Public Value Bericht des Verbandes Österreichischer ... - Der Standard
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IN DEUTSCHLAND<br />
Gerd Bucerius war der Gründer und lang <br />
jährige Eigentümer der deutschen Wochenzeitung »Die Zeit«.<br />
Er war bis 1962 auch Mitglied <strong>des</strong> Deutschen Bun<strong>des</strong>tags, in<br />
der christlich demokratischen Fraktion. Aber schon damals<br />
schrieben die Redakteure der »Zeit« ganz sicher nicht an Hand<br />
<strong>des</strong> CDUParteiprogramms, sondern gemäß den von ihnen<br />
recherchierten Fakten und ihren Überzeugungen. Bucerius<br />
war nicht nur liberal genug das zuzulassen, er wusste eben,<br />
dass Pressefreiheit nicht die Freiheit der Eigentümer ist.<br />
Rudolf Augstein, der Gründer <strong>des</strong> »Spiegel«,<br />
war im Herbst 1989 der deutschen Einheit gegenüber<br />
sehr aufgeschlossen. Viele in seiner Redaktion waren anderer<br />
Meinung. Alle kamen zu Wort. Ist es in Hamburg leichter,<br />
liberal zu denken und zu handeln?<br />
IN ÖSTERREICH<br />
Aber glaubt man Peter Michael Lingens,<br />
dem ehemaligen Herausgeber mit klarem Meinungsprofil,<br />
dann gibt es auch in Österreich Eigentümervertreter, die es<br />
aushalten, in ihren Zeitungen anderes als ihre eigene Meinung<br />
zu lesen. Lingens: »In der ›Kronen Zeitung‹ <strong>des</strong> seligen Hans<br />
Dichand ist durch Jahrzehnte nicht ein Text erschienen, der<br />
seiner Meinung widersprach. Im ›profil‹ hat wahrscheinlich<br />
ein Viertel der Meinung Christian Konrads widersprochen.«<br />
»WER DAS GOLD HAT, MACHT<br />
DIE REGELN.« BEI MEDIEN FÜHRT<br />
DIESER GRUNDSATZ IN DIE<br />
MEINUNGSDIKTATUR.<br />
Ein Frank Stronach kann sich das nicht<br />
vorstellen. »Wer das Gold hat, macht die Regeln.« Das soll<br />
beim Fußball so sein, garantiert aber auch dort keinen Erfolg,<br />
bei Medien führt dieser Grundsatz in die Meinungsdiktatur.<br />
Unabhängigkeit von Medien muss aber<br />
auch ein gesellschaftlicher Wert sein. Satt und zufrieden wie<br />
wir sind, setzt das jeder als selbstverständlich voraus. Aber<br />
es ist besser, wenn man sich die wirklich wichtigen Dinge im<br />
Leben erkämpfen muss.<br />
IN DEN USA<br />
<strong>Der</strong> kürzlich verstorbene Eigentümer<br />
der »New York Times«, Arthur Ochs Sulzberger, hat das im<br />
Jahr 1971 erlebt, als seine Zeitung die so genannten Pentagon<br />
HELMUT BRANDSTÄTTER<br />
Papers veröffentlichte. Da ging es um die Vorbereitung <strong>des</strong><br />
Vietnam Krieges, die Staatsmacht witterte Verrat.<br />
NOCH EINMAL DEUTSCHLAND<br />
Oder die »Spiegel« Affäre. Vor genau<br />
50 Jahren wollten Bun<strong>des</strong>kanzler Adenauer und Verteidigungsminister<br />
Strauss das kritische Magazin nachhaltig<br />
einschüchtern. <strong>Der</strong> »Spiegel« hatte auf Grund von internen<br />
Unterlagen die Bun<strong>des</strong>wehr als »bedingt einsatzfähig« bezeichnet.<br />
Herausgeber Augstein und andere Redakteure<br />
wurden verhaftet, alles unter dem Vorwand, einen weiteren<br />
Lan<strong>des</strong>verrat zu verhindern. Was sie wirklich verhindern<br />
wollten war die Pressfreiheit, aber die gesamte deutsche Publizistik<br />
hat sich dagegen gewehrt. Für die demokratische<br />
Entwicklung Deutschlands war das ein zentrales Ereignis.<br />
IN GROSSBRITANNIEN<br />
Auch die Art und Weise, wie das britische<br />
Parlament Rupert Murdoch wegen seiner unjournalistischen<br />
Untaten vorführen ließ, spricht für selbstbewussten<br />
Parlamentarismus. Die Art und Weise, wie sich Premierminister<br />
Blair jahrelang bei Murdoch angebiedert hatte, konnte<br />
damit auch aufgearbeitet werden.<br />
In Österreich gibt es keine Geschichte<br />
<strong>des</strong> Widerstands liberaler Medien gegen den Obrigkeitsstaat.<br />
Was es gab, waren mutige Medien, die immer wieder Skandale<br />
aufdeckten. Von der Politik wurden sie nur insoweit unterstützt,<br />
als es gegen den jeweiligen politischen Gegner ging.<br />
Das Parlament war auch in der Unterstützung von kritischen<br />
Medien immer zu schwach, zuletzt sah es gar so aus, als ob<br />
es von der Regierung kontrolliert wird. So stellt man Verfassung<br />
und Gewaltentrennung gleich mehrfach auf den Kopf.<br />
Bei uns hat Anbiederung von Verlegern<br />
an die Mächtigen traurige Tradition. Das ist nicht durch die<br />
Größe <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> erklärbar und schon gar nicht zu entschuldigen.<br />
Sicher, es ist bei uns schwieriger, mit Medien reich zu<br />
werden, aber warum soll dafür der Staat zuständig sein? Und<br />
warum machen Parteien, die von Gerechtigkeit reden, Reiche<br />
noch reicher? Sie haben offenbar nicht verstanden, dass der<br />
Boulevard Kampagnen statt Journalismus macht und als Verbündeter<br />
höchstens kurzfristig taugt.<br />
Wir Journalisten, die nicht Kaufeute<br />
sein wollen, müssen täglich um die Unabhängigkeit der Presse<br />
kämpfen. Das ist oft mühsam, aber immer lohnend.<br />
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