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Public Value Bericht des Verbandes Österreichischer ... - Der Standard

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Billige Produkte verschärfen zudem<br />

den Grundsatz »Only bad news are good news!«. Jenseits der<br />

schon bisherigen Boulevardisierung wird der Skandal zum<br />

verlockendsten Element, um die Zeitung zu füllen. Oft ist dabei<br />

die Reduktion der seriösen Politikberichte freilich nicht<br />

den Redakteuren der kostenlosen Blätter vorzuwerfen, sondern<br />

schlicht und einfach Konsequenz eines dramatischen<br />

Per sonal- und Ressourcenmangels. Doch letztlich führen<br />

derartige Entwicklungen zu Medien, die im Bereich der Po-<br />

litikberichterstattung technisch eine Zeitung sind und jour-<br />

nalistisch nicht.<br />

QUALITATIV HOCHSTEHENDE<br />

KAUFZEITUNGEN<br />

Warum jedoch sollte man als Gegenthe-<br />

se dazu unbedingt Geld ausgeben, um eine Zeitung am Ki-<br />

osk oder im Abonnement zu kaufen? Noch dazu zwecks <strong>des</strong><br />

Nachlesens von Politik, die einen zweifelhaften Ruf hat. Doch<br />

ist Politik die – bei uns zum Glück demokratische – Regelung<br />

menschlichen Zusammenlebens, was informierte und mündige<br />

Bürger voraussetzt. Neben dem öffentlich­rechtlichen<br />

Rundfunk garantieren u.a. qualitativ hochstehende Kaufzeitungen<br />

die Chance, ein solcher zu sein.<br />

Zudem sprechen min<strong>des</strong>tens vier Gründe<br />

für die Politikberichterstattung von Kaufzeitungen, welche<br />

zugleich seitens der dahinterstehenden Medienhäuser<br />

als Strategie verfolgt werden:<br />

1. Wir leben in einer politisch immer<br />

komplizierteren Welt. Jedwede Politinformation ist im Internet<br />

theoretisch verfügbar, doch sind wir praktisch überfordert,<br />

angesichts einer kommunikativen Überfrachtung<br />

mit unzähligen Nachrichten diese systematisch auszuwählen<br />

und zu bewerten. Es funktioniert mangels verbreiteter<br />

Medienkompetenz nur sehr bedingt, dass jeder sein eigener<br />

Chefredakteur ist. Zwar sind zwei Informationen über<br />

ein Thema der Politik besser als eine und zehn besser als<br />

zwei. Doch sind 100 Infos auch vorteilhafter als zehn, 1.000<br />

wünschenswerter als 100, 10.000 notwendiger als 1.000? Die<br />

Kommunikationspsychologie weist nach, dass wir im Fall<br />

eines »communicative overload« Themen total verweigern,<br />

was bei Politik und Demokratie eine gesellschaftliche Gefahr<br />

gigantischen Ausmaßes wäre. Dadurch leisten Journalisten<br />

von Kaufzeitungen mehr denn je die zentrale Funktion, als<br />

»gatekeeper« Wichtiges von Unwichtigem zu trennen sowie<br />

die hochkomplexe Wirklichkeit der Politik auf verständliche<br />

Informationspakete zu komprimieren.<br />

2. Zugleich gibt es viele Themen von<br />

politischer Bedeutsamkeit, welche lediglich dank der Arbeit<br />

investigativer Journalisten von Kaufzeitungen überhaupt öffentliche<br />

Aufmerksamkeit erlangen. Das bezieht sich auf die<br />

Rolle von Minderheiten genauso wie die detaillierte Hinter -<br />

grundberichterstattung über politische Ursachen und Wirkungen<br />

anstatt eines Verlautbarungsjournalismus. Gerade weil<br />

käufich erwerbbare Zeitungen nicht mehr Nachrichten als<br />

Neuigkeit per se kommunizieren, versuchen sie mit großer<br />

Thementiefe ihren Anspruch <strong>des</strong> analytischen Erklärens zu er -<br />

höhen. Beispiele sind detaillierte Fakten über Interessenlagen,<br />

welche hinter politischen Entscheidungen stehen, genauso<br />

wie jenseits der Ergebnisse einer Wahl umfassende Debatten<br />

über Wahlmotive, Wählerströme und vieles mehr. Allerdings<br />

steht man hier täglich auf dem schweren Prüfstand, nicht nur<br />

über den politischen Wettbewerb zu berichten, sondern zudem<br />

wirklich über Europa-, Wirtschafts- und Finanz-, Bildungs-,<br />

Gesundheits­, Sicherheitspolitik usw. inhaltlich zu schreiben.<br />

3. Apropos Debatte: Demokratie ist zu ­<br />

gleich der Austausch sachlicher (!) Argumente zu diesen<br />

Themen. Kaufzeitungen sind Meinungsforen, in welchen –<br />

übrigens im Unterschied zu anderswo klar gekennzeichnet<br />

– kommentierende <strong>Bericht</strong>e an Bedeutung gewinnen. Während<br />

durch die jeweils spezifische Medienlogik politische<br />

Kommentierungen im Fernsehen oft auf kurze »sound bytes«<br />

beschränkt sind – der durchschnittliche Beitrag einer Nachrichtensendung<br />

am Hauptabend dauert inzwischen kaum<br />

mehr als eine Minute – und etwa auf Twitter knappe 140 Zeichen<br />

zur Verfügung stehen, gibt es bei Qualitätszeitungen<br />

eine Verlängerung der auf Politik bezogenen Texte und vor<br />

allem Kommentare. Es basiert auf Readerscan­Studien, dass<br />

entgegen einem gängigen Vorurteil Zeitungsleser keineswegs<br />

einen »Häppchen-Journalismus« wollen, sondern im<br />

Gegenteil ausführlichere Argumentationen bevorzugen.<br />

4. Zu guter Letzt machen seriöse Kaufzeitungen<br />

es wahrscheinlicher, dass Medien und deren Journa -<br />

listen unabhängig sind. Zwar ist der Kaufpreis weder für das<br />

finanzielle Überleben einer Zeitung ausreichend – jede Zeitung<br />

benötigt Inserate, auch solche von öffentlichen Institutionen<br />

– noch ein Garant für eine Kultur der Unabhängigkeit.<br />

Doch hoffentlich ist die Tatsache, eine Qualitätszeitung dem<br />

Leser zu verkaufen, min<strong>des</strong>tens ein Symbol. Nämlich ein Zeichen<br />

und gleichermaßen eine innere Verpfichtung dafür,<br />

dass man sich besonders bei der hier extrem sensiblen <strong>Bericht</strong>erstattung<br />

über Politik niemals auf Gegengeschäfte mit<br />

dieser einlässt.<br />

PETER FILZMAIER<br />

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