet sich aus<br />

durch eine überzogene Intonationskontur, höhere Stimmlage, lange Pausen, kurze Satzmuster, Wie-<br />

derholungen und einfaches Vokabular (vgl. Blakemore & Frith, 2006, S.70).<br />

Sie kompensieren die fehlenden kindlichen Fähigkeiten, geben dem Erwerbsstand entsprechend An-<br />

regungen und bieten Modelle zur Imitation. Mit Hilfe von solchen intuitiven, didaktisch wirksamen Ver-<br />

haltensanpassungen in allen Bereichen der präverbalen Kommunikation und der Sprache fördern<br />

Eltern im Dialog mit dem Säugling die artikulatorische Lautentwicklung sowie die für den Spracher-<br />

werb erforderlichen kommunikativen und integrativen Fähigkeiten, wie das Abwechseln im Gespräch,<br />

stimmliches Nachahmen, den spielerischen Umgang mit Stimme und Lautmustern, den intentionalen<br />

und kommunikativen Gebrauch von Lauten und das Integrieren gemeinsamer Erfahrungen im Kontext<br />

als Grundlage für das Sprachverständnis (vgl. Papoušek & Papoušek, 2003, S.958).<br />

Von besonderer Bedeutung ist dabei auch das Herstellen und Aufrechterhalten des Blickkontaktes.<br />

Dieser lenkt die Aufmerksamkeit des Säuglings auf die dialogische Interaktion (vgl. Lohaus et al.,<br />

2004, S.149).<br />

Im Alter von neun Monaten gelingt es dem Säugling ausserdem, seine Aufmerksamkeit nicht nur auf<br />

seine Bezugsperson, sondern zusätzlich auf einen Gegenstand zu lenken. Dieser referentielle Blick-<br />

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kontakt (Butzkamm & Butzkamm, 2004, S. 68) ermöglicht die gemeinsame Bezeichnung eines Ge-<br />

genstandes. Durch die sensible Beobachtung eines Kindes, was es gerade betrachtet, kann der Er-<br />

wachsene den Spracherwerb durch sprachliche Begleitung intensiv fördern.<br />

Im zweiten Lebensjahr werden der Wortschatz erweitert und die Grundqualifikationen im Dialog aus-<br />

gebaut. Dies geschieht vor allem durch die von Bruner beschriebene stützende Sprache („scaffol-<br />

ding“). Bruner weist darauf hin, dass sprachliche Strukturen aus gemeinsamem Handeln abgeleitet<br />

werden können. Dies geschieht innerhalb vertrauter und zur Routine gewordener Situationen, den<br />

sogenannten „Formaten“. Ein Vers mit Bewegung könnte ein solches Format darstellen. Durch die<br />

Konzentration auf solche Formate wird es den Eltern einerseits ermöglicht, die Merkmale zu betonen,<br />

die das Kind bereits wahrnehmen kann, andererseits kann der Kontext genutzt werden, komplexere<br />

Äusserungen einzusetzen, die das Kind ermuntern, seine Sprache zu erweitern. Mit der Zeit wächst<br />

die kindliche Initiative, das Spiel oder einen Vers selbst durchzuführen und die Bewegungen auszu-<br />

probieren. Schliesslich gelingt es dem Kind, das Spielformat zu umfassenderen Formaten in Bezie-<br />

hung zu setzen, indem es die Struktur übernimmt (vgl. 2002, S. 33ff.).<br />

Ab dem dritten Lebensjahr wird der kindliche Spracherwerb durch die lehrende Sprache unterstützt.<br />

Durch Fragen, längere Äusserungen und Expansionen wird insbesondere der Grammatikerwerb an-<br />

geregt. Grammatikalisch nicht korrekte Sätze werden von den Eltern aufgegriffen und so erweitert,<br />

dass dem Kind ein Modell geboten wird, das indirekte Hilfen gibt. Alle diese besonderen elterlichen<br />

Sprechweisen sind auch immer Signale elterlicher Zuwendung (vgl. Butzkamm & Butzkamm, 2004, S.<br />

104-107).<br />

4.4.5. Ableitung der für die Forschung relevanten Schlüsse<br />

Die Säuglingsforschung bestätigt die Erkenntnisse der Neuropsychologie: Die ersten drei Lebensjahre<br />

sind für die emotionale Entwicklung des Kindes von grundlegender Bedeutung. Im Vordergrund steht<br />

die Entwicklung einer sicheren kindlichen Bindung an die Bezugspersonen. Auch der Zusammenhang<br />

zwischen dem Lernort Familie und Theorie der Sprachentwicklung zeigt sich klar. Das Kind erlernt die<br />

Muttersprache in der Kommunikation mit seinen Bezugspersonen. Die Eltern verhalten sich dabei<br />

intuitiv richtig, sprechen in einfachen Worten, mit Wiederholungen und stellen den Bezug zur Umge-<br />

bung immer wieder her, indem sie auf Dinge zeigen und diese benennen. Sie passen ihre unterstüt-<br />

zende sprachliche Begleitung den Fähigkeiten des Kindes an. Dabei kann Kinderlyrik das gemeinsa-<br />

me sprachliche Handeln unterstützen und Anlass zum Sprechen bieten.<br />

Wildemann weist darauf hin, dass die Familie die primäre Sozialinstanz darstellt, in der die Kinder<br />

erste Erfahrungen in lyrischer Sprache sammeln. Allerdings werden Reime in vielen Familien nicht<br />

mehr, oder nur noch selten realisiert. Die Gattung Kinderlyrik ist in der multimedialen Gesellschaft eine<br />

immer seltener werdende Erscheinungsform (vgl. 2003, S.148).<br />

Es hat sich bestätigt, dass es vor allem die Mütter sind, welche den Kindern den Umgang mit lyrischer<br />

Sprache vermitteln (vgl. Wildemann, 2003, S.147).<br />

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In Bezug auf das Projekt Zeppelin ist zu beachten, dass die Eltern sich in einer Doppelrolle befinden.<br />

Sie sind einerseits Lernende, welche die Kinderreime von der Familienbesucherin erhalten, die ihnen<br />

aufzeigt, wie wichtig es ist, mit dem Kind zu spielen und zu sprechen. Andererseits sind sie Lehrende,<br />

sie geben die Reime an ihre Kinder weiter. Bei der Auswahl der Reime ist es wichtig, dass diese auch<br />

für Eltern attraktiv sind. Darum sollte auf Reime mit unlogischem Ablauf, schwer zu merkenden Zeilen,<br />

negativen Gefühlen sowie die Abgabe von Musiknoten verzichtet werden.<br />

Für Eltern mit psychischen Problemen, oder existentiellen Sorgen kann der Schritt, mit ihrem Kind zu<br />

spielen und unbeschwert zu lachen, manchmal gross sein. Oft finden sich schwer die richtigen Worte.<br />

Reime sind bereits vorgegeben und wecken vielleicht sogar eigene Erinnerungen. Sie lassen sich<br />

einfacher mitteilen, weil sie auch von ihrer Struktur her einen gewissen Halt vermitteln. Das gemein-<br />

same positive Erleben kann bei Eltern in schwierigen Situationen Erfolgserlebnisse bewirken. Das<br />

Kind wendet sich ihnen zu, zeigt Freude, macht aktiv mit und fordert eine Wiederholung, oder neue<br />

Spielsituationen. Es kann zur Ritualisierung der Realisation von Kinderreimen in den verschiedensten<br />

Alltagssituationen kommen und möglicherweise finden Eltern dadurch eigene neue Wege um spiele-<br />

risch mit ihren Kindern zu kommunizieren.<br />

Reime für die Auswahl sollten nicht zu lang sein, gut merkbar und zu gemeinsamem Handeln anre-<br />

gen. Sie sollten eine positive Grundstimmung vermitteln.<br />

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5. Das Forschungsvorgehen<br />

Der Grundbaustein dieser Forschungsarbeit besteht aus einer umfangreichen Sammlung von Kinder-<br />

reimen in albanischer Sprache. Gleich wie im deutschsprachigen Kulturraum gibt es auch in Albanien<br />

und im Kosovo unzählige Reime, Verse und Lieder für Kinder. Diese werden sowohl mündlich wie<br />

auch in schriftlicher Form (Buch) weiter gegeben. Darum steht zu Beginn des Forschungsvorgehens<br />

die Suche nach geeignetem Material aus dem Bereich Kinderlyrik, also das Anlegen eines Korpus im<br />

Vordergrund. Diese Reime werden anschliessend mittels Sequenzanalyse anhand theoriegeleiteter<br />

Kriterien auf ihre Eignung zur Abgabe an die im Projekt Zeppelin beteiligten Familien geprüft. Diese<br />

Kriterien werden im Kapitel 5.3. und 5.4. genauer beschrieben.<br />

5.1. Die Korpusbildung und erste Bearbeitung der Kinderreime<br />

Dabei werden die folgenden Leitfragen zur Korpusbildung von Keller (2007, S.86) beachtet: „Welche<br />

Daten stehen im anvisierten Bereich zur Verfügung? Welches sind die Quellen? Welche Res-<br />

sourcen zur Bearbeitung stehen zur Verfügung? Eignen sich die Daten tatsächlich für die Fra-<br />

gestellung? Nach welchen Kriterien wird eine Vorauswahl getroffen?“<br />

Daten und Ressourcen:<br />

Einschränkungen:<br />

Bei der Sammlung des Materials wird eine erste Einschränkung vorgenommen, gewählt werden aus-<br />

schliesslich Reime für Kleinkinder, weil dies die Zielgruppe des Projekts Zeppelin ist. Lieder werden<br />

keine analysiert, weil die Bearbeitung des Noten- und Tonmaterials mit den zur Verfügung stehenden<br />

zeitlichen Ressourcen nicht möglich ist.<br />

Quellen:<br />

Die Reime wurden mir von Luljeta Krasniqi, der Leiterin der Fachstelle für Frühförderung und von Mir-<br />

vet Thaçi, einer Bekannten, die ebenfalls aus Kosovo stammt, sowie von Eltern meiner Schülerinnen<br />

und Schüler zur Verfügung gestellt. Sie konnten mir auch zusätzliche Informationen über die Tradie-<br />

rung von Reimen und Liedern in albanisch sprechenden Familien in der Schweiz und in Kosovo ver-<br />

mitteln und das Material übersetzen.<br />

Die meisten Reime wurden in den Familien im Bekannten- und Verwandtenkreis seit Generationen<br />

mündlich überliefert. Eine weitere Quelle waren einige Bücher mit neueren Kinderreimen in albani-<br />

scher Sprache.<br />

Eignung der Daten zur Fragestellung<br />

Wie bereits erwähnt, wird zu Beginn der Suche nach geeignetem Material aus dem Bereich Kinderlyrik<br />

das Feld durch die Zielsetzung und die Altergruppe der Kinder im Projekt Zeppelin stark eingegrenzt.<br />

Die Reime sollen an die Zielgruppe des Projektes, also an Eltern und Kinder in psychosozialen Risi-<br />

kosituationen vermittelbar sein und ein möglichst breites Spektrum an Fördermöglichkeiten erfüllen.<br />

Welche der Daten letztendlich wirklich geeignet sind, wird sich erst nach der Analyse zeigen.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Die Kriterien zur Vorauswahl<br />

Aus der grossen Anzahl der gesammelten Reime müssen einige als exemplarische Beispiele zur wei-<br />

teren Analyse ausgewählt werden. Es geht dabei um eine grobe Vorauswahl, um die weitere Eingren-<br />

zung des Datenmaterials und noch nicht um eine nähere Feinanalyse. Dabei sind die Kategorien aus<br />

der Theorie der Kinderlyrik (vgl. Kapitel 4.1.2., S.8) hilfreich. Für die Altersgruppe der Kinder im Vor-<br />

schulalter sind die Kategorie Kinderstubenreime (mit allen Untergruppen), sowie die Nachahme- und<br />

Deutreime, die Turnspiele und die Scherzreime (Wortspiele) besonders geeignet.<br />

Keller weist darauf hin, dass für die Feinanalyse in der Regel nicht alle Daten des Korpus einbezogen<br />

werden können, weil dies zu ressourcenaufwändig ist. Daher muss eine systematisch reflektierte und<br />

begründete Auswahl von Texten getroffen werden, also das Datenmaterial weiteren Einschränkungen<br />

unterzogen werden. Dabei soll auf die Vergleichbarkeit der Daten geachtet werden (2007, S.87).<br />

Es wird für die wichtigsten Untergruppen der Kinderstubenreime, und für die Kategorie Nachahme-<br />

und Deutreime je ein Reim ausgewählt und mittels Sequenzanalyse exemplarisch weiter bearbeitet<br />

und bewertet. Weitere Reime werden einer Kurzanalyse nach demselben Kriterienraster unterzogen<br />

und mit einer kurzen Diskussion und einer Begründung über ihre Eignung zur Auswahl im Anhang<br />

angefügt.<br />

5.2. Feinanalyse des Datenmaterials<br />

Die weitere Bearbeitung der Reime erfolgt also mittels Sequenzanalyse: „Im Rahmen der Sequenz-<br />

analyse werden die Texte Zeile für Zeile analysiert“ (Kruse, 2009, S.166).<br />

Sequenzanalyse bedeutet also, die Textsequenzen werden vorerst rein deskriptiv analysiert.<br />

Aufgrund der theoretischen Vorkenntnisse ergeben sich zur Analyse von Reimen bereits sehr viele<br />

Kriterien. Dadurch gestaltet sich das Forschungsvorgehen über weite Strecken deduktiv. Trotzdem<br />

soll das Prinzip der Offenheit (Rekonstruktionshaltung, Fremdheitsannahme, Zurückstellung der eige-<br />

nen Vorannahmen und des eigenen Relevanzsystems) (Kruse, 2009, S.142) beachtet werden.<br />

Anders als bei der Analyse von Textmaterial aus Interviews, Gruppendiskussionen etc. ist das Vorge-<br />

hen bei Reimen durch Erfassung sprachlicher Strukturen stark geprägt. Die Zielsetzung ist klar und<br />

eingegrenzt, die Analyse erfolgt nahe am Text. Trotz voraus definierter Kriterien ergeben sich wäh-<br />

rend des Forschungsvorgehens vielleicht überraschende Momente, wo induktive Aspekte in den Vor-<br />

dergrund treten. Dies könnte der Fall sein bei der Analyse der Inhalte, bei Sinnverlust durch Überset-<br />

zung der albanischen Texte ins Deutsche, wenn sich Reime als ungeeignet für die Zielgruppe erwei-<br />

sen oder bei Uneinigkeit in der Interpretation von der Bedeutung eines Reims. Deshalb können im<br />

Laufe des Bearbeitungsprozesses weitere Kriterien dazu kommen, oder bereits vorhandene mögli-<br />

cherweise ihre Bedeutung verlieren, es gilt also, eine möglichst offene Haltung einzunehmen.<br />

Offenheit in der Textanalyse bedeutet, so induktiv wie möglich und so deduktiv wie nötig an die Daten<br />

heranzugehen, um so Sinn aus den Daten herauszuarbeiten und nicht mit zu starken Interpretationen<br />

hineinzulegen (vgl. Kruse, 2009, S.202).<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Bei der Analyse des Textmaterials ist die Berücksichtigung verschiedener Sichtweisen wertvoll. Wenn<br />

man eine Kultur nicht gut kennt, wertet man Aussagen anders, als jemand, der damit aufgewachsen<br />

ist und die Feinheiten der Sprache kennt. Inhalte werden von Menschen mit albanischer Mutterspra-<br />

che anders verstanden und interpretiert. Dazu kommt, dass die deutsche Übersetzung möglicherwei-<br />

se erklärungsbedürftig ist. Darum wird es in der Analyse immer einen Punkt mit dem Titel Kollegiale<br />

Validierung geben. Dort sind Erklärungen aus der Sicht meiner Beraterin mit albanischer Mutterspra-<br />

che, Mirvet Thaçi. So ergibt sich also eine kollegiale Validierung der Interpretationen im Analysepro-<br />

zess nach Lucius-Hoene & Deppermann ( 2002, S. 322 f.).<br />

5.3. Kriterien für die Sequenzanalyse<br />

Die Reime werden anhand eines theoriegeleiteten Kriterienkataloges analysiert. Ziel ist die Übertrag-<br />

barkeit der Kriterien auf weiteres, ähnliches Material und somit eine allgemein gültige Auswertung zur<br />

Eignung der einzelnen Reime für die Vermittlung an die Zielgruppe.<br />

In einer Sequenzanalyse werden die vier Aufmerksamkeitsebenen der integrativen, texthermeneuti-<br />

schen Analysemethode (vgl. Helfferich & Kruse, 2007) berücksichtigt: Interaktion bzw. Pragmatik,<br />

Syntax, Semantik, Erzählfiguren / Gestalt.<br />

Auf der Grundlage der Theorie über den kindlichen Spracherwerb können diese Aufmerksamkeits-<br />

ebenen noch erweitert werden durch die folgenden sprachstrukturellen Aspekte: Phonetik und Phono-<br />

logie, Morphologie und Erzählstrukturen sowie Prosodie-Rhythmus.<br />

Aus neurowissenschaftlicher Sicht ist es wichtig, dass gerade im Alter von zwei bis vier Jahren die<br />

Förderung der Sprache einen besonderen Stellenwert hat (sensible Phase). Dabei soll das Lernen<br />

von positiven Emotionen begleitet sein. Es sollten mehrere Hirnregionen gleichzeitig aktiviert werden,<br />

also begleitend noch weitere Erfahrungen gemacht werden (z.B. Bewegungserfahrungen). Ausserdem<br />

ist es wichtig, dass Kinder an bereits Gelerntem, Bekanntem anknüpfen und darauf aufbauen können.<br />

Dies wird mittels der Kriterien Lernanlässe, Anleitung zum Reim, Interaktion und emotionale Wirkung<br />

der Motive genauer analysiert.<br />

Die relevanten Schlüsse aus dem Theoriekapitel 4.4. über die Bedeutung der Familie finden sich in<br />

den Kriterien Interaktion und emotionale Wirkung der Motive ebenfalls wieder. Von Bedeutung sind<br />

hier die Anlässe die ein Reim zur Kommunikation, Interaktion und zum Aufbau der Eltern-Kind-<br />

Bindung bieten kann.<br />

5.4. Vorgehen in der Sequenzanalyse<br />

Nachfolgend werden die Kriterien der Analyse im Einzelnen genauer beschrieben und begründet.<br />

Vers albanisch: Der Reim wird in albanischer Sprache aufgeschrieben. Die Zeilen entsprechen der<br />

Originalfassung.<br />

Vers deutsch: Es wird Zeile für Zeile ins Deutsch übersetzt. Die Übersetzung soll möglichst nahe am<br />

Albanischen sein und noch keine Angleichungen oder Interpretationen enthalten.<br />

Anleitung Albanisch: Falls es eine Anleitung in Albanisch gibt, welche Handlungen den Vers beglei-<br />

ten, werden sie im Originalwortlaut notiert.<br />

Anleitung Deutsch: Die albanische Anleitung wird ins Deutsche übersetzt. Auch dies soll nahe am<br />

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Original bleiben. Später können Angleichungen im Rahmen der Kollegialen Validierung vorgenommen<br />

werden.<br />

Ursprung: Stammt der Reim aus einem Buch? Wurde er mündlich überliefert? Von wem? Hat er eine<br />

Geschichte oder eine Bedeutung für die betreffenden Personen?<br />

Zuordnung nach Funktion: Die Zuordnung der Reime erfolgt anhand des Kategoriensystems aus<br />

der Kinderlyriktheorie nach Franz (1979, S. 49ff.)<br />

Thematik und Handlung: Wovon handelt der Reim, was wird genau erzählt?<br />

Sprachstrukturelle Aspekte 5<br />

Aus dem Kapitel 4.3. Sprachentwicklung wird ersichtlich, wie ein Kind die Erstsprache erwirbt. Daraus<br />

ergeben sich Kriterien, die bestimmte Anforderungen an einen Text stellen; die sprachstrukturellen<br />

Aspekte.<br />

Erzählstrukturen:<br />

Erzählstrukturen verknüpfen mehrere Sätze zu einer Erzählung. Textstrukturelle Mittel sind z.B. kon-<br />

junktionale Verknüpfungen oder zeitliche Kontinuität. Der Bereich Erzählstrukturen steht mit der syn-<br />

taktischen, wie auch mit der pragmatisch–kommunikativen Ebene im Zusammenhang. Die Kinder<br />

müssen bereits erste syntaktische Mittel erworben haben, um mehrere Sätze zu einer Erzählung ver-<br />

knüpfen zu können, andererseits haben Erzählungen auch kommunikative Funktionen (vgl. Leucke-<br />

feld, 2006, S.35). Folgende Fragen können gestellt werden:<br />

Wie ist der Text aufgebaut? Gibt es mehrere Strophen, Wiederholungen, einen beabsichtigten Ablauf?<br />

Ist er gut rekonstruierbar/merkbar?<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus: Auf folgende Punkte wird geachtet: Wie ist die Dramatik? Gibt es<br />

Schlüsselmomente im Text? Wo geschieht eine Steigerung? Wie zeigen sich Rhythmus und Sprech-<br />

weise?<br />

Lexik und Semantik: Die Lexik ist der Wortschatz einer Sprache und umfasst die Gesamtheit deren<br />

Wörter zu einem bestimmten Zeitpunkt (vgl. Metzler Lexikon Sprache, 2005, S. 744). Die einzelnen<br />

