ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de
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7 frei* / W<strong>in</strong>ter 2008 weitblick<br />
Internet<br />
UND DA WAR NOCH EIN GAST: STASI 2.0?<br />
Von <strong>de</strong>r Weitsicht/Vorsicht/Umsicht e<strong>in</strong>es Internet-Experten: Pa<strong>de</strong>luun. Von Theresia Keupp<br />
N<br />
iemand weiß, ob man<br />
gera<strong>de</strong> beobachtet wird<br />
o<strong>de</strong>r nicht und man kann<br />
nur darüber spekulieren, wie oft<br />
o<strong>de</strong>r nach welchem System sich die<br />
Gedankenpolizei <strong>in</strong> die Privatsphäre<br />
e<strong>in</strong>schaltet. Darum <strong>ist</strong> es sogar <strong>de</strong>nkbar,<br />
<strong>das</strong>s sie alle beobachtet.“ Was<br />
George Orwell <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Roman<br />
„1984“ schon vor über e<strong>in</strong>em halben<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rt publiziert hat, könnte<br />
so heute wörtlich aus <strong>de</strong>m Mund<br />
von Pa<strong>de</strong>luun kommen.<br />
Pa<strong>de</strong>luun, so <strong>de</strong>r amtlich e<strong>in</strong>getragene<br />
Künstlername, bezeichnet<br />
sich selbst als e<strong>in</strong>en Autonomen.<br />
Die Presse nennt ihn Netzwerkaktiv<strong>ist</strong>en.<br />
Was o<strong>de</strong>r wer er wirklich<br />
<strong>ist</strong>, <strong>das</strong> möchte er nicht sagen. Und<br />
genau dar<strong>in</strong> liegt auch se<strong>in</strong>e zentrale<br />
Botschaft: Behör<strong>de</strong>n, Unternehmen<br />
und <strong>de</strong>r Staat wissen viel zu viel über<br />
die Bürger: Payback-Karten geben<br />
Auskunft über E<strong>in</strong>kaufsgewohnheiten.<br />
Vi<strong>de</strong>okameras an Bahnhöfen<br />
verfolgen Passanten auf Schritt und<br />
Tritt. Wann e<strong>in</strong> Journal<strong>ist</strong> mit e<strong>in</strong>em<br />
Informanten <strong>in</strong> telefonischem Kontakt<br />
gestan<strong>de</strong>n hat, <strong>ist</strong> noch Wochen<br />
später nachvollziehbar.<br />
Beson<strong>de</strong>rs durch <strong>das</strong> Internet<br />
droht <strong>de</strong>m Datenschutz Gefahr,<br />
warnt Pa<strong>de</strong>luun. Wer sich e<strong>in</strong>bil<strong>de</strong>,<br />
er sei onl<strong>in</strong>e anonym unterwegs, <strong>de</strong>r<br />
täusche sich gewaltig. Sobald e<strong>in</strong>e<br />
Website aufgerufen wird, h<strong>in</strong>terlässt<br />
man Spuren, die persönliche Daten<br />
enthalten. In welchem Land man<br />
sitzt, welcher Browser und welches<br />
Betriebssystem verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r welche Homepage man zuletzt<br />
besucht hat – all <strong>das</strong> s<strong>in</strong>d Daten,<br />
auf die zugegriffen wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Daneben kritisiert Pa<strong>de</strong>luun die<br />
systematische Protokollierung <strong>de</strong>s<br />
Telekommunikationsverhaltens <strong>de</strong>r<br />
gesamten Bevölkerung. Die Re<strong>de</strong><br />
<strong>ist</strong> von <strong>de</strong>r so genannten Vorratsdatenspeicherung,<br />
mit Hilfe <strong>de</strong>rer<br />
nachvollzogen wer<strong>de</strong>n kann, wer mit<br />
wem <strong>in</strong> <strong>de</strong>n vergangenen Monaten<br />
per Telefon, Handy o<strong>de</strong>r Email <strong>in</strong><br />
Kontakt gestan<strong>de</strong>n hat.<br />
Diese Überwachungsbefugnisse<br />
stellen beson<strong>de</strong>rs e<strong>in</strong>e Gefahr für<br />
Journal<strong>ist</strong>en dar. Unter <strong>de</strong>m Deckmantel<br />
<strong>de</strong>r Verbrechensbekämpfung<br />
wer<strong>de</strong>n Informantenschutz und<br />
Pressefreiheit ausgehöhlt. Diesen<br />
E<strong>in</strong>schnitt <strong>in</strong> die Grundrechte will<br />
