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ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de

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13 frei?* / W<strong>in</strong>ter 2008 <strong>in</strong>land<br />

DIE MACHT DES EDDINGS die Frage, ob er sich jemals selber<br />

e<strong>in</strong>en Kl<strong>in</strong>gelton herunter gela<strong>de</strong>n<br />

habe und was er privat <strong>de</strong>nn so für<br />

Musik höre.<br />

E<strong>in</strong> Essay über die Autorisierung von Interviews <strong>in</strong> Deutschland. Von David Sarkar<br />

S<br />

age nicht immer was du weißt,<br />

aber wisse immer was du<br />

sagst“ hat <strong>de</strong>r weise Mahatma<br />

Gandhi e<strong>in</strong>mal gesagt. Er hatte Recht.<br />

Denn wenn Worte <strong>de</strong>n Mund e<strong>in</strong>es<br />

Menschen e<strong>in</strong>mal verlassen haben,<br />

s<strong>in</strong>d sie weg. Es <strong>ist</strong> unmöglich sie jemals<br />

zurückzuholen. Egal ob es liebe,<br />

verletzen<strong>de</strong>, trösten<strong>de</strong>, erklären<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r auch nur beiläufige Worte waren.<br />

Sie s<strong>in</strong>d im besten Falle im Ohr e<strong>in</strong>es<br />

an<strong>de</strong>ren Menschen angekommen,<br />

und wer<strong>de</strong>n nun von <strong>de</strong>ssen Gehirn<br />

verarbeitet. Von <strong>de</strong>n tausen<strong>de</strong>n von<br />

Wörtern die „gewöhnliche Menschen“<br />

am Tag aus ihrem Mund verlieren<br />

wird außerhalb ihrer unmittelbaren<br />

Lebenswelt ke<strong>in</strong>e Notiz genommen.<br />

Für die so genannten „Personen <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Lebens“ gilt dies nicht.<br />

Obgleich sie auch nur Menschen s<strong>in</strong>d,<br />

wird vielen ihrer Worte e<strong>in</strong> höheres<br />

Gewicht beigemessen. Damit die<br />

Worte <strong>de</strong>r Promis nun aber auch für<br />

an<strong>de</strong>re Menschen hörbar und sichtbar<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n können, müssen<br />

sie durch e<strong>in</strong> Medium transportiert<br />

wer<strong>de</strong>n. Politiker setzen sich <strong>in</strong> Talk-<br />

Shows, um über Sozialreformen zu<br />

sprechen, Musiker plau<strong>de</strong>rn über<br />

ihre neuen Veröffentlichungen <strong>in</strong> Radiosendungen,<br />

und doch gibt es e<strong>in</strong>e<br />

Darstellungsform, die für alle diese<br />

Menschen e<strong>in</strong>e essentielle Be<strong>de</strong>utung<br />

hat: <strong>das</strong> schriftliche Interview. Dies <strong>ist</strong><br />

vor allem <strong>de</strong>shalb so beliebt, weil es<br />

häufig mehr, ungefiltert und direkter<br />

Auskunft über e<strong>in</strong>e Person o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>en<br />

bestimmten Sachverhalt gibt als an<strong>de</strong>re<br />

Formen <strong>de</strong>r Berichterstattung.<br />

Der toDfeInD: authorIsIerung<br />

In <strong>de</strong>n me<strong>ist</strong>en Fällen verläuft e<strong>in</strong><br />

solches Interview zwischen Journal<strong>ist</strong><br />

und Gesprächspartner auch<br />

reibungslos, doch seit e<strong>in</strong>igen Jahren<br />

<strong>ist</strong> diese beliebte Gattung gefähr<strong>de</strong>t.<br />

Ihr Fe<strong>in</strong>d trägt e<strong>in</strong>en Namen: Autorisierung.<br />