Wörter haben im Gebrauch eine bestimmte Bedeutung. Damit beschäftigt sich die Semantik. Sie be-<br />

schreibt das abstrakte Konzept, das wir mit einem Wort verbinden (vgl. Jampert et al. 2006, S.29).<br />

Lexik und Semantik werden zusammen betrachtet, weil ein Kind seinen Wortschatz nur erweitern<br />

kann, wenn es auch die Bedeutung eines Begriffes kennt und versteht.<br />

Für die Analyse der Reime bedeutet dies also, dass betrachtet wird, wie der Wortschatz erweitert und<br />

die Bedeutung der Wörter erlernt wird.<br />

Phonetik<br />

In der Phonetik geht es ähnlich wie in der Phonologie um die sprachlichen Laute, jedoch nicht um<br />

deren Funktionen. Hier geht es speziell darum, wie Laute vom Sprecher hervor gebracht werden und<br />

welche Organe in welcher Weise an deren Bildung beteiligt sind (vgl. Ritter, 2005, S.58).<br />

Phonologie<br />

Ein Phonem ist das kleinste lautliche Segment, das eine bedeutungsunterscheidende Funktion inne<br />

hält (vgl. Lexikon der Sprachwissenschaft, 2002, S. 510 ff.). Phoneme lassen sich durch Bildung von<br />

5 Die Sprachstruktur bezeichnet das dem Sprachgebrauch zugrunde liegende Regelsystem. Sie bezieht sich auf die Beziehungen<br />

zwischen den Elementen des Sprachsystems wie z.B. den Morphemen, Sätzen und Phonemen. Ausgehend von der Struktur<br />

der Sprache ergeben sich die linguistischen bzw. sprachwissenschaftlichen Teilbereiche Phonologie, Phonetik, Morphologie,<br />

Semantik, Syntax und Pragmatik (vgl. Lexikon der Sprachwissenschaft, 2002, S. 632 ff.)<br />

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Minimalpaaren herausfinden in denen sich ein Wort nur durch ein Phon unterscheidet (z.B. Dach –<br />

Bach). Für die Analyse der Reime ist vor allem die phonologische Bewusstheit ein wichtiger Aspekt.<br />

Kinder sollen auch den formalen Aspekt der Sprache erkennen lernen und ihre Aufmerksamkeit nicht<br />

ausschliesslich auf die Bedeutung eines Wortes richten (vgl. Kammermeyer, 2004, S. 9).<br />

Morphologie<br />

Syntax und Morphologie beziehen sich auf die grammatikalischen Strukturen der Sprache. Morpholo-<br />

gie ist der Oberbegriff für die Flexion (Beugung von Nomen und Verben, z.B. zusammengesetzte No-<br />

men, Pluralbildung, Vergangenheitsformen) und für die Wortbildung. Sie beschäftigt sich mit den Er-<br />

scheinungsformen, der Struktur und den Bauformen von Wörtern (vgl. Lexikon der Sprachwissen-<br />

schaft, 2002, S. 450).<br />

Syntax<br />

Die Syntax ist die Lehre vom Bau der Sätze einer Sprache, sie bezieht sich als Teilbereich der Gram-<br />

matik auf die Konstruktion von Sätzen. Die Ordnung des Satzes stellt den grammatikalischen Zusam-<br />

menhang her. Sie weist den Wörtern konkrete Bedeutungen zu (vgl. Lexikon der Sprachwissenschaft,<br />

2002, S. 676).<br />

Kollegiale Validierung und Ergänzungen: Der Reim wird ins Deutsche übersetzt. Folgende Fragen<br />

können gestellt werden: Wie ist die Bedeutung der Worte, unterscheidet sie sich von der Originalver-<br />

sion? Ist der Reim übersetzt noch verständlich und logisch nachvollziehbar? Wie wird er von Mirvet<br />

Thaçi beurteilt, deren Erstsprache Albanisch ist und die aus dem Kosovo stammt?<br />

Interaktion:<br />

Pragmatik und Kommunikation<br />

Die Pragmatik ist die Lehre vom sprachlichen Handeln. Sie beschäftigt sich vor allem mit dem Ge-<br />

brauch sprachlicher Ausdrücke in Äusserungssituationen (vgl. Lexikon der Sprachwissenschaft, 2002,<br />

S. 506). Dabei geht es nicht um die Bedeutung von Worten, sondern um die Bedeutung einer Äusse-<br />

rung unter Berücksichtigung des Kontextes, also wie Sprache in einer konkreten Situation gebraucht<br />

wird.<br />

Die zwischenmenschliche Kommunikation besteht immer aus der verbalen Äusserung sowie den non-<br />

verbalen Mitteln (Mimik, Gestik) (vgl. Lexikon der Sprachwissenschaft, 2002, S. 354).<br />

Die pragmatisch-kommunikative Ebene bezieht sich also auf die konkreten Äusserungen, also auf die<br />

Interaktion in einer bestimmten Situation.<br />

Dabei stehen die Art und Weise, wie ein Reim vermittelt wird und das Erlernen der kommunikativen<br />

Fähigkeiten im Zentrum der Analyse. Bei den Kinderreimen stehen die begleitenden Handlungen stark<br />

im Zentrum, sie werden durch das Sprechen des Reimes unterstützt, helfen umgekehrt mit, einen<br />

Rhythmus zu halten und die Erinnerbarkeit der Worte oder Inhalte zu festigen.<br />

Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung:<br />

Reime sollen den Kindern und den Eltern Freude bereiten. Darum sollen Inhalte und Aussagen emo-<br />

tional positiv behaftet sein und ebensolche Gefühle wecken. Themen wie Geborgenheit, Schutz, lusti-<br />

ge Tätigkeiten, Alltägliches, stehen im Vordergrund. Die Kinder sind im Körperkontakt, erleben Bewe-<br />

gung, Nähe-Distanz, Blickkontakt. Der Aufbau einer sicheren Bindung durch positive gemeinsame<br />

Erlebnisse wird unterstützt. Hier besteht ebenfalls ein enger Zusammenhang zur Neuropsychologie,<br />

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denn das Lernen kann durch Aufmerksamkeit, Emotionen und Motivation positiv beeinflusst werden<br />

(Spitzer, 2002, S. 141ff.).<br />

Lernanlässe:<br />

Bei den Reimen spielt die begleitende Handlung eine grosse Rolle. Werden mehrere Hirnregionen<br />

gleichzeitig aktiviert, lernen Kinder besser. Reime, die von Bewegungshandlungen begleitet werden,<br />

oder andere die Sprache begleitenden Inputs bieten, eignen sich besonders gut zur Auswahl für kleine<br />

Kinder. Dazu werden möglicherweise neue Informationen vermittelt und das Sachwissen erweitert.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse:<br />

Zum Schluss der Analyse werden die Ergebnisse interpretiert und die wichtigsten Erkenntnisse abge-<br />

geben. Der Reim wird als geeignet oder nicht geeignet für die Zielgruppe der im Projekt Zeppelin be-<br />

teiligten Familien beurteilt.<br />

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6. Analyse der Reime<br />

6.1. Beispiel 1 (Kinderstubenreim, Kniereiterreim)<br />

Reim albanisch Reim deutsch<br />

Hi, hi, hi, Hi, hi, hi,<br />

kam një kalë, me zengji, ich habe ein Pferd am Halfter,<br />

Trak e trak, trak e trak, Trak und trak, trak und trak,<br />

kali im shkon me vrap. mein Pferd springt.<br />

Bar nuk ha, as tagji, Das Futter frisst es nicht,<br />

Ujë ka, por nuk pi. Wasser hat es, aber es trinkt es nicht.<br />

Trak e trak, trak e trak, Trak und trak, trak und trak,<br />

kali im shkon me vrap. mein Pferd springt.<br />

Ka për fre, Über den Zaun,<br />

një fill pe, will es springen,<br />

Kalit tim, kalit prej druri, Mein Pferd ist ein Holzpferd,<br />

babi im, një shalë i vuri. mein Vater hat einen Sattel draufgelegt.<br />

Trak e trak, trak e trak, Trak und trak, trak und trak,<br />

kali im shkon me vrap. mein Pferd springt.<br />

Anleitung Albanisch<br />

Nëna është ulur dhe fëmija ulet mbi gjunjë e sajë, me qellim të imitohet kalurimi mbi kale dhe njëkoh-<br />

sisht recitohet vjersha.<br />

Anleitung Deutsch<br />

Das Kind sitzt auf den Knien der Mutter/des Vaters. Er/sie spielt das Pferd und sagt gleichzeitig den<br />

Reim.<br />

Ursprung<br />

Mündliche Überlieferung vom L. Krasniqi.<br />

Zuordnung nach Funktion<br />

Der Reim gehört zu den Kinderstubenreimen, zur Unterkategorie Kniereiterreime.<br />

Thematik und Handlung<br />

Das Kind hält ein Pferd am Halfter. Das Pferd springt, es will weder essen noch trinken, es springt<br />

über den Zaun. Das Pferd ist aus Holz und der Vater hat ihm einen Sattel aufgelegt.<br />

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Sprachstrukturelle Aspekte<br />

Erzählstrukturen<br />

Zuerst wird klar gesagt, worum es geht: „Ich habe ein Pferd“. Mit dem Hihihi ist auch der Tierlaut be-<br />

kannt.<br />

Der Satz „trak e trak mein Pferd springt“ wird drei Mal wiederholt, dadurch geschieht eine Unterteilung<br />

des Reimes. Dazwischen wird beschrieben, was das Pferd macht, dass es aus Holz ist und einen<br />

Sattel bekommt. Auffällig sind die stark unterschiedlichen Zeilenlängen.<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus<br />

Das zentrale Element dieses Kniereiterreimes ist das Geräusch „trak e trak“, welches den Rhythmus<br />

zum Reiten vorgibt und betont gesprochen wird. Die Dramatik bleibt während des ganzen Sprechens<br />

erhalten, weil immer wieder Inputs in Form von Informationen folgen, allerdings ist das Sprechen<br />

gleichwertig mit der Bewegung. Die Dramatik ergibt sich auch aus dieser Gleichzeitigkeit. Eine leichte<br />

Steigerung ist ersichtlich, wenn das Pferd über den Zaun springt, dort sind die Zeilen sehr kurz. Wenn<br />

das Kind dort, wo es heisst „mein Pferd springt“ etwas höher in die Luft fliegt, wird sich jeweils eine<br />

zusätzliche Steigerung durch die Interaktion ergeben.<br />

Lexik und Semantik<br />

Der Tierlaut des Pferdes und die Grundgangart Trab, sowie einige Begriffe zum Pferd werden einge-<br />

führt. Interessant ist, dass hier zuerst behauptet wird, „ich habe ein Pferd“ und dann konkretisiert, das<br />

Pferd ist aus Holz. Nun versteht man auch, warum das Pferd weder fressen noch trinken will.<br />

Phonetik<br />

Wiederholt wird der Laut „tr“ geübt, dazu weitere Konsonantenverbindungen mit r wie vr und dr.<br />

Sh kommt ebenfalls vor, es wird als sch gesprochen.<br />

Phonologie<br />

Die phonologische Bewusstheit wird in diesem Reim stark gefördert durch die rhythmische Wiederho-<br />

lung der Geräusche und die Endreime, welche die meisten auf i enden. Sie treten jeweils in zwei auf-<br />

einanderfolgenden Zeilen auf.<br />

Morphologie<br />

Der Reim steht im Präsens, nur ein Verb erscheint im Perfekt, der Sattel wurde schon vor dem Ritt auf<br />

das Pferd gelegt. Die Verben stehen alle in der ersten oder dritten Person singular.<br />

Syntax<br />

Die Sätze sind korrekt gebildet, sehr kurz und bestehen oft nur aus Subjekt und Prädikat. Sie entspre-<br />

chen der Sprachentwicklung des Kleinkindes (ca. 24 Monate) und bieten mit den Lautmalereien An-<br />

lass, mit der Sprache zu experimentieren.<br />

Kollegiale Validierung und Ergänzungen<br />

Der Reim entspricht etwa dem deutschen „Hoppe Reiter“ oder dem „Ryte Rössli“. Doch das Kind fällt<br />

hier nicht vom Pferd, im Gegenteil, der besorgte Vater hat ihm einen Sattel geschenkt. Es fällt auf,<br />

dass im Deutschen oft das „so tun als ob“ nicht aufgelöst wird, im Albanischen jedoch am Schluss<br />

gesagt wird, das Pferd ist nur ein Holzpferd und kein echtes, dies erscheint realistischer.<br />

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Interaktion<br />

Das Kind sitzt auf dem Schoss der Bezugsperson, es reitet im Trab zum Reim und wird dabei mehr<br />

oder weniger festgehalten, damit es nicht vom Pferd fällt. Durch diese Sitzposition stehen die beiden<br />

im Blickkontakt.<br />

Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung<br />

Das Motiv des Pferdes steht für Bewegung und Vorwärtskommen. Anfangs erscheint es sonderbar,<br />

dass ein Pferd nichts fressen oder trinken will, es wird umsorgt, bekommt Wasser. Doch das löst sich<br />

auf, denn das Pferd ist aus Holz. Der Vater wirkt unterstützend, denn er hat das Pferd gesattelt.<br />

Lernanlässe<br />

Aus neurowissenschaftlicher Sicht werden mehrere „Kanäle“ gleichzeitig aktiviert. Das Kind ist in Be-<br />

wegung, diese ist dem Sprechrhythmus angepasst und es werden innere Bilder vermittelt, an die das<br />

Kind weitere Erfahrungen anknüpfen kann.<br />

Der Reim ist zwar kurz und hat einige Wiederholungen, doch in bescheidenem Masse wird der Wort-<br />

schatz erweitert, Satzstellung und Beugung der Verben, sowie die phonologische Bewusstheit und die<br />

Aussprache vor allem von Konsonantenverbindungen werden geübt.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse<br />

Der Reim ist für die Zielgruppe der Eltern und Kinder, die im Projekt Zeppelin beteiligt sind sehr gut<br />

geeignet. Mehrere Sinneskanäle werden gleichzeitig angesprochen, das Reiten auf den Knien der<br />

Bezugsperson ist für das Kind ein lustiges Erlebnis. Bindungsqualität entsteht durch Blickkontakt und<br />

die Präsenz der Bezugsperson beim Sprechen und Bewegen. Nebenbei geschieht spielerische<br />

Sprachförderung.<br />

6.2. Beispiel 2 (Nachahme und Deutereim, Tierstimmen)<br />

Reim albanisch Reim deutsch<br />

Macja bën, mjau, mjau, Die Katze macht miau, miau,<br />

minë e vogël, çe përlau. mit der kleinen Maus hat sie Streit.<br />

Kali bën, hi, hi, hi, Das Pferd macht hi,hi,hi,<br />

nuk kam bar, nuk kam tagji. ich habe kein Futter.<br />

Rosa bën, mak, mak, mak, Die Ente macht mak, mak, mak,<br />

biba e vogël, seç u lag. der kleine Truthahn ist nass geworden.<br />

Lopa bën, mu, mu, mu, Die Kuh macht muh, muh, muh,<br />

viçi im a është këtu? ist mein Kalb hier irgendwo?<br />

Delja bën, me, me, me, Das Schaf macht me, me, me,<br />

qengjin tim, a mos e pe? hast du mein Lamm gesehen?<br />

Pula bën, ka, ka, ka, Das Huhn macht ka, ka, ka,<br />

bëra vezë, sa një hata. ich habe so ein grosses Ei gelegt.<br />

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Qeni bën, ham, ham, ham, Der Hund macht ham, ham, ham,<br />

dua një kockë, që ta ha. ich will einen Knochen zum Fressen.<br />

Gjeli bën, ki, ki, ki, Der Hahn macht ki, ki, ki,<br />

dhe na thotë, çohu, mos fli. und sagt steh auf und schlaf nicht.<br />

Anleitung Albanisch<br />

U këndohet fëmijëve shumë të vegjël, që ti mësojnë emrat e kafshëve dhe zërat që lëshojnë ata.<br />

Anleitung Deutsch<br />

Wird mit den kleinen Kindern gesungen, damit sie die Tiere und Laute lernen.<br />

Ursprung<br />

Mündlich überliefert von L. Krasniqi<br />

Zuordnung nach Funktion<br />

Der Reim gehört zur Kategorie Nachahme und Deutereime.<br />

Thematik und Handlung<br />

Die Tiere, die auf dem Bauernhof leben werden vorgestellt. Für jedes Tier wird der Laut mit dem es<br />

kommuniziert wiederholt und eine kurze Information abgegeben.<br />

Sprachstrukturelle Aspekte<br />

Erzählstrukturen<br />

Der Reim ist eine Aufzählung. Es wird zuerst das Tier genannt, dann folgt sein Laut und im zweiten<br />

Satz jeweils eine kurze Information. Dann ist das nächste Tier an der Reihe.<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus<br />

Besonders betont werden der Name des Tieres und der Laut. Letzterer wird wiederholt. Die Dramatik<br />

steigert sich zum Schluss hin leicht, weil dann das Kind persönlich angesprochen wird, wenn der<br />

Hahn es weckt. Der Rhythmus entsteht durch die Endreime und die Wiederholungen der Tierlaute.<br />

Lexik und Semantik<br />

Die Namen der wichtigsten Bauernhoftiere werden gelernt. Dazu kommen die Laute der Tiere und<br />

weitere Informationen, die es mit inneren Bildern zu verknüpfen gilt.<br />

Phonetik<br />

Besonders geübt werden das stimmhafte dh und th, die ähnlich ausgesprochen werden wie im Engli-<br />

schen this und think. Dazu kommen viele für kleine Kinder eher schwierige Laute, wie gnj, nj und sch,<br />

tsch in allen weichen und harten Variationen (z.B. tsch bei Macja, viçi).<br />

Phonologie<br />

Immer die Endsilben von zwei aufeinander folgenden Zeilen reimen sich auf die letzten Phoneme.<br />

Morphologie<br />

Die Verben stehen meist in der 3. Person Singular und im Präsens, einige wenige in der Zeitform Per-<br />

fekt.<br />

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Syntax<br />

Die Sätze sind einfach, kurz und korrekt, sie bestehen meist nur aus Subjekt, Objekt und Prädikat.<br />

Dadurch entsprechen sie der kleinkindlichen Sprachentwicklung optimal.<br />

Kollegiale Validierung und Ergänzungen<br />

Dieser Reim spricht schon ganz kleine Kinder an. Spannend ist, dass im Albanischen die Tierlaute<br />

teilweise anders ausgesprochen werden, als im Deutsch, z.B. die Ente: in Albanisch mac, mac, mac<br />

und in Deutsch quak, quak, quak oder der Hund: Albanisch spricht er ham, ham, Deutsch wau, wau.<br />

Interaktion:<br />

Diesen Reim kann man überall mit den Kindern sprechen, die Interaktion liegt vor allem bei der Spie-<br />

lerei mit den Tierlauten. Durch das Nachahmen entsteht ein Rollenspiel im Kleinstformat.<br />

Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung<br />

Die meisten Kinder mögen Tiere und sind daran interessiert, wie diese untereinander kommunizieren.<br />

Sie fühlen sich angesprochen, weil sie in ihrer Sprachentwicklung mit Lautmalereien experimentieren<br />

und die Tierlaute dem sehr nahe sind.<br />

Die Motive zeigen eine positive Grundstimmung, die Tiermütter sorgen sich um ihre Kinder und su-<br />

chen sie, das Huhn zeigt stolze Freude an seinem Ei und der Hahn spricht am Schluss das Kind per-<br />

sönlich an.<br />

Lernanlässe<br />

Der Reim bietet viele Lernanlässe, einerseits in sprachlicher Hinsicht, weil er schon ganz kleine Kinder<br />

ihrem Sprachentwicklungsstand entsprechend beim Experimentieren mit Lauten unterstützt und zum<br />

Nachsprechen anregt. Andererseits vermittelt er erste einfache Informationen über die Tiere.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse<br />

Dieser Reim eignet sich sehr gut für die Zielgruppe. Er bietet viele Lernanlässe für die Sprache, ver-<br />

mittelt Sachwissen und eine positive Grundstimmung. Die Wirkung könnte noch verstärkt werden,<br />

wenn man durch Tierbilder den visuellen Wahrnehmungsbereich aktiviert.<br />

6.3. Beispiel 3 (Kinderstubenreim, Fingervers)<br />

Reim albanisch Reim deutsch<br />

1,2,3… 1,2,3,...<br />

1 karrotë për lepurin, 1 Karotte für den Hasen,<br />

2 arra për ketrin, 2 Nüsse für das Eichhörnchen,<br />

3 dele blegërijnë, 3 Schafe blöken,<br />

4 ujq ulërijnë, 4 Wölfe heulen,<br />

5 pula kakarisin, 5 Hühner gackern,<br />

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6 qukapikë çukisin, 6 Spechte mit dem grossen Schnabel,<br />

