ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de
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9 frei?* / W<strong>in</strong>ter 2007 <strong>in</strong>land<br />
INLAND<br />
CICERO HINTERLäSST SEINE SPUREN<br />
Deutschlands gepresstes Ansehen. Von Franziska Walther<br />
P<br />
ressefreiheit – also die Freiheit, unzensiert<br />
Informationen und Me<strong>in</strong>ungen<br />
zu veröffentlichen – welch schöner und<br />
<strong>de</strong>mokratischer Gedanke! Doch die Geschichte<br />
<strong>de</strong>r vergangenen 175 Jahre zeigt uns, <strong>das</strong>s die <strong>in</strong><br />
Hambach gefor<strong>de</strong>rte Freiheit ke<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit<br />
<strong>ist</strong>. Im Gegenteil: Im Laufe ihrer Entwicklung<br />
musste sie sich immer wie<strong>de</strong>r Rückschlägen<br />
wie zum Beispiel <strong>de</strong>m Sozial<strong>ist</strong>engesetz von 1878<br />
bis 1890, <strong>de</strong>r völligen Gleichschaltung <strong>de</strong>r Presse<br />
während <strong>de</strong>s NS-Regimes o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Druckgenehmigungsverfahren<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r ehemaligen DDR<br />
erwehren. Und auch <strong>de</strong>r Blick auf die Gegenwart<br />
macht <strong>de</strong>utlich, <strong>das</strong>s die Pressefreiheit noch immer<br />
zu schützen und zu verteidigen <strong>ist</strong>.<br />
So veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation<br />
„Reporter ohne Grenzen“ (ROG) <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>n vergangenen Monaten Studien und Rangl<strong>ist</strong>en,<br />
die e<strong>in</strong>en Rückgang <strong>de</strong>r Pressefreiheit <strong>in</strong><br />
Deutschland belegen sollen. Laut ROG verschlechterte<br />
sich die Lage <strong>de</strong>r Pressefreiheit im<br />
<strong>in</strong>ternationalen Rank<strong>in</strong>g im Mai 2006 von Platz<br />
11 auf Platz 18. Nur wenige Monate später fiel<br />
Deutschland weiter auf <strong>de</strong>n Platz 23 ab. In <strong>de</strong>r<br />
Oktoberwertung 2007 rettete es sich dann wie<strong>de</strong>r<br />
auf Platz 20. NUR auf Platz 20. Eigentlich blamabel,<br />
weil ‚ma<strong>de</strong> <strong>in</strong> Germany‘ doch eigentlich<br />
so gerne vorbildlich se<strong>in</strong> will. Als Grund wer<strong>de</strong>n<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>de</strong>re die jahrelange Bespitzelung von<br />
Journal<strong>ist</strong>en durch <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>snachrichtendienst<br />
und die Redaktionsdurchsuchungen im Fall <strong>de</strong>s<br />
Politik-Magaz<strong>in</strong>s „Cicero“ genannt. Zu<strong>de</strong>m sei<br />
trotz <strong>de</strong>r Verabschiedung <strong>de</strong>s Informationsfreiheitsgesetzes<br />
<strong>de</strong>r Zugang zu <strong>de</strong>n Daten zum Teil<br />
noch immer erschwert.<br />
bka versus PressevreIheIt<br />
Die <strong>in</strong> Artikel 5 <strong>de</strong>s Grundgesetzes <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland fest verankerte und<br />
unzensierte Pressefreiheit sche<strong>in</strong>t <strong>de</strong>mnach noch<br />
immer gefähr<strong>de</strong>t:<br />
Die Durchsuchung <strong>de</strong>r Redaktionsräume <strong>de</strong>s<br />
Cicero-Magaz<strong>in</strong>s sowie die Beschlagnahmung von<br />
Akten und an<strong>de</strong>rer Datenspeichermedien wur<strong>de</strong><br />
bun<strong>de</strong>sweit von <strong>de</strong>r Presse als beson<strong>de</strong>res Beispiel<br />
für e<strong>in</strong>en Angriff auf <strong>de</strong>n unabhängigen Journalismus<br />
bewertet und kritisiert. Auslöser dieser<br />
Durchsuchungen durch <strong>das</strong> Bun<strong>de</strong>skrim<strong>in</strong>alamt<br />
(BKA) war <strong>de</strong>r Artikel „Der gefährlichste Mann<br />
<strong>de</strong>r Welt“ <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Aprilausgabe 2005. In diesem<br />
Artikel berichtete <strong>de</strong>r Reporter Bruno Schirra<br />
