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ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de

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<strong>in</strong>terview<br />

Mehr unter:<br />

www.netzwerkrecherche.<strong>de</strong><br />

Herr Prantl, welche Be<strong>de</strong>utung hat die Pressefreiheit für<br />

die Demokratie?<br />

Sie hat e<strong>in</strong>e zentrale Be<strong>de</strong>utung: Mit <strong>de</strong>r Pressefreiheit<br />

beg<strong>in</strong>nt die Demokratie. Sehen Sie:<br />

Das Journal<strong>ist</strong>en-Netzwerk „netzwerk recherche“<br />

hat <strong>de</strong>n Negativpreis „Verschlossene Auster“ an<br />

Wladimir Put<strong>in</strong> vergeben für se<strong>in</strong>e Presse- Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rungspolitik.<br />

Fragen wir uns also: Was<br />

be<strong>de</strong>utet Pressefreiheit für e<strong>in</strong>en funktionieren<strong>de</strong>n<br />

und lebendigen Staat? Ich glaube, lebendige und<br />

wirkliche Demokratie kann es wirklich nur dann<br />

geben, wenn Pressefreiheit funktioniert.<br />

Die Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“<br />

veröffentlichte <strong>in</strong> <strong>de</strong>n vergangenen Monaten Studien und<br />

Rank<strong>in</strong>gs zur gegenwärtigen Lage <strong>de</strong>r Pressefreiheit weltweit.<br />

Schon im Mai 2006 teilte „Reporter ohne Grenzen“ mit, <strong>das</strong>s<br />

sich Deutschland im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich von Platz 11<br />

auf Platz 18 verschlechtert habe und nur e<strong>in</strong> halbes Jahr<br />

später, im Oktober 2006, auf Platz 23 ‚abgerutscht‘ sei. Wie<br />

bewerten Sie dieses Rank<strong>in</strong>g und se<strong>in</strong>e Methodik?<br />

Ich kenne die Kriterien nicht; aber warum<br />

Deutschland abgerutscht <strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> leicht zu erklären.<br />

Zum e<strong>in</strong>en gab es fragwürdige staatliche Durchsuchungsaktionen<br />

<strong>in</strong> Redaktionen und Privatwohnungen<br />

von Journal<strong>ist</strong>en. Die Durchsuchung beim<br />

Magaz<strong>in</strong> Cicero <strong>ist</strong> ja allgeme<strong>in</strong> bekannt gewor<strong>de</strong>n,<br />

es gibt auch viele an<strong>de</strong>re. Und es gibt diese<br />

seltsamen Erkenntnisse über <strong>de</strong>n Geheimdienst,<br />

<strong>de</strong>r Journal<strong>ist</strong>en angeworben hat. Natürlich muss<br />

man sich selbst als Vertreter dieser Branche auf<br />

die Brust klopfen und feststellen, <strong>das</strong>s es lei<strong>de</strong>r so<br />

genannte Journal<strong>ist</strong>en gibt, die sich kaufen lassen,<br />

um Kollegen auszuspionieren. Außer<strong>de</strong>m wächst<br />

<strong>de</strong>r wirtschaftliche Druck <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Redaktionen. E<strong>in</strong><br />

frei?* / W<strong>in</strong>ter 2008<br />

„MIT DER PRESSEFREIHEIT BEGINNT<br />

DIE DEMOKRATIE“<br />

„Pressefreiheit be<strong>de</strong>utet nicht e<strong>in</strong>e Freiheit ohne Verantwortung“<br />

warnt <strong>de</strong>r renommierte SZ-Journal<strong>ist</strong> Heribert Prantl.<br />

Mit ihm unterhielt sich <strong>in</strong> Hambach Franziska Walther.<br />

kritischer Journalismus, e<strong>in</strong>er <strong>de</strong>r sich Zeit nimmt,<br />

sich auch mit schwierigen Fragen zu beschäftigen,<br />

<strong>de</strong>r <strong>in</strong>vestigativ arbeiten kann, <strong>ist</strong> gefähr<strong>de</strong>t<br />

In Anlehnung an <strong>das</strong> von „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlichte<br />

Rank<strong>in</strong>g lautet e<strong>in</strong>e Überschrift e<strong>in</strong>es Artikels<br />

bei SPIEGEL ONLINE „Mehr Pressefreiheit <strong>in</strong> Bolivien als <strong>in</strong><br />

Deutschland“. Wie <strong>ist</strong> dies zu bewerten?<br />

Das <strong>ist</strong> so als wür<strong>de</strong> ich Armut <strong>in</strong> Deutschland mit<br />