Wer e<strong>in</strong>en Interview-Term<strong>in</strong><br />

bekommen möchte, erhält diesen<br />

me<strong>ist</strong>ens nur nach <strong>de</strong>r schriftlichen<br />

E<strong>in</strong>willigung <strong>in</strong> die spätere Autorisierung,<br />

also <strong>de</strong>m Gegenlesen <strong>de</strong>s<br />

Interviews durch <strong>de</strong>n Interviewten<br />

beziehungsweise die ihn vertreten<strong>de</strong><br />

Pressestelle. Offiziell geschieht dies<br />

nur um Missverständnissen vorzubeugen,<br />

doch unter <strong>de</strong>r Hand <strong>ist</strong> die<br />

Autorisierungspraxis schon längst<br />

zu e<strong>in</strong>em ungehörigen Macht<strong>in</strong>strument<br />

gewor<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong>e rechtliche<br />

Grundlage für diese Praxis gibt es bis<br />

heute jedoch nicht. Die Wege zur<br />

gewünschten E<strong>in</strong>willigung, teilweise<br />

auch unter Strafandrohung, nehmen<br />

dabei immer absur<strong>de</strong>re Formen an.<br />

In <strong>de</strong>r „Autorisierungs-Vere<strong>in</strong>barung“<br />

e<strong>in</strong>es <strong>de</strong>r erfolgreichsten <strong>de</strong>utschen<br />

Comedians und Filmproduzenten<br />

<strong>ist</strong> zu lesen: „Hiermit stehe ich dafür<br />

e<strong>in</strong>, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Interview mit Herrn X.<br />

bzw. Interviewpassagen o<strong>de</strong>r Zitate<br />

rechtzeitig vor Drucklegung Herrn<br />

X zur Freigabe vorgelegt wer<strong>de</strong>n und<br />

nur im Fall <strong>de</strong>r Freigabe abgedruckt<br />

wer<strong>de</strong>n. Für <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>r Zuwi<strong>de</strong>rhandlung<br />

wer<strong>de</strong> ich e<strong>in</strong>e von Herrn<br />

X nach billigem Ermessen festzulegen<strong>de</strong>,<br />

im Streitfall vom Landgericht<br />

XY zu überprüfen<strong>de</strong> Vertragsstrafe<br />

bezahlen.“<br />

Derartige Maßnahmen können<br />

sicherlich dabei helfen <strong>de</strong>n Missbrauch<br />

e<strong>in</strong>es Interviews durch unseriöse<br />

Klatschblätter zu vermei<strong>de</strong>n,<br />

doch erstens kann man nicht alle<br />

Medienvertreter <strong>de</strong>r Unseriösität<br />

verdächtigen und zweitens be<strong>de</strong>uten<br />

solche Schritte e<strong>in</strong>e eklatante<br />

E<strong>in</strong>schränkung <strong>de</strong>r journal<strong>ist</strong>ischen<br />

Arbeit. Das Lied vom ewigen Leid<br />

<strong>de</strong>r Autorisierung <strong>ist</strong> jedoch noch<br />

nicht zu En<strong>de</strong>: In e<strong>in</strong>igen Fällen<br />

wer<strong>de</strong>n mittels <strong>de</strong>r Autorisierung<br />

sogar ganze Interviews entstellt.<br />

So geschehen am 28.11. 2003 <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Tageszeitung die taz, als <strong>de</strong>r<br />

damalige SPD-Generalsekretär Olaf<br />

Scholz die Freigabe e<strong>in</strong>es Interviews<br />

zum SPD-Parteitag gestoppt hat.<br />

„Die wie<strong>de</strong>rholte Nachfrage zu<br />

Ursachen und Folgen von Scholz<br />

schlechtem Wahlergebnis passte<br />

nicht <strong>in</strong>s rosige Bild, <strong>das</strong> die SPD-<br />

Sp<strong>in</strong>doktoren vom Parteitag malen<br />

wollten“ schreibt taz-Redakteur<br />

Patrik Schwarz. Die taz-Redaktion<br />

entschloss sich daher zu e<strong>in</strong>em<br />

medienwirksamen Experiment: Sie<br />

druckte e<strong>in</strong>zig die Fragen <strong>de</strong>s Inter-<br />

views ab, und färbte alle Antworten<br />

mit e<strong>in</strong>em Edd<strong>in</strong>g schwarz. Was<br />

folgte war e<strong>in</strong>e große Kampagne <strong>de</strong>r<br />

neun größten Tageszeitungen (u.a<br />

Frankfurter Rundschau), die schnell<br />

versan<strong>de</strong>te und bis heute ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />

