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Die historische Scherer-Bünting - Orgelbauverein

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Materialsammlung<br />

<strong>Die</strong> <strong>historische</strong> <strong>Scherer</strong>-<strong>Bünting</strong> Orgel in Mölln – Wege der Rekonstruktion<br />

Symposium 23. – 25. Januar 2009<br />

sodass alle Dur-Terzen zu hoch bleiben. Bekannt sind Schlicks Bemühungen, das Gis zu umgehen,<br />

mit Verzierungen oder Umspielungen.<br />

<strong>Die</strong> Ausarbeitung der gleichschwebenden Stimmung durch Andreas Werckmeister entspricht ebenfalls<br />

ganz eindeutig einem Bedürfnis der Musik. In seinen frühen Schriften (1681-1691) vertritt er noch<br />

sogenannte unregelmäßige Temperaturen. Später (1697-1698) erwähnt er die gleichschwebende<br />

Temperatur als eine der möglichen Lösungen. Noch später (1702-1707) vertritt er die<br />

gleichschwebende Temperatur, die es möglich macht, unbegrenzt zu modulieren und zu<br />

transponieren, durch die enharmonische Verwechslung.<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklung fand innerhalb ca. 30 Jahren statt.<br />

Sehr schnell hat diese letztere Einstellung überhandgenommen und Werckmeisters Temperatur wurde<br />

mit der gleichschwebenden gleichgestellt.<br />

<strong>Die</strong>se verdienstvolle Tätigkeit Werckmeisters wurde später durch Johann Ulrich Sponsel<br />

hervorgehoben und gewürdigt [Orgelhistorie, 1771].<br />

Zurück zu den Anfängen:<br />

Werckmeister schreibt 1697 [Musikalisches Memorial] „daß er schon vor 30 Jahren“ – d. h. ca 1667 –<br />

„an diese Temperatur“ – die Rede ist von der gleichschwebenden Temperatur – „gedacht“ habe. Das<br />

ist einige Jahre vor der Umstimmung der Buxtehude-Orgel in Lübeck. Werckmeister weist darauf hin,<br />

dass „der Weltberühmte Froberger [1616-1667] schon vor etlichen 30. Jahren eine Canzon gesetzet,<br />

da er algemach das thema durch das gantze Clavier in alle 12. Claves transponiret, variiret, und artig<br />

hindurch führet und also durch den Circul der qvinten oder qvarten gehet, bis er wieder in den Clavem<br />

kömmt darinnen er angefangen hat.“<br />

Das entsprechende Werk wurde bisher nicht aufgefunden.<br />

Ferner schreibt Werckmeister, „daß vor 50 Jahren“ – d. h. ca 1647 – „berühmte Musici oberwähnte<br />

Transpositiones gebraucht haben.“<br />

Bevor aber Werckmeister sich zur gleichschwebenden Temperatur bekannte, entwickelte er mehrere<br />

Temperaturen, die im Nachhinein als theoretische Zwischenlösungen auf dem Weg von der<br />

Mitteltönigkeit zur gleichschwebenden Temperatur angesehen werden können.<br />

Der Ausdruck „wohl temperiert“ erscheint zuerst in der Orgelprobe, erste Ausgabe 1681. In der<br />

Abhandlung über die Musicalische Temperatur, 1691, erscheint er nur zweimal (einmal im Titel und<br />

einmal im Text).<br />

Zu bemerken ist, daß das Monochord benützt wurde zur Festlegung der Intervall-Werte, in<br />

Ermangelung reiner Intervalle. Auf den Titelseiten der Traktate erscheint das Wort „Monochord“<br />

geradezu überdimensioniert.<br />

<strong>Die</strong> gleichschwebende Temperatur wurde durch Werckmeister 1707 [Musicalische Paradoxal-<br />

Discourse] wie folgt beschrieben: „Wenn die Temperatur also eingerichtet wird, daß alle Quinten 1/12<br />

Commat: die Tert: maj: 2/3 die min: ¾ Comm. schweben und ein accurates Ohr dieselbe auch zum<br />

Stande zubringen, und zu stimmen weiß, so dann gewiß eine wohl temperirte Harmonia, durch den<br />

gantzen Circul und durch alle Claves sich finden wird. Welches dann ein Vorbild seyn kan, wie alle<br />

fromme und wohl temperirte Menschen mit Gott in stets währender gleicher und ewiger Harmonia<br />

leben und jubiliren werden.“<br />

Winfried Schrammek hat als erster in den Bach-Studien 7 [1982] auf diese Stelle hingewiesen.<br />

Schnell wurde die gleichschwebende Stimmung als die Stimmung Werckmeisters schlechthin<br />

gedeutet. <strong>Die</strong> anderen Versuche, wie z. B. Werckmeister III, wurden bald vergessen. Übrigens möchte<br />

ich fragen: Gibt es einen Beleg, dass je in dieser Zeit eine Orgel nach Werckmeister III gestimmt<br />

wurde?<br />

Es galt „die Werckmeister-Stimmung“ (oder die Stimmung „nach Neidhardt“). Sie wurde als die<br />

wohltemperierte Stimmung ausgegeben.<br />

Wenn schon Froberger Ricercare in Cis-Dur und fis-moll (mit Schlussakkord in Fis-Dur) komponiert<br />

hatte, entstanden nun „harmonische Zirkel“, z. B. von Heinichen oder Sorge, bis hin zum<br />

„Wohltemperierten Clavier“ von Johann Sebastian Bach.<br />

Nun entstanden Stücke in entlegenen Tonarten, die nur durch die Anwendung der gleichschwebenden<br />

Temperatur zu rechtfertigen sind.<br />

<strong>Die</strong> Chromatik erhält eine neue Signifikanz, da nun alle Halbtöne gleich sind, schon bei Froberger.<br />

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