7 rosa notojnë, 7 Enten schwimmen,<br />

8 zogj fluturojnë, 8 Vögel fliegen,<br />

9 gjinkalla bëjnë potere, 9 Grashüpfer machen Lärm,<br />

10 bletë në koshere. 10 Bienen sind im Bienenstock,<br />

Anleitung Albanisch<br />

Çdo herë tregon numrin që përmendet me gishta.<br />

Anleitung Deutsch<br />

Für jede Zahl wird ein Finger mehr aufgehalten.<br />

Ursprung<br />

Mündliche Überlieferung von L. Krasniqi.<br />

Zuordnung nach Funktion<br />

Kategorie Kinderstubenreime, Unterkategorie Fingerspiel.<br />

Thematik und Handlung<br />

Auch in diesem Reim geht es um Tiere, die im Umfeld der Kinder leben und auch hier werden sie<br />

aufgezählt, nur geht es diesmal nicht um Laute, sondern um Zahlen und die Finger werden zu Hilfe<br />

genommen. Es werden wiederum knappe Informationen zu den Tieren vermittelt.<br />

Sprachstrukturelle Aspekte<br />

Erzählstrukturen<br />

Scheinbar unwillkürlich werden Tiere aufgezählt. Zuerst geht es noch um die Anzahl von Futter (Karot-<br />

te und Nüsse) darauf um die Anzahl der Tiere, die etwas Bestimmtes tun.<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus<br />

Die Reihenfolge in der Aufzählung wird durch die Endreime der jeweils zwei aufeinanderfolgenden<br />

Zeilen bestimmt. Dadurch ergibt sich ein regelmässiger Rhythmus, der über die ganze Länge beste-<br />

hen bleibt. Die einzige Dramatik ist dort zu erkennen, wenn man jeweils auf die erste Zeile hin den<br />

Reim der zweiten erwartet.<br />

Lexik und Semantik<br />

Es werden Tiernamen und das Zählen von eins bis zehn gelernt. Dazu werden den Tieren in knapper<br />

Form Fakten zugeordnet (Laute oder Wohnort, Futter, Merkmale usw.)<br />

Phonetik<br />

Der doppelte, stark gerollte rr wird geübt und der Laut jnë, das ist ein weiches sch, dann n und ë ist<br />

am Schluss des Wortes stimmlos.<br />

Phonologie<br />

Die letzten zwei Zeilen reimen sich jeweils auf den Endlaut.<br />

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Morphologie<br />

Nicht in allen Sätzen kommen Verbe vor. Sie werden vorwiegend in der 3. Person Plural im Präsens<br />

angewandt.<br />

Syntax<br />

Die Sätze sind zwar korrekt, jedoch so kurz, dass sie sich auf Subjekt und Prädikat beschränken. Dies<br />

entspricht der Kindersprache im Alter zwischen etwa 18 und 24 Monaten, wo sich Zweiwortsätze zu<br />

einfachen Mehrwortssätzen entwickeln.<br />

Kollegiale Validierung und Ergänzungen<br />

Die Kinder werden mit diesem Reim auf das Zählen bis zehn hingeführt, es gibt unzählige dieser Fin-<br />

gerspiele in diversen Varianten.<br />

Der Satz mit den Spechten ist schwierig wörtlich zu übersetzen, damit ist gemeint, dass der Schnabel<br />

das wichtigste Werkzeug für den Specht ist.<br />

Interaktion<br />

Die Bezugsperson spricht den Reim mit dem Kind und kann dabei selbst mit den Fingern die Mengen<br />

vorzeigen, oder sie kann dem Kind dabei helfen, die richtige Anzahl aufzuhalten. Gemeinsam wird die<br />

Reihenfolge erinnert und aufgezählt. Der Moment, wo alles gemeinsam aufgezählt ist, kann ein klei-<br />

nes positives Erlebnis darstellen. Wenn ein Kind den Reim ohne Hilfe kann, ist es stolz, dass es be-<br />

reits bis zehn zählen kann.<br />

Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung<br />

Die Motive sind einfach und klar, im Zentrum steht eher das Aufzählen, als das Thema Tiere. Für die<br />

meisten Eltern und Kinder sind die Tiere bekannt, ebenso ist es in Reimen und Bilderbüchern oft der<br />

Fall, dass je grösser die Anzahl, umso kleiner die Tiere werden. Die heulenden Wölfe könnten ein<br />

Erschauern auslösen, die lärmenden Heuschrecken Heiterkeit.<br />

Lernanlässe<br />

Sowohl für den Spracherwerb, wie auch für das Zählen, das erste visuelle und motorische Erfassen<br />

von kleinen Mengen, ist dieser Reim ideal. Sprache, Feinmotorik und Mengenerfassung werden<br />

gleichzeitig geübt, was aus neuropsychologischer Sicht wirksameres Lernen bedeutet. Es werden<br />

zudem einige Informationen zu den Tieren vermittelt.<br />

Der emotionale Aspekt steht hier von der Thematik her eher im Hintergrund. Die gemeinsame Be-<br />

schäftigung wirkt sich jedoch positiv auf die Eltern-Kind-Beziehung aus.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse<br />

Der Reim bietet mehrere unterschiedliche Lernanlässe und ist vom Thema her für Kinder ab etwa<br />

einem Jahr sehr gut geeignet. Bei kleinen Kindern stehen die Tiermotive und das Üben der Feinmoto-<br />

rik im Vordergrund, bei älteren Kindern gewinnt das Zählen an Bedeutung. Die Sprache ist einfach,<br />

durch die Endreime, die hier bestimmender sind, als der Inhalt kann er problemlos erlernt werden.<br />

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Wenn das Kind die Begriffe noch nicht mit inneren Bildern verbinden kann, wäre es auch hier sinnvoll,<br />

gleichzeitig Bilder der Tiere zu zeigen.<br />

Für die Zielgruppe ist dieser Reim also zu empfehlen.<br />

6.4. Beispiel 4 (Kinderstubenreim, Klatschspiel oder Kitzelreim)<br />

Reim albanisch Reim deutsch<br />

Shi Regen<br />

Shi, shi lagashi, Regen, nasser Regen,<br />

Vajti plaka në mulli, Die Alte springt in die Mühle,<br />

Poqi dy kulaç me hi, Sie backt zwei Brote in der Asche,<br />

Një e poq, një e dogj, Eines ist gebacken, eines ist verbrannt,<br />

Një e hëngri me gith' zogj. Eines hat sie mit den Vögeln gegessen.<br />

Anleitung Albanisch<br />

Fëmija gjindet në prehër të nënës dhe bashkë me të rreh shuplakë sipas ritmit.<br />

Anleitung Deutsch<br />

Kind sitzt auf dem Schoss der Mutter/des Vaters und klatscht im Rhythmus dazu.<br />

Ursprung<br />

Überliefert von L. Krasniqi. Im Kosovo wird der Reim seit Generationen überliefert.<br />

Zuordnung nach Funktion<br />

Kinderstubenreim, der entweder als Klatschspiel oder als Kitzelreim ausgeführt werden kann.<br />

Thematik und Handlung<br />

Es regnet. Es geht um eine alte Frau, die in die Mühle rennt und in der Asche zwei Brote backt. An-<br />

scheinend ist die Glut zu heiss, denn ein Brot verbrennt. Das andere isst sie gemeinsam mit den Vö-<br />

geln.<br />

Sprachstrukturelle Aspekte<br />

Erzählstrukturen<br />

Der Reim besteht aus 5 Zeilen. Die Handlung verläuft linear, in einer einfachen Folge werden nur die<br />

wichtigsten Handlungen und Fakten genannt. In wenigen Augenblicken wird die Geschichte eines<br />

Ablaufes erzählt, der real mehr als eine Stunde dauert.<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus<br />

Die ersten beiden werden rasch gesprochen, die Dramatik entsteht dadurch, dass die alte Frau rennt.<br />

In der mittleren Zeile entsteht eine Pause, sie backt die Brote, das Wort „hi“ wird gedehnt und betont.<br />

In der zweitletzten Zeile klingt der Reim leicht, aber etwas bedauernd. Zum Schluss wird nochmals<br />

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etwas betont, weil hier eine Art Auflösung erfolgt. Durch das Klatschen in Variante 1 wird der Sprech-<br />

rhythmus stark betont.<br />

Lexik und Semantik<br />

In diesem kurzen Reim lernt das Kind diejenigen Wörter, welche verwendet werden. Durch die taktilen<br />

Erfahrungen in der 2. Variante lernt es durch die Kombination von Sprache und Bewegung die Bedeu-<br />

tung der Wörter zu begreifen, wenn die Bewegung in Korrelation zum jeweiligen Begriff (Regen) aus-<br />

geführt wird.<br />

Phonetik<br />

Die Mundmotorik wird in diesem Reim stark gefordert, weil Zischlaute (sch) häufig vorkommen, diese<br />

werden im Spracherwerb erst relativ spät gebildet (vgl. Kapitel 4.3.2.) und können durch diesen Reim<br />

schon früh trainiert werden.<br />

Phonologie<br />

Die phonologische Bewusstheit wird einerseits durch die Endungen, die alle auf „i“ lauten gefördert,<br />

andererseits wird das Bewusstsein auf das Wort „një“ in seinen Wiederholungen und Variationen der<br />

Anwendung gelenkt.<br />

Morphologie<br />

Die Handlung beginnt im Präsens und wechselt ins Perfekt, das Kind lernt nebenbei die verschiede-<br />

nen Zeitformen.<br />

Syntax<br />

Der Reim besteht aus einfachen Satzkonstruktionen. Diese sind grammatikalisch korrekt und sehr<br />

kurz gehalten.<br />

Kollegiale Validierung und Ergänzungen<br />

Im Kosovo haben viele alte überlieferte Reime Themen aus bäuerlichem Hintergrund. Dieser Reim ist<br />

einerseits etwas spöttisch, weil die Alte durch den Regen rennen muss und ihr dann auch noch ein<br />

Brot verbrennt, gleichzeitig spricht er auch dadurch an, dass sie anschliessend ihr Brot mit den Vögeln<br />

teilt. Obwohl das Motiv alt ist, spricht der Reim auch heute noch Mütter und Kinder an. Es gibt auch<br />

noch eine Variation, anstelle des Klatschens: Die Mutter macht mit den Fingern den Regen auf Schul-<br />

tern, Rücken, Armen des Kindes (ev. gegenseitig das Kind bei der Mutter). Beim Essen wird mit einer<br />

Hand aus der anderen „gepickt“. Oder die Mutter pickt mit Daumen und Zeigefinger aus der Hand des<br />

Kindes.<br />

Interaktion<br />

Das Kind sitzt auf dem Schoss der Mutter. Beide haben Blickkontakt. Der Reim hat durch die Thema-<br />

tik und die Veränderungen im Rhythmus eine gewisse Dramatik. Er produziert innere Bilder. Vorstel-<br />

lungen vom Regen, einer alten Mühle, den Vögeln, die vielleicht Hunger haben und keine Angst, sich<br />

der Frau zu nähern.<br />

Interpretation der Motive und deren Wirkung<br />

Regen könnte als Gegensatz stehen zur Situation in der Mutter und Kind sich gerade befinden, das<br />

Kind ist auf dem Schoss der Mutter, trocken, warm beschützt.<br />

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Die Asche in der Mühle ist heiss, unberechenbar. Ein Brot verbrennt, das ist bedauernswert.<br />

Die Frau und die Vögel haben Hunger und dann passiert der Frau auch noch ein Missgeschick, viel-<br />

leicht weckt das Erinnerungen an eigene schlechte Tage.<br />

Die Frau teilt mit den Vögeln, obwohl ihr nur ein Brot bleibt. Das Vorbild für altruistisches Verhalten<br />

weckt Sympathie für die Frau und zum Schluss bleiben gute Gefühle zurück, so eine Art „Happy End“.<br />

Lernanlässe:<br />

Der Reim ist rasch gelernt: Der Ablauf ist klar und logisch, die Endreime einprägsam, er ist kurz.<br />

Mutter und Kind können Erfahrungen von inneren Bildern und Gefühlen verknüpfen und im Moment,<br />

wo sie den Reim gemeinsam sagen, entsteht eine Gemeinsamkeit, Geborgenheit. Diese positive emo-<br />

tionale Stimmung ist die Grundlage für das sprachliche Lernen. Dazu kommt, dass das Kind gleichzei-<br />

tig klatscht und in der Variante durch feines Antippen mit den Fingern (Regen) und feines Zwicken mit<br />

Daumen und Zeigefinger (picken der Vögel) Bewegungsanreize und taktil-kinästhetische Anregung<br />

erhält. Das Ansprechen von mehreren Hirnarealen gleichzeitig führt zu besseren Lernerfolgen, der<br />

Reim kann so besser gespeichert werden.<br />

Der Reim bietet Anlass für das Kind, Fragen zu stellen und für die Mutter, dem Kind Zusammenhänge<br />

zu Sachthemen zu erklären: Was ist eine Mühle, wie funktioniert die? Wie hat man früher Brot ge-<br />

backen?<br />

Im Bereich sozial-emotionales Lernen ist das Motiv des Teilens, obwohl man nur noch die Hälfte hat,<br />

ein Bild, das sich einprägt.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse:<br />

Zum Reim gibt es zwei verschiedene Handlungsvarianten, rhythmisches Klatschen, oder Fingertippen<br />

und „picken“. Weil diese Aspekte zum Sprechen hinzukommen, verstärkt sich das sprachliche Lernen.<br />

Der Zugewinn an Wortschatz ist wegen der Kürze gering, doch erlernen Mutter und Kind den Reim<br />

deswegen auch sehr rasch, dies wird zusätzlich begünstigt durch die Dramatik in der Erzählung, der<br />

klaren logischen Abfolge der Ereignisse und der Rhythmisierung. Phonologie und Phonetik sind in<br />

Reime und Lauten (sch) gefördert. Wie alle Reime, sollte dieser über längere Zeit wiederholt gespro-<br />

chen werden. Er eignet sich auch für ganz kleine Kinder, welche den Sinn der Worte noch nicht ver-<br />

stehen, weil sie sich am Rhythmus, den Bewegungen und der Prosodie orientieren können.<br />

Die Motive sind für Mutter und Kind ansprechend, obwohl sie eigentlich aus alten Zeiten stammen und<br />

heute niemand mehr in der Mühle Brot backt. Sie wecken unterschiedliche Emotionen. Die Auflösung<br />

am Schluss, das Teilen löst positive Gefühle aus. Dieser Reim ist zur Weitergabe an Eltern des Pro-<br />

jekts Zeppelin sehr gut geeignet.<br />

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6.5. Beispiel 5 (Kinderstubenreim, Zuchtreim)<br />

Albanische Originalfassung<br />

Dy veshë na kemi<br />

Dy veshë na kemi e vec nji gojë të vetme,<br />

Se shumë sende me ndi i duhen t'urtit,<br />

Por fjal't me i k'putë për s'shkurtit.<br />

Dy sy prapë kemi e vec nji gojë të vetme,<br />

Se shumë sende me k'qyrun asht' nevoja,<br />

E pak me folun goja…<br />

Deutsche Übersetzung<br />

Wir haben zwei Ohren<br />

Zwei Ohren haben wir und nur einen einzigen Mund,<br />

So viele Sachen muss man hören,<br />

Aber die Wörter müssen kurz und bündig sein.<br />

Zwei Augen haben wir,<br />

Und nur einen einzigen Mund, so viele Sachen muss man sehen,<br />

Und nur ein bisschen mit dem Mund reden…<br />

Anleitung Albanisch<br />

Fehlt.<br />

Anleitung Deutsch<br />

Fehlt.<br />

Ursprung<br />

Überliefert von L. Krasniqi. Im Kosovo wird der Reim seit Generationen überliefert.<br />

Zuordnung nach Funktion<br />

Kategorie: Kinderstubenreim, Unterkategorie: Zuchtreim.<br />

Thematik und Handlung<br />

Es werden folgende Aussagen gemacht: Wir haben zwei Ohren und hören damit viel, aber nur einen<br />

Mund, darum muss man sich kurz fassen. Wir haben zwei Augen und sehen damit viel, aber nur einen<br />

Mund, darum sollte man nur ein bisschen, also nicht zuviel sprechen.<br />

Sprachstrukturelle Aspekte<br />

Bei diesem Reim stellt sich die Problematik der Übersetzung deutlicher als bei anderen, wo das The-<br />

ma weniger philosophisch und einfacher zu erklären ist. Wird der Reim wortwörtlich übersetzt, ist er<br />

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schlecht verständlich, weil die Satzstellung im Albanischen anders ist als in der deutschen Sprache. In<br />

der Originalsprache wirkt der Reim zudem sehr rund und stimmig, auf Deutsch eher holprig und unbe-<br />

holfen. Zur Übersetzung waren Erklärungen notwendig um zu verstehen, was genau gemeint ist. Der<br />

Reim ist daher leicht angepasst in der Übersetzung, damit er so verstanden werden kann, was er be-<br />

absichtigt. Natürlich könne man ihn auf Deutsch noch viel schöner formulieren, wir wollten jedoch<br />

möglichst nahe an der Originalversion bleiben.<br />

Erzählstrukturen<br />

Der Reim hat keine Geschichte und keinen Handlungsablauf. Es werden Feststellungen gemacht und<br />

ein Vergleich angestellt. Dabei geht es um die Menge: zwei Augen, zwei Ohren und nur einen Mund.<br />

Daraus wird gefolgert, dass man besser den Augen und den Ohren mehr Gewicht verleiht, als dem<br />

Mund, den man nur „ein bisschen“ brauchen soll und sich kurz und bündig fassen.<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus<br />

Der Reim wird ohne spezielle Spannungsbogen und Dramatik gesprochen, beim „aber“ liegt etwas<br />

Gewicht, weil dieses eine Art Einwand anzeigt. Es werden zwei Beispiele gezeigt, Ohren und Augen<br />

jedes Mal im Vergleich zum Mund, daraus werden zwei Schlussfolgerungen hergeleitet.<br />

Lexik und Semantik<br />

Der Reim ist kurz, es werden Augen, Ohren, Mund benannt, im Zusammenhang dazu sehen, hören<br />

und sprechen.<br />

Phonetik<br />

Es kommen einige Konsonantenverbindungen vor: sh (sch), tm, pr und die Dreifachverbindung shk.<br />

Phonologie<br />

Die Endsilben der 2. und 3. Zeile und jene der 5. und 6. Zeile bilden Reimpaare. Bei der 1. und<br />

4. Zeile steht am Schluss jeweils das Wort vetme (einzig), die Wortwiederholung ist nicht als Reim,<br />

sondern zur Gewichtung der Bedeutung eingesetzt, dies wird durch die Zweiteiligkeit im Aufbau bestä-<br />

tigt.<br />

Morphologie<br />

Der ganze Text steht im Präsens, es gibt Übungsanlässe für die Verbformen.<br />

Syntax<br />

Die Sätze sind eher lang. Die Aussagen werden mit „und“ oder „aber“ verbunden. Die Satzstellungen<br />

sind korrekt.<br />

Kollegiale Validierung und Ergänzungen:<br />

Dieser Reim wird oft von Eltern gesagt, wenn das Kind ganz viel spricht und sie ihm zeigen möchten,<br />

dass es still sein soll. Er liefert eine Begründung, der Mund ist in der Minderzahl.<br />

Interaktion<br />

Die Bezugsperson spricht den Reim zum Kind. Dabei ist es abhängig von ihrer persönlichen Verfas-<br />

sung und Einstellung, ob sie das Kind dazu in ihre Nähe nimmt und wie sie Mimik und Gestik einsetzt.<br />

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Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung<br />

Das Motiv, der Mund ist gegenüber Augen und Ohren in der Minderzahl und sollte darum nicht häufi-<br />

ger, sondern seltener eingesetzt werden, soll eine belehrende Wirkung erzielen. Es wird als Begrün-<br />

dung eingesetzt, warum das Kind besser wenig spricht. Das Kind könnte sich zurechtgewiesen und in<br />

seiner Äusserungsfreiheit eingeschränkt fühlen. Die Botschaft ist nicht: Machen wir etwas gemeinsam,<br />

wollen wir spielen und erzählen? Sondern: Sprich lieber etwas weniger und höre besser zu, beobach-<br />

te mehr.<br />

Lernanlässe<br />

Der Reim ist kurz und wegen Rhythmus und Reimen sehr leicht zu lernen, obwohl die Sätze verhält-<br />

nismässig lang sind.<br />

Es können damit Zusammenhänge Subjekt, Prädikat geübt werden (z.B. die Ohren hören). Auch sind<br />

Strukturen im Text nachvollziehbar. Handlungsorientierung ist keine beobachtbar, weil Anleitungen zu<br />

Bewegung oder taktil-kinästhetischen Erfahrungen fehlen. Diese könnte man nachträglich zwar anfü-<br />

gen, z.B. Ohren, Augen, Mund mit dem Finger berühren, wenn der Begriff genannt wird. Dies würde<br />

jedoch fehl am Platz wirken, weil der Sinn des Reimes in der Belehrung liegt.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse<br />

Nach sprachstrukturellen Aspekten wäre dieser Reim durchaus empfehlenswert, er bietet einige Lern-<br />

anlässe, wenn er wiederholt eingesetzt wird.<br />

Die gleichzeitige Aktivierung mehrerer Ebenen (Bewegung, Emotionen mit Sprache) fehlt.<br />

Wie bei allen Reimen für kleine Kinder, ist die Bezugsperson der Sender, das Kind der Empfänger.<br />

Bei diesem Reim fällt diese Rollenverteilung stark ins Gewicht, weil es ein belehrender und moralisie-<br />

render Inhalt ist. Möglicherweise ist die Motivation der Bezugsperson grösser, den Reim zu lernen, als<br />

die des Kindes. Die Aussage könnte eher interpretiert werden mit „sei still und hör zu“, Distanz schaf-<br />

fend, als mit „komm zu mir, du bist willkommen“, was Nähe schaffen würde.<br />

Obwohl der Reim nach sprachstrukturellen Aspekten geeignet wäre, würde ich ihn für das Projekt<br />