Regelung hervorgebracht<br />

hat, wie Journal<strong>ist</strong>en mit Autorisierungsattacken<br />

umgehen sollen.<br />

So <strong>ist</strong> es möglich, <strong>das</strong>s auch Jahre<br />

später noch <strong>de</strong>rartige E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong><br />

die Pressefreiheit möglich s<strong>in</strong>d. Zu<br />

sehen am Beispiel Tom Junkersdorf,<br />

heutiger Chefredakteur <strong>de</strong>r<br />

Jugendzeitschrift Bravo. In e<strong>in</strong>em<br />

Interview mit <strong>de</strong>m Onl<strong>in</strong>e-Portal<br />

„Planet-Interview“, für <strong>das</strong> auch<br />

<strong>de</strong>r Autor dieses Textes arbeitet,<br />

wur<strong>de</strong> Junkersdorf neben <strong>de</strong>m<br />

50. Geburtstag <strong>de</strong>r Bravo unter<br />

an<strong>de</strong>rem auch zu se<strong>in</strong>er Zeit bei<br />

<strong>de</strong>r Bild befragt. Dabei kam ans<br />

Licht, <strong>das</strong>s Junkersdorf maßgeblich<br />

an <strong>de</strong>r Skandal-Story um die Porno-<br />

Düstere Wolken über <strong>de</strong>r Pressefreiheit: Nicht nur die Politik, auch Künstler<br />

schüchtern Journal<strong>ist</strong>en gerne e<strong>in</strong>. Die Strafe heißt dann„Liebesentzug“,<br />

<strong>das</strong> heißt ke<strong>in</strong>e Vorzugs<strong>in</strong>formationen und ke<strong>in</strong>e Freikarten mehr.<br />

Vergangenheit <strong>de</strong>r Schauspieler<strong>in</strong><br />

Sibel Kekilli im Februar 2004,<br />

pünktlich nach <strong>de</strong>r Verleihung <strong>de</strong>s<br />

Gol<strong>de</strong>nen Bären für <strong>de</strong>n Ak<strong>in</strong>s Film<br />

„Gegen die Wand“ mit Kekilli <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Hauptrolle, beteiligt war. Details<br />

zu se<strong>in</strong>er Verstrickung <strong>in</strong> diese von<br />

<strong>de</strong>r Bild-Zeitung <strong>in</strong>itiierte mediale<br />

Hetzjagd erfahren wir jedoch nicht.<br />

70 Prozent <strong>de</strong>r Antworten fielen <strong>de</strong>r<br />

Autorisierung zum Opfer. Übrig<br />

blieben nur die Fragen, die Planet-<br />

Interview auf se<strong>in</strong>er Homepage<br />

www.planet-<strong>in</strong>terview.<strong>de</strong> publizierte.<br />

Da bleibt viel Raum für<br />

Spekulationen. Junkersdorf hatte<br />

aber nicht nur die Bild-Passagen gestrichen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch die Aussagen<br />

über die Zukunft <strong>de</strong>r Teenie-Band<br />

„Tokio Hotel“, die Antwort auf<br />

Der vorteIl Des<br />

lIve-IntervIewers<br />

An dieser Stelle kommen wir auf<br />

Gandhis weise Worte zurück: „aber<br />

wisse immer was du sagst“. Angenommen,<br />

e<strong>in</strong> Interviewpartner <strong>ist</strong> im<br />

vollen Besitz se<strong>in</strong>er ge<strong>ist</strong>igen Kräfte,<br />

dann muss er doch bei all se<strong>in</strong>er<br />

Professionalität, die für se<strong>in</strong>en Job<br />

ansonsten auch notwendig <strong>ist</strong>, überblicken<br />

können, welche Aussagen er<br />

<strong>de</strong>r Öffentlichkeit zugänglich machen<br />

will, und welche nicht. Als Gast <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Live-Sendung können auch ke<strong>in</strong>e<br />

