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Wladimir Kaminer Ich bin kein Berliner

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preiswerte Teppiche, ich dagegen entschied mich für ein<br />

Lammfell, das allerdings teuer war. Die Kaukasier sind doch<br />

Orientalen, sie müssen aufs Feilschen bestehen, dachte ich und<br />

bat eine Frau, die ein schwarzes Kopftuch trug, um eine<br />

Preisermäßigung. Nebenbei bemerkt sahen diese kaukasischen<br />

Felle gar nicht so toll aus. Als Beweis meiner Lammfellkenntnis<br />

roch ich an einem Fell und schnitt eine besorgte Fratze. Die<br />

Verkäuferin lief rot an. Sie riss mir ihr Fell aus der Hand und<br />

zischte, unter <strong>kein</strong>en Umständen, für <strong>kein</strong> Geld der Welt würde<br />

sie mir etwas verkaufen. Außerdem solle ich ihr aus der Sonne<br />

gehen, ich würde sie nervös machen. <strong>Ich</strong> <strong>bin</strong> dann ohne<br />

Lammfell wieder von dem Berg heruntergeklettert.<br />

In Deutschland wird das Handeln und Feilschen dagegen<br />

neuerdings sogar gefördert, Rabattgesetze und jahreszeitliche<br />

Schlussverkäufe werden gekippt, damit die Bürger das ganze<br />

Jahr über grünes Licht für das Feilschen haben. Damit will man<br />

den Wettbewerb beleben. Doch trotz aller offiziellen<br />

Anstrengungen bleibt das Feilschen auch in Deutschland<br />

verpönt. Es ist dem Deutschen nicht bekömmlich, lange zu<br />

handeln, denn alles muss seine Ordnung haben und jedes Ding<br />

seinen Preis.<br />

Die <strong>Berliner</strong> verfallen oft in Extreme: Entweder handeln sie<br />

gar nicht, oder sie machen sich wegen jedem einzelnen Cent<br />

verrückt. Das große Feilschen findet hier nur noch auf<br />

Flohmärkten statt, und selbst in diesen Volkstempeln der<br />

Marktwirtschaft geht das Handeln oft von der falschen Seite aus:<br />

Die Verkäufer drücken die Preise selbst. Gegenüber von<br />

unserem Haus im so genannten Mauerpark, einem Streifen Erde<br />

zwischen Ost und West, baut sich jeden Sonntag ein riesiger<br />

Flohmarkt auf, der von Woche zu Woche größer wird. Kürzlich<br />

erwarb meine Frau dort völlig unerwartet jede Menge<br />

Markenkleider für insgesamt zwanzig Euro. Zwei junge<br />

Mädchen verkauften ihre Abendkleider von Kookaï und Hugo<br />

Boss. Sie wollten fünfzig Euro für die ganze Garderobe haben.<br />

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