Zeppelin nicht auswählen. Ziel ist es, den Eltern und Kinder zu gemeinsamen Sprechanlässen und zu<br />

positiven Erfahrungen in der gegenseitigen Interaktion zu verhelfen, um Bindungsverhalten und<br />

Spracherwerb zu unterstützen. Hier wirkt der Reim kontrakroduktiv. Er ist für die Weitergabe an die<br />

Familien nicht geeignet.<br />

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6.6. Beispiel 6 (Turnspiel)<br />

Reim albanisch Reim deutsch<br />

Biçikleta Fahrrad<br />

Vetëm me dy rrota, Nur zwei Räder,<br />

Edhe një timon, Und eine Lenkstange,<br />

Ikën biçikleta, Fährt das Fahrrad weg,<br />

Sikur fluturon, Wie wenn es fliegen würde,<br />

Sa bukur (emri i fëmijes) So schön wie (Name des Kindes),<br />

Atë e drejton. Es lenkt.<br />

Anleitung Albanisch<br />

La këndoj të voglit tim gjasht-muajsh duke ia lëvizur këmbët sikur lëviz pedalet e bicikletës.<br />

Anleitung Deutsch<br />

Der Reim wird mit den jüngsten Kindern, ab 6 Monaten gesprochen, dazu bewegt man die Füsse des<br />

Kindes, so als würde es in die Pedale treten.<br />

Ursprung<br />

Der Reim ist mündlich überliefert von L. Krasniqi.<br />

Zuordnung nach Funktion:<br />

Turnspiel (es wird mit den Füssen des Kindes geturnt: Fahrradfahren nachgeahmt).<br />

Thematik und Handlung:<br />

Das Kind fährt mit einem Fahrrad, dieses hat nur 2 Räder und eine Lenkstange. Das Kind lenkt das<br />

Rad so schön, dass es weg fährt, als würde es fliegen. Hier wird ein kausaler Zusammenhang herge-<br />

stellt.<br />

Sprachstrukturelle Aspekte:<br />

Erzählstrukturen:<br />

Der Reim besteht aus nur sechs sehr kurzen Zeilen Das Fahrrad wird auf das Wesentliche reduziert<br />

beschrieben. Dann wird der Bezug zum Kind hergestellt. Weil es so schön lenkt, könnte das Fahren<br />

zum fliegen werden. Hier wird in die Konjunktivform gewechselt.<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus:<br />

Der Rhythmus des Reims ist der Bewegung angepasst, er wird nicht zu schnell gesprochen, dafür<br />

stark rhythmisiert. Das Gewicht liegt auf dem Namen des Kindes, die Steigerung ist beim Wort<br />

„schön“, der Bogen schliesst sich zum Schluss mit dem Verb lenken.<br />

Lexik und Semantik:<br />

Dieser Reim ist sehr kurz. Das Kind lernt das Fahrrad kennen, dass es einen Lenker und zwei Räder<br />

hat. Die Bedeutung des Wortes nur (2 Räder) lässt unterschiedliche Annahmen zu: Es ist kein Dreirad<br />

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für Kleinkinder, oder mit nur 2 Rädern kann man fast fliegen, wenn man das Rad gut lenkt, oder die<br />

zwei Beine des Kindes werden mit den zwei Rädern gleichgesetzt, oder ist die Reduktion gemeint,<br />

weil sich die Beschreibung des Fahrrads auf zwei Räder und einen Lenker beschränkt?<br />

Phonetik<br />

Es werden Laute vorweg geübt, die das Kind in diesem Alter noch nicht kann: rr, das starke rollende<br />

R, sowie ç, welches als tsch ausgesprochen wird. Dazu kommen Konsonantenverbindungen wie fl, kl<br />

und dr.<br />

Phonologie<br />

Jeweils jede zweite Zeile reimt sich auf a oder on. Wenn der Name des Kindes nicht auf a endet, wird<br />

diese Regelhaftigkeit unterbrochen.<br />

Morphologie<br />

„Wie Fliegen“ entspricht in etwa dem deutschen Konjunktiv. Weiter werden Verbformen geübt für fah-<br />

ren und lenken, sowie Wort Endungen für den bestimmten Artikel.<br />

Syntax<br />

Der Reim besteht aus einfachen Satzkonstruktionen. Diese sind grammatikalisch korrekt und sehr<br />

kurz gehalten.<br />

Kollegiale Validierung und Ergänzungen<br />

Der Reim ist bei den Müttern in Kosovo sehr beliebt, es ist einer von jenen, die in vielen albanisch<br />

sprechenden Familien in der Schweiz gebraucht und weiter vermittelt werden. Das Motiv, dass ein<br />

Kind schon etwas besonders gut kann, oder dass es in die Welt hinaus will, um zu lernen, kommt oft<br />

in Reimen vor.<br />

Interaktion<br />

Die Bezugsperson kann den Reim bereits mit ganz kleinen Kindern ausführen, er eignet sich beson-<br />

ders dann, wenn das Kind auf dem Wickeltisch liegt, man seine Füsse umfassen und sanft sie Radel-<br />

bewegungen imitieren kann. Dabei werden die natürlichen Strampelbewegungen des Kindes über-<br />

nommen und rhythmisch geführt. Der Blickkontakt wird aufrecht erhalten und das Kind erkennt bald,<br />

dass es gemeint ist, weil es mit seinem Namen angesprochen wird.<br />

Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung<br />

Der Reim spricht das Kind persönlich an, es bekommt Zuwendung und Lob, weil es das Fahrrad so<br />

gut lenkt. In der entspannten Situation auf dem Wickeltisch oder der Krabbeldecke kann wiederholt<br />

und geübt werden. Durch den Text bieten sich Möglichkeiten zur Erweiterung: Man kann das Kind auf<br />

den Arm nehmen und durch die Luft „fliegen“ lassen. Umgekehrt wird die Aktion der Bezugsperson<br />

durch ein Lächeln des Kindes, oder seinen Versuch, die Bewegungen mit den Beinen mit zu machen,<br />

oder alleine zu wiederholen bestätigt, was sich wiederum motivierend auf die Bezugsperson auswirkt.<br />

Lernanlässe:<br />

Auch hier werden gleichzeitig mehrere Sinneskanäle angesprochen. Das rhythmische Sprechen wird<br />

von den Bewegungen begleitet, diese sind dazu noch gegengleich, was eine komplexe Koordinations-<br />

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leistung darstellt. Dadurch wird die Grobmotorik geschult, das Kind lernt den Bewegungsablauf, sowie<br />

das Dosieren der Kraft. Es handelt sich um eine Vorübung für das spätere Laufenlernen.<br />

Wird der Reim in einer positiven Grundstimmung vermittelt, trägt dies zum zusätzlich Lernerfolg bei.<br />

Weil der Reim sehr kurz ist, logisch im Ablauf und sich je zwei Endzeilen reimen, lässt er sich rasch<br />

und einfach einprägen.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse:<br />

Der Reim kann schon mit sehr kleinen Kindern eingeübt werden. Er lässt sich in die alltäglichen pfle-<br />

gerischen Handlungsabläufe integrieren, z.B. beim Windeln wechseln, auf der Krabbeldecke beim<br />

Picknick usw. Die Integrierbarkeit in den Alltag ist laut Forschung von Wildemann (2003, S.143), wel-<br />

che Alltagssituationen auflistet und untersucht, ein wichtiger Aspekt, damit Eltern mit ihren Kindern<br />

überhaupt Reime einsetzen.<br />

Die genaue Erklärung zur Durchführung in Albanisch, die Gleichzeitigkeit von Bewegung und Spre-<br />

chen, die einfache Memorierbarkeit des Reimes, die Ausrichtung auf die Zielgruppe sehr kleiner Kin-<br />

der, sowie die positive Interaktion lassen den Reim als sehr geeignet für die Zielgruppe klassifizieren.<br />

Auch aus sprachstruktureller Sicht werden einige Lerninhalte vermittelt, auch wenn sie wegen der<br />

Kürze des Reimes eher beschränkt sind. Dadurch werden kleine Kinder jedoch nicht überfordert.<br />

Der Reim ist für die Abgabe an Eltern im Projekt Zeppelin sehr gut geeignet. Er wird für die Zielgruppe<br />

der kleinsten Kinder im Alter von etwa 5 bis 18 Monaten empfohlen.<br />

6.7. Beispiel 7 (Kinderstubenreim, Pflegereim)<br />

Reim albanisch Reim deutsch<br />

Futboll Fussball<br />

Topi rrotullohet, Der Ball rollt,<br />

Portës i afrohet, Er nähert sich dem Tor,<br />

Ec, Lauf,<br />

Penallt', Penalty,<br />

Shtyll', Stange,<br />

Gooooool! Goal!<br />

Anleitung Albanisch<br />

Më në fund fëmija e hap gojën dhe e gëlltit lugën a rradhës... Sa herë "rrotullohet topi"? Sa lugë të<br />

ketë pjata...<br />

Anleitung Deutsch<br />

Die Mutter/der Vater gibt dem Kind das Essen mit dem Löffel ein. Wo es heisst der Ball rollt, bewegt<br />

sich der Löffel kreisend auf den Mund des Kindes zu. Wie viele Löffel des Essens werden noch kom-<br />

men?<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Ursprung<br />

Mündlich überliefert, nach L. Krasniqi.<br />

Zuordnung nach Funktion<br />

Der Reim kann der Kategorie Kinderstubenreime und der Unterkategorie Pflegereime zugeordnet<br />

werden. Pflegereime werden beim Essen, Waschen, Baden, Zähneputzen, Anziehen usw. gespro-<br />

chen.<br />

Thematik und Handlung<br />

Das Thema ist Fussball. Der Ball rollt auf das Tor zu, berührt die Stange und es gibt mit jedem Löffel<br />

Essen, der im Mund ankommt ein Tor.<br />

Sprachstrukturelle Aspekte<br />

Erzählstrukturen<br />

Der Reim besteht aus zwei kurzen Sätzen am Anfang, dann folgen einzelne Worte als Ausrufe. Die<br />

Struktur erinnert an eine Fussballreportage.<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus<br />

Der Anfang ist rhythmisch gesprochen, die ersten zwei Sätze reimen sich auch. Dann folgen Ausrufe,<br />

der Spannungsbogen wird je nach Person, die den Reim spricht, dramatisch aufgebaut, bis mit dem<br />

Goal die Auflösung erfolgt.<br />

Lexik und Semantik<br />

Der Zugewinn für den Wortschatz ist nicht sehr gross, der Reim ist reduziert auf wenige Begriffe zum<br />

Thema Fussball. Es wird mit inneren Bildern gearbeitet, der Löffel ist der Ball und der Mund des Kin-<br />

des das Fussballtor.<br />

Phonetik<br />

Mit diesem Reim können der rollende R (rr) sowie der Laut Sch (sh) geübt werden. Allerdings ist es<br />

die Bezugsperson, die spricht und weniger das Kind, weil dieses ja essen sollte.<br />

Phonologie<br />

Die ersten beiden Zeilen reimen sich.<br />

Morphologie<br />

Die Zeitform ist Präsens, zwei Verben werden in der 3. Person singular genannt.<br />

Syntax<br />

Die Struktur der ersten beiden Sätze ist sehr einfach: Nomen und Verb. Dann folgen Ausrufe.<br />

Kollegiale Validierung und Ergänzungen<br />

Der Reim entspricht etwa jenem, der einem in der Schweiz immer wieder begegnet: Ein Löfffel für<br />

Mami, ein Löffel für Opa, ein Löffel für den kleinen grünen Traktor... usw. Er ist nicht so alt wie andere<br />

Reime, der Ursprung lässt sich aber nicht mehr eruieren, oft ist es bei mündlich überlieferten Reimen<br />

so, dass sie plötzlich einfach da sind. Jedenfalls macht es den Eltern und dem Kind viel Spass, so zu<br />

essen. Wenn der Löffel „im Goal“ ist, lachen meist beide.<br />

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Interaktion<br />

Das Kind hat Blickkontakt zu seiner Bezugsperson. Es bekommt Löffel um Löffel zu essen, der Reim<br />

wird ständig wiederholt. Jedesmal wird eine Spannung aufgebaut, die sich löst, wenn das Essen im<br />

Mund angekommen ist.<br />

Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung<br />

Der Reim wird schon mit sehr kleinen Kindern ausgeführt, ab dem Alter, wo sie Brei zu essen be-<br />

kommen. Wenn sie älter sind und selbst essen, wird er wahrscheinlich nur noch dann eingesetzt,<br />

wenn sie den Teller leer essen sollen. Ganz kleine Kinder können sich vielleicht noch wenig vorstellen<br />

unter den Begriffen des Fussballs, doch ist es für sie faszinierend, dem kreisenden Löffel mit den Au-<br />

gen zu folgen und von der Dramatik im Sprechen mitgerissen zu werden. Das Thema könnte Fuss-<br />

ballbegeisterte, die sich seltener mit dem Kind beschäftigen dazu bewegen, mit ihm zu essen.<br />

Lernanlässe<br />

Das Kind verbindet die Tätigkeit des Essens, bei der gleichzeitig die Mundmotorik gefördert wird mit<br />

dem Hören des Reims, es setzt Wörter mit Bewegungen in Zusammenhang. Mit den Augen verfolgt<br />

es den Löffel und nimmt Referentiellen Blickkontakt (mit ca.9-12 Monaten) auf, was eine Grundlage<br />

für Spracherwerb ist.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse<br />

Der Reim bietet aus sprachstruktureller Sicht wenig Lernanlässe. Er ist sehr kurz, mit den Einwortsät-<br />

zen am Schluss eignet er sich zwar für ganz kleine Kinder, doch weil die Begriffe zweckentfremdet<br />

sind (Mund – Tor) sind Bilder notwendig, die auf Erfahrungen basieren, die das Kind bereits verinner-<br />

licht hat.<br />

Allerdings bietet der Reim eine gute Vorübung für den referentiellen Blickkontakt, der sich ab ca. 9<br />

Monaten entwickelt (vgl. Kapitel 4.3.2. Stationen der Sprachentwicklung, S.17, ff). Die Mundmotorik<br />

wird gefördert, das Essen kommt in diesem Alter neu zum Saugen hinzu.<br />

Der Reim lässt sich einfach im Alltag integrieren, ist rasch auswendig gelernt und spricht vom Thema<br />

her auch Väter an. Er hat sich laut Kollegialer Validierung in der Praxis bewährt.<br />

Ein Ziel für das Projekt Zeppelin ist, dass die Eltern bei der Pflege ihres Kindes beraten werden. Dazu<br />

gehört auch, dass man sich Zeit zum essen nimmt und das Treffen am Familientisch als Moment zur<br />

Kommunikation geniesst. Dieser Reim vermittelt, dass essen nicht einfach nur Nahrungsaufnahme<br />

sein muss, sondern Freude machen kann.<br />

Trotz eingeschränkter sprachlicher Lernanlässe eignet sich dieser Reim sehr gut für die Familien, die<br />

am Projekt Zeppelin teilnehmen. Die Zielgruppe sind Eltern und ihre Kinder im Alter ab etwa sechs<br />

Monaten.<br />

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6.8. Beispiel 8 (Stimmungshaftes, lyrisches Gedicht, Naturgedicht)<br />

Reim albanisch Reim deutsch<br />

Nëpër fushë e nëpër male, Auf dem Garten und auf dem Berg,<br />

Fryn murlani me stuhi, Bläst ein Sturm,<br />

O murlan, atë frymën ndale, O du Sturmwind nimmst mir den Atem,<br />

Ndalu, akull mos më ngri, Wind halt an, lass mich nicht einfrieren,<br />

Mos ma ngrini këtë pikë gjak, Lass mein Blut nicht gefrieren,<br />

Struku, struku, i shkreti plak... Geh weg, geh weg, du trostloser alter Mann.<br />

Fryti era nga përjashta, Es weht ein Wind von draussen,<br />

Tundi perdet e mëndafshta, Er spielt mit den Vorhängen<br />

Mos kujto se të harrova, Denke nicht, dass ich dich vergessen habe<br />

shumë të fala të dërgova... Ich habe dir viele Grüsse mitgebracht...<br />

Anleitung Albanisch Fehlt<br />

Anleitung Deutsch Fehlt<br />

Ursprung<br />

Es handelt sich um eine mündliche Überlieferung. L. Krasniqi hat den Reim in Kosovo in ihrer Kindheit<br />

gesprochen.<br />

Zuordnung nach Funktion<br />

Der Reim kann der Kategorie stimmungshafte, lyrische Gedichte zugeordnet werden. Er gehört zur<br />

Unterkategorie Naturgedichte.<br />

Thematik und Handlung<br />

Der Sturmwind bläst draussen im Garten und auf den Bergen, er ist so kalt, dass er das Blut in den<br />

Adern einfrieren lassen könnte. Der Wind wird direkt angesprochen. Der trostlose alte Mann soll weg<br />

gehen. Die Person, die den Reim spricht ist in einem Raum mit Vorhängen, diese bewegen sich im<br />

Wind, also ist das Fenster offen und die kalte Luft gelangt ins Zimmer. Jemand denkt, die sprechende<br />

Person hätte sie/ihn vergessen. Es werden viele Grüsse überbracht.<br />

Sprachstrukturelle Aspekte<br />

Erzählstrukturen<br />

Der Reim ist zweiteilig. Die Erzählstruktur ist sprunghaft, Beschreibungen und Gedanken folgen auf-<br />

einander, die Handlungsorte werden gewechselt.<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus<br />

Die Dramatik steigert sich im Laufe der 2. Zeile, wo der Wind gebeten wird, die Hauptperson nicht<br />

erfrieren zu lassen. In der 2. Strophe wird ruhig und melancholisch gesprochen. Der Rhythmus ist in<br />

den beiden Strophen unterschiedlich, weil die Reime unregelmässig auftreten. Während sich in der<br />

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2. Strophe alle Zeilen auf a reimen, sind es in der 1. Strophe jeweils die erste und die dritte, die zweite<br />

und die vierte, sowie die fünfte und die sechste Zeile.<br />

Lexik und Semantik<br />

Es werden Begriffe aus Natur und Landschaft eingeführt, die Bedeutung des Murlans, der personifi-<br />

ziert wird.<br />

Phonetik<br />

Es werden sehr viele Konsonantenverbindungen und die Laute sch und r geübt.<br />

Phonologie<br />

Die Endreime erscheinen zwar nicht regelmässig, doch sie unterstützen die Merkbarkeit und den<br />

Sprechrhythmus.<br />

Morphologie<br />

Ausser bei den letzten zwei Sätzen, die in der Zeitform Perfekt stehen, werden die Verben im Präsens<br />

angewandt, einige Sätze stehen im Imperativ.<br />

Syntax<br />

Die Sätze sind kurz, einfach und korrekt. Es sind Handlungen, Aufforderungen und Fakten, keine Be-<br />

schreibungen oder ergänzende Nebensätze.<br />

Kollegiale Validierung und Ergänzungen<br />

Der Murlan ist ein Wind, der aus Norden oder Nordosten in Richtung Adria bläst, er kann heftige<br />

Sturmwerte erreichen.<br />

Der Reim erinnert an das schweizerdeutsche Lied „is Mueters Stübeli da gaht de Wind“. Dort erfriert<br />

jemand beinahe. Es gibt noch ein altes überliefertes deutsches Lied vom Wind: „Der Wind schleicht<br />

wie ein Räubersmann“. Eigentlich hätte Mirvet Thaçi den Reim gar nicht übersetzen wollen, sie mein-<br />

te, er wirkt veraltet und für kleine Kinder ungeeignet.<br />

Interaktion<br />

Zu diesem Reim gibt es keine Hinweise für mögliche begleitende Handlungen. Die erwachsene Per-<br />

son spricht ihn dem Kind vor. Das Kind nimmt die Dramatik in Tonfall und Handlung auf. Die Zielgrup-<br />

pe und deren Altersstufe sind unklar.<br />

Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung:<br />

Dieser Reim ist schwierig zu verstehen. Er lässt sich nicht, wie die meisten anderen Kinderreime, ein-<br />

fach und logisch übersetzen, es wurde versucht, möglichst nahe am Text zu bleiben. Die sprunghafte<br />

Handlung und die Metaphern lassen darauf schliessen, dass der Reim sich in der Überlieferung über<br />

viele Jahrzehnte hin verändert haben könnte, einem sogenannten „Zersingeprozess“ (vgl. Franz,<br />

1979, S.35) unterworfen war. Das deutet darauf hin, dass der Reim wahrscheinlich sehr alt ist und auf<br />

Vorlagen der Erwachsenenvolkslyrik zurückgeht.<br />

Der Wind ist kalt, er wird als Bedrohung erlebt. Hier ist eine zweifache Deutung möglich, der trostlose<br />

alte Mann friert, er soll weg gehen. Oder aber, der Wind wird als alter Mann bezeichnet, der gehen<br />

soll. Diese Variante ist wahrscheinlicher. Zu Beginn des Reimes scheint die Hauptperson sich drau-<br />

ssen aufzuhalten, im zweiten Teil in einem Raum. Am Schluss sind wieder zwei Deutungen möglich:<br />

