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DIE BEWEGTE WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG DER LETZTEN JAHREN HAT DIE VERWENDUNGSHÄUFIGKEIT DES<br />
WORTES „KRISE“ DRASTISCH STEIGEN LASSEN. WAR ANFANGS NOCH ALLGEMEIN VON EINER „BANKENKRISE“ DIE<br />
REDE, SPRACH MAN BALD VON EINER „KREDITKRISE“ BZW. „LIQUIDITÄTS-“ ODER „REFINANZIERUNGSKRISE“. DIESE<br />
SEIEN, SO WAR SPÄTER IN DEN FEUILLETONS ZU LESEN, FOLGE EINER „REGULIERUNGSKRISE“, EINER „VERTRAU-<br />
ENSKRISE“ ODER GAR EINER UMFASSENDEN „BANKENSYSTEM-KRISE“.<br />
Später, als die symbiotischen Beziehungen zwischen<br />
den kreditfinanzierenden Banken und den überstrapazierten<br />
Staatshaushalten noch deutlicher zu Tage<br />
traten, wurde das Krisen-Vokabularium nochmals<br />
erheblich erweitert. Heute werden bereits „Staats-<br />
und Staatsfinanzierungskrisen“, „Wirtschafts- oder<br />
Wachstumskrisen“ oder überhaupt eine „Krise des<br />
Wohlfahrtsstaates“ konstatiert. Die Liste dieser<br />
Komposita ließe sich leicht fortsetzen. Dass sie<br />
laufend länger wird, dokumentiert unter anderem<br />
auch die Ratlosigkeit der wirtschaftswissenschaftlichen<br />
und wirtschaftspolitischen Akteure. Nimmt<br />
man deren Anspruch, wirtschaftliche Zusammenhänge<br />
und Abläufe zu verstehen und in diese allenfalls<br />
steuernd eingreifen zu können, für bare Münze,<br />
dann ist die Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008<br />
vor allem auch eine ernsthafte Krise der heutigen<br />
Wirtschaftswissenschaften. Vor diesem Hintergrund<br />
wird verständlich, warum das Interesse an alternativen<br />
Forschungsprogrammen im Allgemeinen und an<br />
der Österreichischen Schule der Nationalökonomie<br />
im Besonderen so deutlich zugenommen hat.<br />
In einem Rückblick ist daran zu erinnern, dass sich die Schule<br />
nach einer langen, annähernd 50jährigen wissenschaftlichen<br />
Blüte in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts mit ihren<br />
theoretischen Grundannahmen immer mehr im Widerspruch<br />
* ) Der folgende Beitrag ist die gekürzte und überarbeitete Wiedergabe eines Kapitels<br />
aus Eugen Maria Schulak / Herbert Unterköfler, Die Wiener Schule der Nationalökonomie.<br />
Eine Geschichte ihrer Ideen, Vertreter und Institutionen, herausgegeben<br />
von Hubert Christian Ehalt für die Wiener Vorlesungen, Dialogforum der Stadt Wien,<br />
Verlag Bibliothek der Provinz, 2. Auflage, Weitra 2010<br />
GA ➛ Nummer 1/2011 ➛ Die Renaissance der Österreichischen Schule der Nationalökonomie<br />
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zum herrschenden Zeitgeist gestellt sah. Heilsversprechende,<br />
kollektivistische Ideologien von rechts oder links bestimmten<br />
zusehends die Politik, die Gesellschaft und das intellektuelle<br />
Leben in Europa. Selbst in de-mokratisch gebliebenen<br />
Staaten war dieser Trend derart wirkmächtig, dass der anmaßende<br />
Anspruch von John Maynard Keynes (1883-1946), das<br />
künftige Wohl der Menschheit sichern zu können, eine eifrige<br />
Anhängerschaft fand. Als nach dem Anschluss 1938 die<br />
Österreichi-sche Schule schließlich unter äußerer Gewalteinwirkung<br />
zerfi el, befand sie sich bereits in einer akademischen<br />
Außenseiterrolle. Nach dem Zweiten Weltkrieg schienen die<br />
Ideen der Schule jegliche Strahlkraft und Aktualität verloren<br />
zu haben. Die Politik in den westlichen Ländern orientierte<br />
sich an den Ideen des Wohlfahrtsstaates und wurde<br />
von Volkswirtschaftern sekundiert, die eine Gesellschaft im<br />
Überfl uss (Galbraith 1959) versprachen.<br />
Heyek und Mises<br />
Es waren Friedrich A. von Hayek und vor allem Ludwig von<br />
Mises, die das Erbe der Österreichischen Schule in der neuen<br />
(amerikanischen) Umgebung nicht bloß am Leben zu erhalten<br />
vermochten, sondern mit einigen Mitstreitern und neuen<br />
Schülern sogar weiterentwickeln konnten. Hayek gewann<br />
in seiner Zeit an der London School of Economics Ludwig<br />
Lachmann (1906-1990) und George L.S. Shackle (1903-1992)<br />
als Schüler. Als er 1949 nach Chicago berufen wurde, wandte<br />
er sich jedoch vor allem dem Studium der institutionellen<br />
Rahmenbedingungen einer freien Gesellschaft zu und wurde<br />
den „Social Thoughts“ und nicht mehr den Wirtschaftswissenschaften<br />
zugerechnet (vgl. Boettke 1994, 613).