ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de
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ausland<br />
IN STäNDIGER GEFAHR<br />
frei?* / W<strong>in</strong>ter 2008<br />
In Afghan<strong>ist</strong>an haben Medien e<strong>in</strong>e unsichere Zukunft. Die mehr<br />
als 500 Titel und Sen<strong>de</strong>r s<strong>in</strong>d – schon wie<strong>de</strong>r – bedroht. Von Björn Richter<br />
U<br />
m 19 Uhr war es <strong>in</strong> Kabul bereits stockdun- Werbe<strong>in</strong>dustrie außer<strong>de</strong>m vorwiegend auf die<br />
kel. Die me<strong>ist</strong>en Menschen schliefen schon. städtischen Medien konzentriert, fehlt <strong>de</strong>n<br />
Nur <strong>de</strong>r Muhedz<strong>in</strong> bereitete sich noch auf Sen<strong>de</strong>rn <strong>das</strong> Geld, um sich aus eigener Kraft aus<br />
se<strong>in</strong> Morgengebet vor, als Poliz<strong>ist</strong>en sich gewaltsam dieser Zwangslage zu befreien.<br />
Zutritt zu Tolo TV verschafften, um drei Redakteure Medienunternehmen mit Sitz <strong>in</strong> Kabul stehen<br />
zu verhaften. Der erfolgreiche und mo<strong>de</strong>rne TV-Sen- h<strong>in</strong>gegen gut am Markt und fahren <strong>in</strong>zwischen<br />
<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>n vor allem junge Afghanen e<strong>in</strong>schalten, hatte sogar Gew<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>. Auch wenn diese Unterneh-<br />
Abdul Jabar Sabet erzürnt. Der Generalstaatsanwalt men nur Leuchttürme <strong>de</strong>r Medienlandschaft s<strong>in</strong>d,<br />
glaubt, von Tolo TV falsch wie<strong>de</strong>rgegeben wor<strong>de</strong>n stehen sie doch für e<strong>in</strong>e Zukunft –unabhängig von<br />
zu se<strong>in</strong>. Der ehemalige General<strong>in</strong>tendant <strong>de</strong>r staatlichen<br />
Fernseh- und Radiogesellschaft RTA sprach<br />
<strong>in</strong>ternationalen Hilfsgel<strong>de</strong>rn.<br />
anschließend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview mit Spiegel-Onl<strong>in</strong>e<br />
von e<strong>in</strong>er „fundamental<strong>ist</strong>ischen Unterwan<strong>de</strong>rung<br />
abhängIg von Der PolItIk<br />
<strong>de</strong>r Medien“. Und <strong>das</strong> nur sechs Jahre nach <strong>de</strong>m Laut Emmanuel <strong>de</strong> D<strong>in</strong>ech<strong>in</strong>, <strong>de</strong>m Geschäftsfüh-<br />
Sturz <strong>de</strong>r Taliban.<br />
rer <strong>de</strong>r auf Medien spezialisierten afghanischen<br />
Die Medien <strong>in</strong> Afghan<strong>ist</strong>an unterschei<strong>de</strong>n sich nicht Beratungsfirma Altai Communication, setzte<br />
nur quantitativ, son<strong>de</strong>rn auch qualitativ erheblich, die Werbe<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Land 2006 be-<br />
gera<strong>de</strong> weil die Ausbildung <strong>de</strong>r Journal<strong>ist</strong>en nach <strong>de</strong>m reits gut 17 Millionen US-Dollar um. Davon<br />
Krieg große Mängel aufwe<strong>ist</strong>. Zu<strong>de</strong>m vernachlässigte flossen aber nur neun Prozent an Pr<strong>in</strong>tmedien,<br />
die <strong>in</strong>ternationale Geme<strong>in</strong>schaft, allen voran die Euro- immerh<strong>in</strong> 29 Prozent an TV- und 25 Prozent an<br />
päische Union und die amerikanische Regierungsorga- Radiostationen. Vier Fünftel <strong>de</strong>s Medienmarktes<br />
nisation USAID, langezeit <strong>de</strong>n gezielten Aufbau von wür<strong>de</strong>n noch mit <strong>in</strong>ternationaler Unterstützung<br />
professionell berichterstatten<strong>de</strong>n Medien. geför<strong>de</strong>rt. Die Medien s<strong>in</strong>d <strong>de</strong>shalb aber kaum<br />
Während Zeitungen und Zeitschriften die von ihren Lesern abhängig und schreiben wie<br />
Stadtbevölkerung gut erreichen, wird bei <strong>de</strong>r sen<strong>de</strong>n oft an ihren Zielgruppen vorbei.<br />
hohen Quote von Analphabeten <strong>in</strong> <strong>de</strong>n ländlichen Auch wenn die ersten wirtschaftlichen Erfolge<br />
Regionen stark auf <strong>de</strong>n Rundfunk gesetzt. Mehr <strong>de</strong>r afghanischen nicht mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r westlichen<br />
als dreißig unabhängige Lokalradios sen<strong>de</strong>n – und Medien mithalten konnten, konnte man bisher<br />
<strong>das</strong> unter teilweise katastrophalen Bed<strong>in</strong>gungen: durchaus von e<strong>in</strong>er fortschrittlichen Medien-<br />
So s<strong>in</strong>d die Stationen oft nicht nur mit miserabler landschaft sprechen. Aber nach <strong>de</strong>m Rauswurf<br />