Pa<strong>de</strong>luun nicht kampflos h<strong>in</strong>nehmen.<br />
So engagiert er sich mit se<strong>in</strong>em<br />
Vere<strong>in</strong>, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n sperrigen Namen<br />
„Vere<strong>in</strong> zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
bewegten und unbewegten<br />
Datenverkehrs“ (kurz „FoeBuD“)<br />
trägt, für <strong>das</strong> Recht auf Privatsphäre.<br />
Aufmerksamkeit erreicht<br />
er vor allem mit <strong>de</strong>r Verleihung<br />
<strong>de</strong>s Negativ-Preises „Big Brother<br />
Award“, <strong>de</strong>n „Oscar für Datenkranke“.<br />
Außer<strong>de</strong>m appelliert er an die<br />
Vernunft je<strong>de</strong>s Bürgers, genau zu<br />
über<strong>de</strong>nken, welche Informationen<br />
er <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zur Verfügung<br />
stellt. Beispielsweise sei <strong>das</strong> populäre<br />
Internetportal StudiVZ e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es<br />
Daten-Sammel-Netzwerk.<br />
Ob <strong>das</strong> nun übertriebene Hysterie<br />
o<strong>de</strong>r berechtigte Warnungen s<strong>in</strong>d,<br />
darüber lässt sich streiten. Es <strong>ist</strong><br />
fraglich, ob man sich heutzutage<br />
überhaupt noch <strong>de</strong>m Internet entziehen<br />
kann. Selbst über <strong>de</strong>n Mann,<br />
<strong>de</strong>r über sich am liebsten nichts<br />
im Netz lesen möchte, kann man<br />
allerhand <strong>in</strong> Erfahrung br<strong>in</strong>gen. Das<br />
Suchwort „pa<strong>de</strong>luun“ br<strong>in</strong>gt alle<strong>in</strong><br />
42 400 Treffer bei Google. Und<br />
<strong>das</strong> bei e<strong>in</strong>em Menschen, <strong>de</strong>r sich<br />
<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Netzwerk herumtreibt,<br />
ke<strong>in</strong>e Kun<strong>de</strong>nkarte besitzt und gegen<br />
Zeitungen, die se<strong>in</strong>en Geburtsnamen<br />
veröffentlichen rechtlich vorgeht. So<br />
weiß ich doch nach Google-Recherche,<br />
wie alt Pa<strong>de</strong>luun <strong>ist</strong>. Ich kenne<br />
die Menschen, mit <strong>de</strong>nen er im Mo-<br />
Biel Kun<strong>de</strong>nbeirat sitzt. Ich lese, <strong>das</strong>s<br />
er e<strong>in</strong> (verkürzt dargestellter) Pauli-<br />
Fan <strong>ist</strong>. Dass er am 7. Mai 2001 um<br />
9 Uhr <strong>in</strong> Bielefeld vor Gericht stand<br />
und <strong>das</strong> Verfahren auf Kosten <strong>de</strong>r<br />
Lan<strong>de</strong>skasse e<strong>in</strong>gestellt wur<strong>de</strong>. Ich<br />
‚Pa<strong>de</strong>luun‘ als Referent beim Redaktionstreffen <strong>in</strong> Neustadt an <strong>de</strong>r We<strong>in</strong>straße<br />
weiß, wie und wo man ihn erreichen<br />
kann. Welche Auszeichnungen er zu<br />
Hause stehen hat. Dass er gelegentlich<br />
die öffentlichen Verkehrsmittel<br />
<strong>in</strong> Bielefeld benutzt. Ganz schön<br />
viele Informationen über e<strong>in</strong>en, <strong>de</strong>r<br />
so viel tut, um nichts Privates an die<br />
Öffentlichkeit dr<strong>in</strong>gen zu lassen.<br />
Doch wer weiß schon, ob <strong>das</strong> alles<br />
stimmt. Schließlich sagt Pa<strong>de</strong>luun<br />
selbst: „Letztendlich kann man im<br />
Internet gar nichts glauben.“<br />
Die Freiheit alles zu sagen, damit gewisse Leute nicht<br />
die Freiheit haben, alles zu tun”. Zitate über <strong>das</strong> was<br />
Pressefreiheit eigentlich <strong>ist</strong>.<br />
Zusammengestellt von Julia Ehmke<br />
„Wenn ich zu wählen hätte zwischen e<strong>in</strong>em Land mit e<strong>in</strong>er<br />
Regierung, aber ohne Zeitung, und e<strong>in</strong>em Land mit<br />
Zeitung, aber ohne Regierung, dann wür<strong>de</strong> ich mich für<br />
<strong>das</strong> Land ohne Regierung entschei<strong>de</strong>n.” Thomas Jefferson<br />
(1743-1826)<br />
