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GA ➛ Nummer 1/2011 ➛ Die Renaissance der Österreichischen Schule der Nationalökonomie<br />
Im Unterschied dazu arbeitet Ludwig von Mises nach seiner<br />
Ankunft in den USA in seinem angestammten Metier weiter.<br />
Als 64-Jähriger erhielt er 1945 eine Gastprofessor an der<br />
New York University, die er bis ins hohe Alter von 87 Jahren<br />
aktiv ausübte. Die Resonanz auf seine ersten beiden in den<br />
USA verlegten Bücher (Omnipotent Government, 1944 und<br />
Bureaucracy, 1944) war bescheiden. Human Action (1949)<br />
wurde jedoch ein großer Erfolg (vgl. Hülsmann 2007, 883-<br />
888). Wie schon 25 Jahre zuvor in Wien, gelang es Mises in<br />
New York abermals, einen nachhaltig wirksamen Schülerkreis<br />
um sich zu versammeln. Aus diesem ging etwa Israel<br />
M. Kirzner (geb. 1930) hervor, der in Market Theory and the<br />
Price System (1963), Methodological individualism, Market<br />
Equilibrium, and Market Process (1967) und Competition<br />
and Entrepreneurship (1973) eine umfassende Markt- und<br />
Unternehmertheorie vorlegte, welche die endogene Tendenz<br />
einer Volkswirtschaft zum Gleichgewicht mit Hilfe des<br />
unternehmerischen Handelns erklärte. Ein anderer Schüler,<br />
Hans F. Sennholz (1922-2007), übersetzte viele Schriften von<br />
Mises ins Englische und trug so zur frühen Verbreitung der<br />
geldtheoretischen Positionen der „Österreicher“ in den USA<br />
bei.<br />
Murray N. Rothbard<br />
Der bedeutendeste Mises-Schüler in der Neuen Welt wurde<br />
Murray N. Rothbard (1926-1995), später Professor an der<br />
University of Nevada in Las Vegas. Bereits mit seinem zweibändigen<br />
Frühwerk Man, Economy and State (1962) konnte<br />
Rothbard die Ansätze seines Lehrers insbesondere in der<br />
Geldtheorie, der Monopoltheorie und der Zins- und Kapitaltheorie<br />
weiter vertiefen. In America’s Great Depression<br />
(1963) legte er mit fundierten wirtschaftstheoretischen und<br />
historischen Kenntnissen dar, über welche Kanäle die für den<br />
künstlichen Boom in den „Goldenen 20ern“ verantwortlich<br />
zeichnende Infl ationierung vonstatten ging, die dann unvermeidlich<br />
im Börsencrash von 1929 mündete. Diese Deutung<br />
widerspricht bis heute der vorherrschenden, keynesianisch<br />
gefärbten Interpretation des „Schwarzen Donnerstags“. Mit<br />
seinem dogmenhistorischen Werk An Austrian Perspective<br />
on the History of Economic Thought (1995) legte Rothbard<br />
eine umfassende ökonomische Theoriegeschichte aus dem<br />
Blickwinkel der „Austrians“ vor. Immer wieder kritisierte<br />
er die aggressive Außenpolitik der USA, die Ausdehnung<br />
des Staates sowie die Beschneidung der Freiheitsrechte und<br />
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wurde so zu einem radikalen Vertreter der libertären Bewegung.<br />
Ungeachtet der wachsenden Schülerzahl galten bis Mitte<br />
der 60er Jahre die Austrians, vertreten durch Hayek oder<br />
Mises, den meisten etablierten Ökonomen bloß als historisches<br />
Relikt. Für die Vertreter der Schule waren die 50er<br />
und 60er Jahre „years in the wilderness“ (Zijp 1993, 73).<br />
Sie waren eine kleine Minderheit im akademischen Leben,<br />
deren wissenschaftliche Denkweise mit dem neoklassischen<br />
Paradigma inkompatibel war. Die drei Grundannahmen der<br />
Neoklassik (rationales Optimierungsverhalten, fi xe Präferenzordnung<br />
und Gleichgewicht), standen damals wie heute<br />
den Ausgangspositionen der Austrians (zweckgerichtetes<br />
Handeln, individuelle Präferenzen und dynamische Prozesse)<br />
diametral entgegen (vgl. Boettke 1994, 602 und 604).<br />
Darüber hinaus lehnten die Austrians eine mathematische<br />
Behandlung nationalökonomischer Probleme grundsätzlich<br />
ab, denn „im Gebiete des Handelns“ gäbe es „keine Maßeinheit<br />
und kein Messen“ (vgl. Mises 1953, 663).<br />
Bei der Wiedergeburt der<br />
Österreichischen Schule als<br />
Modern Austrian Economics<br />
spielten eine Reihe von historischen<br />
Rückbesinnungen auf die zentralen<br />
Protagonisten und die wesentlichen<br />
Themen der Schule eine nicht<br />
geringe Rolle.<br />
So erinnerte 1967 der einfl ussreiche englische Ökonom John<br />
Richard Hicks (1904-1989) an die entscheidenden Auseinandersetzungen<br />
zwischen Hayek und Keynes zu Beginn der<br />
30er Jahre, die er als „wirkliches Drama“ bezeichnete, und<br />
rehabilitierte Hayeks damals unterlegene Position (Hicks<br />
1967, 203). Ein Jahr später gab Hayek die gesammelten<br />
Schriften von Carl Menger in vier Bänden heraus (Hayek<br />
1968). Die 100-Jahr-Feier zur Veröffentlichung von Carl Mengers<br />
Grundsätze 1971, die Würdigungen von Mises’ Lebenswerk<br />
anlässlich seines Todes 1973 sowie Hayeks Nobelpreis