ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de
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31 frei?* / W<strong>in</strong>ter 2008 grundsätze<br />
“ALLE MEDIENSCHAFFENDEN<br />
SIND IN DER PFLICHT…“<br />
Der Hambacher Appell 2007<br />
E<br />
<strong>in</strong>e Presse, die <strong>de</strong>r Politik<br />
nach <strong>de</strong>m Mund re<strong>de</strong>t,<br />
taugt nicht für die Demokratie.<br />
Das wussten die Publiz<strong>ist</strong>en<br />
Jakob Siebenpfeiffer und Georg<br />
August Wirth ganz genau. Kritisch<br />
müsse die Presse se<strong>in</strong>, nur dann sei<br />
e<strong>in</strong>e echte und vor allem freie Me<strong>in</strong>ungsbildung<br />
möglich. Die bei<strong>de</strong>n<br />
Demokraten grün<strong>de</strong>ten <strong>de</strong>n „Deutschen<br />
Preß- und Vaterlandsvere<strong>in</strong>“.<br />
Dieser „Pressvere<strong>in</strong>“ organisierte<br />
e<strong>in</strong> Volksfest – so unterlief er <strong>das</strong><br />
Verbot politischer Versammlungen.<br />
Das war im Mai 1832, vor genau<br />
175 Jahren. Das Hambacher Fest <strong>ist</strong><br />
seither Synonym für <strong>de</strong>n <strong>de</strong>mokratischen<br />
Aufbruch und untrennbar<br />
verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Kampf für e<strong>in</strong>e<br />
von jeglicher Zensur befreite Presse.<br />
Demokratie und Pressefreiheit s<strong>in</strong>d<br />
untrennbar mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n.<br />
Damals wie heute.<br />
Aufgabe <strong>de</strong>r Presse <strong>ist</strong> es, ungeh<strong>in</strong><strong>de</strong>rt<br />
und umfassend über Ereignisse<br />
und Entwicklungen zu berichten,<br />
diese zu dokumentieren und überall<br />
dort Anklage zu erheben, wo<br />
Unrecht geschieht. Damit üben die<br />
Medien gegenüber staatlichen und<br />
nicht staatlichen Institutionen e<strong>in</strong>e<br />
wichtige Kontrollfunktion aus. Zwar<br />
gehört die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
zu <strong>de</strong>n wenigen Län<strong>de</strong>rn auf<br />
<strong>de</strong>r Welt, wo die Pressefreiheit nicht<br />
nur <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Verfassung verankert <strong>ist</strong>,<br />
son<strong>de</strong>rn auch gelebt wird. Doch<br />
auch hierzulan<strong>de</strong> s<strong>in</strong>d die freie<br />
Berichterstattung und die Freiheit<br />
<strong>de</strong>r Recherche immer wie<strong>de</strong>r Gefährdungen<br />
ausgesetzt.<br />
Die hier versammelten Journal<strong>ist</strong>en,<br />
Verleger, Jur<strong>ist</strong>en und Vertreter<br />
<strong>de</strong>r politischen Bildung erklären<br />
1. Es gehört zum Selbstverständnis<br />
<strong>de</strong>r Journal<strong>ist</strong><strong>in</strong>nen und Journal<strong>ist</strong>en,<br />
Verleger<strong>in</strong>nen und Verleger<br />
<strong>in</strong> Deutschland, <strong>das</strong>s sie die<br />
Pressefreiheit mutig wahrnehmen.<br />
Wann immer es <strong>das</strong> öffentliche Informations<strong>in</strong>teresse<br />
erfor<strong>de</strong>rt, sollten<br />
dabei alle rechtlichen Möglichkeiten<br />
ausgeschöpft wer<strong>de</strong>n.<br />
2. Zum Schutz <strong>de</strong>r Pressefreiheit<br />
können die Medien selbst maßgeblich<br />
beitragen, <strong>in</strong><strong>de</strong>m sie diese<br />
verantwortlich wahrnehmen. Dabei<br />
s<strong>in</strong>d die Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Menschen<br />
und <strong>das</strong> Recht <strong>de</strong>s Individuums<br />
auf Schutz se<strong>in</strong>er Lebenssphäre<br />
stets zu achten. Berührt privates<br />
Verhalten öffentliches Interesse, so<br />
kann es – nach sorgfältiger Prüfung<br />
