03.01.2013 Aufrufe

ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de

ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de

ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ausland<br />

E<br />

<strong>in</strong> Konflikt <strong>in</strong> Tschetschenien?<br />

Davon kann doch<br />

längst ke<strong>in</strong>e Re<strong>de</strong> mehr se<strong>in</strong>!<br />

Und überhaupt: In Grosny wird<br />

gewerkelt und gebaut, Neues geschaffen<br />

und Altes wie<strong>de</strong>r aufgebaut.<br />

Straßenzüge sehen nach e<strong>in</strong>em geregelten<br />

Alltag und nicht nach Krieg,<br />

Armut und Ungewissheit aus. Und<br />

auch <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Medien hat es nicht <strong>de</strong>n<br />

Ansche<strong>in</strong>, als ob es viel zu berichten<br />

gäbe: Tschetschenien <strong>ist</strong> kaum e<strong>in</strong><br />

Thema – auch hierzulan<strong>de</strong>.<br />

Dieser Sche<strong>in</strong> trügt allerd<strong>in</strong>gs<br />

und <strong>ist</strong> nur <strong>das</strong> Bild, <strong>das</strong> die russische<br />

Führung verbreitet. Denn<br />

noch immer explodieren Bomben,<br />

wer<strong>de</strong>n Menschen verschleppt und<br />

gefoltert – und Journal<strong>ist</strong>en erpresst,<br />

an ihrer Arbeit geh<strong>in</strong><strong>de</strong>rt.<br />

So wie Anna Politkowskaja, die<br />

für ihren Kampf um die Wahrheit<br />

vor gut e<strong>in</strong>em Jahr sterben musste.<br />

frei?* / W<strong>in</strong>ter 2008<br />

HIMMELHOCH JAUCHZEND UND DOCH DIE HÖLLE?<br />

Tschetschenien: Die unüberw<strong>in</strong>dbare Kluft zwischen Theorie und Wirklichkeit. Von Kathar<strong>in</strong>a Wisotzki<br />

Ermor<strong>de</strong>te Put<strong>in</strong>-Kritiker<strong>in</strong>: Die Journal<strong>ist</strong><strong>in</strong> Anna Politkowskaja.<br />

A<br />

uf Platz 144 führt Reporter<br />

ohne Grenzen Russland<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r aktuellen Rangl<strong>ist</strong>e<br />

<strong>de</strong>r Pressefreiheit. Und auch wenn<br />

man solche Stat<strong>ist</strong>iken mit Vorsicht<br />

genießen sollte, <strong>ist</strong> offensichtlich:<br />

In Russland wer<strong>de</strong>n Journal<strong>ist</strong>en<br />

bedroht, e<strong>in</strong>geschüchtert, verprügelt,<br />

verhaftet und sogar ermor<strong>de</strong>t.<br />

Alle<strong>in</strong> seit Präsi<strong>de</strong>nt Put<strong>in</strong>s Amtsantritt<br />

Anfang 2000 wur<strong>de</strong>n rund 20<br />

Pressevertreter umgebracht.<br />

Blickt man <strong>in</strong> die <strong>de</strong>utschen Medien,<br />

sche<strong>in</strong>t die Sache e<strong>in</strong><strong>de</strong>utig:<br />

Put<strong>in</strong> hält <strong>de</strong>n russischen Bären im<br />

eisernen Würgegriff. Je<strong>de</strong>s <strong>de</strong>mokratische<br />

Aufzucken wird mit Gewalt<br />

quittiert. Boris Reitschuster, Moskau-<br />

Korrespon<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Focus, <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>er<br />

<strong>de</strong>r schärfsten Kritiker Put<strong>in</strong>s – auch<br />

aus eigener Erfahrung. Auch ihn hat<br />

die russische Polizei schon festgesetzt,<br />

Zwar <strong>ist</strong> offiziell bis heute nicht<br />

geklärt, wer sie ermor<strong>de</strong>t hat, doch<br />

<strong>de</strong>r Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung<br />

aus Tschetschenien<br />

und ihrer Kritik am Regime tritt<br />

offen zu Tage.<br />

Der Fall hat auch Susanne Scholl,<br />

Moskau-Korrespon<strong>de</strong>nt<strong>in</strong> <strong>de</strong>s österreichischen<br />

