ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de
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27 frei?* / W<strong>in</strong>ter 2008 ausland<br />
ANGESCHWIPSTE PRäSIDENTEN GIBT ES NICHT<br />
Pressefreiheit à la Sarkozy <strong>in</strong> Frankreich. Von Ulrike Franke<br />
D<br />
er Prési<strong>de</strong>nt <strong>de</strong> la République<br />
betrunken auf<br />
<strong>de</strong>m G8-Gipfel nach<br />
e<strong>in</strong>em Treffen mit <strong>de</strong>m russischen<br />
Staatsoberhaupt Vladimir Put<strong>in</strong>?<br />
Derselbe Prési<strong>de</strong>nt, <strong>de</strong>r Berichten<br />
nach nie e<strong>in</strong> Tropfen Alkohol zu<br />
sich nimmt? Für die französische<br />
Presse schlicht unmöglich. Möglich<br />
jedoch für ihre belgische Kollegen,<br />
die aus <strong>de</strong>m offensichtlich<br />
leicht verwirrten und außer Atem<br />
zur Pressekonferenz gekommenen<br />
Nicolas Sarkozy e<strong>in</strong>en Präsi<strong>de</strong>nten<br />
machten <strong>de</strong>r „offensichtlich nicht<br />
nur Wasser getrunken hatte“. Nach<br />
<strong>de</strong>r vollständigen Ignorierung <strong>de</strong>s<br />
Vorfalls durch die französischen<br />
Medien griffen ausländische Medien<br />
ihn auf und <strong>in</strong>nerhalb kürzester<br />
Zeit sahen rund fünfzehn Millionen<br />
User <strong>das</strong> betreffen<strong>de</strong> Vi<strong>de</strong>o auf <strong>de</strong>m<br />
Internetvi<strong>de</strong>oportal You-tube.<br />
Ob Sarkozy betrunken war o<strong>de</strong>r<br />
nicht, lässt sich nicht mit Sicherheit<br />
sagen. Die Frage <strong>ist</strong> nur, wie<br />
e<strong>in</strong> solcher, durchaus <strong>in</strong>teressanter<br />
Fauxpas <strong>de</strong>s Präsi<strong>de</strong>nten se<strong>in</strong>en Weg<br />
nicht <strong>in</strong> die französischen Medien<br />
gefun<strong>de</strong>n hat. Geht es hier nur um<br />
<strong>de</strong>n berühmten und stark vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Nationalstolz <strong>de</strong>r Franzosen,<br />
die ihren Präsi<strong>de</strong>nten nicht unnötig<br />
bloßstellen wollen? O<strong>de</strong>r gibt es<br />
seit e<strong>in</strong>iger Zeit <strong>in</strong> Frankreich die<br />
berühmte „Schere im Kopf“?<br />
Diese Schere im Kopf <strong>ist</strong> e<strong>in</strong><br />
metaphorischer Begriff für <strong>das</strong> Verhalten<br />
von Journal<strong>ist</strong>en, die sich e<strong>in</strong>e<br />
Selbstzensur auflegen. Die Grün<strong>de</strong><br />
hierfür können vielfältig se<strong>in</strong>. Betrachtet<br />
man die Entwicklungen<br />
<strong>in</strong> unserem Nachbarland auf <strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>s Rhe<strong>in</strong>s f<strong>in</strong><strong>de</strong>t man<br />
zur Zeit lei<strong>de</strong>r haufenweise solcher<br />
Grün<strong>de</strong>.<br />
hoMestory MIt bösen folgen<br />
Als im August 2005 die französische<br />
Zeitschrift Paris Match (vergleichbar<br />
mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Bunte) e<strong>in</strong>e<br />
Titelgeschichte über die Gatt<strong>in</strong> <strong>de</strong>s<br />
damaligen Innenm<strong>in</strong><strong>ist</strong>ers Nicolas<br />
Sarkozy veröffentlichte und damit<br />
die besten Verkäufe ihrer Geschichte<br />
realisierte, konnte sich <strong>de</strong>ren<br />
Chefredakteur, Ala<strong>in</strong> Genestar,<br />
e<strong>in</strong>ige Zeit später nach e<strong>in</strong>er neuen<br />
Anstellung umsehen.<br />
Das bekannte Journal du Dimanche<br />
stoppte im Juni dieses Jahres <strong>in</strong><br />
letzter M<strong>in</strong>ute e<strong>in</strong>e Meldung, eben-<br />