<strong>de</strong>s E<strong>in</strong>zelfalls – <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Medien<br />
erörtert wer<strong>de</strong>n.<br />
3. Alle Medienschaffen<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Pflicht, sich geme<strong>in</strong>sam gegen<br />
Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rungen und Übergriffe<br />
zur Wehr zu setzen, die Öffentlichkeit<br />
über <strong>de</strong>ren Tragweite zu<br />
<strong>in</strong>formieren.<br />
4. Zum Schutz <strong>de</strong>r Pressefreiheit<br />
s<strong>in</strong>d rechtliche Klarstellungen dr<strong>in</strong>gend<br />
notwendig: Der Gesetzgeber<br />
wird aufgefor<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>n Informantenschutz<br />
umfassend und auf Dauer<br />
zu gewährle<strong>ist</strong>en.<br />
5. Versuche von Unternehmen,<br />
Verbän<strong>de</strong>n und PR-Agenturen,<br />
Druck auszuüben o<strong>de</strong>r im Austausch<br />
gegen Information und<br />
Bildmaterial e<strong>in</strong>e wohlwollen<strong>de</strong><br />
Berichterstattung zivilrechtlich zu<br />
erzw<strong>in</strong>gen, sollten sich die Medien<br />
geschlossen entgegenstellen. Im<br />
Zweifel sollte auf die Berichterstattung<br />
verzichtet wer<strong>de</strong>n. Auf je<strong>de</strong>n<br />
Fall sollte die Öffentlichkeit über<br />
solche Versuche <strong>de</strong>r E<strong>in</strong>flussnahme<br />
<strong>in</strong>formiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Symbolisch <strong>in</strong> schwarz-rot-gold<br />
e<strong>in</strong>gewickelt: Der Hambacher Appell<br />
vom 15.06.2007, e<strong>in</strong>e Initiatve von<br />
bpb, DJV und BDZV.<br />
6. Gefährdungen <strong>de</strong>r Pressefreiheit<br />
<strong>in</strong> Län<strong>de</strong>rn <strong>in</strong>nerhalb wie<br />
außerhalb <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />
sollten noch umfassen<strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Berichterstattung<br />
unserer Medien berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n. Institutionen,<br />
Organisationen und Netzwerke, die<br />
sich für bedrohte Journal<strong>ist</strong>en und<br />
Verleger e<strong>in</strong>setzen, brauchen unsere<br />
Unterstützung.<br />
7. Allen Medienschaffen<strong>de</strong>n sollte<br />
daran gelegen se<strong>in</strong>, <strong>das</strong> Ansehen und<br />
die Glaubwürdigkeit <strong>de</strong>r Presse zu<br />
erhalten und zu stärken. Deshalb <strong>ist</strong><br />
es erfor<strong>de</strong>rlich, sich auch kritisch mit<br />
<strong>de</strong>m eigenen Berufsstand ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rzusetzen<br />
und <strong>das</strong> eigene Han<strong>de</strong>ln<br />
immer wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Prüfstand<br />
zu stellen.<br />
Hambach, 14. Juni 2007<br />
Michael Konken (DJV), Helmut<br />
He<strong>in</strong>en (Bun<strong>de</strong>sverband Deutscher<br />
Zeitungsverleger), und 150 weitere<br />
Mitunterzeichner.<br />
Und wir? Klar stehen wir dah<strong>in</strong>ter.<br />
Hätten uns aber gerne noch<br />
energischere Töne gewünscht (mehr<br />
„sollen“ als „sollten“)! Und noch etwas<br />
Wichtiges: Mit e<strong>in</strong>er qualitativ<br />
guten Journal<strong>ist</strong>enausbildung lassen<br />
sich prima Fundamente legen, um<br />
Pressefreiheit auch <strong>in</strong> Zukunft zu<br />
sichern. Liebe ‚Herren‘ Verleger und<br />
‚etablierte‘ Journal<strong>ist</strong>en – vergesst<br />
diesen Punkt bitte nicht.<br />
WOZU PRESSEFREI-<br />
HEIT? WIR HABEN<br />
DOCH INTERNET!<br />
Von Theresia Keupp<br />
Wenn Presse tatsächlich die „Artillerie<br />
<strong>de</strong>r Gedanken“ wäre, wie <strong>de</strong>r<br />
Satiriker Karl Julius Weber e<strong>in</strong>st<br />
