GA ➛ Nummer 1/2011 ➛ Politischer Wandel Rahim Taghizadegan Politischer Wandel 8
GESELLSCHAFT, WIRTSCHAFT UND STAAT BETRACHTET DIE ÖSTERREICHISCHE SCHULE NICHT ALS MYSTISCHE, SELBSTSTÄNDIGE WESEN, DAHER AUCH NICHT ALS BESTIEN, DENEN WIR AUSGELIEFERT SIND, SONDERN ALS KOM- PLEXE ERGEBNISSE DES HANDELNS DER MENSCHEN. DIE ERSTE KONSEQUENZ DIESES GEDANKENS LIEGT DARIN, DIE GROSSEN WORTE, DIE S CHÖNEN ABSICHTEN UND INSBESONDERE DIE POLITIK ETWAS WENIGER ERNST ZU NEH- MEN. ES GILT DIE MAHATMA GANDHI ZUGESCHRIEBENE EMPFEHLUNG: SEI SELBST DIE VERÄNDERUNG, DIE DU IN DER WELT SEHEN WILLST. Veränderung ist niemals kostenlos und daher selten bequem. Die Ausreden, man könne nichts verändern, weil es dafür nicht genügend Zustimmung, Geld, Zeit gäbe, sind allzu bequeme Vorwände. Ludwig von Mises erkannte: „Aller Fortschritt der Menschheit vollzog sich stets in der Weise, dass eine kleine Minderheit von den Ideen und Gebräuchen der Mehrheit abzuweichen begann, bis schließlich ihr Beispiel die anderen zur Überzeugung der Neuerung bewog. Wenn man der Mehrheit das Recht gibt, der Minderheit vorzuschreiben, was sie denken, lesen und tun soll, dann unterbindet man ein für alle Male allen Fortschritt.“ Die Betonung des Unternehmertums durch die Österreichische Schule drückt eine nüchterne Bevorzugung des Bessertuns anstelle des bloßen Besserwissens aus. Und dennoch misst die Österreichische Schule dem Wissen ganz entscheidende Bedeutung bei. Gemeint ist allerdings weniger die Anhäu fung von Fakten, sondern es geht darum, das zu sehen, was andere übersehen. Wir sind letztlich geistige Wesen. Ideen – unsere Vorstellungen von der Welt – prägen unser Handeln. Darum stellt den ersten Schritt zum Bessertun ein besseres Verständnis der Realität dar. Das bedeutet nicht, dass man alles wissen muss, bevor man handeln kann. Zum Glück stehen uns so viele, für sich genommen scheinbar 9 GA ➛ Nummer 1/2011 ➛ Politischer Wandel unbedeutende, aber in Summe so bedeutsame Möglichkeiten zum Handeln offen, dass jeder an seinem kleinen Stück Welt üben kann. Gerade weil in der Zukunft eine neue Praxis, ein neues Handeln erforderlich sein wird, ist es wesentlich praktischer, sich die Muße zur Theorie zu gönnen, als den widersprüchlichen Rezepten der Gegenwart zu folgen. Um uns unsere entfremdete Welt wieder anzueignen, müssen wir mit den Augen eines Kindes oder Philosophen durch die Welt gehen lernen. Es gibt so vieles zu entdecken, zu hinterfragen, auszuprobieren! Weil jeder von uns nur über einen kleinen Ausschnitt des Wissens verfügt und wir im Vorhinein nicht wissen, was sich bewähren wird, sind die Wissensteilung und die Fähigkeit zu lernen von so großer Wichtigkeit. Daraus leiten sich die politischen Empfehlungen der Österreichischen Schule ab. Anstelle der Zentralisierung von Entscheidungen bei wenigen, die weit entfernt von den konkreten Verhältnissen sind, betonen die Österreicher die persönliche Verantwortung, die sich darauf beschränkt, was reale Menschen absehen können. Die Konsequenz wären wesentlich kleinere politische Einheiten. Womöglich – und das erhoffen viele der jüngeren „Austrians“ – könnten solche Einheiten vollkommen auf der freiwilligen Einsicht der Menschen beruhen, weil sie sich mit ihnen identifi zieren können, und würden gänzlich ohne die