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ist das erlaubt? pressefreiheit in deutschland. - Politikorange.de

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schülerzeitung<br />

frei?* / W<strong>in</strong>ter 2008<br />

AUCH DAS NOCH: KNUTSCHVERBOT VERSUS PRESSEFREIHEIT<br />

Manchmal ziehen persönliche Freiheit und Pressefreiheit kuriose Bahnen.<br />

Da ex<strong>ist</strong>iert Artikel 2 <strong>de</strong>s Grundgesetzes mit <strong>de</strong>m Recht auf die freie Entfaltung<br />

<strong>de</strong>r Persönlichkeit – und dann <strong>das</strong>: KNUTSCHVERBOT! Von Sabr<strong>in</strong>a Gun<strong>de</strong>rt<br />

E<br />

s begab sich an e<strong>in</strong>em kühlen<br />

Ort im Frühjahr 2006, <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em grauen Klotz. Genauer<br />

Plötzlich entsann sie sich jedoch,<br />

<strong>das</strong>s <strong>de</strong>r Löwe gleich nebenan saß.<br />

Diesen müsse man schließlich auch<br />

gesagt: Im Büro <strong>de</strong>s Herrschen<strong>de</strong>n noch um Erlaubnis fragen.<br />

dieser Anstalt. Besser bekannt <strong>ist</strong> Zaghaft öffnete sie die Tür, steckte<br />

dieses Gebäu<strong>de</strong> als Gymnasium <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Kopf here<strong>in</strong> und ich trug <strong>de</strong>m<br />

Siegburg, doch nicht selten sche<strong>in</strong>t Löwen me<strong>in</strong> Anliegen vor. „Darüber<br />

ersterer Name besser zu passen. schreibst du nichts!“, fauchte er zu-<br />

Erst war es nur e<strong>in</strong> Tuscheln, e<strong>in</strong> rück. „Es gibt wichtigere Themen.“<br />

leises Munkeln. Dann wur<strong>de</strong> es er- Ke<strong>in</strong>e zwei M<strong>in</strong>uten später stand ich<br />

schrecken<strong>de</strong> Gewissheit: An unserer ratlos vor se<strong>in</strong>em Büro. Ich wusste<br />

heiß geliebten Schule sollte es e<strong>in</strong> nicht e<strong>in</strong> noch aus. Er, <strong>de</strong>r Löwe, hatte<br />

Knutschverbot geben. E<strong>in</strong> Aufschrei mich me<strong>in</strong>es wichtigsten Rechtes,<br />

g<strong>in</strong>g durch die Reihen – wenn auch <strong>de</strong>m Recht auf Information, gna-<br />

e<strong>in</strong>ige Lehrer und stark religiös <strong>de</strong>nlos beschnitten. E<strong>in</strong> Anruf <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

geprägte Schüler sich diesem nicht Redaktion weckte me<strong>in</strong>en Kampfge<strong>ist</strong>.<br />

anschlossen. Fragen à la „Warum? Wenn es ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>forma-<br />

Was soll <strong>das</strong>?“, Kopfschütteln und tionen gibt, machen wir halt etwas<br />

viele Lacher prägten die nächsten<br />

Tage. Aus Lehrerkreisen waren<br />

Lustiges darüber, hieß es von dort.<br />

jedoch ke<strong>in</strong>e näheren Details zu<br />

erfahren. Doch wir wollten mehr.<br />

„lIzenz zuM offenen krIeg“<br />

Als Vertreter<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Vierten Gewalt E<strong>in</strong>e Woche später prangte auf <strong>de</strong>r<br />

im Lan<strong>de</strong> wagte ich mich schließ- Jugendseite unserer Lokalzeitung e<strong>in</strong>e<br />

lich <strong>in</strong> die Höhle <strong>de</strong>s Löwen. Die Glosse über die Gefahren <strong>de</strong>s Knuts-<br />

Stellvertreter<strong>in</strong> <strong>de</strong>s Obersten <strong>in</strong> chens und wie gut es <strong>ist</strong>, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Knut-<br />

<strong>de</strong>r Anstalt war sofort bereit, mir schen <strong>in</strong> unserem Gymnasium endlich<br />

die H<strong>in</strong>tergrün<strong>de</strong> zu erzählen. Sie e<strong>in</strong> En<strong>de</strong> f<strong>in</strong><strong>de</strong>n soll. Doch <strong>das</strong> war<br />

sprach von <strong>de</strong>r Gefahr für die die Lizenz zum offenen Krieg: Tags<br />

Jüngeren, wenn sie knutschen<strong>de</strong> darauf h<strong>in</strong>g <strong>in</strong> unserer Schule e<strong>in</strong>e<br />

