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ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de

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<strong>in</strong>land<br />

frei?* / W<strong>in</strong>ter 2008<br />

QUALITäT HAT IHREN PREIS<br />

Können sich Pr<strong>in</strong>tmedien die Pressefreiheit noch le<strong>ist</strong>en? Von Nicole H<strong>in</strong>z<br />

W<br />

er glaubt, <strong>das</strong>s man als<br />

Journal<strong>ist</strong> nur <strong>in</strong> Diktaturen<br />

nicht schreiben<br />

darf, was man <strong>de</strong>nkt, <strong>de</strong>r irrt.<br />

Auch <strong>in</strong> Deutschland gibt es e<strong>in</strong>ige<br />

Faktoren, die sich negativ auf<br />

die Presse- und Me<strong>in</strong>ungsfreiheit<br />

auswirken. E<strong>in</strong> Beispiel <strong>ist</strong> die<br />

Marktwirtschaft.<br />

Tatort München: Die Süd<strong>de</strong>utsche<br />

Zeitung (SZ) berichtet kritisch<br />

über die Supermarktkette Aldi. Der<br />

Konzern <strong>ist</strong> davon nicht bege<strong>ist</strong>ert<br />

und beschließt umgehend e<strong>in</strong>en<br />

Anzeigenboykott. E<strong>in</strong> ganzes Jahr<br />

lang gibt es <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Süd<strong>de</strong>utschen<br />

ke<strong>in</strong>e Werbung mehr von Aldi. Der<br />

Verlust bei <strong>de</strong>r SZ wird auf mehrere<br />

Millionen Euro geschätzt.<br />

Die Süd<strong>de</strong>utsche <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e <strong>de</strong>r<br />

größten überregionalen Zeitungen<br />

<strong>in</strong> Deutschland – doch was wäre,<br />

wenn dies e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Tageszeitung<br />

passieren wür<strong>de</strong>? E<strong>in</strong> Konzern<br />

wie Aldi <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielles<br />

Standbe<strong>in</strong>, auf <strong>das</strong> nicht verzichtet<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Je<strong>de</strong> Woche zwei<br />

ganzseitige Anzeigen be<strong>de</strong>uten<br />

e<strong>in</strong>e Menge Geld. Wür<strong>de</strong> diese<br />

E<strong>in</strong>nahmequelle wegfallen, wäre<br />

<strong>das</strong> womöglich <strong>das</strong> Aus. Kann sich<br />

also e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Zeitung die Pressefreiheit<br />

nicht mehr le<strong>ist</strong>en?<br />

Natürlich gibt es <strong>in</strong> Deutschland<br />

Maßnahmen, die garantieren, <strong>das</strong>s<br />

die Presse unabhängig von Werbee<strong>in</strong>nahmen<br />

arbeiten kann – allerd<strong>in</strong>gs<br />

nur für <strong>de</strong>n Rundfunk und <strong>das</strong> Fernsehen.<br />

Der Rundfunkstaatsvertrag<br />

schreibt <strong>in</strong> diesen Bereichen e<strong>in</strong>e<br />

„duale Ordnung“ vor, also auf <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>en<br />

Seite e<strong>in</strong>en öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk, <strong>de</strong>r sich durch Gebühren<br />

f<strong>in</strong>anziert und auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite<br />

e<strong>in</strong>en privaten Rundfunk, <strong>de</strong>r se<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>nahmen aus Werbung bezieht.<br />

Das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht hat <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Entscheidung sogar festgelegt,<br />

<strong>das</strong>s <strong>de</strong>r private Rundfunk alle<strong>in</strong><br />

gar nicht zu <strong>de</strong>r Sicherung e<strong>in</strong>er<br />

freien Me<strong>in</strong>ungsbildung beitragen<br />

kann. Denn die Tatsache, sich über<br />

Werbung f<strong>in</strong>anzieren zu müssen,<br />

führe dazu, <strong>das</strong>s privater Rundfunk<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Interessen <strong>de</strong>r<br />

Zielgruppen berücksichtigt, die für<br />

die Wirtschaft relevant s<strong>in</strong>d. Auch<br />

im Grundgesetz f<strong>in</strong><strong>de</strong>t man e<strong>in</strong> Wort<br />

hierzu: Der Gesetzgeber hat <strong>de</strong>n Auftrag,<br />

die Vielfalt <strong>de</strong>r Presse zu sichern<br />

und freie Me<strong>in</strong>ungsbildung durch<br />

<strong>de</strong>n Rundfunk zu gewährle<strong>ist</strong>en.<br />

Doch warum gilt dies nicht für<br />

die Pr<strong>in</strong>tmedien? Wieso gibt es ke<strong>in</strong>e<br />

Regelung <strong>in</strong> Deutschland, die auch<br />

<strong>de</strong>n Zeitungen und Zeitschriften<br />

e<strong>in</strong>e unabhängige Berichterstattung<br />

ermöglicht? E<strong>in</strong> Blick zu <strong>de</strong>n europäischen<br />