formuliert hat, dann wäre seit bald<br />
zwei Jahrzehnten e<strong>in</strong>e übermächtige<br />
Armada <strong>in</strong> die Gesellschaft e<strong>in</strong>gefallen:<br />
<strong>das</strong> Internet.<br />
Gera<strong>de</strong> <strong>in</strong> Län<strong>de</strong>rn, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen<br />
Medien staatlich reguliert o<strong>de</strong>r<br />
e<strong>in</strong>geschüchtert wer<strong>de</strong>n, <strong>ist</strong> Internet<br />
e<strong>in</strong> wichtiges Mittel, um Regierungskritikern<br />
e<strong>in</strong>e Stimme zu<br />
verleihen. Außer<strong>de</strong>m bietet es die<br />
Chance, Themen aufzugreifen, die<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Massenmedien vernachlässigt<br />
wer<strong>de</strong>n. Blogger können mutiger<br />
se<strong>in</strong>, sie müssen eben nicht auf<br />
Quoten, Chefredakteure o<strong>de</strong>r Anzeigekun<strong>de</strong>n<br />
schauen. Des Weiteren<br />
s<strong>in</strong>d Blogger oft die authentischsten<br />
Quellen, wenn es darum geht, vor<br />
Ort Augenzeugen zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n. Der<br />
Blogger, <strong>de</strong>r <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Klassenzimmer<br />
an <strong>de</strong>r Virg<strong>in</strong>ia Tech unter<br />
e<strong>in</strong>em Tisch lag und sich tot stellte,<br />
als e<strong>in</strong> Amokläufer um sich schoss,<br />
hatte mehr zu erzählen als <strong>de</strong>r Journal<strong>ist</strong><br />
vor <strong>de</strong>r abgesperrten Uni.<br />
Wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Internet also die<br />
leibhaftige Verkörperung <strong>de</strong>r Me<strong>in</strong>ungs-<br />
und Pressefreiheit geschaffen?<br />
Weit gefehlt. Was e<strong>in</strong>e übermächtige<br />
Armada <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Presselandschaft<br />
hätte se<strong>in</strong> können, hat sich auf <strong>de</strong>m<br />
Schlachtfeld Presse verrannt. I<strong>de</strong>ologisch<br />
Verblen<strong>de</strong>te manipulieren<br />
Internet-Lexika und Krim<strong>in</strong>elle<br />
stellen K<strong>in</strong><strong>de</strong>rpornografie onl<strong>in</strong>e.<br />
Falsch<strong>in</strong>formationen wer<strong>de</strong>n von<br />
e<strong>in</strong>em Nachrichtenportal <strong>in</strong> <strong>das</strong><br />
an<strong>de</strong>re ungeprüft übernommen.<br />
Diktatoren filtern Informationen,<br />
verbieten Seiten und funktionieren<br />
<strong>das</strong> WWW für Propaganda um.<br />
Auch Blogger täuschen. Mangeln<strong>de</strong><br />
Sorgfalt und Recherche s<strong>in</strong>d<br />
Mankos, unter <strong>de</strong>nen viele Seiten<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>m flüchtigen Medium lei<strong>de</strong>n.<br />
Wen wun<strong>de</strong>rt es, schließlich durchläuft<br />
e<strong>in</strong> Redakteur e<strong>in</strong>e zweijährige<br />
Ausbildung, bis er sich mit <strong>de</strong>m Titel<br />
schmücken darf. Blogger <strong>ist</strong> manch<br />
e<strong>in</strong>er schon nach zehn M<strong>in</strong>uten.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs <strong>ist</strong> <strong>das</strong> Internet noch<br />
ke<strong>in</strong>eswegs an Bösewichte und<br />
Dummköpfe verloren. Es gibt dort<br />
auch wahre Perlen <strong>de</strong>s guten Journalismus<br />
zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n. Und diese herauszufischen<br />
und zu vernetzen, mutige<br />
Kritiker also zu unterstützen – dies<br />
könnte Karl Julius Webers Artillerie<br />
<strong>de</strong>r Gedanken se<strong>in</strong>. Dass daraus e<strong>in</strong>e<br />
neue Armada von besseren Kämpfern<br />
für die Pressefreiheit wird, liegt<br />
auch an uns.