ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de
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21 frei?* / W<strong>in</strong>ter 2008<br />
embed<strong>de</strong>d journalism<br />
WENN SICH JOURNALISTEN UND<br />
SOLDATEN DAS ZELT TEILEN<br />
Wenn Journal<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> Kriegszeiten „embed<strong>de</strong>d“<br />
arbeiten, kann <strong>das</strong> <strong>de</strong>r Pressefreiheit nicht gut<br />
tun. Von Alexan<strong>de</strong>r Bartl<br />
D<br />
ie Medien <strong>de</strong>r Krieg führen<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>r<br />
wan<strong>de</strong>ln sich von e<strong>in</strong>em kritischen<br />
Kontrolleur <strong>de</strong>r Staatsmacht zu e<strong>in</strong>er<br />
vierten Waffengattung neben Heer, Luftwaffe<br />
und Mar<strong>in</strong>e.“ Zu diesem Ergebnis kam bereits<br />
En<strong>de</strong> 2002 e<strong>in</strong>e Studie <strong>de</strong>s schwedischen Amtes<br />
für psychologische Verteidigung. Weil vor allem<br />
amerikanische und britische Medien noch immer<br />
über ihre <strong>in</strong> Irak und Afghan<strong>ist</strong>an stationierten<br />
Truppen berichten, stellt sich die Frage: Ist die<br />
Berichterstattung von Kriegsschauplätzen und <strong>das</strong><br />
E<strong>in</strong>b<strong>in</strong><strong>de</strong>n von Journal<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> die Armee – <strong>das</strong> so<br />
genannte Embed<strong>de</strong>d Report<strong>in</strong>g – e<strong>in</strong>e Gefahr o<strong>de</strong>r<br />
doch eher e<strong>in</strong>e Chance für die Pressefreiheit?<br />
Fakt <strong>ist</strong>: Je näher Journal<strong>ist</strong>en am Geschehen<br />
s<strong>in</strong>d, <strong>de</strong>sto besser können sie berichten und <strong>de</strong>sto<br />
mehr erfährt damit auch die Öffentlichkeit vom<br />
tatsächlichen Geschehen im Kriegsgebiet. Doch<br />
so nahe liegend diese E<strong>in</strong>schätzung kl<strong>in</strong>gt, so sehr<br />
muss sie auch h<strong>in</strong>terfragt wer<strong>de</strong>n. Denn immerh<strong>in</strong><br />
versuchen stets bei<strong>de</strong> Kriegsparteien, Journal<strong>ist</strong>en<br />
für ihre Zwecke zu <strong>in</strong>strumentalisieren, vor allem,<br />
<strong>in</strong><strong>de</strong>m sie versuchen, die Berichterstattung auf <strong>das</strong><br />
zu reduzieren, was ihnen genehm <strong>ist</strong>.<br />
Oft verbieten die Militärs <strong>de</strong>shalb etwa die<br />
Veröffentlichung bestimmter Informationen –<br />
angeblich, weil sie <strong>de</strong>r Geheimhaltung unterlägen.<br />
„Die jeweiligen Aufpasser s<strong>in</strong>d sehr e<strong>in</strong>fallsreich,<br />
bestimmte D<strong>in</strong>ge als militärisch geheim e<strong>in</strong>zustufen“,<br />
sagt Gerhard Kromschrö<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r im Golfkrieg<br />
1991 aus Bagdad berichtete. Der 1941 geborene<br />
Journal<strong>ist</strong> erklärt ferner: „Sicherheit <strong>de</strong>r Soldaten<br />
wird gerne genommen, um Berichterstattung zu<br />
unterdrücken. Sicherheit <strong>de</strong>r Soldaten <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Kategorie, die Militärs haben. Ich als Journal<strong>ist</strong><br />
habe die, sofern es nicht offensichtlich <strong>ist</strong>, nicht.“<br />
In diesem Punkt wi<strong>de</strong>rspricht ihm jedoch Chr<strong>ist</strong>oph<br />
Maria Fröh<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r als Krisen-Korrespon<strong>de</strong>nt<br />
unter an<strong>de</strong>rem 1991 und 2003 während <strong>de</strong>r<br />
Kriege aus Bagdad berichtete. „Ich b<strong>in</strong> niemand,<br />
<strong>de</strong>r die Sicherheit von Soldaten o<strong>de</strong>r auch von<br />
Zivil<strong>ist</strong>en ignoriert. Ich überlege sehr genau, ob ich<br />
bestimmte Details <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Beitrag h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> nehme,<br />
wenn ich möglicherweise potenziellen Terror<strong>ist</strong>en<br />
dadurch e<strong>in</strong>e Art Hilfestellung le<strong>ist</strong>en könnte.“<br />
E<strong>in</strong>e neutrale Kriegsberichterstattung hält Fröh<strong>de</strong>r<br />