öffentlich-rechtlichen<br />

Fernsehsen<strong>de</strong>rs ORF, <strong>de</strong>utlich gemacht,<br />

„<strong>in</strong> welchem Staat wir leben<br />

und mit was für e<strong>in</strong>em Regime wir<br />

es zu tun haben“.<br />

Was Kritikern droht, musste die<br />

Reporter<strong>in</strong> am eigenen Leib spüren:<br />

Als sie <strong>in</strong> Tschetschenien für<br />

die Politkowskaja-Dokumentation<br />

„Sterben für die Wahrheit“ drehte, sei<br />

sie „bis auf die bekannten Probleme<br />

<strong>in</strong> Tschetschenien“ nicht beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rt<br />

wor<strong>de</strong>n, sagt sie. Doch was sie da als<br />

Bagatelle abtut, <strong>ist</strong> enorm: Sie und<br />

ihr Fernsehteam wur<strong>de</strong>n von Leuten<br />

RUSSLANDS BESCHWERLICHER WEG<br />

In Russland wer<strong>de</strong>n kritische Journal<strong>ist</strong>en verhaftet, verprügelt<br />

und sogar ermor<strong>de</strong>t. Davor s<strong>in</strong>d auch <strong>de</strong>utsche Korrespon<strong>de</strong>nten nicht<br />

geschützt. Von Moritz Alexan<strong>de</strong>r Heiser<br />

um zu verh<strong>in</strong><strong>de</strong>rn, <strong>das</strong>s er über regierungskritische<br />

Demonstrationen<br />

berichtet. Vor e<strong>in</strong>em Jahr hätten<br />

nicht alle <strong>de</strong>utschen Medien so kritisch<br />

berichtet, sagt er: „Ich <strong>de</strong>nke, da<br />

war ich Me<strong>in</strong>ungsmacher und habe<br />

die L<strong>in</strong>ie vorgezeichnet, auf die die<br />

an<strong>de</strong>ren e<strong>in</strong>geschwenkt s<strong>in</strong>d.“<br />

Beson<strong>de</strong>rs während <strong>de</strong>r Kanzlerschaft<br />

Schrö<strong>de</strong>rs sei e<strong>in</strong> zu positives<br />

Bild <strong>de</strong>r Put<strong>in</strong>-Herrschaft vermittelt<br />

wor<strong>de</strong>n. Jetzt habe sich nicht nur<br />

die Berichterstattung geän<strong>de</strong>rt.<br />

Auch Kanzler<strong>in</strong> Merkel kritisiere<br />

nun die Menschenrechtslage <strong>in</strong><br />

Russland öffentlich.<br />

wIe hIlfreIch Ist krItIk aus<br />

DeM auslanD?<br />

Mária Huber bezweifelt die positive<br />

Wirkung ausländischer Interventionen<br />

für Demokratie und Pressefreiheit.<br />

Die Politologie-Professor<strong>in</strong>,<br />

die zur Wen<strong>de</strong>zeit für „Die Zeit“ aus<br />

Moskau berichtete, f<strong>in</strong><strong>de</strong>t, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

Bedürfnis nach Demokratie von unten<br />

her wachsen muss. E<strong>in</strong>mischung<br />

von außen sei kontraproduktiv. „Das<br />

festgehalten, die sich als Mitarbeiter<br />

<strong>de</strong>s Inlandsgeheimdienstes ausgaben,<br />

ihnen wur<strong>de</strong>n die Akkreditierungen,<br />

<strong>das</strong> Satellitentelefon und e<strong>in</strong>ige<br />

Aufnahmebän<strong>de</strong>r entzogen.<br />

Nach 14 Jahren <strong>in</strong> Russland wisse<br />

sie eben, „wie es <strong>in</strong> diesem Land<br />

um solche D<strong>in</strong>ge steht“, sagt Scholl<br />

dazu. Ihre abgebrühten Worte<br />

zeigen: Offenbar gehört es selbst<br />

für westliche Journal<strong>ist</strong>en zur Normalität,<br />

<strong>in</strong> Russland e<strong>in</strong>geschränkt<br />

und bedroht zu wer<strong>de</strong>n, nicht<br />

veröffentlichen zu dürfen was man<br />

als Journal<strong>ist</strong> will – schon gar nicht<br />

über Tschetschenien.<br />

Über all diesen Repressionen<br />

schwebt Ramsan Kadyrow, <strong>de</strong>r von<br />

Put<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gesetzte neue Präsi<strong>de</strong>nt<br />

<strong>de</strong>r Teilrepublik. In Tschetschenien<br />

<strong>ist</strong> er allgegenwärtig, ob als<br />

gol<strong>de</strong>ne Statue, als Bild über <strong>de</strong>r<br />

La<strong>de</strong>ntheke o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n T-Shirts<br />

Ergebnis <strong>ist</strong> dann selten Demokratie,<br />

son<strong>de</strong>rn vielmehr e<strong>in</strong>e Verschärfung<br />

<strong>de</strong>s Machtkampfs zwischen <strong>de</strong>n verfe<strong>in</strong><strong>de</strong>ten<br />

Gruppen <strong>de</strong>r Eliten.“<br />

Huber sieht <strong>das</strong> Problem bei<br />

<strong>de</strong>n Journal<strong>ist</strong>en, weniger <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Medienstrukturen. Im Westen als<br />

mutig angesehene Journal<strong>ist</strong>en, wie<br />

die ermor<strong>de</strong>te Anna Politkowskaja,<br />

seien oft sehr direkt <strong>in</strong> ihrer Kritik:<br />

„Es br<strong>in</strong>gt nichts, Put<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