über <strong>de</strong>n irakischen Terror<strong>ist</strong>en Abu Musab<br />
az-Zarqawi und veröffentlichte Informationen<br />
aus e<strong>in</strong>em vertraulich e<strong>in</strong>gestuften Bericht <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>skrim<strong>in</strong>alamtes. Das BKA beschuldigte<br />
daraufh<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Journal<strong>ist</strong>en Schirra <strong>de</strong>r Beteilung<br />
an Geheimnisverrat und rechtfertigte dadurch die<br />
durchgeführten Polizeiaktionen.<br />
Auch an<strong>de</strong>re Maßnahmen geben Anlass, e<strong>in</strong>e<br />
zunehmen<strong>de</strong> Gefährdung <strong>de</strong>r Pressefreiheit<br />
zu bekun<strong>de</strong>n. So wur<strong>de</strong>n im April und Mai<br />
2005 im Auftrag <strong>de</strong>s Amtsgerichts Chemnitz<br />
Telefonkontaktdaten <strong>de</strong>s Journal<strong>ist</strong>en <strong>de</strong>r Dres<strong>de</strong>ner<br />
Morgenpost, Ronny Kle<strong>in</strong>, gesammelt<br />
und ausgewertet. Kle<strong>in</strong> stand im Verdacht,<br />
geheime Berichte <strong>de</strong>r Antikorruptionse<strong>in</strong>heit<br />
„Ines“, welche gegen <strong>de</strong>n ehemaligen sächsischen<br />
Wirtschaftsm<strong>in</strong><strong>ist</strong>ers Kajo Schommer (CDU)<br />
Ermittlungen durchführte, verraten und für<br />
weitere Recherchen genutzt zu haben.<br />
Nach Berichten <strong>de</strong>s ARD-Magaz<strong>in</strong>s „Panorama“<br />
und <strong>de</strong>s NDR-Magaz<strong>in</strong>s „Zapp“ sollen auch Journal<strong>ist</strong>en<br />
<strong>de</strong>s Focus-Magaz<strong>in</strong>s <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Jahren von<br />
2002 bis 2004 durch <strong>das</strong> BKA und die Münchner<br />
Staatsanwaltschaft überwacht wor<strong>de</strong>n se<strong>in</strong>. Unter<br />
an<strong>de</strong>rem wur<strong>de</strong>n dabei durch die Behör<strong>de</strong>n<br />
Telefonverb<strong>in</strong>dungsdaten ermittelt und e<strong>in</strong>zelne<br />
Journal<strong>ist</strong>en observiert. Durch diese Aktionen<br />
sollten Quellen e<strong>in</strong>es Focus-Redakteurs im BKA<br />
i<strong>de</strong>ntifiziert wer<strong>de</strong>n.<br />
Das Recht auf Pressefreiheit be<strong>de</strong>utet auch,<br />
<strong>das</strong>s Journal<strong>ist</strong>en ihre Informanten nicht preisgeben<br />
müssen sowie <strong>de</strong>r Schutz von Informationsmaterialien<br />
<strong>de</strong>s jeweilig recherchieren<strong>de</strong>n<br />
Reporters. Doch mit Hilfe <strong>de</strong>s §353b besteht die<br />
Möglichkeit, dieses Zeugnisverweigerungsrecht<br />
zu umgehen. So wer<strong>de</strong>n Journal<strong>ist</strong>en für die<br />
Beteiligung e<strong>in</strong>er Straftat, zum Beispiel Verrat<br />
an Dienstgeheimnissen, angeklagt, um die entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Informanten aus Behör<strong>de</strong>n und<br />
Institutionen zu ermitteln. „Es <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Skandal,<br />
<strong>das</strong>s Politiker unter <strong>de</strong>m Vorwand, Journal<strong>ist</strong>en<br />
hätten sich <strong>de</strong>r Beihilfe zum Geheimnisverrat<br />
schuldig gemacht, diverse Verfahren gegen<br />
Journal<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> Gang gesetzt haben. Den staatlichen<br />
Stellen und e<strong>in</strong>igen Politikern geht es<br />
vorwiegend darum, potenzielle Informanten<br />
abzuschrecken. Die gezielte Verunsicherung von<br />
H<strong>in</strong>weisgebern gefähr<strong>de</strong>t aber die Kontrollfunktion<br />
<strong>de</strong>r Medien“, so Thomas Leif, Chefreporter<br />
Fernsehen beim SWR <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z und Vorsitzen<strong>de</strong>r<br />
von „netzwerk recherche e.V.“<br />
Das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht reagierte auf<br />
die Durchsuchungen <strong>de</strong>r Cicero-Redaktion<br />
im Februar dieses Jahres mit folgen<strong>de</strong>m Urteil:<br />