für unmöglich, da die Berichterstattung immer<br />
durch <strong>de</strong>n kulturellen H<strong>in</strong>tergrund <strong>de</strong>s Reporters<br />
und <strong>de</strong>ssen persönliche Erlebnisse geprägt sei. Es<br />
sei auch schwer möglich, nicht dadurch bee<strong>in</strong>flusst<br />
zu wer<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s es die eigenen Soldaten s<strong>in</strong>d,<br />
die am Krieg beteiligt s<strong>in</strong>d. Dies stelle jedoch<br />
ke<strong>in</strong> großes Problem dar, solange <strong>de</strong>r jeweilige<br />
Journal<strong>ist</strong> „se<strong>in</strong>e politische Analysefähigkeit nicht<br />
abschaltet, nur weil es die eigenen Leute s<strong>in</strong>d“.<br />
Kromschrö<strong>de</strong>r hat im Irakkrieg 2003 beobachtet,<br />
<strong>das</strong>s westliche Journal<strong>ist</strong>en oft me<strong>in</strong>en,<br />
sie müssten e<strong>in</strong>en westlichen Standpunkt vertreten.<br />
So hätten e<strong>in</strong>ige Korrespon<strong>de</strong>nten davon<br />
gesprochen, <strong>das</strong>s „wir“ soundso viele Panzer<br />
hätten. Daher for<strong>de</strong>rt er: „E<strong>in</strong> Journal<strong>ist</strong> kann<br />
nicht Teil e<strong>in</strong>er Militärmasch<strong>in</strong>e se<strong>in</strong> und darf<br />
nie von ‚uns‘ re<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r von ‚wir‘, er <strong>ist</strong> immer<br />
nur Beobachter.“<br />
„antIPol Des sauberen journalIsMus“<br />
Teil <strong>de</strong>r Militärmasch<strong>in</strong>e wur<strong>de</strong>n Journal<strong>ist</strong>en vor<br />
allem im jüngsten Irakkrieg 2003, als erstmals<br />
„Embed<strong>de</strong>d Journal<strong>ist</strong>s“ e<strong>in</strong>gesetzt wur<strong>de</strong>n. Dieser<br />
Typ Journal<strong>ist</strong> <strong>ist</strong> für die Zeit se<strong>in</strong>er Berichterstattung<br />
fester, wenn auch unbewaffneter Teil <strong>de</strong>r<br />
Streitkräfte. Das amerikanische Verteidigungsm<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium<br />
reagierte mit diesem Konzept auf<br />
Beschwer<strong>de</strong>n amerikanischer Medien, wonach<br />
diese <strong>in</strong>sbeson<strong>de</strong>re aus <strong>de</strong>m Golfkrieg 1991 und<br />
<strong>de</strong>m Krieg <strong>in</strong> Afghan<strong>ist</strong>an 2001 nicht ausreichend<br />
hätten berichten können.<br />
Dass <strong>das</strong> Militär damit nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />
die Pressefreiheit stärken will, son<strong>de</strong>rn vor allem<br />
eigene Interessen verfolgt, geben selbst e<strong>in</strong>ige<br />
Militärs offen zu. Lieutenant Colonel Rick Long,<br />
ehemaliger Leiter <strong>de</strong>s Pressestabs <strong>de</strong>s U.S. Mar<strong>in</strong>e<br />
Corps, räumte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Diskussionsrun<strong>de</strong> e<strong>in</strong>:<br />
„Offen gesagt, es <strong>ist</strong> unser Job, <strong>de</strong>n Krieg zu gew<strong>in</strong>nen.<br />
E<strong>in</strong> Teil davon <strong>ist</strong> <strong>de</strong>r Informationskrieg. Also<br />
wer<strong>de</strong>n wir versuchen, <strong>das</strong> Informationsumfeld<br />
zu dom<strong>in</strong>ieren.“<br />
„E<strong>in</strong>e absolute Fehlentwicklung“ sei <strong>das</strong> Konzept<br />
<strong>de</strong>s Embed<strong>de</strong>d Journalism, sagt <strong>de</strong>shalb<br />
Kromschrö<strong>de</strong>r. Wie Fröh<strong>de</strong>r hält auch er es für<br />
unmöglich, kritische D<strong>ist</strong>anz zu <strong>de</strong>n Soldaten zu<br />
wahren, mit <strong>de</strong>nen sich <strong>de</strong>r Journal<strong>ist</strong> <strong>das</strong> Zelt teilt.<br />
So kamen ihm die Embed<strong>de</strong>d Journal<strong>ist</strong>s 2003<br />
vor, „als wären sie Pressesprecher <strong>de</strong>s Pentagon“.<br />
Fröh<strong>de</strong>r ergänzt: „Alles, was irgendwie embed<strong>de</strong>d<br />
und <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Militärs <strong>ist</strong>, bil<strong>de</strong>t aus me<strong>in</strong>er<br />
Sicht fast e<strong>in</strong>en Antipol zu sauberem Journalismus.“<br />
Er fragt, warum er <strong>de</strong>nn freiwillig e<strong>in</strong>en Teil<br />