Technik ausgestattet. Sie verfügen oft sogar nicht <strong>de</strong>s RTA-General<strong>in</strong>tendanten Najib Roshan,<br />
e<strong>in</strong>mal über e<strong>in</strong>en Zugang zu Nachrichtenagen- nach e<strong>in</strong>em fundamental<strong>ist</strong>isch geprägten Vorturen<br />
o<strong>de</strong>r auch nur <strong>de</strong>m Internet. Weil sich die schlag für e<strong>in</strong> neues Mediengesetz und nach<br />
20<br />
<strong>de</strong>r Zunahme <strong>de</strong>r Gewalt gegen e<strong>in</strong>heimische<br />
wie ausländische Journal<strong>ist</strong>en zeigt sich, <strong>das</strong>s<br />
die Medienordnung <strong>in</strong> Afghan<strong>ist</strong>an an e<strong>in</strong>em<br />
Schei<strong>de</strong>weg steht.<br />
Der geschasste Roshan war e<strong>in</strong>st als Journal<strong>ist</strong><br />
aus Deutschland nach Afghan<strong>ist</strong>an gekommen,<br />
um dort die Umwandlung <strong>de</strong>s zuvor vom Regime<br />
kontrollierten Apparats RTA zu e<strong>in</strong>em Rundfunk<br />
nach westlichem öffentlich-rechtlichem Mo<strong>de</strong>ll<br />
voranzutreiben. Geme<strong>in</strong>sam mit <strong>de</strong>r BBC, <strong>de</strong>r<br />
Deutschen Welle und mit Unterstützung <strong>de</strong>r<br />
Europäischen Kommission wur<strong>de</strong>n Kooperationen<br />
angeschoben, junge talentierte Journal<strong>ist</strong>en<br />
e<strong>in</strong>gestellt und <strong>de</strong>r 2 000-Mann-Betrieb reformiert.<br />
Doch mit e<strong>in</strong>er Kab<strong>in</strong>ettsumbildung kam<br />
plötzlich auch e<strong>in</strong> an<strong>de</strong>rer Informationsm<strong>in</strong><strong>ist</strong>er<br />
an die Macht, <strong>de</strong>r für die RTA zuständig <strong>ist</strong> und<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Nacht-und-Nebel-Aktion fast 80 Beschäftigten<br />
Hausverbot erteilte und Roshan En<strong>de</strong><br />
vergangenen Jahres vor die Tür setzte.<br />
zwIesPältIge verstaatlIchungen<br />
Derselbe M<strong>in</strong><strong>ist</strong>er bastelt an e<strong>in</strong>er Neufassung<br />
<strong>de</strong>s Mediengesetzes. Die RTA und die größte afghanische<br />
Nachrichtenagentur sollen verstaatlicht<br />
wer<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong>e gleichzeitig geplante Medienkommission<br />
soll außer<strong>de</strong>m E<strong>in</strong>fluss auf die privaten<br />
Medien ausüben können. Der Entwurf sieht<br />
ferner vor, <strong>das</strong>s Journal<strong>ist</strong>en <strong>de</strong>n Islam nicht <strong>in</strong><br />
Frage stellen dürfen. Zu allem Überfluss wur<strong>de</strong><br />
noch bekannt, <strong>das</strong>s e<strong>in</strong> afghanischer Journal<strong>ist</strong><br />
direkt von <strong>de</strong>n Taliban ermor<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> und<br />
außer<strong>de</strong>m offenbar noch immer Telefonate von<br />
Journal<strong>ist</strong>en abgehört wer<strong>de</strong>n.<br />
Doch <strong>in</strong> Afghan<strong>ist</strong>an regt sich Wi<strong>de</strong>rstand:<br />
E<strong>in</strong>en Tag nach <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen bei Tolo TV versammelten<br />
sich 150 afghanische Journal<strong>ist</strong>en und<br />
Intellektuelle vor <strong>de</strong>m Parlament. Sie verlangten<br />
die Absetzung <strong>de</strong>s Generalstaatsanwalts.<br />
wIchtIge gesetze fehlen<br />
Die EU und Partner aus weitere Staaten schulen<br />
jetzt endlich mehr als 2 000 Journal<strong>ist</strong>en – die<br />
Nachfrage <strong>ist</strong> groß: Engagierte Journal<strong>ist</strong>en wollen<br />
die fragwürdige Zukunft ihrer Medien selbst<br />
gestalten.<br />
Dass sie aber nicht auf endlose För<strong>de</strong>rungen<br />
angewiesen se<strong>in</strong> wollen zeigte im Frühsommer<br />
2007 e<strong>in</strong>e große Medienkonferenz, die unter<br />
<strong>de</strong>m passen<strong>de</strong>n Slogan „media is <strong>de</strong>velopment“<br />
stand. Erstmals waren afghanische Verleger und<br />
Journal<strong>ist</strong>en aus <strong>de</strong>m ganzen Land zusammengekommen.<br />
Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Veranstaltung stand gar die<br />
For<strong>de</strong>rung nach e<strong>in</strong>em Gesetz zur Sicherung <strong>de</strong>r<br />
Informationsfreiheit – angelehnt an <strong>de</strong>n Freedom<br />
of Information Act <strong>de</strong>r USA. Ke<strong>in</strong>e Frage: Der<br />
gute Wille <strong>ist</strong> da.<br />
Aufbruch <strong>in</strong> die Neuzeit? E<strong>in</strong>e sichere Prognose<br />
für Afghan<strong>ist</strong>an gibt es nicht.