Durchsuchungen und Beschlagnahmungen zum<br />
Zweck <strong>de</strong>r Informantenermittlung seien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Ermittlungsverfahren gegen e<strong>in</strong>en Presseangehörigen<br />
verfassungsrechtlich unzulässig und auch<br />
die bloße Veröffentlichung e<strong>in</strong>es Dienstgeheimnisses<br />
reiche nicht aus, um e<strong>in</strong>en genügen<strong>de</strong>n<br />
Verdacht <strong>de</strong>r Beihilfe <strong>de</strong>s Journal<strong>ist</strong>en zum<br />
Geheimnisverrat zu begrün<strong>de</strong>n.<br />
ausgesPerrte journalIsten<br />
E<strong>in</strong>e an<strong>de</strong>re Art <strong>de</strong>r Beschränkung <strong>de</strong>r Pressefreiheit<br />
zeigt folgen<strong>de</strong>s Beispiel. Hierbei wur<strong>de</strong>n<br />
Informationen we<strong>de</strong>r direkt und unverzüglich<br />
an die Medien noch an die Öffentlichkeit<br />
geleitet: Am Montag, <strong>de</strong>n 23. Oktober 2006,<br />
<strong>in</strong>formierte Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt Horst Köhler<br />
die Bun<strong>de</strong>sregierung, <strong>das</strong>s er <strong>das</strong> Gesetz zur<br />
Neuordnung <strong>de</strong>r Flugsicherung abgelehnt habe.<br />
Medienvertreter wur<strong>de</strong>n jedoch über dieses Ablehnen<br />
<strong>de</strong>r Entscheidung nicht benachrichtigt.<br />
Fragen von Journal<strong>ist</strong>en zu dieser Thematik<br />
an <strong>de</strong>n Regierungssprecher als auch an <strong>de</strong>n<br />
Sprecher <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nten wur<strong>de</strong>n an<br />
Darf man <strong>in</strong> Deutschland alles sagen? O<strong>de</strong>r übertreiben?<br />
diesem Montagabend nicht beantwortet. Erst<br />
am folgen<strong>de</strong>n Dienstagmorgen verkün<strong>de</strong>te <strong>das</strong><br />
Bun<strong>de</strong>spräsidialamt offiziell, <strong>das</strong>s Köhler se<strong>in</strong>e<br />
Zustimmung verweigert habe.<br />
E<strong>in</strong> weiteres Beispiel f<strong>in</strong><strong>de</strong>t sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>m<br />
Ausschluss von e<strong>in</strong>zelnen Journal<strong>ist</strong>en von<br />
<strong>de</strong>r Berichterstattung über <strong>de</strong>n G8-Gipfel. So<br />
wur<strong>de</strong> circa 20 Journal<strong>ist</strong>en auf Empfehlen <strong>de</strong>s<br />
BKA ohne Begründung die Akkreditierung zur<br />
Berichterstattung aus Heiligendamm verweigert,<br />
unter an<strong>de</strong>rem <strong>de</strong>m Reporter <strong>de</strong>r Berl<strong>in</strong>er Tageszeitung<br />
(taz), Felix Lee. Diese Entscheidung löste<br />
bei vielen Medienverbän<strong>de</strong>n und zum Teil <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />
Politik Entrüstung aus. Der Deutsche Journal<strong>ist</strong>enverband<br />
(DJV) kritisierte dieses Vorgehen<br />
nachdrücklich und for<strong>de</strong>rte, <strong>das</strong>s auch kritische<br />
Berichterstattung nicht unterdrückt wer<strong>de</strong>n<br />
dürfe. Auch die Deutsche Journal<strong>ist</strong><strong>in</strong>nen- und<br />
Journal<strong>ist</strong>en-Union (dju) äußerte Be<strong>de</strong>nken:<br />
„Wir betrachten diese Vorgehensweise als absolut<br />
unzulässigen Versuch <strong>de</strong>r Bee<strong>in</strong>trächtigung <strong>de</strong>r<br />
freien Berichterstattung vom G8 – Gipfel und als<br />
Maßnahme <strong>de</strong>r E<strong>in</strong>schüchterung, die wachsame<br />
kritische Berichterstattung verh<strong>in</strong><strong>de</strong>rn soll“.<br />
Regierungssprecher wiesen diese Kritik jedoch<br />
zurück. So sei es nicht die Absicht, kritische<br />
Berichterstattung zu unterdrücken. Das Bun<strong>de</strong>spresseamt<br />
habe sich bei <strong>de</strong>r Vergabe <strong>de</strong>r<br />
Akkreditierungen auf Entscheidungen <strong>de</strong>r Sicherheitsbehör<strong>de</strong>n<br />
gestützt. Entschei<strong>de</strong>n die, wie weit<br />
Pressefreiheit gehen darf?