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Der Wind überbringt Grüsse von jemandem, der mitteilen will, dass er die Hauptperson im Reim, die<br />

vorher gefroren hat nicht vergessen habe. Oder die Hauptperson, die im Zimmer die wehenden Vor-<br />

hänge betrachtet, denkt an jemanden, den sie nicht vergessen hat und dem sie Grüsse überbringen<br />

will. Die erste Deutung, dass der Wind Grüsse überbringt erschien im Laufe der Kollegialen Validie-<br />

rung eher wahrscheinlich.<br />

Allgemein verbindet man mit diesem Reim eher negative Gefühle wie Bedrohung durch Sturm und<br />

Kälte oder an jemanden denken, der weit weg ist, den man vermisst oder vergisst, das wirkt wider-<br />

sprüchlich.<br />

Lernanlässe:<br />

Der Reim bietet viele Lernanlässe für die Sprachentwicklung. Es wird ohne begleitende Handlungen,<br />

dafür mit viel Dramatik in Tonfall und Mimik gesprochen. Den Kindern kann der Murlan erklärt werden.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse:<br />

Der Reim bietet in sprachstruktureller Hinsicht viele Lernanlässe, es werden keine Begleithandlungen<br />

angegeben. Wie weit er für ein Kleinkind inhaltlich verständlich und nachvollziehbar ist, erscheint<br />

fragwürdig. Das Motiv und die Dramatik wirken ungemütlich und können möglicherweise bei kleinen<br />

Kindern Ängste auslösen. Wie auch die ähnlichen Beispiele in deutscher Sprache, ist er für heutige<br />

Kinder und Eltern nicht mehr so gut nachvollziehbar, wie für ältere Generationen.<br />

Trotz vielen Lernanlässen für die Sprache ist der Reim für kleine Kinder nicht empfehlenswert.<br />

6.9. Beispiel 9 (Scherzreim, Wortspiel)<br />

Reim Albanisch Reim Deutsch<br />

Elif Matrak, Elif Matrak,<br />

Nget gjeli vrap, Der Gockel springt schnell,<br />

Shkova me e kapë, Ich wollte ihn halten,<br />

Iku n’kasapë, Er flüchtete in den Hühnerstall.<br />

Shkova n’Parrucë, Ich ging nach Parrucë,<br />

M’treti njena këpuce, Dort verlor ich einen Schuh,<br />

Shkova me e gjetë, Ich wollte ihn holen,<br />

Treta edhe vetë… Jetzt bin ich selber verschwunden.<br />

Anleitung Albanisch<br />

Lojë me fjalë.<br />

Anleitung Deutsch<br />

Wortspiel.<br />

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Ursprung<br />

Mündliche Überlieferung von L. Krasniqi.<br />

Zuordnung nach Funktion<br />

Scherzreim, Sprachscherz, Wortspiel.<br />

Thematik und Handlung<br />

Im ersten Teil geht es um einen Hahn. Er rennt schnell weg, man kann ihn nicht halten, er flüchtet in<br />

den Hühnerstall.<br />

Im zweiten Teil geht jemand nach Parrucë und verliert dort einen Schuh, will ihn holen und verschwin-<br />

det selbst.<br />

Sprachstrukturelle Aspekte<br />

Erzählstrukturen<br />

Der Reim besteht aus zwei scheinbar unzusammenhängenden Teilen, die auch vom Thema her völlig<br />

verschieden sind. Beide Teile werden in der „Ich-Form“ erzählt, nur dadurch entsteht der Eindruck,<br />

dass sie überhaupt etwas miteinander zu tun haben. Die erste Zeile spielt noch in der Gegenwart, der<br />

Rest in der Vergangenheit.<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus<br />

Die Dramatik entsteht vorwiegend durch die Handlung. Sie baut sich in jeder Strophe neu auf. Der<br />

Rhythmus ist durch die Endreime und den Sprechbogen bestimmt, der sich immer jeweils mit dem<br />

ersten Reim öffnet, um sich mit dem zweiten wieder zu schliessen. Das heisst, der Tonfall erhöht sich<br />

leicht z.B. bei Parrucë und wird wie bei einer Antwort bei këpuce wieder tiefer.<br />

Lexik und Semantik<br />

Der Reim ist sehr kurz. Die Wörter, die vorkommen sind einem Kleinkind möglicherweise mindestens<br />

zum Teil bekannt. Ihre Bedeutung ist zweitrangig, weil das Wortspiel im Vordergrund steht. Zum Wort-<br />

spiel hinzu kommt das Gedankenspiel, wer das wohl ist, der zuerst den Gockel jagt und dann in<br />

Parrucë verschwunden ist.<br />

Phonetik<br />

Verschiedene für kleine Kinder schwierige Laute können geübt werden: sh, gj, tr.<br />

Phonologie<br />

Die Reime und die leichten Abänderungen von Wörtern stehen im Vordergrund, hier geht es um das<br />

Spiel mit der Sprache. Das zeigen die folgenden Beispiele, wo nur einzelne Phoneme verändert wer-<br />

denn: kapë, kasapë / Parrucë, këpuce / gjetë, vetë.<br />

Morphologie<br />

Das erste Verb steht im Präsens, die folgenden im Präteritum. Das letzte ist wiederum im Präsens.<br />

Dadurch entsteht ein scheinbarer Zusammenhang, der durch die „Ich“ Form der beiden Strophen be-<br />

stätigt wird. Die Form des Reimes ist im Gegensatz zum Inhalt zusammenhängend.<br />

Syntax<br />

Die Sätze sind kurz und haben eine korrekte Satzstellung, sie bestehen aus Subjekt, Prädikat und<br />

Objekt. Nebensätze kommen nicht vor.<br />

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Kollegiale Validierung und Ergänzungen<br />

Es existieren viele Wortspiele in albanischer Sprache. Sie sind oft unlogisch, ohne Zusammenhang,<br />

dafür lustig und entsprechen den Vorstellungen der Kinder, die auch manchmal sehr fantasievolle<br />

Formulierungen wählen, oder unwahrscheinliche Geschichten erfinden.<br />

Interaktion<br />

Der Reim wird gesprochen, begleitende Handlungen werden keine ausgeführt.<br />

Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung<br />

Die Motive geben Anlass zu Spekulationen. Die erzählende Person fängt den Hahn nicht, verliert den<br />

Schuh und am Schluss verschwindet sie wie von Zauberhand. Sie verhält sich ungeschickt, was An-<br />

lass zu Heiterkeit sein könnte. Der Schluss erinnert an kindliches Spiel; etwas ist plötzlich weggezau-<br />

bert.<br />

Lernanlässe<br />

Im Zentrum steht hier das Spiel mit der Sprache und das leichte Verändern von Wörtern, der Wortwitz.<br />

Es wird ausschliesslich gesprochen oder zugehört. Die Bereiche Wahrnehmung und Motorik werden<br />

weiter nicht angesprochen. Vor allem die phonologische Bewusstheit wird gefördert.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse<br />

Der Reim scheint eher alt und durch die mündliche Überlieferung einem Zersingeprozess (vgl. Franz,<br />

1979, S.35) unterworfen gewesen zu sein. Die Inhalte schienen dabei unwichtig, die Form der Wörter<br />

wurde gewichtet.<br />

Die Strophen haben keinen Zusammenhang, das witzige Wortspiel ist wichtiger. Im Alter von etwa fünf<br />

Jahren beginnen Kinder mit Reimen zu experimentieren und mit der Sprache zu spielen, sie entwerfen<br />

selbst Fantasiegeschichten, die auch nicht immer logisch sind. Der Reim ist für die Familien im Projekt<br />

Zeppelin bedingt geeignet, die Zielgruppe der kleinen Kinder wird damit nicht optimal angesprochen,<br />

doch an ältere Kinder kann er sehr gut vermittelt werden.<br />

6.10. Beispiel 10 (Nachahme und Deutereim, Handwerksgeräusche)<br />

Reim albanisch Reim deutsch<br />

Genci i vogël Der kleine Genci<br />

Bje çekiçi: din e don, Er hämmert ding und dong,<br />

Genc’i vogël po ndërton Der kleine Genci,<br />

Një anijez me kabinë. Baut ein Schiff mit einer Kabine.<br />

E bën gati për lundrim, Er macht es bereit,<br />

Të çaj’ lumin, detet larg, um auf den Wellen zu schwimmen.<br />

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T’ i bjer’ botës rreth e qark. Rund um die Welt,<br />

E me ‚të, pastaj, të vij Und kommt mit ihm wieder<br />

Në shtëpi tek nën’ e tij. Zu seiner Mutter.<br />

Anleitung Albanisch: Fehlt<br />

Anleitung Deutsch: Fehlt<br />

Ursprung<br />

Aus dem Lyrikband für Kinder von Xhevat Beqaraj, 2001, Kam një harmonikë.<br />

Zuordnung nach Funktion<br />

Nachahme- und Deutereim, Handwerksgeräusche<br />

Thematik und Handlung<br />

Ein kleiner Junge namens Genci hämmert, er baut ein Schiff mit einer Kabine und fährt damit auf den<br />

Wellen rund um die Welt. Dann kommt er wieder zurück zu seiner Mutter.<br />

Sprachstrukturelle Aspekte<br />

Erzählstrukturen<br />

Dieser Reim folgt einer linearen Erzählung. Es wird im logischen Ablauf geschildert, was Genci macht.<br />

Dies in nur einer Strophe von acht Zeilen.<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus<br />

Die Dramatik entwickelt sich aus dem Rhythmus des Hämmerns heraus, bis zum Moment, wo das<br />

Kind um die Welt fährt. Am Schluss wo es zur Mutter zurückkehrt löst sich die Spannung. Hier kann<br />

mit dem Tonfall und dem Sprechrhythmus gearbeitet werden.<br />

Lexik und Semantik<br />

Es werden Wörter aus dem Bereich Schifffahrt gelernt. Es gibt keine Bedeutungen im übertragenen<br />

Sinn, die Bedeutung der Wörter ist klar und einfach nachvollziehbar.<br />

Phonetik<br />

Es werden folgende Laute besonders geübt: sh, gj, ç sowie der stark gerollte rr. Dazu kommen der<br />

stimmhafte th und Konsonantenverbindungen wie dr und rg.<br />

Phonologie<br />

Die letzten Silben von jeweils zwei aufeinanderfolgenden Zeilen reimen sich. Der Sprechrhythmus ist<br />

sehr regelmässig.<br />

Morphologie<br />

Die Verben stehen alle im Präsens, weil es um den Jungen Genci geht, sind sie in der dritten Person<br />

Singular konjugiert.<br />

Syntax<br />

Die Sätze erstrecken sich über zwei Zeilen, teilweise gibt es Nebensätze. Die Satzstellungen sind<br />

korrekt.<br />

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Kollegiale Validierung und Ergänzungen<br />

Der Reim unterscheidet sich von der Sprache her leicht von den mündlich überlieferten. Die Sätze<br />

sind länger. Das Hammergeräusch steht nicht im Zentrum, dafür das, was erzählt wird.<br />

Interaktion<br />

Es gibt keine Anleitung, wo beschrieben ist, was die Bezugsperson mit dem Kind begleitend zum<br />

Sprechen tun könnte.<br />

Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung<br />

Genci ist zwar klein, doch schon sehr selbständig, er kann sich selbst ein Schiff bauen. Er fährt damit<br />

weit weg von der Mutter, über die Wellen, wo es vielleicht abenteuerlich und gefährlich ist, aber er<br />

kommt immer wieder zu ihr in den sicheren Hafen zurück. Dem Kind wird zugetraut, dass es etwas<br />

kann (ein Schiff bauen) und es wird in seinem Drang zur Expansion unterstützt. Gegenseitig gibt es<br />

die Sicherheit: Das Kind kann immer wieder in die Geborgenheit zurück und die Mutter kann sich auf<br />

das Kind verlassen.<br />

Lernanlässe<br />

Die Lernanlässe im Bereich Sprache sind gegeben für Kinder, die bereits einfache kurze Sätze spre-<br />

chen diese Fähigkeiten weiter entwickeln sollten (ab etwa 24 Monaten). Wortschatz, Erfahrungen zur<br />

Satzstruktur und phonologische Bewusstheit, sowie Lautbildung werden unterstützt.<br />

Leider fehlen gerade zum Hämmern die begleitenden Gesten oder Bewegungen. Wenn man dazu mit<br />

der flachen Hand und der Faust das Hämmern imitieren, mit den Händen eine Schale als Schiff for-<br />

men und den Kreis rund um die Welt zeigen könnte, wäre dies ein weiterer Kanal, der genutzt werden<br />

könnte, um das Lernen zu unterstützen. Denkbar wäre auch, einen Kniereiterreim daraus zu machen,<br />

wo das Kind geschaukelt wird und am Schluss in den Arm genommen.<br />

Damit wäre eine Verknüpfung der Worte mit den Bewegungen möglich, die sich aus neurowissen-<br />

schaftlicher Sicht günstig auf das Lernen auswirkt. So kann auch das Interesse von jüngeren Kindern<br />

geweckt werden, die eine rein gesprochene Version noch nicht ganz verstehen.<br />

Für die Eltern-Kind-Bindung sind die Motive dieses Reims sehr wertvoll. Die dort demonstrierte Hal-<br />

tung, dem Kind etwas zuzutrauen, es in seiner Expansionsfreude zu bestätigen und ihm Vertrauen<br />

und Geborgenheit zu geben sind Voraussetzungen, die eine sichere Bindung unterstützen.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse<br />

Der Reim bietet für Kinder und Eltern sehr gute Lernanlässe, die durch geeignete Begleithandlungen<br />

noch optimiert werden können. Das Motiv thematisiert die Mutter-Kind-Beziehung sehr schön. Der<br />

Reim ist, wenn er nur gesprochen wird, eher für Kinder ab 24 bis 30 Monate geeignet, mit Bewe-<br />

gungselementen kann er auch mit ganz kleinen Kindern gebraucht werden.<br />

Er eignet sich gut für die Familien im Projekt Zeppelin, Bewegungsvarianten können ohne grossen<br />

Aufwand noch angefügt werden.<br />

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6.11 Beispiel 11 (Grenzfall Kinderstubenreim in 1 Satz, Fingervers)<br />

Reim albanisch Reim deutsch<br />

Ku po shikon mini jashtë? Wo schaut die Maus heraus?<br />

Anleitung Albanisch<br />

Nana e fsheh gishtin e madh në dorë. Fëmiju duhët të qilloj, a ashtë gishti madhë ndërmjet gishtit të<br />

dytë ose gishtit të mesëm, apo ndermjet gishtit të mesëm ose gishtit të unazës, ose ndermjet gishtit të<br />

unazës apo gishtit të vogël. Dikurë më vonë munolet Fëmiju vet të fsheh gishtin e madhë në grushtë.<br />

Anleitung Deutsch<br />

Die Mutter versteckt den Daumen in der Hand. Das Kind muss raten, ob er zwischen Zeigefinger und<br />

Mittelfinger, oder zwischen Mittelfinger und Ringfinger, oder zwischen Ringfinger und kleinem Finger<br />

herausschaut. Später kann das Kind selbst den Daumen in der Faust verstecken.<br />

Ursprung<br />

Der Reim ist mündlich überliefert. Mirvet Thaçi hat dazu die Anleitung übersetzt.<br />

Zuordnung nach Funktion<br />

Eigentlich ist das gar kein Reim, sondern nur eine einfache Frage, die jedoch von der Funktion her der<br />

Kategorie Fingerspiel zugeordnet werden kann.<br />

Thematik und Handlung<br />

Die Maus hat sich versteckt, wo schaut sie heraus?<br />

Sprachstrukturelle Aspekte<br />

Erzählstrukturen<br />

Es handelt sich um einen einfachen Satz, der als Frage formuliert ist.<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus<br />

Dramatik und Rhythmus fehlen im Text. Durch die Spannung, ob das Kind richtig geraten hat, entsteht<br />

die Dramatik jedoch aus der Handlung heraus. Der Satz wird als Frage betont.<br />

Lexik und Semantik<br />

Lexik und Semantik spielen keine Rolle es ist nur ein kurzer Satz. Höchstens die Bedeutung der Prä-<br />

position wo kann hier bewusst gemacht werden.<br />

Phonetik<br />

Die unterschiedliche Aussprache von sh und j kann geübt werden.<br />

Phonologie<br />

Es gibt keine Reime und keine innere Struktur.<br />

Morphologie<br />

Das einzige Verb schaut steht in der 3. Person singular im Präsens.<br />

Syntax<br />

Der Satz ist grammatikalisch korrekt.<br />

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Kollegiale Validierung und Ergänzungen<br />

Das Spiel ist auch im Schweizerdialekt bekannt. Es ist praktisch, weil man es überall mit dem Kind<br />

machen kann, zum Beispiel wenn man es im Bus beschäftigen will, oder es ablenken muss.<br />

Interaktion<br />

Im Vordergrund steht das Ratespiel, es ist schon für ganz kleine Kinder spannend, wo die Maus aus<br />

dem Haus heraus kommt. Mit der Zeit wollen sie selber aktiv werden und die Erwachsenen irre führen.<br />

Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung<br />

Das Spiel macht Eltern und Kindern Freude. Es kann unendlich wiederholt werden und ist bis ins Kin-<br />

dergartenalter aktuell. Positives gemeinsames Erleben wird hier unterstützt.<br />

Lernanlässe<br />

Der einzelne Satz ist rasch gelernt, die Bewegung steht im Zentrum. Das kleine Kind kann bei der<br />

Hand der Bezugsperson zeigen, wo es denkt, dass die Maus erscheint, es sagt: “Da“. Für ältere Kin-<br />

der ist es eine wertvolle Übung für die Feinmotorik. Das Kind lernt, die Maus ist schnell und versteckt<br />

sich gerne.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse<br />

Der Reim, der eigentlich nur ein Satz ist, hat aus Sprachstruktureller Sicht wenig zu bieten, Lernanläs-<br />

se gibt es diesbezüglich kaum. Auf das Erlernen der Erstsprache wird hier keinen grossen Einfluss<br />

genommen.<br />

Allerdings ist er durch die Einfachheit für kleinste Kinder verständlich und das Kind kann im Alter, wo<br />

es erste Laute äussert (ca. 12 Monate) aktiv verbal und über die Gestik (Zeigen) kann Einfluss neh-<br />

men. Das Spiel entspricht dem Bedürfnis des Kindes nach Versteckspielen. Im Kleinkindalter ist das<br />

„gugus dada“ – Verstecken in unzähligen Varianten und Wiederholungen sehr beliebt.<br />

Das Ziel, mit dem Kind im Spiel durch positive Erlebnisse eine stabile Beziehung zu entwickeln wird<br />

erreicht.<br />

Darum ist dieser Reim für das Projekt Zeppelin trotz mangelnder Sprechanlässe sehr zu empfehlen.<br />

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7. Auswertung des Forschungsvorgehens<br />

Das Forschungsvorgehen wurde wie geplant in mehreren Schritten durchgeführt. Vor der genaueren<br />

Analyse (Sequenzanalyse) wurde eine Vorauswahl getroffen. Nur diejenigen Reime, welche für die<br />

Altersgruppe der Kinder bis 5 Jahre (Zielgruppe Projekt Zeppelin) geeignet waren, wurden zur weite-<br />

ren Bearbeitung ausgewählt.<br />

Sie konnten den Kategorien aus der Theorie der Kinderlyrikforschung zugeteilt werden. Dabei handel-<br />

te es sich vorwiegend um die übergeordneten Kategorien Kinderstubenreime, Nachahme- und Deute-<br />

reime oder Turnspiele, sowie vereinzelte stimmungshafte, lyrische Gedichte und Scherzreime, Wort-<br />

spiele. Gezielt wurden aus den einzelnen Kategorien und deren Unterkategorien Beispiele zur exem-<br />

plarischen Analyse ausgewählt. Aus den theoretischen Erkenntnissen ergaben sich Kriterien, die eine<br />

Analyse des Materials ermöglichten. Die Kategorien aus der Kinderlyriktheorie bilden an sich schon<br />

gute Möglichkeiten zur Auswahl, weil sie eine Zuordnung nach Funktion und Themen beinhalten. Die<br />

Themen der Reime und die Ansprüche an die Sprache verändern sich mit zunehmendem Alter der<br />

Kinder, darum werden auch immer neue Reim-Kategorien aktuell.<br />

Ein eigenes Gebiet sind die Sprachstrukturellen Aspekte, die sich aus den Erkenntnissen über den<br />

kindlichen Spracherwerb ergeben. Weiter berücksichtigt wurden in der Analyse die Erkenntnisse der<br />

Neurowissenschaften, diese kommen im Punkt Lernanlässe zum Ausdruck, wo aufgezeigt wird, ob an<br />

eventuelles Vorwissen angeknüpft werden kann und ob über die Gleichzeitigkeit von mehreren Hand-<br />

lungen, z.B. Sprechen und Bewegung bessere Lernerfolge erzielt werden können. Dazu kommen<br />

emotionale Aspekte, wie der Einfluss von Motivation und positiver Lernatmosphäre. Diese spielen<br />

auch in der Theorie über die Eltern-Kind-Bindung und die Familie als Sozialisationsinstanz eine wich-<br />

tige Rolle. Diese Aspekte wurden durch die Kriterien Interaktion und Interpretation der Motive und<br />

ihrer emotionalen Wirkung näher betrachtet.<br />

Zu Beginn jeder Analyse stand die möglichst objektive Beschreibung von Form und Inhalt eines Reims<br />

im Zentrum. Dies war wichtig, weil sich dadurch weitere Fragen stellten, die als Grundlage für die spä-<br />

tere Kollegiale Validierung dienten.<br />

Die Kollegiale Validierung ermöglichte ein besseres Verständnis für die kulturellen Hintergründe und<br />

sprachlichen Feinheiten der Reime. Auch ergaben sich Vergleiche und Parallelen zu deutschen Beisl-<br />

pielen. Um die Kriterien der Sprachstrukturen zu bearbeiten war es wichtig, immer wieder zu hören,<br />

wie die Reime gesprochen werden.<br />

Die Erkenntnisse aus der Kinderlyrikforschung erwiesen sich als sehr hilfreich für das Forschungsvor-<br />

gehen. Die albanischen Reime konnten problemlos den Kategorien zugeordnet und weiter bearbeitet<br />

werden. Auch die Kriterien der Sequenzanalyse erwiesen sich als absolut brauchbar, weil sie auf die<br />