se<strong>in</strong>er Unabhängigkeit aufgeben sollte. Fröh<strong>de</strong>r<br />
<strong>ist</strong> sich sicher: „Ich wür<strong>de</strong> me<strong>in</strong>en Standpunkt<br />
als neutraler, aber auch als kritischer Beobachter,<br />
im Grund genommen schon an <strong>de</strong>r Gar<strong>de</strong>robe<br />
abliefern, bevor ich richtig anfange zu arbeiten.“<br />
PAPIER-KRIEG<br />
Islam<strong>ist</strong>en und ihr Zerrbild: Wenn<br />
Pressefreiheit als Kriegserklärung missverstan<strong>de</strong>n<br />
wird. Von Holger Eckermann<br />
ausland<br />
Islamkritiker genießen mancherorts alles an<strong>de</strong>re als<br />
Pressefreiheit. Das schwedische Lokalblatt „Nerikes<br />
Allehanda“ kann jetzt auch e<strong>in</strong> Lied davon s<strong>in</strong>gen.<br />
En<strong>de</strong> August wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r islamische Prophet Mohammed<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Beitrag über Me<strong>in</strong>ungsfreiheit<br />
als „Ron<strong>de</strong>llhun<strong>de</strong>n“ (Kreisverkehrshund“, siehe<br />
Foto) abgedruckt. Die Zeichnung stammt von<br />
<strong>de</strong>m schwedischen Künstler und Ex-Kulturtheorieprofessor<br />
Lars Vilk. Die Folgen: Iran, Pak<strong>ist</strong>an<br />
und Afghan<strong>ist</strong>an protestierten scharf. Die Bil<strong>de</strong>r<br />
seien e<strong>in</strong>e Verunglimpfung <strong>de</strong>s Islam. Demonstrationen,<br />
Morddrohungen und e<strong>in</strong> von <strong>de</strong>r al<br />
Kaida augesetztes Kopfgeld auf Karikatur<strong>ist</strong> und<br />
Chefredakteur ließen nicht lange auf sich warten.<br />
Diesmal ebbte <strong>de</strong>r weltweite Aufruhr allerd<strong>in</strong>gs<br />
schneller ab, als im Vorjahr.<br />
Damals hatte Dänemarks auflagenstärkste Tageszeitung<br />
„Jyllands-Posten“ zwölf Karikaturen <strong>de</strong>s<br />
Propheten Mohammed veröffentlicht, woraufh<strong>in</strong><br />
politische Islam<strong>ist</strong>en e<strong>in</strong>e zügellose Kampagne gegen<br />
<strong>das</strong> kle<strong>in</strong>e Dänemark als großen Schurkenstaat entfachten.<br />
Zögerlich veröffentlichten auch <strong>de</strong>utsche<br />
Zeitungen die Karikaturen – als Zeichen von Solidarität.<br />
„…Die Möglichkeit, selbst <strong>das</strong> Allerheiligste<br />
zu verspotten, <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Traditionskern unserer Kultur,<br />
unverhan<strong>de</strong>lbar, ke<strong>in</strong> Symptom <strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rgangs,<br />
wie Kulturpessim<strong>ist</strong>en <strong>de</strong>uten, son<strong>de</strong>rn e<strong>in</strong> Beleg<br />
für gesun<strong>de</strong> Inst<strong>in</strong>kte <strong>de</strong>r Respektlosigkeit“, kommentierte<br />
<strong>de</strong>r damalige WELT-Chefredakteur Roger<br />
Köppel. Prompt brach auch <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong><br />
Streit über <strong>de</strong>n S<strong>in</strong>n und die Grenzen freier Presse<br />
aus. Und noch lange Zeit tobte <strong>de</strong>r ‚Papier-Krieg’<br />
weiter. Mehrere Zeitungen veröffentlichten im<br />
Gegenzug gehässige Karikaturen, die es <strong>in</strong> <strong>de</strong>r arabischen<br />
Welt über An<strong>de</strong>rsgläubige schon immer gab<br />
(vor allem über Ju<strong>de</strong>n), <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stag <strong>de</strong>battierte<br />
<strong>das</strong> Thema ohne rechtes Ziel und e<strong>in</strong> Karikatur<strong>ist</strong><br />
<strong>de</strong>s Berl<strong>in</strong>er Tagesspiegel musste sich verstecken,<br />
weil er Drohungen aufgrund e<strong>in</strong>er Zeichnung<br />
erhielt, die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r iranischen Fußball-WM-<br />
Mannschaft mit Bombengürteln zeigte.<br />
Karikare heißt überspitzen. Aber mit Grenzen,<br />
die, die die Freiheit sich selber setzt. Und „Freiheit<br />
heißt immer auch Verantwortung für <strong>das</strong> was man<br />
tut“, kommentierte <strong>de</strong>r Satiriker und Präsi<strong>de</strong>nt<br />
von Berl<strong>in</strong>s Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste Klaus Staeck.<br />
E<strong>in</strong> kluger Satz.