falls über Cecilia Sarkozy, diesmal<br />
bezüglich ihres nicht-wählengehens<br />
im zweiten Wahldurchgang <strong>de</strong>r<br />
französischen Präsi<strong>de</strong>ntschaftswahl.<br />
Damals schon zeichnete sich für<br />
aufmerksame Journal<strong>ist</strong>en die absehbare<br />
Scheidung <strong>de</strong>r Sarkozys ab, die<br />
dann auch im Oktober 2007 vollzogen<br />
wur<strong>de</strong> – nach <strong>de</strong>n Wahlen<br />
sarkozys zum Präsi<strong>de</strong>nt. Doch im<br />
Wahlkampf hätte <strong>das</strong> <strong>de</strong>m Kandidaten<br />
<strong>das</strong> Genick brechen können,<br />
für ihm treu ergebene Medien war<br />
<strong>das</strong> Thema damit tabu.<br />
Sowohl <strong>das</strong> Journal <strong>de</strong> Dimanche<br />
als auch Paris match gehören<br />
<strong>de</strong>r Gruppe Lagadère Média, le<br />
journal <strong>de</strong> dimanche noch zu<br />
40% <strong>de</strong>r Dassault-Gruppe. Diese<br />
bei<strong>de</strong>n, aus Rüstungsunternehmen<br />
entstan<strong>de</strong>n Medienkonzerne,<br />
haben heute zusammen mit <strong>de</strong>r<br />
Bouygues-Gruppe quasi die Allmacht<br />
über <strong>de</strong>n französischen<br />
Medienmarkt. Es gibt Praktisch<br />
ke<strong>in</strong>e Zeitung, ke<strong>in</strong> Radiosen<strong>de</strong>r<br />
und ke<strong>in</strong>e Fernsehstation, die nicht<br />
direkt o<strong>de</strong>r über e<strong>in</strong>e Tochtergesellschaft<br />
dieser Konzerne f<strong>in</strong>anziert<br />
und kontrolliert wird. Unabhängige<br />
Medien f<strong>in</strong><strong>de</strong>t man heute kaum<br />
noch <strong>in</strong> Frankreich. Durch <strong>de</strong>n<br />
E<strong>in</strong>bruch <strong>de</strong>s Werbemarktes, <strong>de</strong>r<br />
Konkurrenz durch Internet und<br />
kostenlose Zeitungen und <strong>de</strong>s<br />
generell schwer zu kalkulieren<strong>de</strong>n<br />
Zeitungsmarktes <strong>in</strong> Frankreich<br />
(überwiegend Kioskkäufer, kaum<br />
Abonnenten) stürzten viele Medien<br />
Anfang <strong>de</strong>s neuen Jahrtausends <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e Krise aus <strong>de</strong>r sie nur mit Hilfe<br />
von Investoren gelangen konnte.<br />
Dies führte zu e<strong>in</strong>er Konzentration<br />
<strong>de</strong>r Medien <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>iger<br />
weniger. Gera<strong>de</strong> die Komb<strong>in</strong>ation<br />
von stark von <strong>de</strong>r Politik abhängen<strong>de</strong>n<br />
Rüstungskonzernen und<br />
Medien h<strong>in</strong>terlässt e<strong>in</strong>en bitteren<br />
Nachgeschmack.<br />
Diese Tatsache alle<strong>in</strong>e <strong>ist</strong> besorgniserregend<br />
genug. Richtig<br />
gefährlich wird die ganze Sache<br />
dann aber, wenn Serge Dassault,<br />
Jean-Luc Lagadère und Mart<strong>in</strong><br />
Bouygues zu <strong>de</strong>n engsten Freun<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>s früheren Innenm<strong>in</strong><strong>ist</strong>ers und<br />
seit Mai gewählten Präsi<strong>de</strong>nten<br />
Nicolas Sarkozy gehören. Serge<br />
Dassault zog 2004 für Sarkozys<br />
Partei UMP <strong>in</strong> die französische<br />
Nationalversammlung e<strong>in</strong>. Mart<strong>in</strong><br />
Bouygues <strong>ist</strong> Taufpate von Sarkozys<br />
zehnjährigem Sohn Louis.<br />
So viel Tratsch im Angebot. Aber woher soll mensch wissen, was davon stimmt. Vielleicht <strong>das</strong> Verbotene?<br />
„Ich mache mir Sorgen um die Pressefreiheit,<br />
vor allem wenn es um die Berichterstattung<br />
über Nicolas Sarkozy<br />