Zielsetzung, also die Passung für Familien im Projekt Zeppelin ausgerichtet waren.<br />

Überraschend war die Veränderung in der Gewichtung der Kriterien. Zu Beginn erschienen alle Krite-<br />

rien etwa gleichwertig. Die Sprachstrukturen mit ihren zahlreichen Aspekten nahmen allerdings viel<br />

Raum ein. Im Laufe des Forschungsprozesses gewannen die Kriterien Lernanlässe, Interaktion und<br />

Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung zunehmend an Bedeutung und die Abhängig-<br />

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keit der Vermittlung der Sprachstruktur von diesen Bereichen wurde ersichtlich. Das hatte damit zu<br />

tun, dass auch während des Forschungsvorgehens die Forschungsfrage immer im Auge behalten<br />

werden musste: Welche Reime eignen sich besonders für die Zielgruppe der Familien in psychosozia-<br />

len Risikosituationen? Es galt also, neben der isolierten Sprachförderung, immer die Vermittelbarkeit<br />

zu beachten.<br />

Die Erkenntnisse aus der Theorie, dass Sprachförderung ganzheitlich geschehen muss und in der<br />

Interaktion mit dem Umfeld stattfindet, wurden durch die Forschungsarbeit bestätigt.<br />

Bei der Bearbeitung des Materials lag die Hauptschwierigkeit in der Übersetzung. Es galt einerseits,<br />

möglichst nahe am Text zu bleiben, andererseits sollten die Reime auch auf Deutsch verständlich<br />

sein. Je einfacher der Reim, um so besser gelang dies. Die Satzstellung im Albanischen ist teilweise<br />

anders als im Deutsch, deshalb sind die Übersetzungen nicht ganz parallel. Stolpersteine lagen bei<br />

jenen Fällen, wo Reime durch die Überlieferung über lange Zeiträume einem starken „Zersingepro-<br />

zess“ (vgl. Franz, 1979, S.35) unterworfen waren und deshalb vom Inhalt her etwas abstrakt wirkten<br />

(Beispiele 8 und 9).<br />

Natürlich stellt sich die Frage, wie die Forschung verlaufen wäre, wenn die Möglichkeit bestanden<br />

hätte, die albanischsprachige Kinderlyrikforschung miteinzubeziehen. Vielleicht wären weitere Katego-<br />

rien dazu gekommen, oder die Strukturen der Sprache hätten differenzierter analysiert werden kön-<br />

nen. Es kann jedoch von der Annahme ausgegangen werden, dass der Einfluss auf die Forschungs-<br />

ergebnisse eher gering gewesen wäre. Denn einerseits sind sich deutsche und albanische Reime<br />

sehr ähnlich und zudem sind zur Auswahl für die Zielgruppe andere Kriterien wie Lernanlässe, Inter-<br />

aktion, emotionale Wirkung der Motive ebenfalls von Bedeutung.<br />

8. Forschungsergebnisse<br />

Nachfolgend werden die Ergebnisse der Analyse der Kinderreime diskutiert und die Auswahl der ge-<br />

eigneten Reime für das Projekt Zeppelin begründet.<br />

8.1. Zusammenfassung der Ergebnisse der Analyse der Kinderreime<br />

Elf Kinderreime in albanischer Sprache wurden mittels Sequenzanalyse genau untersucht und bewer-<br />

tet. Weitere Reime, die nach denselben Kriterien analysiert, jedoch nur kurz beschrieben wurden, sind<br />

im Anhang nach Kategorien geordnet aufgeführt. Die angefügten Reime aus der Kurzanalyse eignen<br />

sich alle zur Weitergabe an Familien, die am Projekt Zeppelin teilnehmen. Reime, die sich zur Abgabe<br />

nicht eignen, wurden nicht in den Anhang aufgenommen. In der Analyse wurden jedoch geeignete<br />

und ungeeignete Kinderreime bearbeitet. Dort ist es wichtig, dass nachvollziehbar aufgezeigt wird, aus<br />

welchen Gründen sich ein Reim als ungeeignet oder nur bedingt geeignet erweist.<br />

Es hat sich gezeigt, dass durch den Auftrag, Reime für Kinder im Alter von null bis fünf Jahren zu<br />

sammeln, die Auswahl der Kinderreime bereits eingeschränkt war. Für die ausführliche Analyse wur-<br />

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den nur Reime für diese Zielgruppe ausgewählt. Sie konnten problemlos den Kategorien und Unterka-<br />

tegorien der deutschsprachigen Kinderlyrikforschung zugeordnet werden, weil sie von der Thematik<br />

den überlieferten deutschen Kinderreimen glichen.<br />

Kleine Unterschiede zeigten sich höchstens in den Motiven, die sich kulturell unterschieden, so etwa<br />

bei Beispiel 8 wo der Murlan, der Wind thematisiert wird.<br />

Auch bei den Tieren konnten Verschiedenheiten festgestellt werden. So kommt in der deutschen Kin-<br />

derlyrik die Maus sehr häufig vor, sie ist mit Abstand das beliebteste Tiermotiv. In der albanischen<br />

Lyrik werden hingegen eher der Hase oder das Schaf beschrieben. Auch die Tierlaute werden im Al-<br />

banischen oft anders ausgesprochen als im Deutschen (vgl. Beispiele 1 und 2).<br />

Es gibt einige Reime, in denen Waffen als Motive auftreten. Dies wurde in der Kollegialen Validierung<br />

thematisiert. Waffen und das Bewachen der Grenze gehören in vielen Kulturen zur Realität. Dazu ein<br />

aktuelles Beispiel aus einem modernen Lyrikband für Kinder:<br />

Vers albanisch Vers deutsch<br />

Roja Wächter<br />

Roje jam, me pushkë në dorë, Ich bin ein Wächter mit dem Gewehr in der Hand,<br />

Si shqiponja-kufitar. Wie ein Adler die Grenzen setzt.<br />

Nuk më tremb as shi, as borë Regen und Schnee scheue ich nicht.<br />

Vras e kap çdo tradhtar. Ich erschiesse und treffe alle Eindringlinge.<br />

(Xhevat Beqaraj, 2001)<br />

Der Reim wurde keiner näheren Analyse unterzogen, weil er bereits bei der Vorauswahl ausschied,<br />

denn er ist für die Altersgruppe der Vorschulkinder nicht geeignet.<br />

Laut der Aussage von Silvia Hüsler, der Autorin von vielen Büchern mit Reimen, stören sich Kinder<br />

weniger an Motiven wie Waffen, als die Erwachsenen. Auch die deutschen Kinderreime sind nicht<br />

immer nett und harmlos. Allgemein verändern sich Reime im Laufe der Zeit auch durch die Überliefe-<br />

rungen. Alte Motive verschwinden, neue kommen hinzu. So gibt es beispielsweise alte und neue Ver-<br />

sionen des Kinderreimes vom vorwitzigen Hasen:<br />

Die alten überlieferten zwei Versionen:<br />

Lepur Hase<br />

Lepur, lepur, qte kam then, Hase, Hase, was habe ich dir gesagt,<br />

mos me dil në per lëm, du sollst nicht in den Müll,<br />

kam nje pushke pi teneçe ich habe eine Pistole aus Blech<br />

do ti, vras ato musteque! damit erschiesse ich dir die Schnauze!<br />

(mündliche Überlieferung von Anisa, einer Schülerin aus Mazedonien, 2009. Übersetzung: M. Thaçi)<br />

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Lepur, lepur, lepurosh, a të kam , Hase, Hase, Häschen, ich habe dir gesagt,<br />

thanë mos hin nër kosh, du sollst nicht in den Schopf,<br />

e kam pushkën e teneqës, ich habe ein Gewehr aus Blech,<br />

ti perzhiti ato musteqet. Ich brate dir deinen Schnauz.<br />

Die neue Version:<br />

Lepur Hase<br />

Lepur, lepur çka t’kam thënë Hase, Hase weißt du noch,<br />

Mos me hy më në tërshënë Was ich dir gesagt habe?<br />

Se e kam një qen të keq-e Geh nicht mehr auf den Hafer,<br />

E ti shkul ato musteqe Denn ich habe einen bösen Hund<br />

Se e kam një qen të keq-e Wenn er dich erwischt,<br />

E ti shkul ato musteqe. Zupft er dich an deiner Schnauze.<br />

Ham, ham, ham-hamham. Ham, ham, ham-hamham.<br />

(Hüsler, S. 2009)<br />

Der Reim ist in beiden Fällen mündlich überliefert und in der alten Version im regionalen Dialekt, in<br />

der neuen Version in der Standardsprache aufgeschrieben. Die neue Version eignet sich besser für<br />

die Zielgruppe, weil sie am Schluss mit dem Element „zupft er dich an deiner Schnauze, ham ham<br />

ham ham) als Kitzelreim ausgeführt werden kann, wodurch neben der Sprache auch der taktil-<br />

kinästhetische Bereich angesprochen wird.<br />

In der Sequenzanalyse der elf Kinderreime für die Altersgruppe der Kinder bis fünf Jahre wurden die<br />

meisten Reime als geeignet eingestuft. Besonders die beiden Nachahme- und Deutereime (Beispiele<br />

2 und 10) eignen sich sehr gut für die Altersgruppe von fünf Monaten bis 5 Jahre. Ebenso die Kinder-<br />

stubenreime von Beispiel 1 (Kniereiterreim) und Beispiel 4 (Klatschspiel oder Kitzelreim) Das Beispiel<br />

7 (Pflegereim) gehört ebenfalls zur Kategorie der Kinderstubenreime, ist jedoch nicht mehr aktuell,<br />

sobald das Kind selbständig mit dem Löffel isst.<br />

Auch beim Turnspiel (Beispiel 6) ist vom Spektrum der Altersstufe nach oben leicht eingegrenzt, weil<br />

das Kind zunehmend selbständig wird, der Bewegungsablauf könnte hier jedoch angepasst werden,<br />

indem die Bezugsperson sich dem Kind gegenüber auf den Boden setzt und beide die Radlerbewe-<br />

gung mit sich gegenseitig berührenden Füssen ausführen.<br />

Ebenfalls leicht eingeschränkt geeignet sind die Reime 3 (Kinderstubenreim, Fingerspiel) und 9<br />

(Scherzreim, Sprachscherz, Reimspiel) diese sind erst ab dem Alter von etwa drei Jahren geeignet.<br />

Das Beispiel 3 ist ein Fingerspiel und erfordert gewisse feinmotorische Fähigkeiten, das Beispiel 9<br />

wurde in der Kollegialen Validierung kontrovers diskutiert. Es setzt eine gewisse Fähigkeit zum ab-<br />

strakten Denken voraus, die beim Kleinkind noch nicht vorhanden ist. Für ältere Kinder (ab 4 Jahren)<br />

ist der Reim wegen seines Wortwitzes jedoch lustig.<br />

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Besonders zu erwähnen ist das Beispiel 11, ein Reim, der nur aus einem Satz besteht und bedingt<br />

empfehlenswert ist, obwohl er zwar aus sprachstrukturelles Sicht kaum Lernanlass bietet, jedoch allen<br />

übrigen Kriterien sehr gut gerecht wird.<br />

Zwei Reime haben sich im Laufe der Analyse als absolut ungeeignet zur Weitergabe erwiesen. Das<br />

Beispiel 5 (Kinderstubenreim, Zuchtreim) beinhaltet zwar viele Sprachstrukturelle Kriterien, die als<br />

Lernanlässe genutzt werden können, doch Aussage und Inhalt bewirken genau das Gegenteil der<br />

Zielsetzung, das Kind soll durch den Reim nicht zum Sprechen angeregt, sondern vom Sprechen ab-<br />

gehalten werden. Dazu kommt, dass keine begleitenden Bewegungshandlungen oder andere zusätz-<br />

liche Anreize geboten werden, abgesehen vom rein Sprachlichen bieten sich keine weiteren Lernan-<br />

lässe.<br />

Das Beispiel 8 (Stimmungshaftes, lyrisches Gedicht, Naturgedicht) ist ebenfalls nicht empfehlenswert.<br />

Zwar bieten sich auch hier einige Lernanlässe für die Sprache, es könnte aufgrund der positiv bewer-<br />

teten sprachstrukturellen Kriterien durchaus eingesetzt werden. Doch wirkt die Stimmung im Reim je<br />

nach Deutung emotional eher negativ belastet und kann beim Kind möglicherweise Ängste auslösen,<br />

weil der Schluss keine Umkehr zum Guten bringt. Für die Eltern-Kind-Interaktion gibt es abgesehen<br />

vom gemeinsamen Sprechen keinen weiteren Anlass.<br />

Die Bedeutung der Begriffe kann unterschiedlich interpretiert werden, für kleine Kinder sind solche<br />

Doppelbedeutungen nicht verständlich und das Thema entspricht noch nicht ihrem Lebensumfeld.<br />

8.2. Begründung der Auswahl für das Projekt Zeppelin<br />

Die Sprachstrukturellen Aspekte spielten in der Analyse zuerst eine wichtige Rolle, weil davon ausge-<br />

gangen wurde, dass sie für die Sprachförderung von besonderer Bedeutung sind.<br />

Im Laufe der Analyse stellte sich heraus, dass die Reime vom Aspekt Sprachstrukturen alle zur Förde-<br />

rung der Erstsprache geeignet waren, kleine Unterschiede ergaben sich aus der Funktion. Einige<br />

Reime eigneten sich für alle Altersstufen, andere nur für ganz kleine Kinder, wieder andere für die<br />

Vier- bis Fünfjährigen.<br />

Doch wenn ein Reim in den drei Kriterien Interaktion, Interpretation der Motive und ihrer emotionalen<br />

Wirkung und Lernanlässe schlechte Bewertungen erhielt, konnte er für die Zielgruppe des Projektes<br />

Zeppelin nicht empfohlen werden. Im Verlaufe der Analysen verschiedener Reime hat sich gezeigt,<br />

dass die Sprachstrukturen ein wichtiges Kriterium sind, jedoch der Grundlage der anderen Kriterien<br />

bedürfen, damit Sprachförderung wirkungsvoll praktiziert werden kann (vgl. Bruner, 2002, S. 33ff.).<br />

Dies gilt vor allem dann, wenn die Zielgruppe, welche die Reime im Alltag einsetzt, auch im Aufbau<br />

einer stabilen Eltern-Kind-Bindung unterstützt werden sollte.<br />

Wurden anfangs alle Kriterien gleich gewichtet, hat sich der Stellenwert der Sprachstruktur geändert.<br />

Dies wurde dadurch bestätigt, dass Reime mit einer intakten Sprachstruktur und diesbezüglich vielen<br />

Lernanreizen trotzdem als nicht geeignet bewertet wurden, weil die Motive negative Emotionen weck-<br />

ten, oder die Interaktion und die zusätzlichen Lernanlässe vernachlässigt wurden. Umgekehrt kann ein<br />

Reim, der in sprachstruktureller Hinsicht kaum etwas zu bieten hat (vgl. Beispiel 11) für die Zielgruppe<br />

im Projekt Zeppelin trotzdem durchaus empfehlenswert sein.<br />

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In der genauen Analyse gibt es also zwei Reime, die für die Familien im Projekt Zeppelin nicht geeig-<br />

net sind (Beispiele 5 und 8). In der Kurzanalyse der Kinderreime im Anhang sind keine weiteren un-<br />

geeigneten Beispiele aufgelistet, obwohl noch einige in dieser Art existieren. Das Ziel, aufzuzeigen<br />

warum ein Reim sich eignet und welche Kriterien massgebend sind, wurde mit der Analyse der 11<br />

Reime erreicht. Das weitere Material im Anhang dient dazu, eine erweiterte Sammlung geeigneter<br />

Reime für das Projekt Zeppelin zur Abgabe an Familien in psychosozialen Risikosituationen zur Ver-<br />

fügung zu stellen.<br />

9. Beantwortung der Fragestellung<br />

Die Fragestellung lautete: Welche Kinderreime eignen sich besonders zur Weitergabe an jene Famili-<br />

en, die am Projekt Zeppelin beteiligt sind und welche theoretischen Kriterien sind massgebend für die<br />

Auswahl und die weitere Vermittlung an Kinder und Eltern?<br />

Die Frage kann aufgrund der bereits ausführlichen Schilderungen der Forschungsergebnisse wie folgt<br />

beantwortet werden: Es gibt Kinderreime, die sich zur Weitergabe an diese Familien besonders gut<br />

eignen. Diese entsprechen von der Funktion und der Thematik den Bedürfnissen der Kinder im Alter<br />

bis fünf Jahre. Neben einer positiv bewerteten Sprachstruktur, welche dem Alter der Kinder entspre-<br />

chende Lernanlässe bietet, zeichnen sich die Reime dadurch aus, dass sie mehrere Erfahrungsebe-<br />

nen gleichzeitig aktivieren und das Kind selbsttätig sein kann. Diese Reime beinhalten oft vom Spre-<br />

chen begleitete Bewegungshandlungen, vermitteln Bilder und Geräusche sowie weitere Lerninhalte.<br />

Sie handeln von der Lebenswelt der Kinder und sind oft mündlich überliefert.<br />

Die aus der Theorie erarbeiteten Kriterien haben sich als relevant erwiesen für die Analyse und Aus-<br />

wahl der Reime. Damit Sprache besser gelernt werden kann, spielen die theoretisch begründeten<br />

Kriterien Interaktion, emotionale Wirkung der Motive und begleitende Lernanlässe eine wichtige Rolle,<br />

sie bilden die Grundlage für den Spracherwerbsprozess. Grundsätzlich eignen sich Kinderreime sehr<br />

gut, um diesen Prozess zu unterstützen.<br />

10. Die Erkenntnisse im Vergleich zur aktuellen Kinderlyrik-Forschung<br />

Die Erforschung der deutschen Kinderlyrik war in den sechziger und siebziger Jahren ein viel disku-<br />

tiertes Thema. Die meiste Literatur stammt aus dieser Zeit. Die Autorinnen und Autoren werden auch<br />

aktuell immer noch zitiert und der Wissensstand hat sich seither nicht massgebend verändert, eher<br />

verlagert. So geht es heute weniger darum, die Kinderpoesie zu analysieren oder sie nach Themenbe-<br />

reichen und Struktur zu kategorisieren. Viel mehr wird ihre Wirkung auf die kindliche Sprachentwick-<br />

lung und die Realisierung in der Familie näher beleuchtet. In einer empirischen Studie zur Realisie-<br />

rung von Kinderlyrik in der Familie und zum kindlichen Reimvermögen hat Anja Wildemann aufge-<br />

zeigt, welche Bedeutung der Kinderlyrik in den Familien beigemessen wird, zu welchen Anlässen sie<br />

realisiert wird und welchen Einfluss die Familie als primäre Sozialisationsinstanz auf die kindliche<br />

Sprachentwicklung (kindliches Reimvermögen) hat. Zusammengefasst führte die Studie zu folgenden<br />

wesentlichen Resultaten: Kinderlyrik wird in der Familie vor allem in alltägliche Situationen und Inter-<br />

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aktionen integriert. Es werden jedoch kaum bewusste Formen der Auseinandersetzung etabliert. Mit<br />

diesem Ergebnis stimmen auch die Leistungen der Kinder im produktiven Umgang mit gereimter<br />

Sprache überein. Daraus folgert Wildemann, dass die Familie in erster Linie die produktiven Reimfä-<br />

higkeiten fördert und nicht so sehr den analytischen und reflexiven Zugriff auf lyrische Sprache. Die<br />

Familie ist jedoch die Instanz, wo ein Kind in spielerischer Weise erste Erfahrungen mit lyrischer<br />

Sprache sammelt. Darauf baut sich später sein explizites Sprachwissen auf (vgl. Wildemann, 2003, S.<br />

105- 227).<br />

Seit langem beschäftigt sich auch Silvia Hüsler mit Integration von fremdsprachigen Kindern, mit der<br />

Förderung ihrer Erstsprache und ihren Chancen und Problemen im Erlernen der Zweitsprache und mit<br />

dem Übergang in den Kindergarten oder die Schule. Silvia Hüsler hat unzählige Reime, Lieder und<br />

Geschichten aus aller Welt gesammelt und in Buchform veröffentlicht, damit sie von Eltern und Lehr-<br />

personen im Alltag eingesetzt werden können. Die zentralen Themen sind die Aufwertung der Erst-<br />

sprache, die Integration, die Vermittlung zwischen den Kulturen und der spielerische Umgang mit<br />

Sprache.<br />

Es wird also bestätigt, dass Kinderreime gerade für Kinder mit Migrationshintergrund von vielfältiger<br />