Schüler mit ansehen mussten und Gegendarstellung – mit H<strong>in</strong>tergrund-<br />

<strong>de</strong>m Erziehungsauftrag <strong>de</strong>r Schule. <strong>in</strong>formationen. Der Löwe for<strong>de</strong>rte<br />

die erste Seite unserer Lokalausgabe<br />

für se<strong>in</strong>e Gegendarstellung e<strong>in</strong> – und<br />

bekam e<strong>in</strong> paar Zeilen für e<strong>in</strong>en Leserbrief.<br />

Verstörte Eltern bombardierten<br />

<strong>das</strong> Sekretariat mit Nachfragen. Der<br />

Löwe lies verlauten, nicht mehr mit<br />

mir re<strong>de</strong>n zu wollen – für ihn sei die<br />

Sache erledigt. Dafür beschuldigte er<br />

mich, me<strong>in</strong>en Artikel e<strong>in</strong>fach kopiert<br />

und die Fakten über <strong>das</strong> Küssen aus<br />

e<strong>in</strong>em wissenschaftlichen Text gestohlen<br />

zu haben. Es folgte e<strong>in</strong> Anruf<br />

<strong>de</strong>s Bürgerme<strong>ist</strong>ers beim Löwen, <strong>de</strong>r<br />

wissen wollte, ob dieser nichts Besseres<br />

zu tun habe. Stun<strong>de</strong>nlange Schülervertretungs-Lehrersitzungen<br />

prägten die<br />

Tagesordnung. Fragen, wie nach <strong>de</strong>r<br />

Def<strong>in</strong>ition von „Knutschen“ schienen<br />

plötzlich ex<strong>ist</strong>enziell.<br />

Letztendlich steht <strong>das</strong> Knutschverbot<br />

mittlerweile <strong>in</strong> unserer Hausordnung:<br />

„Knutschen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Gebäu<strong>de</strong>n<br />

und auf <strong>de</strong>m Schulgelän<strong>de</strong> wird<br />

von Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern,<br />

Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrern als nicht<br />

angebracht empfun<strong>de</strong>n“ – wobei<br />

die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler nicht<br />

viel mitzusprechen hatten bei <strong>de</strong>r<br />

Formulierung.<br />

Warum <strong>das</strong> Ganze – diese Frage<br />

<strong>ist</strong> immer noch nicht ganz geklärt.<br />

Aus <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>en Ecke wird über e<strong>in</strong>en<br />

16<br />

Vorfall auf <strong>de</strong>r Schul-Tischtennisplatte<br />

gemunkelt. Das Pärchen darauf<br />

habe nicht nur rumgeknutscht<br />

und zig Fünftklässler hätten die<br />

Szene erstaunt beobachtet. An<strong>de</strong>re<br />

Quellen sprechen von zwei knutschen<strong>de</strong>n<br />

Oberstufenpärchen. All<br />

<strong>de</strong>r Wirbel wegen vier Verliebten?<br />

Bis heute <strong>ist</strong> die Frage ungeklärt.<br />

Die Bestrafung fürs Knutschen<br />

gleicht jedoch e<strong>in</strong>em Folterurteil:<br />

Der Lehrer, <strong>de</strong>r die Knutschen<strong>de</strong>n<br />

erwischt, soll sie bitten, dies nicht<br />

mehr <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schule zu tun. Es <strong>ist</strong><br />

verständlich, <strong>das</strong>s diese Androhung<br />

die Schülermassen unendlich e<strong>in</strong>schüchtert.<br />

Was <strong>ist</strong> draus gewor<strong>de</strong>n? Nach<br />

gut an<strong>de</strong>rthalb Jahren knutschen<br />

alle noch fröhlich vor sich h<strong>in</strong> und<br />

wenn jemand dabei erwischt wird, <strong>ist</strong><br />

lediglich e<strong>in</strong> lautes „Knutschverbot!“<br />

gefolgt von e<strong>in</strong>em Lacher zu hören.<br />

Mittlerweile gab es sogar e<strong>in</strong>en Rap<br />

auf <strong>de</strong>m Ab<strong>ist</strong>reich über <strong>das</strong> „Knuknu-Knutschverbot“.<br />

Der Löwe schlummert <strong>de</strong>rweil<br />

weiter <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Höhle. Vermutlich<br />

brütet er schon über se<strong>in</strong>em neuestem<br />

Produkt: E<strong>in</strong>em Berührungs-<br />

o<strong>de</strong>r Anlächel-Verbot. O<strong>de</strong>r e<strong>in</strong><br />

Leseverbot solcher Zeilen…?

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