Armut <strong>in</strong> Kalkutta vergleichen. Es gibt Menschen,<br />

die sagen, <strong>das</strong>s es <strong>in</strong> Deutschland ke<strong>in</strong>e Armut gebe,<br />

<strong>de</strong>nn angesichts <strong>de</strong>r Armut <strong>in</strong> Bombay, <strong>in</strong> Kalkutta<br />

und <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Slums von Rio <strong>de</strong> Janeiro sei alles, was<br />

hier Armut heißt, Wohlleben. Aber so geht <strong>de</strong>r<br />

Vergleich nicht, ich muss die Verhältnisse dort betrachten<br />

und vergleichen, wo sie sich abspielen. Es<br />

gibt natürlich Armut <strong>in</strong> Deutschland. Arm <strong>ist</strong> <strong>de</strong>r,<br />

<strong>de</strong>m sich <strong>das</strong> normale Leben, <strong>das</strong> Leben <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong>schaft,<br />

nicht entfaltet. Die Armut <strong>in</strong> Deutschland<br />

<strong>ist</strong> weniger e<strong>in</strong>e Kalorienfrage, son<strong>de</strong>rn e<strong>in</strong>e<br />

Teilhabefrage – und ich <strong>de</strong>nke, mit Pressefreiheit<br />

<strong>ist</strong> es ähnlich. Man muss bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r<br />

Lage <strong>de</strong>r Pressefreiheit <strong>in</strong> Deutschland ausgehen<br />

von <strong>de</strong>m Zustand, <strong>de</strong>n <strong>das</strong> Grundgesetz vorgibt<br />

und <strong>de</strong>n die Politiker <strong>in</strong> all Ihren Re<strong>de</strong>n loben.<br />

Am Beispiel <strong>de</strong>r Cicero Affäre <strong>ist</strong> die Thematik <strong>de</strong>r Pressefreiheit<br />

verstärkt <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Blickw<strong>in</strong>kel <strong>de</strong>r Öffentlichkeit geraten.<br />

Der Tenor nach <strong>de</strong>n Durchsuchungen <strong>de</strong>r Cicero-Redaktion<br />

und <strong>de</strong>s Redakteurs Bruno Schirra war, <strong>das</strong>s dies e<strong>in</strong>e erhebliche<br />

Verletzung <strong>de</strong>r Pressefreiheit sei. Wie bewerten also Sie<br />

die Untersuchungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Cicero-Redaktion?<br />

Seit <strong>de</strong>m es <strong>de</strong>n Journalismus gibt und seit<strong>de</strong>m<br />

sich die Herrschen<strong>de</strong>n gegen <strong>de</strong>n Journalismus<br />

wehren, behaupten sie immer, <strong>das</strong>s missliebiger<br />

„Pressefreiheit darf ke<strong>in</strong> Tarnwort se<strong>in</strong> für Schlampigkeit“,<br />

<strong>de</strong>r SZ-Journal<strong>ist</strong> Heribert Prantl bei <strong>de</strong>r<br />

po-Tagung <strong>in</strong> Neustadt an <strong>de</strong>r We<strong>in</strong>straße.<br />

10<br />

o<strong>de</strong>r unbequemer Journalismus Staats<strong>in</strong>teressen<br />

gefähr<strong>de</strong>. Früher sagte man Hochverrat, bei <strong>de</strong>r<br />

Spiegel-Affäre sagte man Lan<strong>de</strong>sverrrat – wegen<br />

e<strong>in</strong>es im Übrigen lächerlichen Artikels. Dah<strong>in</strong>ter<br />

stand e<strong>in</strong>fach, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r Spiegel <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>nauer-<br />

Regierung, <strong>in</strong> diesem Fall speziell Franz-Josef<br />

Strauß e<strong>in</strong> Ärgernis war. Heute re<strong>de</strong>t man,<br />

noch e<strong>in</strong> paar Nummern kle<strong>in</strong>er, vom Verrat<br />

von Dienstgeheimnissen. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich<br />

um e<strong>in</strong>e ziemlich überflüssige Strafvorschrift<br />

am untersten Rand <strong>de</strong>r Deliktsskala. Aber <strong>de</strong>n<br />