Bedeutung sind und einen wesentlichen Beitrag zum Erwerb der Erstsprache leisten. Ebenso wird der<br />

Stellenwert der Familie als Bildungsort beschrieben.<br />

Eine tiefer gehende Analyse bestimmter Reime für Kinder deckt zwar nur einen kleinen Aspekt dieses<br />

grossen Themenbereiches ab und wurde bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht.<br />

Diese Arbeit beleuchtet die Eignung bestimmter albanischer Kinderreime zur Weitergabe an eine be-<br />

stimmte Zielgruppe. Die Ergebnisse beziehen sich nur auf einen sehr eingeschränkten Bereich. Doch<br />

eine Analyse von Reimen, welche die Kriterien der Kinderlyriktheorie mit Kriterien der Neurowissen-<br />

schaften, Interaktion und Spracherwerbstheorien verbindet, wurde bis anhin nicht beschrieben.<br />

11. Ausblick<br />

Wie bereits im Kapitel 6 (Auswertung des Forschungsvorgehens) beschrieben, wäre es möglich, diese<br />

Forschungsarbeit weiter zu differenzieren indem die albanischsprachige Kinderlyriktheorie beigezogen<br />

würde. Dies wäre mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden und wahrscheinlich nur mit einer Re-<br />

cherche vor Ort realisierbar. Dabei könnte jedoch gleichzeitig die Sammlung mündlich überlieferter<br />

Reime erweitert und die neuere literarische Kinderlyrik näher betrachtet werden.<br />

Eine andere weiterführende Perspektive wäre, mit den Kriterien der Sequenzanalyse Kinderreime in<br />

weiteren Sprachen zu analysieren und ihre Eignung zur Weitergabe an Eltern im Projekt Zeppelin und<br />

in anderen Bereichen der Frühförderung mit ähnlichen Zielgruppen zu prüfen. Dies ist realisierbar, wie<br />

die Analyse eines türkischen Kinderreimes im Anhang 13.3. (Seite 93-95) zeigt.<br />

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Ebenfalls von weiterführender Bedeutung ist die Vermittlung der Reime an Eltern. Welche Medien<br />

bieten sich an? Welches Medienverhalten zeigen Familien in psychosozialen Risikosituationen? Wie<br />

muss ein Dokument gestaltet sein, damit es im Alltag eingesetzt wird? Wäre es sinnvoll, die Reime<br />

nicht nur in schriftlicher Form, sondern allenfalls als Podcast oder über eine Internetseite zu veröffent-<br />

lichen? Hier wäre eine Zusammenarbeit mit Studierenden in den entsprechenden Bereichen denkbar.<br />

Die ausgewählten Reime werden nun an die Familien, die im Projekt Zeppelin beteiligt sind, abgege-<br />

ben. Die Entwicklung dieser Kinder wird von den Projektverantwortlichen beobachtet.<br />

Ob die Kinderreime einen massgebenden Einfluss auf die Entwicklung dieser Kinder haben werden,<br />

wird sich allerdings in diesem komplexen Zusammenhängen nie feststellen lassen, weil das isoliert<br />

nicht nachgewiesen werden kann.<br />

Die Auswahl und Bearbeitung der Reime, die Auseinandersetzung mit der albanischen Sprache und<br />

Kultur und der Dialog mit den vielen Menschen die ihre Wurzeln im Kosovo, in Albanien und in Maze-<br />

donien haben, waren mehr als nur das Thema einer Masterarbeit, sondern auch eine Entdeckung<br />

neuer Sichtweisen und Horizonte.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

13. Anhang<br />

13.1. Die Albanische Sprache<br />

Zum besseren Verständnis hier kurz einige Informationen zur Albanischen Sprache. Weltweit spre-<br />

chen etwa 7 Millionen Menschen Albanisch, etwa drei Millionen in Albanien selbst, drei Millionen auf<br />

dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien und etwa eine Million als Emigrantinnen und Emigranten in<br />

aller Welt.<br />

Albanisch wird in Albanien, im Kosovo, in Mazedonien und einigen Teilen von Serbien und Montene-<br />

gro gesprochen. Es gibt zwei Dialektgruppen; das Gegische und das Toskische.<br />

Der Wortschatz enthält viele Lehnwörter aus dem Lateinischen. Es wird vermutet, die Sprache habe<br />

ihre Ursprünge im Illyrischen, davon zeugen heute nur noch Namen und Ortsnamen. Später kamen<br />

Lehnwörter aus weiteren Sprachen hinzu, dem Bulgarischen, Serbischen, Türkisch und Italienisch.<br />

Die moderne albanische Schriftsprache wurde in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf der Grundlage<br />

toskischer Dialekte entwickelt.<br />

Seit 1908 wird ausschließlich das lateinische Alphabet verwendet. Davor wurde Albanisch auch in<br />

griechischer und arabischer Schrift geschrieben (vgl. Beqiraj, 2009).<br />

Die albanische Sprache kennt zwei Geschlechter: masculinum und femininum. Albanische<br />

Substantive haben immer zwei Grundformen: bestimmt und unbestimmt. Dies entspricht in etwa den<br />

deutschen Substantiven, die einen bestimmten oder unbestimmten Artikel bei sich führen. Die syntak-<br />

tischen Funktionen sind aber nicht ganz deckungsgleich.<br />

Die Pluralbildung der albanischen Substantive ist sehr formenreich und unregelmäßig. Insgesamt gibt<br />

es etwa 100 Klassen, nach denen die Mehrzahl gebildet wird. Einige umfassen nur sehr wenige Wör-<br />

ter, andere sind häufig vertreten.<br />

Die Deklination besteht wie im Lateinischen aus fünf Fällen. Die Flexion erfolgt sowohl über Worten-<br />

dungen als auch mit Hilfe vorangestellter Artikel. Im Vergleich zur Pluralbildung sind die Deklinationen<br />

einfach und regelmäßig<br />

Die Adjektive stehen normalerweise hinter dem Substantiv, das sie näher beschreiben. Ein Grossteil<br />

von ihnen hat einen vorangestellten Artikel (vgl. Beqiraj, 2009).<br />

Die albanische Sprache wird phonetisch geschrieben. Einige Laute werden besonders ausgespro-<br />

chen:<br />

Ç: Tsch, Dh: ähnlich dem stimmhaften engl. th wie in this, ë: wenn betont, als geschlossenes ö wie im<br />

Wort möchte. Am Wortende oft kaum hörbar. Gj: wie J bei engl. John, Ll: hartes L, Nj: wie gn im ital.<br />

Lasagne, Rr: ein stark gerolltes r, sh: Sch wie Schuleth: ähnlich dem stimmlosen engl. th wie in think,<br />

Xh: stimmhaft Dsch wie in Dschungel, Zh: j wie in Journal, Y: ü wie in grün<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

13.2. Eine Auswahl von Reimen, nach Kategorien geordnet<br />

Im Anhang folgen nun weitere ausgewählte Reime, die sich zur Weitergabe an die Familien im Projekt<br />

Zeppelin eignen. Sie sind nach Kategorien de Kinderlyriktheorie geordnet und werden zusammenge-<br />

fasst kurz bewertet. Die Reime sind mündlich überliefert, soweit nichts anderes vermerkt.<br />

13.2.1. Nachahme- und Deutereime<br />

Nachahme- und Deutereim / Tierlaute<br />

Albanisch Deutsch<br />

Ki,ki,ki, Ki, ki, ki,<br />

çdo mёngjes, schreit<br />

seç kёndonte, jeden Morgen<br />

njё Kёndez. ein Hahn.<br />

Edhe Pula Und die Hühner<br />

nuk vononte, lassen nicht auf sich warten,<br />

me ka,ka,ka, mit ka, ka, ka,<br />

e pasonte. machen sie sofort weiter.<br />

Ki,ki,ki, Ki, ki, ki,<br />

Ç'ёsht' kjo hata So etwas Schönes,<br />

thoshte Gjeli, sagt der Hahn,<br />

si unё s'ka… gibt es nirgends...<br />

Bewertung:<br />

Der Reim ist von den Sprachstrukturen her sehr einfach, der Erzählablauf logisch, jede zweite Zeile<br />

hat einen Endreim. Einige Begriffe zum Hahn und zu den Hühnern werden gelernt. Es wird mit Tier-<br />

lauten experimentiert, was Kindern im Vorschulalter sehr entspricht. Die Eltern-Kind-Interaktion wird<br />

durch den Dialog zwischen Hahn und Hühnern unterstützt. Die vermittelte Grundstimmung ist positiv<br />

und lädt zum theatralischen Sprechen und zum Lachen ein. Leider fehlt eine Anleitung zur weiteren<br />

Interaktion, mit der man das Sprechen zusätzlich unterstützen könnte.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Nachahme- und Deutereim Handwerkergeräusche<br />

Albanisch<br />

ZHZHIK – ZHZHIK ZHZHIK – ZHZHIK<br />

Zhzhik-zhzhik kёngёs se ç’ ja merr Zhzhik-zhzhik ist das Lied der Säge<br />

Sharra ime dimёr ver’ Meine Säge sägt im Winter und im Sommer<br />

Pyllit preva goxha lis, Sie fällt einen grossen Baum,<br />

Do t’ja hedhim tra shtёpis’! Und ich bringe ihn zum Haus!<br />

Zhzhik-zhzhik dhoga sharroj prapё; Zhzhik-zhzhik säge ich wieder;<br />

Bёj karrige, bёj dollap; mache Stühle und mache Fensterläden;<br />

Pёr krevatin po mendoj Wie ich das Bett machen will<br />

Me dru ahu ta punoj. Werde ich mir noch überlegen.<br />

Zhzhik-zhzhik sharra vete-vjen, Zhzhik-zhzhik die Säge kommt von allein,<br />

Marangoz nesёr do jem. Wenn ich einmal ein grosser Schreiner bin.<br />

Quelle: Beqaraj, 2001<br />

Bewertung<br />

Der Reim bietet neben Sachinformationen wie Alltagsgegenstände hergestellt werden eine Erweite-<br />

rung des Wortschatzes, er fördert die phonologische Bewusstheit, durch die Endreime und vermittelt<br />

Freude am Experimentieren mit dem Geräusch der Säge, das gleichzeitig einen Rhythmus einbringt<br />

und die Dynamik unterstützt. Der Lernanlass könnte noch erweitert werden durch die begleitende<br />

Hand-/Armbewegung zum Sägen. Der Reim ist eher lang und von der Sprache etwas anspruchsvoller,<br />

daher kann er für Kinder ab zwei bis drei Jahren empfohlen werden.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

13.2.2. Abzählreime /Fingerverse<br />

Fingervers zum Rückwärtszählen<br />

Albanisch Deutsch<br />

Pese shkopa te vegjel Fünf kleine Stöcke<br />

mbledhur ne voter, habe ich eingesammelt,<br />

njeri behet prush, der eine wird Asche,<br />

mbeten vetem kater. bleiben nur noch vier.<br />

Kater shkopa te vegjel Vier kleine Stöcke<br />

mbuluar me dhe, habe ich eingegraben,<br />

njeri kalbezohet , der eine wird faul,<br />

mbeten vetem tre bleiben nur noch drei.<br />

Tre shkopa te vegjel Drei kleine Stöcke<br />

i mblodha me ty , habe ich für dich eingesammelt,<br />

njeri humbi rruges, den einen verlor ich auf dem Weg,<br />

mbeten vetem dy. bleiben nur noch zwei.<br />

Dy shkopa te vegjel Zwei kleine Stöcke<br />

ne parmak i ve, habe ich aufgestellt,<br />

njerin e merr era, den einen nimmt der Föhn,<br />

mbetet vetem nje… bleibt nur noch einer.<br />

Zusatzinformationen Albanisch<br />

Numëron gishtat e fëmijës duke filluar nga pes gishtat por duke hequr nga një gisht, sipas vjershes.<br />

Zusatzinformationen Deutsch<br />

Mit den Fingern wird die Anzahl Stöcke gezeigt, immer einer weniger.<br />

Bewertung<br />

Der Reim bietet viele Lernanlässe. Die phonologische Bewusstheit wird durch die Endreime gefördert,<br />

der Wortschatz erweitert, die Flexion der Verben geübt. Die Zahlbegriffe von Null bis Fünf können im<br />

Zusammenhang mit der Menge Finger geübt werden. Die Feinmotorik wird gefördert. Sachinformatio-<br />

nen zum Holz werden vermittelt. Die vermittelten Motive sind von ihrer Aussage her positiv: für die<br />

gesammelt... Der Reim eignet sich für Kinder ab etwa drei Jahren, für jüngere ist er zu anspruchsvoll<br />

von der Thematik und den Anforderungen an die Feinmotorik her.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Fingerreim zum Aufzählen<br />

Albanisch<br />

Një elefant po kolovitej në një fije merimange,<br />

dhe kur e pa që s'u këput thirri një tjeter elefant.<br />

Dy elefantë po koloviten në një fije merimange,<br />

dhe kur e panë që s'u këput thirrën një tjeter elefant.<br />

Tre elefantë po koloviten në një fije merimange,<br />

dhe kur e panë që s'u këput thirrën një tjeter elefant.<br />

Katër ...<br />

Pesë ...<br />

Deutsch<br />

Ein Elefant balanciert auf einem Spinnenfaden;<br />

er sieht, dass der Faden hält und ruft einem zweiten Elefanten.<br />

Zwei Elefanten balancieren auf einem Spinnenfaden,<br />

sie sehen, dass er hält und rufen einen dritten Elefanten.<br />

Drei Elefanten balancieren auf einem Spinnenfaden,<br />

sie sehen, dass der Faden hält und rufen einen vierten Elefanten.<br />

Vier...<br />

Fünf...<br />

Zusatzinformationen Albanisch<br />

Fija këputet kur nëna apo fëmija lodhet së përsërituri vargjet.<br />

Zusatzinformationen Deutsch<br />

Der Faden hält solange, bis Mami nicht mehr aufzählen mag.<br />

Bewertung<br />

Der Reim bietet aus sprachstruktureller Sicht nur wenig Lernanlässe. Das Zählen wird geübt, die Zei-<br />

len immer wieder repetiert. Man kann beim Zählen die Finger zur Hilfe nehmen. Das Motiv ist lustig<br />

und bietet Anlass zur positiven Interaktion. Der Reim eignet sich sehr gut für Kinder ab etwa zwei Jah-<br />

ren.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

13.2.3. Kniereiterreime, Tanz- und Turnspiele<br />

Turnspiel<br />

Albanisch Deutsch<br />

Andej, këtej, kuturu, Hin und her<br />

para, prapa, dhe këtu, vorwärts, rückwärts,<br />

poshtë e lart, ja kështu, rauf und runter,<br />

këndon zogu dru më dru…. Springt der Vogel von Ast zu Ast.<br />

Anleitung Albanisch<br />

Gjatë recitimit të këtyre vargjeve tregohet drejtimi me dorë, me këmbë ose me lëvizje të trupit.<br />

Anleitung Deutsch<br />

Die Bewegungen werden mit Händen, Füssen und dem ganzen Körper in die beschriebene Richtung<br />

gemacht.<br />

Bewertung<br />

Der Reim ist sehr kurz, sprachlich bietet er trotzdem einige Lernanlässe. Die Endungen reimen sich<br />

alle auf den Vokal u. Begriffe zu den Richtungen werden eingeführt und gleichzeitig in Bewegung um-<br />

gesetzt. Durch das gemeinsame Turnen, das Eltern und Kind Freude macht, wird die positive Interak-<br />

tion unterstützt.<br />

Der Reim ist schon für ganz kleine Kinder zu empfehlen.<br />

Turnspiel<br />

Albanisch<br />

A e dini çfarë bën(emri i vogëlushit) kur mërzitet?<br />

Luan me babin (mamin) e tij, dhe zbavitet.<br />

Përkulu,drejtohu,<br />

përplas këmbët,rrotullohu,<br />

Përkulu,drejtohu,<br />

përplas duart,rrotullohu,<br />

Përkulu,drejtohu,<br />

puthe babin (mamin),rrotullohu… (përmend cdo lloj veprimi që të vjen ndër mend)<br />

Deutsch<br />

Wisst ihr was Lindar (Name des Kindes) macht wenn er sich langweilt?<br />

Spielt mit seinem Vater (seiner Mami) und fühlt sich wohl.<br />

Setz dich,<br />

beuge dich,<br />

steh auf,<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

stampf mit den Füssen und dreh dich,<br />

setz dich, beuge dich,<br />

klatsch mit den Händen und dreh dich,<br />

beuge dich, steh auf, gib dem Papi einen Kuss und dreh dich.<br />

Bewertung<br />

Der Reim fördert mit seinen Endreimen die phonologische Bewusstheit und führt ein paar Begriffe zu<br />

den Bewegungen ein. Diese können gut gelernt werden, weil sie gleichzeitig ausgeführt werden.Die<br />

Motive sind emotional sehr positiv behaftet, wenn das Kind sich langweilt, spielen die Eltern mit ihm,<br />

dafür gibt es einen Kuss...<br />

Tanzspiel<br />

Albanisch Deutsch<br />

Bufi bëri dasëm, Bufi macht Hochzeit,<br />

që të gjithë i ftoi, er hat alle eingeladen,<br />

kukumacën e harroi, aber die Katze vergessen,<br />

kukumaca u zemërua, die Katze ist sehr beleidigt,<br />

pse s'më ftoi bufi mua? warum hat Bufi mich nicht eingeladen?<br />

Do t'i coja një peshqesh, ich bringe ihm ein Geschenk,<br />

një arush me katër veshë. Einen Bären mit vier Ohren.<br />

Anleitung Albanisch<br />

Fëmija që ende nuk ecen gjendet në preher të nëne e cila ia këndon këngën dhe e luhatë. Ndërsa<br />

fëmijiët që mund të ecin sillen dorë për dorë në rreth<br />

Anleitung Deutsch<br />

Die Mutter hält das Kind in den Armen und wiegt es. Die Kinder, welche laufen können, drehen sich im<br />

Kreis.<br />

Bewertung<br />

Dieser Reim ist auch für ganz kleine Kinder geeignet. Endreime fördern die phonologische Bewusst-<br />

heit, einige Begriffe aus der Lebenswelt der Kinder kommen vor. Die Geschichte ist lustig, jedoch nicht<br />

unbedingt logisch. Durch die gemeinsame Bewegung, wiegen oder tanzen, wird eine positive Interak-<br />

tion unterstützt.<br />

HfH Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik. Departement 1. 2008-2011. Regula Wettstein 83


Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Klatschspiel<br />

Albanisch<br />

Tapshin tapshin tanana (fëmija rreh shuplakë)<br />

(emir I femijës) gatuan pite<br />

Pite e baklava<br />

(emir i fëmijës) shkon te daja<br />

Rrin atje dy net<br />

Pastaj kthehet te babi i vet…<br />

(kështu mësohet fëmija të rreh shuplakë)<br />

Deutsch<br />

Tapshin tapshin tanana (kann nicht übersetzt werden, das Kind klatscht dazu in die Hände)<br />

Lindar knetet Pita (Teig)<br />

Pita und Süssgebäck<br />

Lindar geht zum Onkel<br />

bleibt dort zwei Nächte,<br />

danach kehrt er zu seinem Vater zurück.<br />

(so lernt das Kind klatschen).<br />

Bewertung<br />

Der Reim wird sehr rhythmisch gesprochen, das Klatschen betont dies noch zusätzlich. Die Endreime<br />

fördern die phonologische Bewusstheit. Gleichzeitiges Sprechen und Klatschen bieten günstige Lern-<br />

anlässe. Das Motiv ist zwar etwas unzusammenhängend und nicht unbedingt logisch, jedoch sehr<br />

positiv, das Kind ist selbständig, stellt Gebäck her und geht zum Onkel, wo es sogar übernachtet,<br />

danach kehrt es zum Vater zurück, dies ist wichtig und vermittelt Sicherheit.<br />

Der Reim ist für alle Kinder im Vorschulalter sehr gut geeignet.<br />

Klatschspiel / Turnspiel<br />

Albanisch Deutsch<br />

Mace, mace, pis, pis, pis, Katze Katze, pis pis pis<br />

ç'ka dollapi, që lëviz, was hat die Schublade, die sich bewegt?<br />

Është miu, koçomiu, Es ist die Maus, ja die Maus,<br />

të gjitha pjatat, i lëpiu. Sie hat alle Teller abgeleckt.<br />

Mi i vogël, ki kujdes, Du kleine Maus pass auf,<br />

bjeri rrethit, mes për mes, geh rundum über die Mitte.<br />

Andej hyr, e këtej dil, Dann hin und her auf die andere Seite,<br />

rreth e qark, mos iu sill. und dreh dich nicht rundum.<br />

Miu i vogël, seç u lodh, Die kleine Maus ist müde,<br />

macja hop, mbi të, u hodh. und die Katze hüpft hopp auf die Maus.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Anleitung Albanisch<br />

Gjatë recitimit të këtyre vargjeve tregohet drejtimi me dorë, me këmbë ose me lëvizje të trupit<br />