„Pressefreiheit <strong>ist</strong> die Freiheit von zweihun<strong>de</strong>rt reichen Leuten,<br />
ihre Me<strong>in</strong>ung zu verbreiten.” Paul Sethe, DER SPIEGEL,<br />
1965<br />
„O Freiheit süß <strong>de</strong>r Presse! Kommt, lasst uns alles drucken,<br />
Und walten für und für; Nur sollte ke<strong>in</strong>er mucken, Der<br />
nicht so <strong>de</strong>nkt wie wir.” Johann Wolfgang von Goethe<br />
(1749-1832)<br />
„Ohne die Pressefreiheit <strong>ist</strong> die Demokratie bankrott.” Richard<br />
von Weizsäcker, Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt (1984-1994)<br />
„E<strong>in</strong>e freie Presse kann für je<strong>de</strong>n Politiker gelegentlich auch<br />
unbequem se<strong>in</strong>. Doch je<strong>de</strong>s vorübergehen<strong>de</strong> unangenehme<br />
Gefühl o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong> gerechtfertigte Entrüstung darf uns nie<br />
gegenüber <strong>de</strong>r lebenswichtigen Rolle e<strong>in</strong>er freien Presse<br />
sowohl für <strong>das</strong> Wohl als auch <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r Demokratie<br />
bl<strong>in</strong>d machen.” Tony Blair<br />
„Die <strong>de</strong>utschen Censoren – – – – – – – – – – – – – – – – – – –<br />
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – —- – – – – – – – –<br />
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Dummköpfe<br />
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –<br />
– – – – – – – – – – –.” He<strong>in</strong>rich He<strong>in</strong>e, Reisebil<strong>de</strong>r<br />
„E<strong>in</strong>e Lösung für tiefgreifen<strong>de</strong> Me<strong>in</strong>ungsverschie<strong>de</strong>nheiten zu<br />
f<strong>in</strong><strong>de</strong>n, <strong>ist</strong> ohne Pressefreiheit nicht möglich, <strong>de</strong>nn Fragen<br />
müssen an die Öffentlichkeit gebracht wer<strong>de</strong>n. Pressefreiheit<br />
gehört zu <strong>de</strong>n grundlegen<strong>de</strong>n Bauste<strong>in</strong>en <strong>de</strong>r Demokratie.”<br />
Gerhard Schrö<strong>de</strong>r, Bun<strong>de</strong>skanzler (1998-2005)<br />
„E<strong>in</strong>e freie, nicht von <strong>de</strong>r öffentlichen Gewalt gelenkte, ke<strong>in</strong>er<br />
Zensur unterworfene Presse <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Wesenselement <strong>de</strong>s<br />
freiheitlichen Staates; <strong>in</strong>sbeson<strong>de</strong>re <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e freie, regelmäßig<br />
ersche<strong>in</strong>en<strong>de</strong> politische Presse für die mo<strong>de</strong>rne Demokratie<br />
unentbehrlich.” SPIEGEL-Urteil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts<br />
1962<br />
„Die Presse muss die Freiheit haben, alles zu sagen, damit<br />
gewisse Leute nicht die Freiheit haben, alles zu tun.” Stewart<br />
Alsop (1914-74)<br />
„Wo früher <strong>de</strong>r Staat die Pressefreiheit bedrohte, tun <strong>das</strong> jetzt<br />
die Medien selbst.” Roger <strong>de</strong> Weck, ehem. Chefredakteur<br />
<strong>de</strong>r ZEIT<br />
„E<strong>in</strong>e freie Presse kann gut o<strong>de</strong>r schlecht se<strong>in</strong>, aber e<strong>in</strong>e<br />
Presse ohne Freiheit kann nur schlecht se<strong>in</strong>.” Albert Camus<br />
(1913-60)<br />
„Die gefährlichste Form <strong>de</strong>r Zensur <strong>ist</strong> die Schere im eigenen<br />
Kopf.” Kurt Erich Suckert (Pseudonym: Curzio Malaparte)<br />
(1898-1956)<br />
„Der geschickte Journal<strong>ist</strong> hat e<strong>in</strong>e Waffe: <strong>das</strong> Totschweigen<br />
– und von dieser Waffe macht er oft genug Gebrauch.”<br />
Kurt Tucholsky, Die Weltbühne, 1921<br />
Pressefreiheit <strong>ist</strong> Recht und Pflicht zugleich. Und e<strong>in</strong>e hohe<br />
Verantwortung. Das Redaktionsteam dieser po.