Sicherheitsbehör<strong>de</strong>n genügt <strong>das</strong>, um Ermittlungs-<br />

und Zwangsmaßnahmen e<strong>in</strong>zuleiten.<br />

Es wur<strong>de</strong>n ja Telefonnummern und Arbeitsweisen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>skrim<strong>in</strong>alamtes<br />

bekannt gemacht.<br />

Ich muss als Journal<strong>ist</strong> abwägen und zwischen<br />

Öffentlichkeits<strong>in</strong>teresse und staatlichem Geheimhaltungs<strong>in</strong>teresse<br />

unterschei<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong> verantwortlicher<br />

Journal<strong>ist</strong> kann <strong>das</strong> ganz gut. Ich<br />

sehe auch <strong>in</strong> <strong>de</strong>m genannten Fall nicht, <strong>das</strong> e<strong>in</strong><br />

überwiegen<strong>de</strong>s staatliches Geheimhaltungs<strong>in</strong>teresse<br />

bestan<strong>de</strong>n hätte. Natürlich – <strong>de</strong>r Cicero<br />

hat e<strong>in</strong> paar Sachen veröffentlicht, die hätte man<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt veröffentlich müssen, die hatten<br />

ke<strong>in</strong>en Öffentlichkeitswert. Ich muss aufpassen,<br />

was ich mache, ich darf nieman<strong>de</strong>m persönlich<br />

scha<strong>de</strong>n. Ich muss auch schauen, was ich mit<br />

<strong>de</strong>m, was ich veröffentliche, anrichten kann.<br />

Wenn es nur darum geht, mich mit me<strong>in</strong>en<br />

Kenntnissen, die eigentlich ke<strong>in</strong>en beson<strong>de</strong>ren<br />

Öffentlichkeitswert haben, zu brüsten, dann<br />

wird es kritisch. Gelegentlich <strong>ist</strong> <strong>das</strong> Bewusstse<strong>in</strong><br />

für die Pflichten, welche die Pressefreiheit auch<br />

be<strong>in</strong>haltet, zu wenig ausgebil<strong>de</strong>t.<br />

Wie zum Beispiel die Sorgfaltspflicht?<br />

Pressefreiheit darf ke<strong>in</strong> Tarnwort se<strong>in</strong> für<br />

Schlampigkeit. In me<strong>in</strong>em alten Beruf als<br />

Richter kannte und genoss ich die richterliche<br />

Unabhängigkeit. Die Pressefreiheit für <strong>de</strong>n<br />

Journal<strong>ist</strong>en <strong>ist</strong> so etwas Ähnliches wie die Unabhängigkeit<br />

für <strong>de</strong>n Richter. Aber <strong>in</strong> bei<strong>de</strong>n<br />

Fällen darf eben nicht <strong>das</strong> passieren, was oft<br />

passiert. We<strong>de</strong>r darf die Unabhängigkeit <strong>de</strong>n<br />

Richter noch die Pressefreiheit <strong>de</strong>n Journal<strong>ist</strong>en<br />

verleiten zu Überheblichkeiten, zur Arroganz<br />

o<strong>de</strong>r zur Faulheit.<br />

Gibt es e<strong>in</strong> Rezept, wie die Pressefreiheit von Journal<strong>ist</strong>en<br />

geschützt wer<strong>de</strong>n kann?<br />

Man muss sich immer wie<strong>de</strong>r klar machen,<br />

warum es die Pressefreiheit gibt. Es <strong>ist</strong>, um es<br />

e<strong>in</strong> wenig pathetisch zu sagen, e<strong>in</strong>e dienen<strong>de</strong><br />

Freiheit: Sie dient <strong>de</strong>r Demokratie. Ich muss<br />

diese Aufgabe und diesen Beruf ernst nehmen.<br />

Ich sage absichtlich nicht Job, weil es ke<strong>in</strong> Job <strong>ist</strong>.<br />

Man muss nicht je<strong>de</strong>n Tag be<strong>de</strong>utungsschwanger<br />

<strong>in</strong>s Büro kommen und sagen, was habe ich doch<br />

für e<strong>in</strong>e tolle <strong>de</strong>mokratische Aufgabe. Aber ich<br />

muss mir <strong>de</strong>ssen bewusst se<strong>in</strong>, <strong>das</strong>s ich auf e<strong>in</strong>em<br />

Terra<strong>in</strong> arbeite, welches vom Jahr 1832 an, vom<br />

Hambacher Fest an, mühsam erkämpft wor<strong>de</strong>n<br />

<strong>ist</strong>. Das for<strong>de</strong>rt von mir etwas, zum Beispiel, <strong>das</strong>s<br />

ich es mir nicht zu leicht mache.

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