Antworten zurückgezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Wenn sich <strong>de</strong>r Gast vor die Kameras<br />

traut, dann muss er Stellung beziehen<br />

o<strong>de</strong>r <strong>das</strong> Studio verlassen. Letzteres<br />

wür<strong>de</strong> sicherlich ke<strong>in</strong>en guten E<strong>in</strong>druck<br />

h<strong>in</strong>terlassen, son<strong>de</strong>rn <strong>das</strong> Image<br />

<strong>de</strong>r Person erheblich schädigen.<br />

Ist <strong>de</strong>n Interviewten <strong>de</strong>nn nicht<br />

klar, <strong>das</strong>s dies auch für <strong>de</strong>n Pr<strong>in</strong>t-<br />

Journalismus gilt? E<strong>in</strong>e Person möchte<br />

Stärke und Macht <strong>de</strong>monstrieren,<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n Abdruck von Aussagen<br />

unterb<strong>in</strong><strong>de</strong>t. Doch <strong>das</strong> Gegenteil<br />

<strong>ist</strong> <strong>de</strong>r Fall. Junkersdorf <strong>de</strong>monstriert<br />

nichts als Schwäche und Unprofessionalität,<br />

wenn er nicht zu se<strong>in</strong>en<br />

Worten und se<strong>in</strong>er Vergangenheit<br />

stehen kann. Konsequenterweise<br />

sollten <strong>de</strong>rartig verstümmelte Interviews<br />

eigentlich gar nicht abgedruckt<br />

wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>m Interviewten se<strong>in</strong>e<br />

Werbeplattform zu entziehen, doch<br />

manchmal sagen eben solche Interviews<br />

mehr über e<strong>in</strong>e Person aus, als<br />

sie ursprünglich preisgeben wollte.<br />

Dabei sitzen doch alle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Boot:<br />

Journal<strong>ist</strong>en brauchen Prom<strong>in</strong>ente<br />

und ihre Agenturen um ihre Seiten<br />

zu füllen, und diese wie<strong>de</strong>rum brauchen<br />

die Öffentlichkeit um ihre Produkte<br />

zu vermarkten. Je<strong>de</strong> Seite hat<br />

Rechte und Pflichten zugleich und<br />

muss sich an die Spielregeln halten.<br />

Journal<strong>ist</strong>en dürfen ke<strong>in</strong>e Interviews<br />

verfälschen, und Interviewpartner<br />

sollten sich vorher überlegen, wie<br />

weit sie sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview aus<br />

<strong>de</strong>m Fenster lehnen wollen.<br />

Gesagt <strong>ist</strong> gesagt – <strong>das</strong> gilt für<br />

<strong>das</strong> normale Leben, und sollte und<br />

muss im S<strong>in</strong>ne <strong>de</strong>r Pressefreiheit<br />

auch für <strong>das</strong> Pr<strong>in</strong>t-Interview gelten.<br />

Autorisierungen <strong>in</strong> erheblichem<br />

Umfang gefähr<strong>de</strong>n dieses Recht und<br />

die Darstellungsform <strong>de</strong>s Interviews<br />

an sich. Je<strong>de</strong>r Medienvertreter kann<br />

und muss se<strong>in</strong>en Beitrag dazu le<strong>ist</strong>en,<br />

<strong>das</strong>s diese Form <strong>de</strong>r journal<strong>ist</strong>ischen<br />

Arbeit nicht bald vom Aussterben<br />

bedroht <strong>ist</strong>. Das wird jedoch nur<br />

funktionieren, wenn sich Zeitungen<br />

und Medienvertreter zusammenschließen<br />

und sich geme<strong>in</strong>sam gegen<br />

<strong>de</strong>n Autorisierungszwang wehren.

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