geht. Er hat e<strong>in</strong> extrem e<strong>in</strong>flussreiches<br />
Netz von Freun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>ssen er sich<br />
übereifrig bedient um zu steuern was<br />
über ihn geschrieben wird und um<br />
ihm unangenehme Berichterstattung<br />
zu verh<strong>in</strong><strong>de</strong>rn“ erklärt Cather<strong>in</strong>e<br />
Schwaab von Paris Match. Diese<br />
Entwicklung <strong>ist</strong> auch <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>st <strong>in</strong><br />
Frankreich entstan<strong>de</strong>nen und heute<br />
<strong>in</strong>ternational tätigen Journal<strong>ist</strong>enorganisation<br />
„Reporter ohne Grenzen“<br />
(ROG) nicht entgangen.<br />
„nur“ ausreIchenD als note<br />
Betrachtet man <strong>de</strong>ren jährlich veröffentlichte<br />
Rangl<strong>ist</strong>e f<strong>in</strong><strong>de</strong>t man<br />
Frankreich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gruppe jener<br />
Län<strong>de</strong>r, die gera<strong>de</strong> mal „ausreichend“<br />
die Pressefreiheit garantieren. Gera<strong>de</strong><br />
mal um vier Plätze besser als<br />
Italien, <strong>de</strong>m Land <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Medienmogul<br />
Berlusconi quasi alle Medien<br />
kontrolliert? Schon 2006 hieß es im<br />
ROG-Report: „Frankreich (Platz 31)<br />
rutschte im Berichtszeitraum um<br />
fünf Plätze ab, was e<strong>in</strong> Verlust von 24<br />
Rängen <strong>in</strong> fünf Jahren be<strong>de</strong>utet. Redaktions-<br />
und Hausdurchsuchungen<br />
haben zugenommen.“ 24 Ränge <strong>in</strong><br />
fünf Jahren <strong>ist</strong> enorm. Die „Censure<br />
sarkozyenne“ – also die Medienzensur<br />
durch Innenm<strong>in</strong><strong>ist</strong>er/Präsi<strong>de</strong>nt<br />
Nicolas Sarkozy <strong>ist</strong> <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong><br />
stehen<strong>de</strong>r Begriff gewor<strong>de</strong>n. Journal<strong>ist</strong>envere<strong>in</strong>igungen<br />
zeigen sich<br />
beunruhigt, aber wirklich dagegen<br />
angegangen wird nicht. Auch die<br />
Öffentlichkeit zeigt sich nur begrenzt<br />
besorgt, <strong>das</strong> Vertrauen <strong>de</strong>r Franzosen<br />
<strong>in</strong> die Medien <strong>ist</strong> ohneh<strong>in</strong> traditionell<br />
eher ger<strong>in</strong>g.<br />
Natürlich muss man differenzieren:<br />
Frankreich <strong>ist</strong> und bleibt e<strong>in</strong>e<br />
Demokratie. Als Serge Dassault im<br />
Sommer 2004 als Abgeordneter <strong>in</strong><br />
die Assemblée Nationale e<strong>in</strong>zog,<br />
schaltete sich <strong>de</strong>r Verfassungsrat e<strong>in</strong>,<br />
um <strong>de</strong>n Vorgang zu überprüfen. Alle<strong>in</strong><br />
die Machtkonzentration <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
Hän<strong>de</strong>n weniger, reicht nicht aus,<br />
um die Pressefreiheit für gefähr<strong>de</strong>t<br />
zu erklären. Zu<strong>de</strong>m lässt sich dieser<br />
E<strong>in</strong>fluss auch nur schwer nachweisen.<br />
Das Problem <strong>ist</strong> viel mehr Nicolas<br />
Sarkozys. Natürlich <strong>ist</strong> auch er e<strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>mokratisch gewähltes Staatsoberhaupt,<br />
doch die Beziehungen, die er<br />
hat, nutzt er mehr als <strong>das</strong>s es unangreifbar<br />
wäre. Es bleibt zu hoffen, <strong>das</strong>s<br />
Frankreichs Kontrollmechanismen<br />
greifen und Organisationen wie die<br />
ROG weiterh<strong>in</strong> gründlich ihre Arbeit<br />
tun um <strong>in</strong> Frankreich Schlimmeres zu<br />
vermei<strong>de</strong>n. Ausgerechnet dort.