Die historische Scherer-Bünting - Orgelbauverein
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3. 1555: Jakob <strong>Scherer</strong> baut die Orgel um<br />
Er arbeitete mit zwei Gesellen an der Orgel.<br />
Was auch immer der Grund für die Neustrukturierung der Möllner Orgel gewesen sein mag, die Qualität der gotischen Pfeifen kann es nicht gewesen<br />
sein, denn diese ist auch heute noch über jeden Zweifel erhaben.<br />
Leicht ersichtlich, verlangte die inzwischen hochentwickelte Polyphonie der Renaissance nach eigenständigen Stimmführungen. Linien sollten mittels<br />
verschiedener Klangfarben darstellbar werden. Das Pedal erhielt neben seiner immer noch vorherrschenden cantusfirmus-Funktion nun auch<br />
baßunterstützende Aufgaben.<br />
Hierfür waren neumodische Register mit zeitgemäßem Klang gewünscht (z. B. die Zungenregister), gerade auch im Pedal, und das Pedal mußte<br />
eigenständig werden, nunmehr endgültig vom Manual abgekoppelt.<br />
Stellwagen spricht in seinem Bericht von Pedalladen im Plural, also wahrscheinlich von zweien. Jedoch ist es nach seiner Aussage scheinbar so, daß nur<br />
eine den seitlichen Zugang zu den Pfeifen des Wercks verhinderte.<br />
Das läßt vermuten, daß <strong>Scherer</strong> zwei neue Pedalladen baute und diese jeweils links und rechts der wahrscheinlich ebenfalls neuen Manuallade des Wercks<br />
plazierte. <strong>Die</strong> Pedalladen waren dabei entweder chromatisch angelegt, oder es handelte sich um Großpedal auf der einen Seite uns Kleinpedal auf der<br />
anderen.<br />
Auch wenn das ungewöhnlich erscheint, nur so lassen sich die beiden scheinbar konträren Aussagen von Stellwagen in Einklang bringen, die Pedalladen<br />
müßten neu gebaut werden und er wolle die Stimmen, die auf der einen Seite des Wercks stehen (mangels anderer vorhandener Werke in der Orgel also<br />
die des Pedals) von oben nach unten setzen, damit es mehr Raum oben gebe und man die Pfeifen des Wercks auch von beiden Seiten erreichen könne.<br />
Er sagt nichts über Pedaltürme, sei hier angemerkt.<br />
<strong>Die</strong> gotischen, altmodischen, Pfeifen wanderten bei <strong>Scherer</strong>s Aktion hauptsächlich ins Pedal und somit fehlten diese Pfeifen im Manual, insbesondere der<br />
offene 8´. Für <strong>Scherer</strong> wurde also ein Neubau der Manualregister nötig, beginnend mit dem Neubau eines Prinzipal 8´ für das Manual. Selbstverständlich<br />
konnte das nur ein Prospektprinzipal nach der neuen Mode sein.<br />
Der überkommene <strong>Scherer</strong>sche Prospekt legt nahe, daß <strong>Scherer</strong> mit ziemlicher Sicherheit den Mittelteil des gotischen Gehäuses umgestaltete und auch<br />
zugleich das BW mit dem Regal (übernommen von Meister X?) mit einbezog. Der Bau von Pedaltürmen erfolgte nicht, da er das Pedal wie gesagt ja oben<br />
neben dem Werck ansiedelte. <strong>Die</strong> Außenfelder mit den 16´- Pfeifen des Pedals blieben mehr oder weniger so bestehen, wie sie waren und nahmen die<br />
Pfeifen des Pedals auf. Höhe für die ca. 3,6m langen 16´-Becher des Tromettenbas war genügend vorhanden.<br />
<strong>Die</strong> Orgel dürfte zu diesem Zeitpunkt bereits der Lübecker Totentanzorgel (J. <strong>Scherer</strong> 1557) geähnelt haben unter Wegretuschierung des Rückpositivs.<br />
Der Prinzipal 16´ ist nicht Gegenstand des Kontrakts zwischen <strong>Scherer</strong> und dem Möllner Rat. Daher kann man nur vermuten, daß er entweder nicht<br />
Gegenstand des Kontrakts war, weil er ja nicht neu gefertigt bzw. ein- oder umgebaut werden mußte - also nicht kostenrelevant war, oder aber gar nicht<br />
mehr in Funktion war und nur als stumme Fassade diente.<br />
Stellwagen bemängelt in seinem Schreiben das Fehlen eines 16´-Registers im Werck.<br />
Das bedeutet, wenn der Prinzipal 16´ in Funktion war, dann hatte <strong>Scherer</strong> ihn dem Pedal zugeschlagen.<br />
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