Nachbarn zeigt, <strong>das</strong>s die<br />

I<strong>de</strong>e e<strong>in</strong>er staatlichen Subventionierung<br />

gar nicht so abwegig <strong>ist</strong>. Griechenland<br />

bietet se<strong>in</strong>en Zeitungsverlagen<br />

Steuervergünstigungen an,<br />

Frankreich unterstützt gezielt die<br />

f<strong>in</strong>anziell schwachen Blätter.<br />

MoDell österreIch<br />

In <strong>de</strong>n skand<strong>in</strong>avischen Län<strong>de</strong>rn gibt<br />

es sogar e<strong>in</strong>e konkrete Presseför<strong>de</strong>rung<br />

und auch <strong>in</strong> Österreich bekommen<br />

die Pr<strong>in</strong>tmedien e<strong>in</strong>e staatliche<br />

F<strong>in</strong>anzhilfe. Die Vorteile liegen klar<br />

auf <strong>de</strong>r Hand: Ke<strong>in</strong>e Zeitung sieht<br />

sich <strong>de</strong>r Insolvenz gegenüber, wenn<br />

sich e<strong>in</strong> Anzeigenkun<strong>de</strong> zurückzieht.<br />

E<strong>in</strong>e unabhängige, kritische<br />

14<br />

Berichterstattung wird also garantiert.<br />

Durch die Zuschüsse wer<strong>de</strong>n<br />

aufwändigere Recherchen möglich<br />

gemacht, e<strong>in</strong>e größere Anzahl an<br />

besser ausgebil<strong>de</strong>ten Redakteuren<br />

kann beschäftigt wer<strong>de</strong>n und die<br />

journal<strong>ist</strong>ische Qualität steigt. Auch<br />

die Sicherung <strong>de</strong>r Me<strong>in</strong>ungsvielfalt<br />

<strong>ist</strong> damit gewährle<strong>ist</strong>et.<br />

Um diese Gefahren zu bannen<br />

<strong>das</strong>s sich Journalismus und Wirtschaft<br />

verbannen, s<strong>in</strong>d Richtl<strong>in</strong>ien<br />

für die Vergabe <strong>de</strong>r Gel<strong>de</strong>r zw<strong>in</strong>gend<br />

erfor<strong>de</strong>rlich. Auch hier dient<br />

Österreich als Vorbild: Die Wiener<br />

Medienbehör<strong>de</strong> „KommAustria“<br />

schreibt unter an<strong>de</strong>rem vor, <strong>das</strong>s<br />

nur Zeitungen geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, die<br />

sich auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Verfassung<br />

bewegen. Und Kun<strong>de</strong>nzeitschriften<br />

o<strong>de</strong>r Presseorgane von Interessensvertretungen<br />

wer<strong>de</strong>n grundsätzlich<br />

nicht bedacht. Weiterh<strong>in</strong> gibt es<br />

klare Vorgaben bezüglich <strong>de</strong>r Auflagenzahl,<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsweise und<br />

Eigenbeiträge <strong>de</strong>r Journal<strong>ist</strong>en.<br />

Betrachtet man <strong>das</strong> Mo<strong>de</strong>ll, <strong>das</strong><br />

uns unsere Nachbarn vorleben, sollte<br />

sich auf je<strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>r Ruf nach<br />

e<strong>in</strong>er staatlichen Subventionierung<br />

<strong>de</strong>r Pr<strong>in</strong>tmedien <strong>in</strong> Deutschland<br />

anschließen. Es darf doch nicht se<strong>in</strong>,<br />

<strong>das</strong>s e<strong>in</strong> me<strong>in</strong>ungsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Medium<br />

<strong>de</strong>n Gesetzen <strong>de</strong>r Marktwirtschaft<br />

unterliegt. Denn e<strong>in</strong>e plural<strong>ist</strong>ische,<br />

unabhängige Presse <strong>ist</strong> <strong>de</strong>r Garant e<strong>in</strong>er<br />

<strong>de</strong>mokratischen Gesellschaft. Es<br />

<strong>ist</strong> ganz <strong>in</strong> ihrem S<strong>in</strong>ne, <strong>de</strong>m Volk die<br />

Möglichkeit zu geben, e<strong>in</strong>e kritische<br />

Me<strong>in</strong>ung zu entwickeln, die sich auf<br />

gut recherchierte Fakten stützt.<br />

Die Funktion <strong>de</strong>r Pr<strong>in</strong>tmedien als<br />

„vierte Gewalt“ <strong>ist</strong> nur dann wirklich<br />

funktionsfähig und ernst zu nehmen,<br />

wenn diese frei <strong>ist</strong> und sich nicht ausschließlich<br />

durch Werbee<strong>in</strong>ahmen<br />

f<strong>in</strong>anziert. Auch Jürgen Habermas,<br />

e<strong>in</strong>er <strong>de</strong>r wichtigsten <strong>de</strong>utschen<br />

Philosophen, for<strong>de</strong>rte unlängst <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r SZ e<strong>in</strong>e staatliche Unterstützung<br />

<strong>de</strong>r Pr<strong>in</strong>tmedien. Nur so könne e<strong>in</strong>e<br />

qualitative Grundversorgung <strong>de</strong>r<br />

Bürger und e<strong>in</strong>e „diskursive Vitalität“<br />

<strong>de</strong>r Presse gewährle<strong>ist</strong>et wer<strong>de</strong>n. Er<br />

sehe e<strong>in</strong>e beson<strong>de</strong>re Gefährdung<br />

journal<strong>ist</strong>ischer Standards <strong>in</strong> E<strong>in</strong>sparungsmaßnahmen<br />

und f<strong>in</strong>anzieller<br />

Abhängigkeit. Und <strong>das</strong>, me<strong>in</strong>te Habermas,<br />

könne sich e<strong>in</strong>e Demokratie<br />

schlichtweg nicht le<strong>ist</strong>en.<br />

Deutschlands Richtigstellung <strong>de</strong>s Jahres<br />

2007. Aufgelesen im Bahn-Magaz<strong>in</strong><br />

mobil 5/07, <strong>das</strong> <strong>in</strong> allen ICEs ausliegt.

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