Anleitung Deutsch<br />

Die Bewegungen werden mit Händen, Füssen und dem ganzen Körper in die beschriebene Richtung<br />

gemacht.<br />

Bewertung<br />

Der Reim ist sehr dynamisch, die Handlung und die Sprechweise lassen viel Aktivität zu. Das Spre-<br />

chen wird von Bewegungen begleitet, was gute Lernanlässe bietet. Mit den Bewegungen kann expe-<br />

rimentiert werden. Eine positive Eltern-Kind-Interaktion wird damit unterstützt. Die vielen Endreime<br />

fördern die phonologische Bewusstheit und unterstützen den Sprechrhythmus. Die Wortwahl ist für<br />

kleine Kinder gut geeignet, Begriffe stammen aus der Umgebung des Kindes. Der Reim eignet sich für<br />

alle Kinder der Zielgruppe.<br />

Kitzelreim<br />

Bubi i vogël Ein kleiner Hund<br />

Bubi i vogël Ein kleiner Hund<br />

laraman, ganz gefleckt,<br />

leh gjithë ditën, bellt den ganzen Tag,<br />

ham, ham, ham. ham, ham , ham.<br />

Pulat hanë, Die Hühner<br />

në avlli, fressen an ihrem Ort,<br />

sulet bubi, der Hund kommt<br />

me furi, und greift sie an,<br />

ham, ham, ham... ham, ham, ham...<br />

Anleitung Albanisch<br />

Nena e imiton qenin duke e prekur fëmijën e vogël me dorë, sikur ta kafshonte qeni.<br />

Anleitung Deutsch<br />

Die Mutter imitiert den Hund und beisst das Kind andeutungsweise.<br />

Bewertung<br />

Der Reim ist kurz, es kommen nur wenige Begriffe vor. Endreime unterstützen das rhythmische Spre-<br />

chen. Die Wiederholung des Bellens, die vom andeutungsweisen Beissen begleitet wird, lädt zum<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Experimentieren mit den Tierlauten ein. Für Kinder ist der Reim spannend, sie erwarten das Beissen.<br />

Der Reim bietet zwar nur wenige Lernanlässe, doch er bewirkt eine positive Interaktion.<br />

13.2.4. Lyrische Gedichte<br />

(Reime, die Naturphänomene beschreiben, oder dazu da sind, zu einem Gegenstand eine Erklärung<br />

oder Beschreibung abzugeben. Sie werden immer im Zusammenhang mit dem Erscheinen des Ge-<br />

genstandes gesprochen.) Diese Reime weisen alle die gleichen Merkmale auf. Sie werden darum<br />

abschliessend miteinander bewertet.<br />

Albanisch Deutsch<br />

Shi Regen<br />

Shi, shi, lagashi, Regen, Regen, nasser Regen,<br />

bjer' o bjer, me furi, komm, o komm herunter,<br />

jepi tokës pak freski! gib dem Boden ein wenig kühl!<br />

Ku ke qenë gjer tani? Wo bist du bis jetzt gewesen?<br />

I recitohet fëmijës nese bjer shi. Wird dem Kind erzählt, wenn es regnet.<br />

Qershia Kirschen<br />

Vargje, vargje për bukuri Die Kirschen am Baum<br />

Qenka mbushur kjo qershi Büschel an Büschel, sehr schön und voll<br />

Ein shoke shpejt ti marrim Kommt schnell ihr Freunde, pflücken wir sie<br />

Me gëzim në vesh ti varim… Und hängen sie uns an die Ohren.<br />

Flutur Schmetterling<br />

Flutur, Flutur, Schmetterling, Schmetterling,<br />

pashë krahet e lehtë, du hast so leichte Flügel,<br />

mit fal ca pika, schenkst du mir ein paar Punkte,<br />

ti vej në xhaketë? Damit ich sie auf mein Hemd tun kann?<br />

S’të nevoiten Du brauchst<br />

pikat e mia, meine Punkte nicht,<br />

mjaft paske ba, du hast selber genug gemacht,<br />

duke ngrënë qershia. als du Kirschen gegessen hast.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Flutur 2 Schmetterling 2<br />

Flutur, flutur zonjë e bukur Schmetterling, oh Schmetterling<br />

schönes Fräulein,<br />

Babare bjer për dhe Lässt sich auf die Erde fallen<br />

Thot bilbili, trandafili Sagt die Nachtigall, oh du Rose<br />

Qke me mua, që je hidhërua? Warum bist du so wütend auf mich?<br />

(Nëna pyet fëmijën kur ait ë jetë hidhruar me të.) (Die Mutter fragt das Kind, warum es so<br />

wütend ist.)<br />

Geshtenja Kastanien<br />

Jam e vogel rrumbullake, Ich bin klein und rund,<br />

Jam e këndshme për merake, Ich bin sehr fein<br />

Prej malsie vij e më thonë: Ich komme vom Berg und sie sagen mir:<br />

Mirë se vjen gështenja jonë… Herzlich willkommen unsere Marroni...<br />

Bewertung der lyrischen Gedichte<br />

Diese Reime haben alle keine Anleitung zu begleitenden Bewegungen oder Aktionen. Sie beschrei-<br />

ben jedoch alle Dinge aus dem Alltag, die für Kinder bedeutsam sind. Sie werden im Zusammenhang<br />

mit dem Auftreten der Dinge gesprochen. Wenn man Kirschen, oder Kastanien isst, wenn es regnet,<br />

wenn man einen Schmetterling sieht, das Kind böse ist, oder Flecken auf der Kleidung hat. Aus die-<br />

sen alltäglichen Begegnungen, die von einem Reim begleitet werden, ergeben sich die Lernanlässe.<br />

Auch sprachlich ergeben sich Anlässe zur Förderung der phonologischen Bewusstheit, Erweiterung<br />

des Wortschatzes, Bedeutung der Begriffe. Die Reime eignen sich alle für die Zielgruppe der etwas<br />

älteren Kinder ab etwa zwei bis drei Jahren.<br />

13.2.5. Schlaflieder<br />

Schlaflied<br />

Albanisch Deutsch<br />

Po vjen gjumi veç tuj vet, Es kommt der Schlaf und fragt,<br />

a ka ra Lindari ndjep? liegt Lindar (Name des Kindes) in der Wiege?<br />

Hem ka ra e hem u que, er ist dort gelegen und aufgestanden,<br />

ka marr buk ka dal me lue, hat Brot mitgenommen und ist spielen gegangen,<br />

e ka gjet një moll e ftue, er hat einen Apfel und eine Quitte gefunden,<br />

babit vet don me ja rue. Die hebt er für seinen Vater auf.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Bewertung<br />

Der Reim eignet sich sehr gut für alle Kinder der Zielgruppe, er kann von den Eltern auch mit einer<br />

selbst gedichteten Melodie gesungen werden. Im Kosovo schlafen Kinder oft in kleinen Wiegen und<br />

werden in den Schlaf gewiegt, es gibt daher viele Wiegenlieder. Der Schwerpunkt liegt also in der<br />

Eltern-Kind-Interaktion, dem Vermitteln von Geborgenheit und Ruhe, weniger auf der Förderung von<br />

Sprache. Trotzdem spielen die Endreime eine wichtige Rolle für den Sprechrhythmus.<br />

Schlaflied<br />

Albanisch Deutsch<br />

Nё liqen moj nёnё Auf den See o Mutter<br />

Njё top paska rёnё ist ein Ball gefallen,<br />

merre ma jep mua nimm ihn und gib ihn mir<br />

e dua, e dua. ich will ihn, ich will ihn.<br />

Sёshtё top Lindar, Das ist kein Ball Lindar,<br />

por shikoje mir, schau ihn richtig an,<br />

eshtё dritё qe bjen, es ist ein Lichtschein,<br />

hena mbi liqen. der Mond auf dem See.<br />

Bewertung<br />

Die Besonderheit dieses Reimes ist, dass das Kind persönlich mit dem Namen angesprochen wird.<br />

Auch hier werden Ruhe und Geborgenheit vermittelt. Das Phänomen des Mondes, der sich im Wasser<br />

spiegelt wird beschrieben. Die Endreime fördern die phonologische Bewusstheit und unterstützen den<br />

Sprechrhythmus.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

13.2.6. Pflegereime<br />

Pflegereim zum Waschen<br />

Albanisch Deutsch<br />

O maçok, çamarrok, Oh du Kater,<br />

Pse po vjen vërdallë, warum kommst du so schnell,<br />

Po kërkoj një pisanjos, Ich suche ein Kind, das nicht sauber ist,<br />

Ta lëpij në ballë. Damit ich ihm das Gesicht abschlecken kann.<br />

Tri-li-li, tra-la-la, Tri-li-li, tra-la-la,<br />

Pisanjosa këtu s'ka, Hier gibt es keine Kinder, die nicht sauber sind<br />

(emri i fëmijës) është shembullor-e, Lindar (Name des Kindes) ist ein Vorbild,<br />

është pastruar me kohë! er hat sich rechtzeitig gewaschen!<br />

O maçok, çamarrok, Oh du Kater,<br />

A ke tjetër punë? Hast du keine andere Arbeit?<br />

Kush nuk ka shami Wer kein Taschentuch hat<br />

Ta lëpij në hundë. Dem leck ich die Nase ab.<br />

Tra-la-la, tri-li-li, Tra-la-la, tri-li-li,<br />

Që të gjithë kemi shami, Hier haben alle ein Taschentuch.<br />

(emri i fëmijës) është shembullor, Lindar (Name des Kindes) macht es sehr gut,<br />

e ka shaminë në dorë! er hat ein Taschentuch in der Hand!<br />

Anleitung Albanisch<br />

I këndohet fëmijës që të mësoj të pastroj duart dhe fytyren dhe të ve perparësen para se te hajë.<br />

Anleitung Deutsch<br />

Wird mit den Kindern gesagt, um sich spielerisch waschen zu lernen, vor dem Essen Gesicht und<br />

Hände zu waschen.<br />

Bewertung<br />

Dieser Reim ist im Alltag sehr gut einsetzbar und daher für die Kinder von 6 Monaten bis ins Vor-<br />

schulalter gut geeignet. Das Kind wird mit seinem Namen persönlich angesprochen. Das Sprechen<br />

begleitet die Handlung des Waschens und des Abtrocknens. Darum ergeben sich gleichzeitig zwei<br />

Lernanlässe. Die Endreime der Zeilen begünstigen die phonologische Bewusstheit, Begriffe der Kör-<br />

perpflege werden spielerisch angewendet. Das Motiv der Katze, die den Kindern das Gesicht ableckt<br />

ist lustig und begünstigt die positive Interaktion.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Reim zum Aufstehen und Waschen<br />

Albanisch<br />

Tapshin, tapshin piteta,<br />

u qu Lindari (Name des Kindes einfügen, z.B. Lindar) me saba,<br />

i lan faqët me sapun,<br />

i thot mamit të dua shum.<br />

Deutsch<br />

Tapshin, tapshin piteta (kann man nicht übersetzen)<br />

Lindar ist am Morgen aufgestanden,<br />

wäscht sich die Wangen mit Seife,<br />

und sagt zu Mami, ich liebe dich sehr.<br />

Bewertung<br />

Der Reim ist sehr kurz, die Endreime fördern die phonologische Bewusstheit und der Nonsense-Satz<br />

am Anfang fördert den Sprechrhythmus und das Experimentieren mit der Sprache. Das Motiv vermit-<br />

telt eine positive Grundstimmung. Der Reim kann eingesetzt werden beim Aufstehen oder bei der<br />

Morgentoilette. Um den Lernanlass zu erweitern kann im Rhythmus geklatscht werden. Für die Ziel-<br />

gruppe ist der Reim gut geeignet, er kann auch mit den allerkleinsten Kindern gesprochen werden.<br />

Pflegereim<br />

Albanisch Deutsch<br />

Xhepi im i vogёl Meine kleine Hosentasche<br />

cka kёrkon nga mua? was willst du von mir?<br />

Njё shami tё voge, Ein kleines Tuch<br />

pёr hundet e tua. für deine Nase.<br />

Bewertung<br />

Der Reim ist sehr kurz, hat Endreime, welche die phonologische Bewusstheit fördern und es geht um<br />

Alltagsbegriffe. Er lässt sich gut einsetzen, um mit dem Kind das Nase putzen zu üben, oder es darauf<br />

aufmerksam zu machen, wenn es vergisst, seine Nase zu putzen. Er kann eine Situation, die allenfalls<br />

eine Verweigerung des Kindes hervorruft entschärfen und das Kind dazu bewegen sich die Nase zu<br />

putzen.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Pflegereim zum Waschen<br />

Albanisch Deutsch<br />

Bie shiu pika-pika, Es regnet tröpfchenweise,<br />

Lahen rosat, lahen rikat, Enten und Erpel waschen sich,<br />

lahen patat, qafë-gjatat, es waschen sich die Gänse,<br />

lahen bibat, pendë-artat, und es waschen sich die Truthähne.<br />

I sheh (emri i fëmijës) dhe habitet, Lindar (Kindername) schaut ihnen fasziniert zu,<br />

Mirë që lajnë këmbë dhe faqe, Sie waschen sich ganz schön die Füsse,<br />

Mirë dhe pendët që i lajnë, Sie waschen sich auch gut die Federn,<br />

Pse s'i heqin që ti thajnë? Warum tun sie die Federn nicht raus zum Trocknen?<br />

Anleitung Albanisch<br />

I recitohet fëmijëve shumë të vegjel, ata gëzohen kur u përmendet emëri.<br />

Anleitung Deutsch<br />

Kleine Kinder freuen sich, wenn ihr Name erwähnt wird. (Kann beim Baden gesprochen werden.)<br />

Bewertung<br />

Die Endreime fördern die phonologische Bewusstheit. Es werden Begriffe zum Waschen und zu den<br />

Tieren eingeführt. Die Tiere sind ein Motiv, welches den Kindern nahe ist und sie motiviert, es ihnen<br />

gleich zu tun und sich ebenfalls zu waschen. Durch das Sprechen des Reimes wird das Waschen zum<br />

Spiel, der Reim ist linear aufgebaut und die Kinder folgen der Geschichte. Sie werden persönlich an-<br />

gesprochen, was die positive Interaktion verstärkt.<br />

Pflegereim gegen Angst beim Arztbesuch...<br />

Iriqi i vogël, Der kleine Igel<br />

u sëmur, wurde krank,<br />

me rrufë, kollë, er mag nicht, hustet,<br />

temperaturë. hat Fieber.<br />

Mamaja shpejt, Mami nimmt ihn, schnell,<br />

e shpejt e mori, ganz schnell,<br />

dhe e çoi, bringt sie ihn<br />

tek doktori. zum Doktor.<br />

"Do të bëj gjilpërë" „Ich gebe dir eine Spritze“<br />

doktori thotë, sagt ihm der Arzt,<br />

iriqi qan, der Igel weint<br />

e qan me lot. und weint viele Tränen.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

E mori vesh, Doch er hat verstanden,<br />

një pyll i tërë, bei dem Wald an Nadeln (Stacheln),<br />

s'bën dot iriqi, den der Igel hat, muss er sich<br />

një gjilpërë! vor einer einzigen Nadel nicht fürchten!<br />

Bewertung<br />

Der Reim ist nahe an der Erlebniswelt des Kindes. Er bietet aus sprachstruktureller Sicht wenige<br />

Lernanlässe, weil er sehr kurz ist und nur einzelne Endungen sich reimen. Er wird zur Beruhigung des<br />

Kindes eingesetzt, wenn es sich vor einer Spritze fürchtet. Kleine Kinder verstehen den Bezug zwi-<br />

schen Igelstacheln und Spritzennadel noch nicht, darum ist er eher für ältere Kinder geeignet.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

13.3. Beispiel für einen türkischen Kinderreim<br />

Türkisch Deutsch<br />

Beyaz Ördek Die weisse Ente<br />

Bak bir beyaz ördek Sieh, da ist eine weisse Ente<br />

Ne hoş yüzüyor Sie schwimmt so fröhlich<br />

Yüzüp giderken dalıp çıkıyor Sie schwimmt, sie taucht<br />

Dalıp çıkıyor Sie taucht und singt<br />

Vak vaka vak vak vak Vak vaka vak vak vak<br />

Vik viki vik vik vik Vik viki vik vik vik<br />

Gagası uzun kuyruğu kısa Ihr Schwanz ist kurz und ihr Schnabel ist lang<br />

Tüyleri parlak yürüyüşü paytak Ihre Federn sind bunt, sie watschelt und singt<br />

Vak vaka vak vak vak Vak vaka vak vak vak<br />

Vik viki vik vik vik Vik viki vik vik vik<br />

Anleitung Türkisch<br />

Fehlt<br />

Ursprung<br />

Mündliche Überlieferung von K. Darilmaz, einem ehemaligen Schüler.<br />

Zuordnung nach Funktion<br />

Nachahme- und Deutereim, Tierlaute.<br />

Thematik und Handlung<br />

In zwei Strophen wird die weisse Ente beschrieben. Im ersten Teil geht es darum, was sie tut, im<br />

zweiten Teil darum, wie sie aussieht. Allgemein wird sie als fröhlich beschrieben und sie singt munter.<br />

Sprachstrukturelle Aspekte<br />

Erzählstrukturen<br />

Die Handlung ist linear und logisch, die Tierlaute nehmen viel Raum ein. Die Sätze sind sehr kurz und<br />

beschreiben die Ente. Interessant ist, dass sie im Vergleich zum Deutsch nicht einfach quakt, sondern<br />

zwei unterschiedliche Laute von sich gibt.<br />

Dramatik, Prosodie, Rhythmus<br />

Das zentrale Element dieses Reimes sind die Tiergeräusche, die einen klaren, sich wiederholenden<br />

Rhythmus haben. Dort findet die Steigerung statt, also jeweils am Ende der Strophen. Ebenfalls sehr<br />

prägnant ist der Anfang, wo das Kind zum Hinschauen aufgefordert wird. Die Aussprache ist fröhlich<br />

imitierend.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Lexik und Semantik<br />

Es werden sehr viele Begriffe zur Ente eingeführt, Verben wie tauchen, schwimmen usw. sowie Adjek-<br />

tive zur Beschreibung.<br />

Phonetik<br />

Es gibt wenige Konsonantenverbindungen, rl kann geübt werden, sowie sch. Wichtig sind die Tierlau-<br />

te, wo mit Phonemen gespielt und experimentiert wird.<br />

Phonologie<br />

Nicht alle Zeilen weisen Endreime auf, bei den jeweils ersten Zeilen fehlen diese. Reime ergeben sich<br />

hier oft auch aus Wortwiederholungen.<br />

Morphologie<br />

Die Verben werden in der 3. Person Einzahl konjugiert, der Reim steht im Präsens, der Gegenwarts-<br />

form.<br />

Syntax<br />

Die Sätze sind sehr einfach aufgebaut und bestehen vorwiegend aus Subjekt und Prädikat. Es wird<br />

aneinandergereiht oder mittels und verbunden.<br />

Kollegiale Validierung und Ergänzungen<br />

Kasim hat erzählt, dass er zuhause ganz viele Reime gelernt hat und diese oft aufgesagt werden. Er<br />

findet den Reim mit der Ente lustig, weil er gerne in Rollen schlüpft und weil die Ente so fröhlich ist.<br />

Interaktion<br />

Die Eltern können gemeinsam mit dem Kind in die Rolle der Ente schlüpfen. Der Reim kann durch<br />

klatschen unterstützt werden, oder bei einer Gelegenheit, wo man einer Ente, oder einem Bild einer<br />

Ente begegnet, aufgesagt werden.<br />

Interpretation der Motive und ihrer emotionalen Wirkung<br />

Die Ente wird als sehr aktiv und fröhlich beschrieben. Auch der Rhythmus des Reimes wirkt motivie-<br />

rend und fordert zum Sprechen auf.<br />

Lernanlässe<br />

Der Reim bietet aus sprachlicher Sicht eine Erweiterung des Wortschatzes, kleine Übungsanlässe für<br />

die phonologische Bewusstheit und Anlass zum Experimentieren mit den Tierlauten. Die Sätze sind<br />

einfach und entsprechen dem Stand der Vorschulkinder. Mit Klatschen oder Anschauungsmaterial<br />

kann die Wirkung verstärkt werden, weil dann mehrere Sinneskanäle angesprochen werden.<br />

Diskussion und Begründung der Ergebnisse<br />

Der Reim eignet sich zur Abgabe an türkisch sprechende Familien mit Kindern im Alter von eins bis<br />

sechs Jahren. Er ist mit dem fröhlichen Motiv sehr ansprechend und vor allem für Kinder gedacht, die<br />

noch den Tierlaut anstelle des Begriffes verwenden, wenn sie ein Tier sehen.<br />

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Masterarbeit Këngë për fëmijët e vegjel. Reime für kleine Kinder.<br />

Es zeigt sich, dass diese Analyseform sich problemlos auch auf Kinderreime in anderen Sprachen,<br />

wie z.B. Türkisch anwenden lässt.<br />

Es gibt Kinderlyrik, die keine Landesgrenzen kennt und in den verschiedensten Sprachen fast iden-<br />

tisch auftaucht. Dies bestätigt das Beispiel eines bekannten Kinderliedes, das man in der ganzen Welt<br />

findet.<br />

Prala Jakop Bruder Jakob Frère Jaques<br />

Prala Jakop, Bruder Jakob Frère Jaques<br />

Prala Jakop, Bruder Jakob, Frère Jaques<br />

sovea pana schläfst du noch dormez vous<br />

sovea pana schläfst du noch dormez vous<br />

na schunea o sati hörst du nicht die Glocken sonnez les matines<br />

na schunea o sati hörst du nicht die Glocken sonnez les matines<br />

zvonini ring, ding, dong. Ding dang dong don don don<br />

(Rumänisch) (Deutsch) (Französisch)<br />

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