Wladimir Kaminer Ich bin kein Berliner
Wladimir Kaminer Ich bin kein Berliner
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Berlin – eine Arbeiterstadt<br />
In vielen Gesprächen, die ich mit den unterschiedlichsten Leuten<br />
in der deutschen Provinz führte, konnte ich feststellen, dass<br />
Berlin einen schlechten Ruf hat. Man ist der Meinung, nahezu<br />
die gesamte deutsche Industrie befände sich in den südlichen<br />
Bundesländern, während im Norden immer weniger produziert<br />
wird, im Osten nur noch Rotkäppchen-Sekt, und in Berlin schon<br />
gar nichts mehr. Das sei eine Art Spaßstadt, die nur von<br />
Diskotheken, Tourismus und Gaststätten lebe. Die Bewohner<br />
hier seien allesamt Kneipenwirte, arbeitslos oder Studenten, die<br />
nichts anderes im Sinn hätten, als ihre Hauptstadtmacke<br />
auszuleben und ihre Löhne, Sozialhilfen oder Stipendien in den<br />
hauptstädtischen Beizen auf der einen oder auf der anderen Seite<br />
des Tresens zu versaufen.<br />
Das ist doch eine krasse Lüge, dachte ich. Berlin verfügt<br />
durchaus über Industriebetriebe und Fabriken. Hier wird zum<br />
Beispiel Bier gebraut und Katzenfutter hergestellt. Die Qualität<br />
des <strong>Berliner</strong> Theaterbluts ist weltberühmt, der <strong>Berliner</strong><br />
Birkensaft wird sogar nach Russland exportiert. Also wollte ich<br />
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