‚Zaren‘ zu nennen. Dazu gehört<br />

ke<strong>in</strong> Mut. Mutig <strong>ist</strong>, gründlich zu<br />

recherchieren und <strong>das</strong> Ergebnis<br />

sachlich darzustellen – und da gibt<br />

es Defizite.“ Was <strong>in</strong> Russland passiert<br />

sei schlimm, aber manchmal<br />

könne man <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>druck gew<strong>in</strong>nen<br />

„als ob die russischen Journal<strong>ist</strong>en<br />

erwarten wür<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s ihnen die<br />

Pressefreiheit nach Hause getragen<br />

wird“, sagt die Politikwissenschaftler<strong>in</strong>.<br />

Im Westen E<strong>in</strong>druck zu machen,<br />

sei womöglich oft wichtiger, als <strong>de</strong>n<br />

Kampf vor Ort zuführen.<br />

„Es sterben immer die Journal<strong>ist</strong>en,<br />

die über die Mafia und ihre<br />

Strukuren bis <strong>in</strong> die Politik h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

recherchieren“, sagt Huber. Dass die<br />

22<br />

<strong>de</strong>r Sportler e<strong>in</strong>es Sportclubs, <strong>de</strong>r<br />

auch noch „Ramsan“ heißt. Wie <strong>de</strong>r<br />

„Spiegel“ berichtete, sprechen alle<br />

Tschetschenen von e<strong>in</strong>em „jungen,<br />

energischen Präsi<strong>de</strong>nten“, <strong>in</strong> <strong>de</strong>n sie<br />

ihre Hoffnung setzten – zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st<br />

am helllichten Tage und auf offener<br />

Straße. Der Bürgerme<strong>ist</strong>er e<strong>in</strong>er<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> setzte noch e<strong>in</strong>en oben<br />

drauf, als er <strong>de</strong>n „Spiegel“-Reportern<br />

sagte: „In Tschetschenien gibt<br />

es ke<strong>in</strong>e Probleme, <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt<br />

entschei<strong>de</strong>t alles.“<br />

Nur unter <strong>de</strong>r Hand hört sich <strong>das</strong><br />

an<strong>de</strong>rs an. Dieses neue Tschetschenien<br />

<strong>ist</strong> nämlich vor allem von Angst<br />

geprägt. Angst, die für Susanne<br />

Scholl „nicht nur vor <strong>de</strong>r russischen<br />

Armee, son<strong>de</strong>rn vor allem auch vor<br />

<strong>de</strong>m jetzigen Präsi<strong>de</strong>nten“ besteht.<br />

Put<strong>in</strong> agiere „wie e<strong>in</strong> Feudalherr“.<br />

Und wer da kritisch sei, begebe sich<br />

eben <strong>in</strong> Gefahr.<br />

mafiösen Strukturen so stark s<strong>in</strong>d,<br />

liege aber nicht an Put<strong>in</strong>, son<strong>de</strong>rn an<br />

<strong>de</strong>r Art und Weise, wie <strong>de</strong>r Systemwan<strong>de</strong>l<br />

mit Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>r Jelz<strong>in</strong>schen<br />

Präsi<strong>de</strong>ntschaft durchgeführt wur<strong>de</strong>.<br />

Vorzuwerfen sei Put<strong>in</strong> eher, nicht für<br />

ausreichen<strong>de</strong>n Schutz von Journal<strong>ist</strong>en<br />

zu sorgen und zuzulassen, <strong>das</strong>s<br />

Spielräume für unabhängige Medien<br />

enger wer<strong>de</strong>n, sei es im wie<strong>de</strong>r stärker<br />

auf L<strong>in</strong>ie gebrachten Fernsehen<br />

o<strong>de</strong>r im Pr<strong>in</strong>tbereich.<br />

Tatsache <strong>ist</strong> aber, <strong>das</strong>s während<br />

Jelz<strong>in</strong>s Präsi<strong>de</strong>ntschaft im Durchschnitt<br />

gut 20 Journal<strong>ist</strong>en pro Jahr<br />

ermor<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n. Re<strong>in</strong> quantitativ<br />

ersche<strong>in</strong>en da die rund 20 Journal<strong>ist</strong>en<br />

<strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt sieben Jahren<br />

Put<strong>in</strong>-Herrschaft fast als Fortschritt<br />

auf Russlands beschwerlichem Weg<br />

zur Pressefreiheit.<br />

Doch dies als Messlatte zu nehmen,<br />

wäre zynisch und falsch. Russland<br />

braucht mehr überzeugte<br />

Demokraten mit überzeugen<strong>de</strong>m<br />

Engagement. Und mehr <strong>de</strong>mokratisch<br />

<strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Journal<strong>ist</strong>en als<br />

<strong>de</strong>ren Multiplikatoren. Doch genau<br />

<strong>das</strong> erschwert <strong>de</strong>r russische Staat.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!